Worum geht es hier eigentlich? Hinter dem konkreten Fall liegt ein grundsätzlicher Richtungsstreit über die Zukunft der Partei Die Linke. Im Kern dreht es sich um die Frage der Friedenspolitik.
Die Linke ist die einzige Partei im Deutschen Bundestag, die nach ihrer Programmatik eine Friedenspartei ist, Kriege und NATO-Politik entschieden ablehnt und nach ihrem Selbstverständnis Teil der Friedensbewegung sein will. Doch seit 2014 ist dies keine Selbstverständlichkeit mehr.
2014 eskalierte die globale Kriegsdynamik und der Militarismus.
Brzezińskis Machtplan lief auf Hochtouren: der Bürgerkrieg tobte in der Ukraine. Europa und Russland wurden gegeneinander in Stellung gebracht, Eurasien zerrissen. Sanktionen gegen Russland wurden beschlossen, der Euro rutschte ab und die russische Wirtschaft stürzte in eine Krise. Hinzu kam: Raketenabwehrschirm, weitere NATO-Osterweiterung, und massive Truppenverschiebungen und Übungen an der russischen Grenze. Der neue Ostkonflikt wurde festgezurrt. Nebenbei wurde Gaza eingeschlossen und bombardiert, während in Syrien die Großmächte einen Stellvertreterkrieg austrugen.
Das Ganze wurde begleitet von einer selten erlebten ideologischen Kriegsvorbereitung in den Medien: Putin war der neue Satan, und Russland angeblich die große Gefahr für den Weltfrieden. Selten hatte man die deutsche Medienlandschaft so glattgebügelt auf Eskalationskurs erlebt: wer sich für Dialog aussprach, galt als „Putinversteher“. „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns.“
Von der „Friedenspartei“ Die Linke war aber außer einigen guten Reden von Frau Wagenknecht nicht viel zu sehen. Sie und die alten Strukturen der Friedensbewegung, die weitestgehend mit der Linken fusioniert waren, blieben erstaunlich passiv. Diese Passivität erschien als eine Art Fehlfunktion, eine Art „Bug“ im Getriebe der Linken. Doch zeigt sich im Verlauf der Auseinandersetzung, dass diese Passivität der Linken während dramatischer Eskalationen kein Zufall ist, sondern Produkt einer schleichenden und unscheinbaren Veränderung, die nichts Geringeres als die DNA der Linken als Friedenspartei angreift.
Während in dieser Zeit Die Linke nicht viel mehr als Positionspapiere zustande bringt, die kaum jemand außerhalb ihrer Verwaltung wahrnimmt, wächst ein massives Unbehagen in der Bevölkerung: ein deutscher Außenminister, der ukrainischen Nazis die Hand schüttelt, deutsche Panzer 150 Kilometer vor St. Petersburg und Medien, die vollkommen einseitig gegen Russland schreiben.
2014 war auch das Schlüsseljahr für die Krise der Medien. Doch es war mehr, was hier sichtbar wurde: Es ist eine allgemeine Krise der politischen Repräsentation, eine Krise der etablierten Erzählungen und Wahrheiten; eine Krise, die sich auch 3 Jahre später in der Erosion der Parteien der Mitte bei den Wahlen zeigt. Das Publikum rebelliert, die Kommentarspalten explodieren und die alternativen Medien im Internet schießen in den Himmel. NachDenkSeiten erreichen über 100.000 Aufrufe am Tag, KenFM inzwischen fast 60 Millionen bei YouTube. Das Unbehagen bleibt nicht nur im Netz: im Frühjahr 2014 beginnen Menschen auf die Straße zu gehen, ohne eine klare Führung, ohne Partei, ohne Fahnen, verabredet in Facebook. Zehntausende auf der Straße und Millionen, die es auf den Bildschirmen verfolgen: Eine neue Friedensbewegung ist geboren. Es zeigte sich auch sehr schnell, dass diese neue dissidente Subjektivität sehr viele Ähnlichkeiten mit dem aufweist, was wir auf den Plätzen in anderen Ländern erlebt hatten: Man ordnete sich nicht mehr in alte Schemata von Links und Rechts ein und eine starke, systemische Kritik bestimmte das neue, kritische Bewusstsein dieser Generation.
Die neue Bewegung erfuhr den heftigsten medialen Angriff, den es auf soziale Bewegungen in den letzten Jahrzehnten gegeben hatte: Neurechte Querfront, Antisemiten, Verschwörungstheoretiker waren die Schlüsselwörter eines Diskurses, der nichts mit Kritik und Aufklärung zu tun hatte, sondern auf die politische Vernichtung zielte.
Es hatte natürlich Versuche der rechtsradikalen Milieus gegeben, auch auf dieser Welle des Unbehagens mitzureiten. Das ist nichts Neues. 2004, als Menschen spontan – damals noch ohne Facebook und YouTube – gegen Agenda 2010 auf die Straße gingen, waren es Kameradschaften und NPD, die versuchten mitzumarschieren und diesen Unmut für sich zu nutzen. 2014 war es vor allem der Ex-Linke Jürgen Elsässer, der mit seinem Magazin Compact versuchte, die spontane Friedensbewegung für sich zu nutzen und zu kapern (darin aber kläglich scheiterte). Im Netz kursierten alle möglichen Figuren und Denkansätze, die auch an antisemitische und menschenverachtende Ideologien anschlussfähig waren. Deutschland war 2014 auch schon mit PEGIDA schwanger. Die neue, dissidente Menge suchte nach Antworten. Und diese kamen von vielen Seiten.
Der Bannstrahl der Mitte nach links und rechts hatte seine Kraft verloren. Mit der Krise der politischen Repräsentation wächst eine volatile Menge herauf, die sich für antisystemische Antworten von allen Seiten öffnet. Während mit Occupy und in den Straßen Spaniens ein demokratischer und sozialer Zeitgeist weltweit in den Köpfen einzieht, wird aus dem Herzen der Bestie ein „Kampf der Kulturen“ ausgerufen, um nach Außen die westliche Vorherrschaft zu begründen und nach Innen durch Angst zu regieren. Es geht darum, die unteren und mittleren Klassen zu spalten und aufeinander zu jagen.
Von einer linken Friedenspartei erwartet man, dass sie sich in diese Gemengelage einbringt, Dissidenz für den Frieden stärkt, in einem kritischen Dialog mit den neuen Aktivisten Aufklärung betreibt und versucht, von neuen Erfahrungen zu lernen. Doch die Linke war nicht nur passiv, sondern beteiligte sich in ihren offiziellen Beschlüssen an dem politischen Vernichtungsdiskurs gegen die neue Dissidenz. Dabei sind es, wie man es am Beispiel Jutta Dithfurth sehen kann, Instanzen außerhalb der Linken, die der organisierten Linken grundsätzlich feindlich gegenüberstehen, die den Dikurs von außen und gestützt auf Medien in die Partei hineintragen.
Querfront als eine Strategie von Linken mit Rechtsradikalen zusammenzugehen, gegen die Eliten zu kämpfen, gab es in den 30er Jahren, existiert heutzutage aber nicht als reales Projekt in der politischen Landschaft Deutschlands. Es ist eine Schimäre! Was es gibt, ist die immer größer werdende, volatile Menge, eine Erosion der Illusionen über die liberale Demokratie. Ein immer stärker werdendes kritisches Bewusstsein, das in alle Richtungen offen ist. Querfront als Mem ist ein disziplinierendes Instrument, das alles Antisystemische an Geisteshaltungen brandmarkt und zum Feind erklärt. Indem es angeblich nach rechts und links schlägt, trifft es nur links, indem es gerade die Aktivisten und Stellen in die Nähe von Nazis rückt, die dort aktiv sind, wo es wirklich um die Köpfe geht, die im offenen Feld um die volatile Menge ringen: Ken Jebsen, der in Plauen vor eine Menge mit großen Ressentiments gegen Flüchtlinge um Solidarität wirbt, Irmela Mensah-Schramm, die Nazipropaganda dort bekämpft, wo sie stark ist, und Prinz Chaos, der in Südthüringen gegen Rechts kämpft usw.
Der Kampf gegen die Friedensbewegung zielte auch auf die Linkspartei selbst: sie war nicht einfach aus einem Zufall heraus passiv im neuen Ostkonflikt, sie wurde passiv gestellt. Der Angriff von außen wurde mit der Methode der Schocktherapie in den Gremien durchgesetzt: Mit systematischen Fake-News und Lügen-Dossiers aus den Werkstätten der NATO-affinen Thinktanks und neokonservativen Israel-Lobbys wurde eine Stimmung der Angst kreiert. Wer sich gegen die Verurteilungen stellte, war selbst sofort auf der Anklagebank der Querfront. Bevor man sich umsehen konnte, war man ein Nazifreund, der in Zeitungen verleumdet wurde. Ein Netzwerk von Bloggern, Funktionären und Journalisten greift systematisch diejenigen Aktivisten und Politiker der Linken an, deren Position gegen die NATO-Politik als unversöhnlich erscheint. Diese ins rechte Eck zu stellen, soll dadurch höhere Glaubwürdigkeit bekommen, weil es vermeintlich linke Stimmen sind, die diesen Vorwurf in scheinbar liberalen Medien äußern. Bis wohin der Angriff reicht, sieht man in der Zuschreibung der Ikone der Linken Sahra Wagenknecht. Bei aller berechtigten Kritik an ihr, die Zuschreibung ihrer Programmatik wegen ihrer abweichenden Haltung in der Flüchtlingsfrage als „national-sozialistisch“ zu labeln, zeigt genau die Funktionsweise dieses Vernichtungsdiskurses der Querfront.
Der Konflikt ist nicht vorbei und er wird nicht aufhören. Das Ganze hat System und basiert auf der Vorbereitung einer Rot-Rot-Grünen Regierungskoalition in den nächsten Jahren. Es ist völlig klar, dass die SPD und besonders die Grünen an der NATO-Politik festhalten und diese als Menschenrechts-Interventions-Ideologie fest vertreten. Der Auslandseinsatz der Bundeswehr in 16 fremden Ländern wird nicht verhandelbar sein, genauso wie die Bündnistreue zur NATO. Daher ist ein Regierungsprojekt für die Linken nur mit der Veränderung ihrer friedenspolitischen DNA und durch Absetzen und An-den-Rand-Drängen von standhaften Friedensaktivisten in der Partei denkbar.
Das wissen die Realo-Funktionäre der Linken, die schon lange in Gesprächen mit SPD und Grüne-Politikern stehen und an der Vorbereitung einer möglichen Regierungsbeteiligung arbeiten.
Erfreulich ist, dass das friedenspolitische Einfrieren der Linken aus dem Jahr 2014 keinen dauerhaften Erfolg hatte. Die neue Friedensbewegung war in ihrer Substanz zu offensichtlich anders als die Lügen-Dossiers und Erzählungen über die Querfront. Die Beliebigkeit des Vorwurfes griff immer weiter um sich und schweißte die Betroffenen zusammen: neue unberechenbare Allianzen entstanden, getragen von einer humanistischen Grundhaltung einer wachen Menge. Und so erwies sich der erneute Angriff auf KenFM, eines der wichtigsten Portale der neuen Friedensbewegung, als ein dramatischer Boomerang für die kriegsaffinen „Linken“.
Der erneute Schockangriff im Parteivorstand der Linken am vergangenen Wochenende löste eine Welle des Widerstandes aus. Hatten sich 2014 nur 3 Menschen im Parteivorstand der Linken bei der Verurteilung der neuen Friedensbewegung enthalten, waren es dieses mal 12 gegen 18, die sich der Diffamierung entgegenstellten. Das Spiel wird immer offensichtlicher. Der Querfrontantrag zur Verurteilung von 3 Friedensaktivisten der Linken, die sich mit KenFM solidarisiert hatten, kommt ohne die üblichen Fristen als eine versteckte Schock-Attacke in den Parteivorstand.
Die Antragstellerin Karen Ley unterstellte immer wieder der „Friedensbewegung“ Rassismus. Nicht Mahnwachen, nicht Friedenswinter, nicht KenFM. Nein: die gesamte Friedensbewegung ist hier gemeint. Und wieder wird mit den Medien über Bande gespielt: die in der Partei völlig unbedeutende Halina W. bekommt eine große Kolumne in der bekannten transatlantischen Wochenzeitung „Die Zeit“, um mit Fake-News und der Querfront-Keule zur Abwahl der unbequemen linken Politiker aufzurufen. Doch dieses Mal ist der Widerstand enorm. Als im Antrag 3 Linkspartei-Politiker namentlich verurteilt werden sollten, riefen andere Vorstandsmitglieder: „Dann schreibt mich auch drunter“, „Ja, mich auch“, „Und mich auch“.
Während die Protagonisten des Querfront-Diskurses, die Verleumder, einen massiven Shitstorm aus der Basis zu ertragen haben, erfahren die Friedenspolitiker, die Widerstand geleistet haben, enorme Zustimmung und Solidarität im Netz – aus allen Teilen der Partei. Oskar Lafontaine, der Gründungsvater und langjährige Chef der Linken solidarisiert sich öffentlich mit KenFM und zuguterletzt entscheiden die Gerichte in Berlin eine Woche vor der Preisverleihung, dass die Absage des Kinos nicht rechtens war. Der Super-Gau für Klaus Lederer! So werden am kommenden Donnerstag, dem 14.12., Teile der Friedensbewegung vor den Toren des Kulturministers demonstrieren, während kurz darauf Ken Jebsen im Kino Babylon, wie ursprünglich geplant, seinen Preis für engagierten Journalismus empfangen wird. Der Krieg gegen den Frieden in der Partei Die Linke ist noch lange nicht vorbei. Aber der Wind hat sich gedreht. Mut und Solidarität brechen die Angst, die die Gegner der Friedensbewegung – die Gegner des Friedens – in die Partei getragen haben.
Wir sehen uns auf der Straße.
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