Erinnern Sie sich an die Zeit vor genau einem Jahr: Welche Themen standen zum Jahresanfang für Sie im Vordergrund? Welche Wünsche hatten Sie? Vielleicht lag Ihnen die Rettung der Ökosphäre am Herzen — denn 2019 war „Greta-Jahr“ gewesen. Vielleicht erhofften Sie eine Aufbesserung der Renten und das Ende der Amtszeit Donald Trumps. Vielleicht machten Sie sich über die noch immer desaströse Situation der Flüchtlinge in griechischen Auffanglagern Gedanken oder über die Frage, wer der nächste deutsche Kanzler würde.
Sicherlich nicht auf Ihrer persönlichen Agenda stand jedoch eine weitere Öffnung der Schere zwischen Arm und Reich, also Vermögenszuwächse für die Größtverdiener, das weitere Abrutschen der Armen ins Elend, die Erosion des Mittelstands, die Zerstörung tausender Kleinunternehmen, inhabergeführter Läden und freiberuflicher Existenzen. Genau dies ist aber im Jahr 2020 geschehen. Es geschieht Anfang 2021 weiter und wird sich fortsetzen. Es war den politisch Verantwortlichen offenbar wichtig, dass es so kommt, und wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg.
Dieser Weg zeigte sich vor allem in Gestalt der sogenannten Corona-Maßnahmen. Hat — abgesehen von einigen Wahnsinnigen und profitgeilen Großakteuren — irgendjemand diese Entwicklung gewollt? Vermutlich nicht. Dennoch ist es geschehen. Und trotz einer mittelgroßen Protestbewegung, die sich im letzten Jahr erhob, hat die Bevölkerung als Kollektiv dies mit sich machen lassen.
Buffets entlarvende Aussage
Viele kennen die Aussage des lange Zeit reichsten Mannes auf diesem Planeten, Warren Buffet, der den Klassenkampf als wichtigsten Konflikt unserer Zeit charakterisiert: „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“ Genau dies geschieht derzeit.
Viele von uns können es wohl noch immer nicht glauben, dass „die Reichen“ es nicht bei der derzeitigen, für sie ohnehin komfortablen Situation bewenden lassen. Sie verstehen nicht, warum diese sich — finanziell ohnehin schon stark übergewichtig — noch weiter mit Geld mästen wollen, das an der Basis der gesellschaftlichen Pyramide an allen Ecken und Enden fehlt.
Wenn unsereins sich das so schwer vorstellen kann, dann nur, weil uns die Mentalität dieser Menschen völlig fremd ist. Wir gehen bei der Betrachtung der „Eliten“ von unserer eigenen Wesensart aus und denken: „Wenn ich mir sowieso schon ein komfortables Haus leisten kann, luxuriöse Ferien, teure Restaurantbesuche, einen Hochklasse-Wagen, Dienstboten vielleicht wie in der beliebten Serie „Downton Abbey“ — wozu dann noch mehr Geld aufhäufen, anstatt das schon vorhandene zu genießen?“
Die Mehrheitsgesellschaft hat den Siegeszug der Superreichen verschlafen, hat sich von den Champagner-Schlürfern die Butter vom Brot nehmen lassen.
Ein Grund hierfür besteht darin, dass wir es nicht mehr gewöhnt sind, in den Kategorien von „Klassenkampf“ zu denken. Die oberen Klassen und „ihre“ Medien haben es geschafft, die elementaren Selbstbehauptungsregungen der abhängig Beschäftigen, der Prekären und Geringverdiener „uncool“ aussehen zu lassen. Klassenkampf? „Wir haben ja gesehen, wohin das geführt hat in der DDR: Mauer und Schießbefehl! Nee, der Traum ist ausgeträumt. Wir wissen doch alle, was wir an unserem Alternativlos-Kapitalismus haben. Er ist nicht perfekt, gewiss — aber schließlich hat noch niemand ein besseres System erfunden.“ Ich erinnere mich gut an eine Zeitungs-Karikatur aus der Zeit der „Wende“ (1989/1990). Ein Cartoon-Männchen, das wohl Karl Marx darstellen sollte, sagte darauf kleinlaut und entschuldigend: „Sorry, Leute, war nur so ‘ne Idee.“
Resignierte Unterschicht
Die Unter- und Mittelschichten haben den Klassenkampf aufgegeben und mit ihm die ganze Denkweise in Kategorien von „oben“ und „unten“, „die“ und „wir“. In der befriedeten Gesellschaft gehören wir doch alle zusammen — in der Firma ziehen alle an einem Strang. Gewerkschaften, SPD und Grüne sind zu einem politischen Kastratenchor geworden. „Kommunisten“ aber sind irgendwie böse, denn wer Gerechtigkeit will, muss ein Gulag-Befürworter sein. „Das Kapital hat längst seine Gewerkschaft, und die Gewerkschaft hat ihr Kapital“, sang der verstorbene Werner Schneyder in einem Chanson. Und, ja: Die parlamentarische „Linke“ agiert derart unglaubwürdig — speziell in der Corona-Krise —, dass man zynisch werden könnte.
„Links und rechts sind überholte Kategorien“, hört man gerade in der Corona-Skeptiker-Szene. Sind sie vermutlich auch. Zumindest teilweise. Überhaupt nicht „überholt“ ist dagegen ein anderes Gegensatzpaar: oben und unten. Während die Menschen „unten“ aufgehört haben, für ihre Interessen einzutreten, stritten die Kräfte, die eher „oben“ angesiedelt sind, für die ihren mit unverminderter Hartnäckigkeit. Während der Klassenkampf von unten längst befriedet ist, tobt der Klassenkampf von oben unvermindert weiter. Und er ist erfolgreich.
In Fritz Langs genialem Stummfilm „Metropolis“ von 1927 heißt es am Ende: „Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein.“ Gemeint ist: Unternehmensführung und Arbeitende sollten einander in Liebe und Versöhnung begegnen. Klingt schön. Dazu aber müssten die Leute in der Oberstadt erst mal ein Herz haben. Fehlt dies, prallen Warmherzigkeitsergüße von „unten“ an einer Wand emotionaler Kälte ab, mit der die Reichen sich vor hereinströmendem Gesindel zu schützen versuchen.
Unterdessen vegetiert man in der Unterstadt leidlich zufrieden vor sich hin, tröstet sich mit kleinen Fluchten — dem Trost der Gifte und gestreamten Träume — verweist darauf, dass all das ja schließlich Demokratie und somit legitim sei und dass immerhin theoretisch die Chance bestünde, dass dermaleinst die „richtige“ Partei an die Macht kommen wird.
Die Gleichheitskatastrophe
Es ist zwar verständlich, wenn die Vorgänge rund um Corona von Kritikern vor allem als eine Freiheitskatastrophe analysiert worden sind — ich selbst habe diesen Schwerpunkt in vielen Artikeln ebenfalls gesetzt —; falsch wäre es aber, zu übersehen, dass sie begleitet wird von einer Gleichheitskatastrophe, dem schlimmstmöglichen Szenario auf dem Gebiet der sozialen Gerechtigkeit. Beide Aspekte bedingen und ergänzen einander. Fehlt die Freiheit, kann die soziale Selbstbehauptung der Arbeitenden unterbunden, zumindest behindert werden; fehlt die Gleichheit, so sind die Menschen auf den unteren Etagen des sozialen Gebäudes nicht mehr frei, ihre Lebensverhältnisse selbst zu wählen.
Ein einfaches Beispiel: Hartz-IV-Betroffene leben schon lange in einem sehr engen Rahmen, kommen selten über den Bewegungsradius von 15 Kilometern von ihrer Wohnung hinaus — nicht, weil die Polizei sie an den Grenzen des erlaubten Gebiets verhaften würde, sondern, weil das Geld für Fahrten mit PKW und öffentlichen Verkehrsmitteln fehlt.
Nebenbei bemerkt: Für überzeugte Corona-Maßnahmen-Befürworter ist sowohl der Freiheits- als auch der Gleichheitsaspekt zweitrangig — mit bestimmten Einschränkungen bei der Partei „Die Linke“. Diese beklagt das Sponsoring von Großkonzernen wie Lufthansa und fordert eine Umverteilung von Staatsgeldern an Geringverdiener und Arbeitslose.
Leitbild unserer Epoche ist der in seiner Wohnungs-Einzelzelle isolierte, finanziell aufs Existenzminimum beschränkte, jedoch keinesfalls an Corona erkrankte bescheiden-fügsame Staatsbürger.
Ein solcher ist für Regierungen auch leichter handhabbar, weil er strukturell rebellionsunfähig geworden ist — psychisch längst demoralisiert, von schlechten Lebensmitteln und Bewegungsmangel gesundheitlich geschwächt und zu finanzschwach, um auch nur das Ticket zur nächsten Demo bezahlen zu können.
Entwicklungshilfe für die Superreichen
Werden wir konkreter: Während Corona eine Pleitewelle und soziale Verwerfungen ohnegleichen zu verursachen droht, konnten nicht wenig US-amerikanische Milliardäre ihr Vermögen noch einmal drastisch steigern. Eine Aufstellung des Portals Blauer Bote zeigt in grafischer Aufbereitung, in welchem Ausmaß dies geschah. In einem Zeitraum von März bis Dezember 2020 wuchs das Vermögen der Nummer 1 der Reichenliste, Jeff Bezos, von 113 auf 187 Milliarden US-Dollar. Elon Musk steigerte seinen Reichtum gar von 25 auf 154 Milliarden und tat somit den größten Sprung vorwärts, eine Vermögenssteigerung um 524 Prozent.
Nun wird es interessant, weil wir zu zwei „Internet-Giganten“ kommen: Bill Gates, Impfpapst unserer Epoche: von 98 auf 120 Milliarden. Marc Zuckerberg, der Verramscher der menschlichen Kontakt- und Selbstdarstellungsbedürfnisse, von 55 rauf auf 102 Milliarden. Da wirkt Warren Buffet geradezu bescheiden: Vermögenszuwachs von 68 auf 85 Milliarden. Ich erinnere mich — nebenbei bemerkt — noch gut daran, wie ich gestaunt habe, als ich erfuhr, dass Buffets Vermögen vor Jahren auf 46 Milliarden geschätzt wurde. Damals war er noch die Nummer 1 auf der Forbes-Liste.
Lassen wir an dieser Stelle beiseite, wie die Genannten — ich habe ja längst nicht alle Milliardäre genannt, die in der Corona-Krise „zugelegt“ haben — zu ihrem Vermögenszuwachs kamen. Bei den Internet-Giganten Bezos, Gates und Zuckerberg liegt dies nahe. Ich werde aber auf die grundlegenden Mechanismen der Reichenspeisung noch zurückkommen. Zusammenfassend kann man sagen: Während seit Frühjahr 2020 so vieles verfällt — die Freiheitsrechte wie der Zusammenhalt in der Gesellschaft — und unzählige Menschen in den Abgrund der Insolvenz fallen, steigen diese Leute auf wie ein mit Gas gefüllter Ballon.
Das Sterben der Einzelhändler
Schon am 4. Januar 2021 hatte der Handelsverband HDE in einem Brandbrief an Bundeskanzlerin Merkel gewarnt: Ohne rasche Hilfe stünden 50.000 Geschäfte mit geschätzt 250.000 Mitarbeitern vor dem Aus. Bei einer Schnellumfrage unter Kaufleuten stellte sich heraus, dass drei Viertel ihre berufliche Existenz in Gefahr sehen. Auch die staatlichen Hilfen, die teils zu spät tröpfeln, teils sehr ungerecht verteilt sind, reichen nach Angaben sehr vieler Geschäftsinhaber nicht aus. Nach Schätzungen des Ifo-Instituts ist allein im Monat Dezember die Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Menschen um 55 Prozent gestiegen. 150.000 Menschen waren beziehungsweise sind betroffen.
Viele City-Standorte stehen vor dem Aus. Verwaiste Innenstädte dürften zum Normalfall werden, während ehemals dort residierende, durchaus engagierte und leistungsfähige Einzelhändler in die Randbezirke ausweichen oder sogar auf Hartz-IV-Niveau herabsinken werden. „Viele Einzelhändler und große Handelsketten warnen, dass sie ihre Mieten nicht mehr lange zahlen können“, sagte Burkhard Jung, Präsident des Städtetags. Die Pleitewelle rollt. Der Vorstoß des Handelsverbands war eine Art letzter Versuch, sie aufzuhalten. Seither haben wir nicht etwa eine Rücknahme der „Maßnahmen“ — speziell des fast flächendeckenden und schädlichen Berufsverbots für Ladeninhaber erlebt; wir haben eine Verschärfung sowie in dieser Woche eine Verschärfung der Verschärfung erlebt.
Selektives Mitgefühl
Das Mainstreamblatt Welt dem diese Informationen entnommen sind, zweifelt „natürlich“ ebenso wenig wie der HDE die Corona-Politik der Regierenden als Ganzes an. Ähnlich wie bei der Bewegung Not leidender Künstler, „Alarmstufe Rot“, wird lediglich angestrebt, Steuergelder in die eigenen Taschen zu lenken — in der menschlich verständlichen Absicht, sich vor einem unverschuldeten und katastrophalen Absturz zu schützen. Eingebettete Organisationen, wenn sie sich überhaupt einmal zu Kritik aufschwingen, formulieren nie grundsätzlich — sie fordern mit schneller Nadel gestrickte Umverteilungsaktionen zu ihren Gunsten und ohne Berücksichtigung der langfristigen Folgen.
Dennoch sind diese Zahlen, die ja nicht aus dem ohnehin „coronaskeptischen“ Milieu stammen, ein Alarmsignal. Und ich füge hinzu: Warum eigentlich meinen die Verantwortlichen, dass eine bestimmte Form von Leid, wie sie durch eine Corona-Infektion verursacht wird, um buchstäblich jeden Preis vermieden werden solle, während man über soziales Leid, selbst wenn dieses epidemische Ausmaße annimmt, achselzuckend hinweg geht?
Ein sehr selektives Mitgefühl ist hier am Werk. Was mich wiederum zu der Annahme führt, dass Mitgefühl bei der derzeitigen Corona-Politik überhaupt keine entscheidende Rolle spielt — vielmehr eine ganz andere, umfassendere Agenda.
Dabei ist das soziale Leid durchaus konkret. Ein mir persönlich bekannter Einzelhändler betreibt schon lange in der Fußgängerzone einer Kleinstadt einen Lebensmittel- und Buchladen sowie ein kleines Vegetarier-Café — alle drei unter einem Dach. Das Geschäft ist seit Jahrzehnten eine Anlaufstelle für Menschen, die eine achtsame, „alternative“ Lebensform bevorzugen, eine Institution in der Region mit sehr persönlicher, angenehmer Atmosphäre. Buchladen und Café sind jetzt geschlossen — wird der Umsatz im Lebensmittelladen für den Händler reichen, um sich über Wasser zu halten? Eine mir von Konzerten bekannte ausgezeichnete Cellistin kann in ihrem Beruf kaum mehr arbeiten und hat versucht, die Zeit des Berufsverbots durch Kellnern zu überbrücken. Was aus der Anstellung in einem Café mittlerweile geworden ist, kann man sich denken.
Die Großen fressen die Kleinen
Zu beobachten ist, dass gerade die „Herzblut-Projekte“ derzeit in Gefahr sind: Geschäfte und Existenzformen, in denen sich in besonderer Weise die Persönlichkeit ihres Inhabers ausdrückt und die — eben weil sie sich aus Überzeugung in einer Nische platzierten — nie große Sprünge machen konnten. Die Mac-Jobs bei unpersönlichen, hierarchisch strukturierten großen Handelsketten sind dagegen weitaus weniger bedroht. Diese Märkte haben mitten in der Krise sogar noch Geld für Sicherheitspersonal übrig, die Kunden drangsalieren, denen vielleicht einmal die Maske verrutscht ist.
Ein Grund dafür, dass es den „Großen“ nach wie vor recht gut geht, sind deren höhere Rücklagen sowie die weitaus größeren Chancen, an Kredite zu kommen. Dies wurde in der Zeitschrift Capital treffend dargestellt. Und wieder zitiere ich hier ein Medium, das überhaupt nicht „meine“ Weltanschauung teilt. Umso bemerkenswerter, dass selbst hier scharfe Kritik am Regierungshandeln anklingt. Das Magazin spricht von einem „systemischen Vorteil“ der großen gegenüber den kleinen Unternehmen.
„Es besteht Anlass zur Sorge, dass kleine und mittelständische Unternehmen größere Verluste in dieser Krise hinnehmen müssen als große Unternehmen, da sich diese im Schnitt leichter anpassen oder auf digitalen Vertrieb umstellen können.“
Hinzu kommt, wie oben schon erwähnt, dass große Firmen am Kapitalmarkt leichter Kredite erhalten als kleine und mittelständische Unternehmen. In der Folge „könnte die Konzentration im Unternehmenssektor rasant ansteigen. Die großen Unternehmen können sich sehr günstig verschulden und das zusätzliche Kapital nutzen, um kleinere zu übernehmen.“ Diese Dynamik „könnte einer derart großen Übernahmewelle kleiner durch große Unternehmen Vorschub leisten, dass sich das Bild unserer Gesellschaft verändern könnte“.
Warum Lockdowns?
Zu diesem Thema ist eine Beobachtung des Autors und Professors für Volkswirtschaftslehre Christian Kreiß bemerkenswert. Er berichtet in dem Artikel „Unter Geiern“ von seinem Treffen mit einem Münchner Gastronomen, der ihm folgendes erzählt habe:
„Verschiedene Brauereieigentümer, Großinvestoren und Großgastronomen sagten, sie seien über die Entwicklung gar nicht unglücklich, im Gegenteil. Sie schauen sich momentan genau an, welches Lokal an welchem Standort pleitegeht, dadurch günstig zu haben ist, und greifen dann zu. Ein sehr bekannter Münchner Spitzengastronom sagte demnach: ‚Das Ganze kostet mich jetzt ein paar Millionen Umsatz, aber danach habe ich ein paar sehr hübsche Standorte mehr und stehe viel besser da als zuvor. Das nennt man Marktkonsolidierung.‘“
Die Schlussfolgerung von Christian Kreiß: „Die Großen fressen die Kleinen.“ Und dies betrifft nicht nur vergleichsweise unbedeutende Fälle — wenn etwa ein mittelgroßes Lebensmittelgeschäft die Kunden eines kleinen, in der Folge der Corona-Maßnahmen pleite gegangenen Ladens übernähme. Im Gange ist vielmehr der ganz große Raubzug.
„Die Lockdowns arbeiten den Großunternehmen — Stichwort: amazon —, den Milliardären, den großen Kapitalien, Hedge-Fonds und denjenigen, die jetzt auf viel Liquidität sitzen, in die Hände.“
Warum überhaupt Lockdowns? Es schien lange Zeit rätselhaft, warum die Politik für nur zwei Branchen — Pharma und Internet — den ganzen Rest „der Wirtschaft“ zu opfern bereit ist. Jener Wirtschaft, der unsere Politiker — so war es lange Zeit vor allem linke Sprachregelung — geradezu aus der Hand zu fressen schienen. Da die Politik so etwas niemals ohne Grund tun würde, so die Schlussfolgerung wohlmeinender Zeitgenossen, müsse sie wohl tatsächlich von fürsorglichen Gefühlen für die Volksgesundheit durchdrungen sein. Dies scheint jedoch ein Kurzschluss zu sein.
Corona ist ein Förderprogramm für die „Großen“ und der Vernichtungsschlag für die „Kleinen“.
Neben Pharma- und Internet-Giganten profitieren auch Banken und Kreditgeber aller Art, bei denen sich die in Not gekommenen Kleinunternehmer verschulden, profitieren außerdem die finanzstärksten Anbieter fast aller Branchen. Die Corona-Politik verstärkt die Spaltung in der Gesellschaft — nicht nur, indem Gräben aufgeworfen werden zwischen Maßnahmenbefürwortern und -Gegnern, sondern ganz massiv auch in sozialer Hinsicht.
Ganz unten
Werfen wir zum Schluss noch einen Blick auf den „unteren“ Rand der Gesellschaft. Nach einem Bericht der jungen welt laufen wir auf einen Höchststand bei den Kältetoten unter den Obdachlosen zu. Schon acht waren es bisher im Dezember in Deutschland — ebenso viele, wie sonst in einem ganzen Winter gemeldet werden. Und die Dunkelziffer ist in diesem Bereich hoch. Ein Grund hierfür: Die Betreiber von Obdachlosenunterkünften gehören zu den Guten und halten sich streng an die Corona-Auflagen.
Werena Rosenka von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe sagte gegenüber der jungen welt:
„Vielerorts haben Kommunen die Notschlafplätze einfach reduziert, um Ansteckungen zu vermeiden und Auflagen halbwegs zu erfüllen. (…) Die Sozialarbeiter wissen oft nicht wohin mit hilfesuchenden Menschen.“
Wo Menschen dennoch einen Schlafplatz finden, herrscht Enge. Viele der Betroffenen bleiben außerdem aus Furcht vor Ansteckung auf der Straße. Teilweise sind Obdachlose auch krank, verfügen aber über keinen ausreichenden Versicherungsschutz. „Die Politik hat obdachlose Menschen nicht auf dem Schirm“, fasst Rosenka zusammen. Der Winter aber ist noch lang und — wie alles in letzter Zeit — hart.
Teure Masken statt billiger Lebensmittel
Derweil konferieren die Damen und Herren der „Kanzlerinnenrunde“ über eine bundesweite Pflicht zum Tragen der FFP2-Masken. Die kosten in Supermärkten oft 4 Euro, in Apotheken 4,50. Der Clou bei der ganzen Sache: Sie sollen nur jeweils einmal getragen werden. Wenn wir davon ausgehen, dass ein Arbeitnehmer, der täglich zu seiner Arbeitsstelle pendelt, an sechs von sieben Tagen eine neue Maske benötigt — Samstags, um seinen Einkauf zu erledigen —, wären das beispielsweise monatlich an 24 Tagen je 4 Euro, macht 96 Euro. Natürlich werden die meisten ihre Masken unter solchen Umständen mehrfach tragen, was aber wiederum ein Hygieneproblem darstellen kann.
Besonders haarig wird es für die wirklich Armen im Land. Hartz-IV-Betroffene verfügen derzeit über einen Satz von 446 Euro monatlich. Für medizinische Produkte sind im Warenkorb aber jeden Monat nur 2,26 Euro vorgesehen. Im vergangenen Jahr hatte ein Gericht die Klage eines Hartz-IV-Empfängers um Erstattung der Anschaffungskosten für Masken abgewiesen. Diese habe der Betreffende gefälligst selbst zu tragen. Damals waren noch die günstigeren „Gesichtslappen“ erlaubt.
Selbst wenn man zugrunde legt, dass Menschen in Hartz IV nicht täglich U-Bahn fahren und einkaufen müssen — zwei Masken wöchentlich würden auch sie wohl verbrauchen, unter anderem, um den befohlenen Besuchen im Jobcenter nachzukommen. Das wären im Monat mindestens 8 mal 4 Euro, macht 32 Euro. Das Webmagazin Freitag schlussfolgert zutreffend: „Söder sind die Armen egal.“
Disziplinierende Drohkulisse
Vielleicht beschreibt „Gleichgültigkeit“ die Mentalität unserer Spitzenpolitiker aber nicht korrekt. Es drängt sich nicht erst seit Corona der Eindruck auf, dass Armut politisch gewollt ist. Mit Hartz IV wurde eine Zone reduzierter Menschenwürde geschaffen, mit der sich die Gesellschaft als Ganzes längst abgefunden hat.
Über 4 Millionen Menschen in Deutschland durchlaufen jährlich eine erniedrigende Gehorsamsdressur und müssen ihr kärgliches Existenzminimum stets aufs Neue erbetteln. Für die nicht betroffenen arbeitenden Menschen dient deren Elend als beständige Drohkulisse mit disziplinierender Wirkung. Lieber nehmen die meisten von ihnen desaströse Arbeitsbedingungen in Kauf, bevor es ihnen geht wie „denen“.
Die psychische und finanzielle Misshandlung von Arbeitslosen ist also niemals nur ein „notwendiges Übel“, das die Politik weinenden Auges in Kauf nimmt, weil im Staatssäckel das Geld nicht reicht. Es ist viel eher ein unnötiges, jedoch geplantes Übel, mit dessen Hilfe die Bevölkerung als Ganze „klein gehalten“ werden soll.
Je schlechter es den Menschen geht — und mit Corona wird es sozial nochmals dramatisch nach unten gehen — desto „erfolgreicher“ ist in gewisser Weise die Politik. Denn ökonomisch und politisch sind gebrochene Menschen und solche mit extremer Angst vor Arbeitslosigkeit weitaus leichter zu steuern. Es dürfte niemanden mehr überraschen, wenn die Welle der Pleiten und damit verbunden der Arbeitslosigkeit diesen Druck auf Arbeitnehmer noch einmal beträchtlich erhöhen wird. Ebenso natürlich wie den Druck auf Hartz-IV-Betroffene, denen man angesichts klammer Staatskassen erzählen wird, es sei nunmehr an der Zeit, den Gürtel enger zu schnallen.
Ich füge hinzu: während sich gleichzeitig die Preise stramm aufwärts entwickeln dürften. Denn Geschäfte, die aus einer langen Zwangspause kommen, werden versuchen, sich durch Preiserhöhungen zu sanieren. Die Kosten für Friseurbesuche zum Beispiel sind schon im letzten Sommer deutlich nach oben gegangen, unter anderem weil allen Kunden aus „Hygienegründen“ eine kostenpflichtige Haarwäsche aufgezwungen wird — selbst wenn sie „frisch gewaschen“ im Friseursalon eintreffen. Irrelevant sind solche Kleinigkeiten nur für Menschen, denen es auf 10 Euro mehr oder weniger nicht ankommt.
Die Misshandlung sozial Schwacher
Noch ein kleines Detail, das im Zusammenhang mit Corona eine Rolle spielt: Schnelltests, wie sie derzeit verpflichtend sind, um Zugang zu Alten- und Pflegeheimen zu bekommen, kosten um die 7 Euro. Wer eine hoch betagte Mutter oder einen Vater im Heim hat und ein bisschen Zeit mitbringt, sie zu besuchen, wird zweimal wöchentlich einen solchen Test brauchen. Das wären monatlich etwa 56 Euro. Dazu kommen für viele Menschen die Kosten für die Anreise zum Arzt oder zur Teststation. Von Verdienstausfällen und den körperlich sehr unangenehmen Nasenabstrichen zu schweigen.
Eine Gesellschaft ist im Entstehen, in der die Mütter und Väter von Armen unbegleitet und teilweise verzweifelt sterben, während sich Altenheimbewohner, die über Angehörige der Mittel- und Oberschicht verfügen, über regen Besuchsverkehr freuen dürfen. Armut wird sich schon sehr bald nicht nur am schlechten Gebiss der Betroffenen Menschen zeigen, sondern auch an chronisch leeren Altenheim-Zimmern.
Von der globalen Situation spreche ich an dieser Stelle nur am Rande. So meldete die Nachrichtenagentur Reuters https://de.reuters.com/article/una-armut-corona-idDEKBN28B41R:
„235 Millionen Menschen werden 2021 Hilfe benötigen, um Zugang zu Nahrung, Wasser und sanitären Einrichtungen zu bekommen, wie die UN am Dienstag in ihrem ‚Global Humanitarian Overview 2021‘ berichtete. Das sei ein Anstieg von 40 Prozent im Vergleich zu diesem Jahr.“
Nochmals in einem Satz: 2021 werden extreme Formen der Armut im Vergleich zum ja keineswegs idyllischen Jahr 2020 um 40 Prozent ansteigen. Und dabei dürfte es nicht nur „Inzidenzen“, sondern auch Todesfälle geben. Mich stört an all diesen Entwicklungen weniger, dass auch Politiker — wie wir alle — Fehler machen können; vielmehr, dass sie sich selbst penetrant und mit unerschütterlicher Selbstgewissheit dem Lager der „Guten“, der „Lebensschützer“ zurechnen.
Das Wärter-Gefangenen-Experiment
Nun aber noch eine kritische Anmerkung in die andere Richtung: Ein wenig haben Einzelhändler, Künstler und Selbstständige in der ganzen Angelegenheit geholfen, ihr eigenes Grab zu schaufeln. Sie dachten beim Schaufeln, dass sie zur Belohnung von ihren Auftraggebern belobigt und zum Kaffee eingeladen würden — stattdessen stieß man sie hinein.
Den Inhabern von noch geöffneten Läden und Einrichtungen wurde in einem perfiden „Wärter-Gefangenen-Experiment“ vom Spielleiter die Wärterfunktion zugewiesen. Wie Unteroffiziere mussten und müssen sie die vom Staat erlassenen Regeln gegenüber den Endverbrauchern durchsetzen, müssen die zaghafte Bitte eines Kunden, ob er nicht ausnahmsweise ohne Maske ins Geschäft dürfe, streng verneinen, müssen herrisch darauf dringen, dass alle ihre Kontaktdaten im Restaurant hinterlassen oder „Abstandsverweigerer“ unduldsam anraunzen.
Freilich werden alle diese Menschen vom Staat dazu gezwungen, dies zu tun. Wer sich seiner Hilfspolizisten-Funktion entzieht, riskiert in unserer durchstrukturierten Nötigungsgesellschaft Berufsverbot. Nicht bei allen dieser Teilzeit-Volkserzieher hat man jedoch das Gefühl, dass sie sich in ihrer Rolle unwohl fühlen. Manche scheinen es geradezu zu genießen, dass ihnen ungeahnte Macht „im Kleinen“ zuwuchs. Kaum jemals wurde öffentlich bekannt, dass sich Händler, Caféinhaber, Angestellte öffentlicher Bibliotheken und andere, denen vom System eine mittlere Hierarchiestufe zugewiesen wurde, gegen ihre aufgezwungene, neue Rolle gewehrt hätten. Abgesehen von einer Initiative von Wirten gab es überhaupt sehr wenig Protest. Auch Künstler und Musiker schweigen beharrlich — trotz zeitweise totalen Auftrittsverbots.
Wer sich nicht wehrt …
Die Absicht hinter dieser passiven Haltung war wohl: „Wenn ich mich ruhig verhalte und ein gutes Hygienekonzept ausarbeite, lassen die da oben mich in Ruhe, und der Spuk ist bald vorbei.“ Nach fast einem Jahr Corona-Regime wissen wird jedoch: Nichts ist vorbei.
Die Regierungen haben das Stillhalten der Unterdrückten als Einladung verstanden, sich immer noch härtere Unterdrückungsmaßnahmen auszudenken.
Nicht wenige Geschäftsinhaber und Kleinunternehmer fühlen sich deshalb jetzt quasi um ihre Anpassungsprämie betrogen. Sie gleichen gekränkten Musterschülern, die trotz tadellosen Betragens vom Lehrer statt des erwünschten Fleißbildchens noch Schläge auf die ausgestreckte Hand bekommen haben. Hätten all diese Menschen von Anfang an mit friedlichen Mitteln versucht, sich zu wehren — vielleicht stünden sie heute besser da.
Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Hätte sich von Anfang an eine potente Gegenbewegung aus allen Berufsgruppen und Schichten der Gesellschaft erhoben — der Staat würde es heute schlicht nicht mehr wagen, den Menschen, die sein „Souverän“ und sein Geldgeber sind, die Butter vom Brot zu nehmen. Sie wären dazu angehalten, sich über Fragen von Freiheit, wirtschaftlichem Wohlstand und Gesundheitsschutz mit ihren Bürgern zu einigen, anstatt selbstherrlich über sie zu verfügen wie über leblose Gegenstände.
Die Gelegenheit, von Anfang an massiv gegenzusteuern, ist verpasst. Zu spät, um das Schlimmste abzuwenden, ist es jedoch auch heute nicht …
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