Das kurbelt die Wirtschaft an und der Faktor Pflegefall hätte endlich seinen festen Platz in der ordentlichen Bilanz des gelernten Bankkaufmanns — ohne den ganzen bürokratischen Heckmeck mit den zuhause Gepflegten, wo man ja nicht mal weiß, ob die da auch wirklich sicher versorgt sind. Ein Hausweib/mann ist schließlich keine ausgebildete Pflegekraft.
In einer am 28. Juli 2020 erschienen Pressemitteilung der sozialpolitischen Abteilung des Sozialverbandes Deutschland war zu lesen, die Alten und Behinderten hätte die Krise am schwersten getroffen und mit ihnen auch deren Angehörige. Man müsse dringend etwas unternehmen.
Die Pflegeeinrichtungen werden gelobt und es wird erklärt, wie schwer das doch für die Angehörigen sei, die nichts vom „Topf“ der Solidarität abbekommen:
„In der Krise blieben die Betroffenen und ihre Familien plötzlich ganz auf sich allein gestellt, sozialstaatliche Unterstützung brach in großem Maße ersatzlos weg. Anders als für Menschen, die in Einrichtungen leben, fehlten für pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderungen in der eigenen Häuslichkeit plötzlich in großem Ausmaß externe Hilfen. Die Familien wurden zum ‚Ausfallbürgen‘ sozialstaatlicher Leistungen“ (1).
Das hört sich ja so fürsorglich an, dass man fast in Tränen ausbrechen möchte beim Lesen, wie wichtig unserem Staate doch die Alten und Schwachen sind. Endlich soll was gegen die Missstände in der Pflege unternommen werden. Das ist eine wirklich gute Nachricht. Es lässt einen aber ob der freudig transportierten Emotionen völlig das Denken abschalten.
Hat nicht Gesundheitsminister Spahn erst vor kurzem dafür gesorgt, dass ein neues Intensivpflegegesetz auf den Weg kommt, welches am 2. Juli 2020 verabschiedet wurde (2). Nach diesem ruft sich der Staat jetzt als Fürsprecher der Betroffenen aus. Sie haben ja niemanden, der sich für sie einsetzt. Dass ich nicht lache. Nicht die Menschen, die sich einsetzen, fehlen, sondern die Bürokratie verhindert ein zielführendes Handeln.
Das Gesetz sieht vor:
„Damit Patientinnen und Patienten in der (außerklinischen, Anmerkung der Autorin) Intensivpflege dauerhaft qualitätsgesichert versorgt werden, haben die Medizinischen Dienste im Auftrag der Krankenkassen im Rahmen einer persönlichen Begutachtung am Leistungsort jährlich insbesondere zu prüfen, ob die medizinische und pflegerische Versorgung sichergestellt werden kann.“
Das bedeutet ja nichts anderes, als dass der Staat und seine Institutionen nun entscheiden, ob Oma oder Karlchen im Rollstuhl in der Familie bleiben dürfen oder nicht.
Zumal die Finanzierung für die Heimunterbringung schon „erleichternd“ bedacht wurde:
„Die Kostenübernahme gilt für sechs Monate auch dann weiter, wenn sich der Gesundheitszustand der versicherten Person bessert und außerklinische Intensivpflege nicht mehr nötig ist. Die Krankenkassen können die Leistungsdauer in ihrer Satzung noch verlängern.“
Und:
„Nur qualitätsgeprüfte Pflegedienste dürfen außerklinische Intensivpflege erbringen. Maßnahmen zur Qualitätssicherung werden bundeseinheitlich in Rahmenempfehlungen formuliert“ (3).
Gleichzeitig überlegt sich die Gesundheitsindustrie, wie Roboter für den Einsatz in der Pflege eingesetzt werden könnten. Das berichtet zumindest der Bayrische Rundfunk über die Charité unter dem Titel „Caritas testet Pflegeroboter Pepper“ bereits im Februar 2019 (4).
So ein Roboter kann natürlich viel besser mit den Alten: Er ist nie angenervt und auch robuster, da er keine Rückenschmerzen bekommen kann vom Umlagern der Pflegebedürftigen. Zudem hat er ein ganzes Repertoire an Witzen und menschenähnlichen Sprüchen auf Lager. Die Alten werden in Zukunft gar nicht mehr merken, dass sie von einem Apparat gepflegt werden.
Gesundheitsminister Spahn hier vorzuwerfen, er hätte in seinen Überlegungen den Faktor Mensch nicht genügend bedacht, ist durchaus gerechtfertigt. Wie soll das dann funktionieren, wenn immer neue Pandemien ausgerufen werden? Denn das ist möglich, seit die Weltgesundheitsorganisation WHO die Richtlinien zur Ausrufung einer Pandemie von „schwere Krankheitsverläufe hervorrufend“ in „ansteckend“ geändert hat.
Ein ganz anderes Bild zeigt sich allerdings, schaut man sich die Initiative „Pflegeethik“ an. Dort steht im Gegensatz der Mensch selbst im Mittelpunkt der Fragestellung „Pflegeversorgung“.
Der Verein setzt sich:
„... bundesweit für die Wahrung der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen ein. Insbesondere muss die nötige menschliche Zuwendung und Hilfe in kritischen Situationen und am Lebensende gewährleistet werden. Es darf nicht hingenommen werden, dass verwirrte, alte Menschen fremdbestimmt, ruhiggestellt und fixiert werden. Ebenso darf nicht hingenommen werden, dass Schwerkranke und Sterbende in ihrer Not alleine gelassen werden, weil die Personalkosten zu hoch erscheinen“ (5).
Unser Gesundheitsminister sieht den Menschen als Wirtschaftsfaktor wie ein Auto oder als Humankapital gleich einem Pferd, das man im Stall stehen hat.
Wenn wir das so weiter laufen lassen, indem wir diese Regierung mit unserer Stimmabgabe bei Wahlen unterstützen, dann kann es schnell geschehen, dass es zu einer Pauschalierung der Einweisung ins Pflegeheim kommt. Beispielsweise wäre da wohl für die Technokraten mit Eintritt ins Rentenalter ein Faktum gegeben, einen Menschen dieses Alters in Obhut zu geben — nur zu seinem Besten versteht sich.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.sovd.de/fileadmin/downloads/broschueren/pdf/Einschaetzung-Corona-Risiken-sovd.pdf
(2) https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw27-de-intensivpflegerische-versorgung-701754
(3) https://www.bundesgesundheitsministerium.de/intensivpflegegesetz.html
(4) https://www.youtube.com/watch?v=UMWkSQz3aOo
(5) http://pflegeethik-initiative.de/anliegen/
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