Dass die Geschichte von den Siegern geschrieben wird, ist kein Geheimnis. Dass die Sieger im Ringen um die Geschicke einer Gesellschaft praktisch immer das Establishment sind, dürfte inzwischen auch bekannt sein. Und dass daher die Geschichte niemals aus der Sicht der „Graswurzeln”, der einfachen Menschen, geschrieben wird, ergibt sich eigentlich von selbst. Um aber zukünftigen Generationen zu zeigen, dass es nicht nur die Narrative derjenigen gibt, welche die Geschichte bestimmten, sollte eine politische Chronik auch darüber berichten, welche Prozesse von Graswurzelbewegungen in Gang gesetzt wurden. Das ist eine der Aufgaben, welche durch den Verein „Der Politchronist“ wahrgenommen werden sollen.
Das Anliegen des gemeinnützigen Vereins „Der Politikchronist” ist schon in einem Artikel auf Rubikon dargestellt worden. Neben der politischen Chronik von Themen oder einer Sicht, die kommerzielle Verlage aus wirtschaftlichen oder ideologischen Gründen nicht verfolgen, geht es auch darum, Beiträge zu retten, denen sonst dauerhafter Verlust droht. Denn immer mehr wichtige Themen werden nur noch digital diskutiert und können mit einem Klick gelöscht werden. Außerdem geht es darum, Wissen nicht vom Einkommen abhängig zu machen, weshalb der Verein versucht, so viel wie möglich unter einer Allgemeinlizenz zu veröffentlichen, die das nichtkommerzielle Kopieren und Verbreiten erlaubt.
Im September wird der erste Beitrag zur alternativen Chronik der Innenpolitik Deutschlands erscheinen. Ein kleines Büchlein beschreibt das interessante Projekt einer Graswurzelbewegung zur Aufwertung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zur Verfassung. Darüber wird mit Sicherheit in den kommenden Monaten viel diskutiert werden, und es ist eines der wichtigsten politischen Themen, welche durch Bürger des Staates vorgebracht werden. Die Schlagzeilen werden seit Langem beherrscht von den Massen-Medien, meinungsbildenden politischen oder privaten Stiftungen oder von großzügigen Spendern und sogenannten „Nicht Regierungs-Organisationen“ (NGOs), die aus Steuermitteln finanziert werden.
Das Grundgesetz ist keine Verfassung, weil letztere sich ein Volk selbstbestimmt gibt. Das Grundgesetz, obwohl einer der weltweit besten Verfassungsentwürfe — da sie wie kein anderer Verfassungstext auf den Menschenrechten basiert — wurde als Grundlage der Gesetzgebung des Landes verordnet, ohne der Bevölkerung vorgelegt zu werden. Und daran hat sich seit 1949 nichts geändert. Während in Russland, dem Iran oder Syrien Verfassungsänderungen durch Referenden bestätigt werden, erfolgt in Deutschland keine direkte Befragung des Souveräns, wenn die politischen Parteien Verfassungsänderungen beschließen.
Die Bewegung, welche das Grundgesetz nun zur Verfassung erheben will, ist der Meinung, dass die Zeit reif ist, die Bevölkerung Deutschlands als ausreichend demokratisiert zu betrachten.
Die Befürchtung, dass Deutschland wie einst im Nationalsozialismus einer menschenverachtenden Ideologie erliegen könnte, sollte nach mehreren Generationen der demokratischen Erziehung eigentlich keine Grundlage mehr haben, sagen die Befürworter des Projektes. Außerdem, so die weitere Argumentation, wird dies wirksam über bestimmte Regeln in der Verfassung unmöglich gemacht.
Es gab bereits in der Vergangenheit mehrere Bewegungen, die nach der Wiedervereinigung Deutschlands versuchten, das ursprüngliche, implizit im Grundgesetz enthaltene Versprechen einzulösen, dass sich „das deutsche Volk“ nach der Wiedervereinigung eine Verfassung geben darf. Diese Bewegungen blieben aber weitgehend unbeachtet, da die Massenmedien und die Politik sie total ignorierten. Und so waren auch die Versuche, einer verfassungsgebenden Versammlung zu einem größeren Bekanntheitsgrad zu verhelfen, nicht erfolgreich gewesen. Die meisten der hier aktiven Vertreter einer Verfassung für Deutschland haben sich nun anscheinend mit der Bewegung, die das Grundgesetz zur Verfassung erheben soll, solidarisch erklärt. Was einer Zersplitterung der Bewegung, Deutschland zu einer Verfassung zu verhelfen, entgegensteht.
Und so werden die Wähler des Landes demnächst aus dem Volk heraus befragt, ob sie das Grundgesetz zur Verfassung erheben wollen, allerdings unter dem Vorbehalt, dass zukünftige Verfassungsänderungen die Zustimmung der Wähler benötigen, wie es für Verfassungen üblich ist.
Die Details der Umfrage, die manipulationssichere Aufnahme und Speicherung der Daten in einem schweizerischen Berg und viele andere Details haben Jahre der Vorbereitung gekostet. Und für einen Chronisten ist es spannend zu beobachten, wie sich die Diskussion um dieses essentiell für Deutschland wichtige Thema weiterentwickeln wird.
Widerstand der Politik
Alle sogenannten „staatstragenden“ politischen Parteien haben sich bisher gegen jede Änderung des Status quo hinsichtlich des Grundgesetzes ausgesprochen. Der entschlossene Widerstand, den Artikel 20 des Grundgesetzes zu den bereits vor dem Bundestag ausgestellten Artikeln des Grundgesetzes hinzuzunehmen, ist nur ein Beispiel für den Widerstand. Dieser Artikel ist entscheidend für die Begründung einer Demokratie, denn er beschreibt, wer der Souverän ist, und er begründet die Forderung nach einer effektiven Gewaltenteilung. Der Widerstand geht so weit, den als Künstlerprojekt in Holz geschnitzten Artikel zu vernichten. Ein Akt mit hoher Symbolkraft.
Groß scheint die Befürchtung der Politiker zu sein, Einfluss zu verlieren. Denn die meisten wichtigen politischen Entscheidungen werden doch heute nicht von der Mehrheit der Menschen, sondern in Hinterzimmern von einigen wenigen politischen Funktionären ausgehandelt und entschieden. Dabei scheint die Befürchtung unbegründet, denn die politischen Parteien haben durch ihren Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Medien die Hälfte der deutschen meinungsbildenden Medien in ihrer Hand. Abgesehen von ihren politischen Stiftungen, welche die Bundesregierung „lustigerweise“ „Nicht-Regierungs-Organisationen“ nennt und die demnächst vielleicht eine Milliarde Euro jährlich an Steuergeldern erhalten. Und abgesehen von den Beteiligungen der politischen Parteien oder ihrer Organisationen an privaten Zeitungsverlagen.
Und so ist zum Beispiel gut zu erkennen, wie politische Parteien, so lange progressive Kräfte bestimmend sind und keine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene möglich erscheint, sich für eine Befragung des Souveräns in wichtigen Fragen aussprechen, während solche Parteien, sobald sie Teil der „regierungsfähigen” Parteien sind, Referenden strikt ablehnen.
Das Projekt widerspricht auch dem politischen Verständnis der sich an der Regierung abwechselnden politischen Parteien, welche Angela Merkel schon 2010 artikulierte.
„Aber genau deshalb bin ich auch zutiefst davon überzeugt, dass es richtig ist, dass wir eine repräsentative Demokratie und keine plebiszitäre Demokratie haben und dass uns die repräsentative Demokratie für bestimmte Zeitabschnitte die Möglichkeit gibt, Entscheidungen zu fällen, dann innerhalb dieser Zeitabschnitte auch für diese Entscheidungen zu werben und damit Meinungen zu verändern.
Wir können im Rückblick auf die Geschichte der Bundesrepublik sagen, dass all die großen Entscheidungen keine demoskopische Mehrheit hatten, als sie gefällt wurden. Die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, die Wiederbewaffnung, die Ostverträge, der Nato-Doppelbeschluss, das Festhalten an der Einheit, die Einführung des Euro und auch die zunehmende Übernahme von Verantwortung durch die Bundeswehr in der Welt — fast alle diese Entscheidungen sind gegen die Mehrheit der Deutschen erfolgt.“
Mit anderen Worten: Die politischen Parteien wollen die Bürger nicht vor der Ergreifung von Maßnahmen befragen, sondern entscheiden, was sie für richtig halten. Wenn die staatstragenden Parteien diese Entscheidungen aber im Konsens fällen, kann der Bürger in Wahlen praktisch keinen Widerspruch zum Ausdruck bringen. Wie er dann überzeugt wird, geht auch aus der bereits zitierten Rede von Angela Merkel hervor, indem sie auf die Funktion von Volksbefragungen eingeht:
„Was in einer bestimmten Situation die richtige und was die falsche Politik ist, muss der politische Mandatsträger oder die politische Mandatsträgerin entscheiden. Darüber kann die Demoskopie wenig sagen. Die Politik kann allerdings lernen, welche Sorgen und Hoffnungen mit einem bestimmten Projekt verbunden sind. Man kann erahnen, wie viel Überzeugungskraft gegebenenfalls notwendig ist, um ein wichtiges, notwendiges Projekt durchzusetzen.“
Mit anderen Worten: Die politischen Parteien entscheiden, und die Meinung der Wähler dient lediglich dazu, den Propagandaaufwand abzuschätzen, der notwendig ist, um die Maßnahmen doch mehrheitlich akzeptabel erscheinen zu lassen.
Und so darf man sehr gespannt sein darauf, wie die politischen Parteien auf den Vorstoß dieser Graswurzelbewegung reagieren werden.
Aktueller Unterstützungsbedarf
Nicht nur zur weiteren Verfolgung dieses Projektes hat der oben genannte Verein noch viel Arbeit vor sich. Mehrere Bücher sind in Bearbeitung. Die Diskussion über neue Hybridmedien, die haptische Erlebnisse mit moderner digitaler Technik und geringen Kosten verbinden, hat gerade erst angefangen. Und dabei arbeiten Helfer, und noch auch Autoren, ehrenamtlich, neben ihrer normalen Arbeit ohne Entlohnung für den Verein. Und dabei mangelt es an allen Ecken.
Der Verein sucht dringend IT-Spezialisten, die helfen, den Apache-Server und einen E-Mail-Server sowie die Infrastruktur der Joomla-Seite zu warten. Darüber hinaus benötigt der Verein auch Administratoren für die Internetseite. Ideal wäre, wenn professionelle Mediengestalter zukünftige Projekte formatieren könnten. Grafiker wären auch willkommen, um Buchcover und die Internetpräsenz zu verschönern. Und nicht zuletzt Menschen, die Ideen für neue mediale Projekte mit entwickeln, welche den Ewigkeitsanspruch eines Buches mit der modernen Technologie des 21. Jahrhunderts verbindet, und das zum Nutzen der Allgemeinheit, unter Creative-Commons-Lizenz.
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