Redaktionelle Vorbemerkung: Die Recherche von Elke Schenk zu Correctiv erscheint als Vierteiler. Beim hier vorliegenden Text handelt es sich um den ersten Teil. Den zweiten Teil lesen Sie hier, den dritten hier, den vierten hier.
Im Folgenden möchte ich das Selbstbild von Correctiv kritisch befragen. Dazu erscheint eine mehrteilige Serie bei Rubikon.
Zunächst untersuche ich Gründung und finanzielle Basis, Selbstverständnis und Ziele von Correctiv sowie die politische und berufliche Herkunft und Verbindungen des Personals in Redaktion, Geschäftsführung und Ethikrat.
Um zu einer fundierten Beurteilung von Correctiv zu gelangen, ist es zudem nötig, die Substanz der Enthüllungen zu prüfen, indem exemplarisch einige Rechercheprodukte einer argumentativ-inhaltlichen und rhetorischen Analyse unterzogen werden. Dies ist bislang nicht in der erforderlichen Tiefe geschehen.
Ein Schwerpunkt sind Correctivs Enthüllungen zum 'System Putin' und zum Abschuss der malaysischen Verkehrsmaschine MH17 im Sommer 2014. Die Ergebnisse sollen eine weitere Beurteilungsgrundlage liefern, ob Correctiv unabhängig vom traditionellen Medienbetrieb und von Machteliten ist und ob die „Recherche“ergebnisse als sachlich fundiert und aufklärerisch angesehen werden können.
Vor diesem Hintergrund wird die Rolle von Correctiv als Kontroll-Instanz für Fake-News betrachtet. Ein Fazit zu Vorgehensweise, Agenda und Einordnung von Correctiv schließt die Studie ab.
Zwischen Mainstream und Machteliten: Finanzierung, Selbstverständnis, Personal
Correctiv begann seine „operative Tätigkeit“ im Juli 2014. Die Rechtsform ist eine gemeinnützige – also steuerbefreite - GmbH. Die Geschäftsführer sind David Schraven und, nach dem Ausscheiden von Dr. Christian Humborg, Rainer Döllefeld. Die Redaktion ist innerhalb des ersten Jahres von 5 auf ca. 20 Personen angewachsen. Als Hauptfinanzier von Correctiv mit insgesamt 3 Millionen Euro über die ersten drei Jahre fungiert die Brost-Stiftung, einer der Gründer der Westdeutschen Allgemeine Zeitung WAZ.
Die WAZ hat sich zur internationalen Mediengruppe (heute Funke Mediengruppe) entwickelt und expandierte massiv in Osteuropa. Dabei wirkte der Geschäftsführer der Essener WAZ-Gruppe von 2002 bis 2012, der SPD-Politiker Bodo Hombach, als Hauptakteur, der seine vorangegangene Stellung als EU-Koordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa nutzen konnte. Seit 2011 ist Hombach im Vorstand der Stiftung von Erich und Anneliese Brost und von 2014 – 2016 war er Vorsitzender des Ethikrates von Correctiv.
Neben der Brost-Stiftung wird Correctiv durch weitere Stiftungen, öffentliche Einrichtungen und Unternehmen finanziert: Dazu gehören die Rudolf Augstein Stiftung mit jährlich etwa 35.000 Euro und die Bundeszentrale für politische Bildung mit insgesamt 83.000 Euro für die Correctiv-Workshops „Auskunftsrechte für alle“. Die Schöpflin-Stiftung bezahlt jährlich ca. 100.000 Euro für „Recherchen im Bereich Wirtschaft“.
Ein Vertreter der Stiftung sitzt auch im Ethikrat von Correctiv. Als Förderer neu hinzu gekommen ist die Adessium Foundation des niederländischen Süßigkeitenherstellers Van Vliet, die u. a. investigativen Journalismus weltweit fördern will, um nach eigenen Aussagen faktenbasierte, unabhängige Informationen für eine demokratische Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.
Von ihr erhielt Correctiv in 2016 110.000 Euro. Weitere bekannte Namen auf der Fördererliste sind die Deutsche Bank (mit ca. 55.000 Euro in 2016), Open Society Stiftung des Multimilliardärs George Soros (ca. 27.000 Euro in 2016), aber auch die GLS Treuhand, Parteistiftungen, RTL, Google Germany.
Correctiv soll darüber hinaus durch Spenden und Mitgliedsbeiträge (Correctiv Community) finanziert werden. Die Aussage „Unsere Arbeit und unsere Angebote müssen wir zu einem großen Teil aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanzieren“ trifft auf die jetzige Finanzausstattung nicht zu. Der Journalist Paul Schreyer schreibt. daher irritiert:
„Immer wieder werden, trotz der bestehenden Millionenförderung durch reiche Sponsoren, für einzelne Recherchen zusätzlich Crowdfunding-Kampagnen gestartet und damit der Eindruck erweckt, es handle sich um ein bedrohtes Start-Up, einen Anwalt der 'kleinen Leute'. 'Helft uns, über ein Crowdfunding unsere Anwaltskosten zu finanzieren', heißt es etwa, ganz so, als sei das Portal auf zusätzliche Kleinspenden existenziell angewiesen.“
Die schlichte Denkweise und das fehlende Problembewusstsein in Bezug auf die Finanzierungsgrundlagen des Journalistenbüros offenbart Geschäftsführer David Schraven im Interview mit Meedia. Die Finanzierung durch Konzerne oder große Stiftungen hält er für unproblematisch, wenn das Geld zweckgebunden ist. Kritiker wie der ehemalige Chefredakteur der Wirtschaftswoche, Roland Tichy, werden pauschal und salopp abserviert:
"Tichy ist ein alter Mann. Das ist das Erste. Zweitens haben wir einen aktuellen Etat von rund 1,5 Millionen Euro im Jahr. Dazu gehört ein Comic Fellowship für Zeichner aus anderen Ländern, die zu uns kommen, um eine Investigative Reportage zu einer Graphic Novel zu machen. Dafür haben wir im letzten Jahr etwas über 26.000 Euro von der Open Society Foundation bekommen haben. (sic!) Wenn Soros uns damit gekauft haben soll … alter Schwede … ganz dünnes Brett."
Schraven scheint die Einflüsse von mächtigen Geldgebern als einfaches Reiz-Reaktions-Schema zu begreifen. Die grundsätzliche Frage, ob ein sich als gemeinnützig und unabhängig bezeichnendes Recherchebüro sich überhaupt von beispielsweise Multimilliardär George Soros, der mit seinen – der Steuerzahlung entzogenen - Stiftungsgeldern seit Jahrzehnten in politische Entwicklungen eingreift, um seinen finanziellen Interessen zu nutzen, finanzieren lassen sollte, wird anscheinend nicht gestellt. Dass die Methoden der Herrschaftssicherung heutzutage komplexer und verdeckter sind und welche Funktion einem Journalistenbüro wie Correctiv in diesem Zusammenhang zukommt, liegt jenseits des Wahrnehmungsradars der Correctiv-Macher.
Geht man der phonetischen und semantischen Konnotation des Namens Correctiv „mit dem feinen C“ (Eckart Spoo) nach, tauchen zum einen Assoziationen an Korrektiv – eine Vorrichtung zur Korrektur von Fehlhaltungen - auf, zum anderen an Kollektiv. Die mit dem Namen evozierten Vorstellungen und Erwartungen changieren zwischen einer schulmeisterlichen Einrichtung und einem Bund wilder, aufrechter Kämpfer für die gerechte Sache. Das Ausrufezeichen im Firmennamen schafft Verbindungen zur Jugend, Digitalisierung und Moderne.
Zum journalistischen Selbstverständnis sei von der Webseite der Brost-Stiftung zitiert:
"CORRECT!V ist das erste gemeinnützige Recherchebüro im deutschsprachigen Raum. Der aufklärerische Non-Profit Journalismus ist eine von vielen Antworten auf die Medienkrise. […]
Das Büro unter der Leitung von David Schraven recherchiert zu den Bedrohungen und Herausforderungen unserer Gesellschaft, zu Machtmissbrauch und Korruption in Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur, zu Themen wie Umwelt, Bildung, Gesundheit und sozialer Gerechtigkeit oder Rechtsradikalismus und Islamismus. [...] Die investigativen Recherchen und Geschichten werden an große und kleine Zeitungen und Magazine wie auch an Radio- und Fernsehsender weiter gereicht – lokal, regional und national."
Correctiv benennt sein Selbstverständnis und seine Ziele deutlich weniger ambitioniert als die Brost-Stiftung und mit anderen Schwerpunkten: „Wir wollen jedem Bürger Zugang zu Informationen geben.“
"Wir treten in drei unterschiedlichen Dimensionen als Korrektiv in Erscheinung:
1. Durch unsere Recherchen wollen wir strukturelle Missstände und unethisches Verhalten öffentlich machen. Damit helfen wir der Gesellschaft, sich selbst zu helfen. Wir wollen den Menschen Informationen liefern, damit sie Veränderungen anstoßen und Fehlentwicklungen korrigieren können.
2. Wir bieten Redaktionen – großen wie kleinen – durch unseren unabhängigen und gemeinnützigen Ansatz Zugang zu Geschichten, die sie selbst nur schwer realisieren könnten. Wir wollen so den investigativen Journalismus in Deutschland stärken und dabei helfen, Vielfalt und Qualität im Mediensystem zu bewahren.
3. Wir bilden aus: wir wollen unsere Methoden an alle interessierten Bürger weitergeben und dabei helfen, Informationsrechte vor Ort durchzusetzen. Wir wollen die Bürger dabei unterstützen, die Gesellschaft transparenter zu machen, um die Teilhabe aller zu vergrößern."
Correctiv definiert sich demnach als Recherchenetzwerk, das die - aufgrund von wirtschaftlichen Zwängen und politischer Gleichförmigkeit - entstandene Lücke an gründlich recherchierten kritischen Beiträgen füllt. Es präsentiert sich als emanzipatives Journalistenbüro, das strukturelle Missstände aufdecken und zur Veränderung beitragen will. Zugleich positioniert es sich als Dienstleister für interessierte Bürger/innen, ihnen dabei zu helfen, ihre Informationsrechte einzufordern.
Entsprechend dem dritten Ziel wird die „correctiv-community“ aufgefordert: „Holt Euch Informationen – mit unserer Hilfe“.
„Wir wollen Euch allen dabei helfen, Eure Auskunftsrechte zu nutzen. Wir wollen, dass Ihr die Informationen und Dokumente von Behörden bekommt, die Euch zustehen. Wir wollen mehr Transparenz. […] Jetzt würden wir Euch gerne dazu motivieren, solche Anfragen zu stellen. Das ist Euer Recht. Und wir wollen Euch individuell dabei helfen. Wir geben Anregungen, beantworten Fragen, schauen uns Eure Anträge an.“
Correctiv bietet sich mit dem Angebot einer „community“, einer Unterstützung für Bürgeranliegen und einem Chatroom (Konferenzraum) als verständnisvoller Gesprächspartner an und spricht genau die Bedürfnisse an, die von den Leitmedien zunehmend abgewürgt oder abgewehrt werden (siehe das verbreitete Kontrollieren, Kanalisieren und Schließen der Kommentarfunktionen).
Aus den Aussagen zum Selbstverständnis und den Zielen lässt sich das für die Herrschenden gefahrlose oder gar ertragreiche Recherchieren von Correctiv ablesen:
- Es taucht die Frage auf, was „Geschichten“ anzubieten mit investigativer Recherche zu tun hat. Welches Verständnis von investigativem Journalismus bestimmt die Arbeit von Correctiv?
- Correctiv betrachtet seinen investigativen Journalismus als Dienstleistung für die Mainstreammedien, deren Qualität bewahrt werden soll, d. h. per definitionem nicht in Frage gestellt wird.
- Schwammige Aussagen und Allgemeinplätze (Bedrohungen und Herausforderungen unserer Gesellschaft, strukturelle Missstände, unethisches Verhalten, Fehlentwicklungen korrigieren) bestimmen das Selbstverständnis.
- Die Bürger sollen innerhalb des politischen Systems mehr Transparenz fordern. Das ist seit einiger Zeit die Formel, wie Widerspruch gegen die herrschenden Verhältnisse eingehegt und diese gegen grundsätzliche Veränderungswünsche damit abgeschottet werden. Wie auch die von der Bundeszentrale für politische Bildung finanzierten Workshops von Correctiv zeigen, geht es vor allem um Informationsfreiheit gegenüber dem Staat.
- Die kapitalistische Wirtschaft, ihre Machteliten-Zirkel, Aneignungs- und Herrschaftsmethoden bleiben unangetastet. Informations- oder gar Kontroll- und Mitbestimmungsrechte gegenüber Konzernen werden nicht gefordert.
- Hier zeigt sich die enge Verzahnung zwischen Finanzierungsquellen und Tätigkeitsprofil von Correctiv: Die projektgebundene Förderung bedeutet ja zugleich, dass andere, kritischere, den Machteliten zu nahe tretende Recherchen eben nicht finanziert werden und also auch nicht erfolgen.
Neben der Spur des Geldes und dem Selbstverständnis erschließt sich das kritische Potential eines Journalistenbüros am Personal von Geschäftsführung und Redaktion, ihren bisherigen beruflichen Stationen und weiteren Netzwerken.
Dabei bestätigen sich die bisherigen Untersuchungsergebnisse:
- Von ihrer beruflichen Herkunft stammen die Redaktionsmitarbeiter/innen fast alle aus den etablierten Medien (Spiegel, Stern, Die ZEIT, BILD, DLF, ARTE, ZDF, taz, GEO, Reuters, Die WELT). Viele Journalisten haben Verbindungen zur WAZ-/Funke-Mediengruppe, der ja auch die Hauptfinanzierung von Correctiv zuzuordnen ist.
- Einige haben Verbindungen zum „Netzwerk Recherche“, einem Verein „um die journalistische Recherche und den Qualitätsjournalismus in Deutschland zu stärken“. Auch dieses Netzwerk ist im Medienmainstream verankert. Der Verein geriet 2011 in die Kritik wegen zu Unrecht erhaltener Fördergelder der Bundeszentrale für Politische Bildung. Correctiv-Geschäftsführer Schraven war laut Wikipedia-Eintrag von 2007 bis September 2014 Vorstandsmitglied; diese berufliche Station Schravens wird auf der Correctiv-Seite nicht angeführt; Redakteur Jonathan Sachse ist Kassenprüfer, Redakteur Marcus Grill war seit 2009 Mitglied im Vorstand von "netzwerk recherche", seit 2015 im Beirat; der jetzige Vorsitzende des Ethik-Rates, Oliver Schröm, war von 2011 bis 2015 erster Vorsitzender im Netzwerk Recherche.
- Viele Mitglieder von Correctiv verfügen über einen persönlichen oder beruflichen Hintergrund im (im weiteren Sinne) postsowjetischen Raum: Schraven ist Mitbegründer des „Nachrichtenbüros Zentralasien/Kirgisien“; Justus von Daniels' thematischer Schwerpunkt lag in Ungarn und auf dem Westbalkan; David Crawford befasst sich mit Demokratieabbau und Korruption im Russland unter Putin; Marcus Bensmann war von 1994 bis 2014 Reporter in Zentralasien und im Kaukasus; Florian Bickmeyer schrieb ein Buch mit Fluchtgeschichten aus der DDR.
- Geschäftsführer David Schraven sowie die Redakteure Marcus Bensmann, Bastian Schlange und Annika Joeres betreiben mit anderen den Blog Ruhrbarone; das wird auf der Correctiv-Seite nur für Schraven vermerkt. Die Ruhrbarone sind in der Tendenz als wirtschaftsliberal und transatlantisch einzustufen. So wird beispielsweise das Loblied auf die kapitalistische, globalisierte Ökonomie gesungen, und Konzepte der Postwachstumsökonomie werden als nationalistisch kritisiert sowie in die Nähe der nationalsozialistischen Agrarpolitik gerückt. Kritik an der Politik der USA diffamieren sie oft als Amerikafeindlichkeit oder gar als Verschwörungstheorie. Ein Augenmerk liegt auf der Aufdeckung von rechtspopulistischen, rechtsextremen und antisemitischen Erscheinungen, die man in der AfD, bei den Reichsbürgern, aber auch in der Linkspartei, in der neuen Friedensbewegung oder gar in der Kritik an Oligarchen ausmacht, sofern sie jüdische Wurzeln haben. Der Chefredakteur der Ruhrbarone, Stefan Laurin, ist gleichzeitig Autor von Correctiv.Ruhr, der NRW-Redaktion von Correctiv.
- Redakteur Stefan Wehrmeyer betreibt seit 2011 das Portal FragDenStaat.de und ist Vorstandsmitglied der Open Knowledge Foundation Deutschland. Das Portal „Frag den Staat“ ist ein gemeinsames Projekt von Open Knowledge Foundation und Correctiv! Die Open Knowledge (Foundation) ist ein internationales Netzwerk zur Förderung von Transparenz gegenüber dem Staat. Dazu fordert man die Freigabe von Daten und trainiert Bürger in der Inanspruchnahme ihres Rechtes auf Informationsfreiheit gegenüber dem Staat. Die internationale Open-Knowledge-Stiftung (OKFN) wurde gegründet z. B. mit Geldern der Hewlett-Foundation, Knight-Foundation und dem National Endowment of Democracy, einer vom US-Kongress finanzierten Stiftung, u. a. zuständig für verdeckte Operationen in fremden Ländern. Ein Hauptziel ist, nach der Angliederung der Ukraine an den Westen die Bedingungen für die endgültige Niederlage des russischen Präsidenten Putin zu schaffen (vgl. Robert Parry: Why Russia Shut Down NED Fronts. 30.7.2015). Der deutsche Ableger der OKFN erhielt „signifikante Gelder“ in nicht genannter Höhe u. a. von der EU-Kommission, der OKFN International, von Google, Microsoft, SAP sowie von George Soros Open Society Institute.
- Bastian Schlange, der u. a. für die BILD-Zeitung schrieb, gründete zusammen mit einem ebenfalls aus Bochum-Wattenscheid stammenden Kollegen eine klamaukhaft wirkende „Wattenscheider Schule“ für Gonzo-Reportagen. Laut Wikipedia entspricht Gonzo-'Journalismus' aufgrund der Vermischung von Realität und Fiktion, der verwendeten Stilmittel und subjektiven Erzählperspektive nicht den Anforderungen an Journalisten, die der deutsche Pressekodex vorgibt. Zu ihrem Selbstverständnis schreiben die Wattenscheider: „Ihre Storys sind eine Mischung aus Hunter S. Thompsons Gonzo-Style und Charles Bukowskis stinkendem Alk-Atem - verfeinert mit einer Prise von Wallraffs unvergleichlicher Selbstironie. Cheers.“ Was qualifiziert einen Gonzo-Journalisten, der Fakten und Erfindungen vermischt, für eine Mitarbeit bei investigativer Recherche?
- Der Ethikrat soll darauf achten „dass CORRECT!V den hohen ethischen Grundsätzen aufklärerischen Journalismus als wichtigen Beitrag für die demokratische Kultur genügt“. Von 2014 bis 2016 war der SPD-Politiker Bodo Hombach Vorsitzender. Hombach war Wirtschaftsminister in NRW sowie Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben unter Gerhard Schröder. Im Sommer 1999 wechselte Bodo Hombach nach Brüssel, wo er nach dem Angriffskrieg der Nato gegen die Bundesrepublik Jugoslawien als Sonderkoordinator in Südosteuropa tätig war. Hier war er u. a. zuständig für die Freiheit der Medien. Von 2002 bis 2012 war er Geschäftsführer der WAZ-Gruppe. Auf der Correctiv-Seite nicht enthalten sind seine Mitgliedschaft bei der Atlantikbrücke und sein politisches Selbstverständnis: Er war Gegner von Finanzminister Lafontaine in der Regierung Schröder und neben Peter Mandelson Autor des Strategiepapiers „Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten“, das als Schröder-Blair-Papier bekannt wurde.
Der neoliberale Wolf im Schafspelz der Gemeinnützigkeit
Im Folgenden sollen einige Produkte von Correctiv auf den Prüfstand gestellt werden. Zunächst sei ein gemeinsames Projekt der FAZ mit Correctiv angeführt, eines der ersten Vorhaben von Correctiv, gestartet in 2014. Die FAZ hat Leser aufgerufen herauszufinden, welche Sparkasse wie viele faule Kredite hat und ggfs gefährdet ist. Die Freizeit-Laien-Rechercheure werden von Correctiv angeleitet. Die Ergebnisse der Leserrecherche werden im von Correctiv bereit gestellten „crowdnews room“ gesammelt und ausgewertet. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband beklagt die von Correctiv verbreiteten „Falschaussagen“.
An diesem Projekt ist Verschiedenes bemerkenswert:
Werden Informationen über die tatsächliche oder vermeintliche Schieflage einer Bank veröffentlicht, so kann dies sofortige Auswirkungen auf die Bonität und das Vertrauen der Kunden in die Bank haben. Für noch bedenklicher halte ich jedoch die einseitige Auswahl der 'Spionage'-Ziele, die mehr als ein „Geschmäckle“ hat: Transparenz wird nur für die öffentlich-rechtlichen Sparkassen und nicht für die Privatbanken gefordert.
Es entsteht der Eindruck, als hätten nur die öffentlich-rechtlichen Kassen unmoralisch hohe Vorstandsgehälter und Probleme mit faulen Krediten. Dabei waren es auch Privatbanken, die in der Finanzkrise 2008 folgend auf direktem oder indirektem Weg mit Steuergeldern gerettet wurden. Die Deutsche Bank schließlich gilt als diejenige Bank weltweit, die aufgrund ihrer horrenden Derivateexposition am stärksten insolvenzgefährdet ist. Die 55.000-Euro-Spende der Deutschen Bank für 2016 wirkt wie ein Danke-Schön, auch wenn sie offiziell in einen anderen Projekt-Topf fließt.
Eine besonders lohnende Aufgabe für eine investigative Recherche, den Schleier um die Kosten der deutschen Bankenrettung, für die im Finanzmarktstabilisierungsgesetz 480 Milliarden Euro eingesetzt wurden, zu lüften, wird nicht angegangen. Wie hoch die Gesamtbelastungen für die öffentlichen Kassen bis heute ausfallen aus Bürgschaften und Kapitalhilfe für insolvente Banken, Verwertungsverluste aus dem Verkauf von Schrottpapieren von Bad Banks, wer letztlich durch öffentliche Kapitalhilfe und Bürgschaften gerettet wurde, erfährt der interessierte Bürger und Steuerzahler nicht, und das ist auch nicht das primäre Interesse von Correctiv.
Der Beitrag über TTIP-freie Zonen vom 1.9.2015 zeigt an ausgewählten Kommunen die Entscheidung, die kommunale Selbstverwaltung und Daseinsvorsorge gegen den Vorrang der TTIP-Bestimmungen zu verteidigen. In der Gesamtschau des Artikels fällt auf, dass
- der Widerstand gegen TTIP durchweg verharmlost und beschwichtigend dargestellt wird:
* „285 Gemeinden in ganz Deutschland haben mittlerweile Resolutionen gegen das Abkommen verabschiedet, [...] Als „TTIP-frei“ möchten sich die Kommunen aber doch nicht bezeichnen lassen“;
* Die CSU einigte sich mit den Freien Wählern auf ein Papier, das den Vertrag generell ablehnt. Keine Hintertür für TTIP. 'Ganz so extrem haben wir es nicht gemeint', sagt (CSU-Ortsvorsitzender) Ehrenhuber“;
* „Viele Kommunen, die sich kritisch gegen TTIP geäußert haben, sind über diese Karte (von Attac, ES) allerdings nicht allzu glücklich. Sie sind nicht grundsätzlich gegen ein Handelsabkommen mit den USA. Ihnen würde es schon reichen, wenn sie sicher sein könnten, dass öffentliche Dienstleistungen nicht angetastet werden. Doch das ist keineswegs sicher“;
* „Die Stadträte und Gemeindevertreter wissen, dass sie den Welthandel nicht auf den Kopf stellen werden. […] 'Aber mit der Resolution haben wir unsere Meinung geäußert'“;
- die Argumente für eine TTIP-freie Kommune und gegen Fracking sich durch das angeführte Beispiel als Einzelinteressen erweisen:
* „In Gütersloh sorgte sich zum Beispiel die Fraktion der GRÜNEN um die hohe Zahl an privaten Brunnen, die sich Bürger in der Region gebaut hätten“;
* so getan wird, als habe die kommunale Resolution die Haltung der EU-Kommission zur öffentlichen Daseinsvorsorge verändert;
- die Selbstaussagen der EU-Kommission hervorgehoben und nicht kritisch gegengeprüft werden:
* „170 Seiten Klarheit Seit Juli kann die Öffentlichkeit auf der Webseite der EU-Kommission lesen, wie das Angebot der EU zum Bereich Dienstleistungen aussieht, das sie der amerikanischen Seite übermittelt hat. Auf 170 Seiten finden sich dort Listen mit Generalausnahmen und Teilausnahmen.“
Die fundierten, konkreten Analysen zu den Auswirkungen des TTIP auf die kommunale Daseinsvorsorge, die seit einiger Zeit der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, werden nicht erwähnt (vgl. Thomas Fritz: TTIP vor Ort, 2014). Das angesprochene Dokument der EU-Kommission wird nicht verlinkt, schon gar nicht inhaltlich ausgewertet. Es bleibt der Eindruck, die EU-Kommission sei ein glaubwürdiger Vertreter der kommunalen und Bürgeranliegen. Der Tenor ist: An TTIP gibt es Verbesserungsbedarf, aber bitte nicht grundsätzlich und bitte keine radikale Ablehnung.
Die TTIP-“Recherche“ von Correctiv erweist sich als belanglose Meinungsumfrage unter einigen Kommunalpolitikern ohne Informationsgewinn. Das wäre kaum der Erwähnung wert, wenn gerade dieser Artikel nicht von Correctiv benutzt worden wäre, um ihn als Türöffner in Anti-TTIP-Kampagnen- und Kommunikationsnetze zu nutzen, z. B. über den großen E-Mail-Verteiler von ttip-unfairhandelbar.
Correctiv präsentiert sich als herrschaftskritische Redaktion, als beinahe Vorreiter der Anti-TTIP-Kampagne und verschweigt das breite Bündnis von ca. 200 Organisationen, die seit Jahren Aufklärung zu geplanten Freihandelsabkommen bieten und wichtige geheim gehaltene Dokumente im Zusammenhang mit den Verhandlungen geleakt oder deren Veröffentlichung erklagt haben.
Das Journalistenbüro stellt sich als dermaßen einflussreich dar, dass die EU-Kommission aus Ärger über Correctiv-Leaks sogar Informationen gegenüber den EU-Regierungen zurückhalte:
„Vor ein paar Wochen hatten wir erneut vertrauliche Dokumente über die Verhandlungen zwischen der EU und den USA veröffentlicht – sehr zum Ärger der EU-Kommission, die unsere openTTIP-Recherche zum Skandal erklärte. Sie schickte daraufhin keine Berichte über TTIP mehr an die EU-Regierungen. Kurz darauf kündigte sie an, doch etwas mehr zu veröffentlichen.“
Die beschwichtigende Haltung von Correcitv zu Freihandelsabkommen weist auch ein Kommentar von Justus von Daniels über CETA auf, dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada.
Von Daniels übernimmt die Beurteilung der CETA-Befürworter bezüglich der reformierten Schiedsgerichte oder dem Schutz vor Privatisierungen. Begründungen anhand des Vertragstextes fehlen ebenso wie die Argumente der Gegner, die die Zusicherungen für Etikettenschwindel halten. Mehr noch: Die Kritiker des CETA werden als Kompromiss-, Demokratie- und Systemgegner diffamiert, dabei arbeitet von Daniels indirekt mit dem Querfrontvorwurf: „Abscheu gegen das politische System generell – von links wie von rechts“.
Die über internationale Handelsverträge organisierte Herrschaft der Konzerne und die vorrangig ihren Interessen dienende EU zu kritisieren, erscheint als ungehörig, amerikafeindlich und antieuropäisch.
Fortsetzung folgt: Im nächsten Teil wird Correctivs antirussische Propaganda als solche entlarvt.
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