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Halbwahrheiten, Doppelstandards und Verschweigen

Halbwahrheiten, Doppelstandards und Verschweigen

Die ARD und der Kampf gegen das Doping im Sport.

Dieses Zerrbild, liebevoll reproduziert vom diesbezüglich vollkommen unkritischen Sportjournalismus – insbesondere dem öffentlich-rechtlich verfassten – bekam tiefe Risse, als die Humboldt-Universität 2013/2014 in der Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute" nachwies, dass in der Bundesrepublik Deutschland seit Beginn der siebziger Jahre in zahlreichen Sportarten systematisch und organisiert gedopt wird.

Um die politischen Risiken und Nebenwirkungen der Untersuchung einzuhegen, initiierten die Verantwortlichen aus Politik, Sport und Gesellschaft das, was sie in vergleichbaren Fällen immer tun: Sie zerredeten die Ergebnisse und lenkten ab. Die Studie habe nicht in allen Punkten wissenschaftlichen Standards entsprochen, datenschutzrechtliche Bedenken seien nicht ausreichend berücksichtigt worden, eine neue Kommission zum Thema Doping müsse weitere Arbeit leisten. Und wie immer hakten die Medien nicht nach. Das rituelle Empörungs-Strohfeuer loderte nur kurz. Die Finger verbrennen wollte sich kein Sportjournalist.

Die Gefahr bestand tatsächlich, denn Spitzenrepräsentanten des Staates hätten in Misskredit geraten können. Manche hatten sich weit aus dem Fenster gelehnt. Beispiele:

Wolfgang Schäuble, in den 70er Jahren sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, hatte im Bundestag vorgeschlagen, leistungssteigernde Medikamente unter der

"absolut verantwortlichen Kontrolle der Sportmediziner"

zu verabreichen.

Gerhard Groß, Ministerialrat im Innenministerium, hatte Joseph Keul, den damaligen Chef der Sportmedizin an der Universitätsklinik Freiburg, 1976 öffentlich dazu aufgefordert,

"leistungsfördernde Mittel"

einzusetzen.

Die Berliner Forschergruppe zitiert darüber hinaus anonym gehaltene Zeitzeugen. Ihnen zufolge verlangte auch der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher vor den Olympischen Spielen von München 1972 Medaillen, "koste es, was es wolle".

Systematisches Doping belegt das natürlich nicht, jedenfalls nicht nach Auffassung der Merkel-Gabriel-Regierung, wie eine neuere Anfrage der Partei "Die Linke" ergab.

Auch der ARD-Doping-„Experte“ Hajo Seppelt, ein in allen Doping-Debatten rödelnder Reporter, sah keinen besonderen geschichtlichen Aufklärungsbedarf. Er kümmerte sich um vermeintlich wichtigere und für ihn selbst weniger riskante Themenstellungen: Dopingprobleme der Russischen Föderation. Seine Elaborate passten wie bestellt in den russophoben verbandspolitischen und medialen Mainstream.

Der Doping-Bericht einer hochrangig besetzten Kommission des Deutschen Olympischen Sportbundes vermerkt im Juni 2014:

"Die Bundesrepublik Deutschland fördert den Spitzensport in seiner professionellen Form, weil sie von der Vorstellung bestimmt scheint, die Leistungsfähigkeit von Staat und Gesellschaft drücke sich auch in den Leistungen der Athleten aus. Die Sportler treten ... bei internationalen Sportveranstaltungen immer auch als Repräsentanten Deutschlands auf."

Und dann dieser vielsagende Satz:

"Es gibt aber auch heute Hinweise darauf, dass die deutschen Athleten mit Athleten anderer Länder konkurrieren, deren staatliche und verbandliche Organisation nur eingeschränkt an einem manipulationsfreien sportlichen Wettbewerb interessiert ist".

Seppelt wird den Hintersinn dieser Aussage bemerkt haben, denn seine weiteren Aktivitäten lassen diesen Schluss zu: Konkurrenz des Auslands kann den deutschen Sportlern vom Leibe gehalten werden, wenn man an der richtigen Stelle die Doping-Schraube eindreht, kunstvoll getarnt.

Übersieht man als Journalist solche versteckten Signale nicht, dann ist das der journalistischen Karriere dienlich. Seppelt erinnerte sich wohl deutlich einer früheren Abberufung als Reporter, die ihm nach eigenen Angaben widerfuhr, weil er sich kritisch über Doping im deutschen Schwimmsport geäußert hatte....

Natürlich wird niemand infrage stellen, dass über Doping – auch das im russischen Sport – zu berichten ist. Auffallend ist bei Seppelt und an der ARD-Sportberichterstattung allerdings die Einäugigkeit bei der Suche nach Wahrheit und Klarheit. Der investigative Eifer auf der Suche nach Dreck am russischen Stecken kontrastiert augenfällig mit der medialen „Laissez faire“ gegenüber dem Unrat im deutschen Sport und dem in westlichen Ländern.

Hajo Seppelt bolzte, wo immer sich eine Gelegenheit ergab:

"Der einflussreichste Strippenzieher des Weltsports hat die Bankrotterklärung des internationalen Anti-Doping-Kampfes unterschrieben."

Gemeint war IOC-Präsident Thomas Bach, der den Ausschluss der russischen Sportler aus den Olympischen Spielen nicht hatte unterstützen wollen.

Einer russischen Journalistin wirft Seppelt vor :

"Du bist dumm! Russische Journalisten, die auf ihr Land stolz sind, sie sind dumm".

Anstatt bei seinem Leisten zu bleiben und Sportreprotagen zu schreiben, spielte er sich in der Öffentlichkeit als sportpolitischer Chefstratege auf:

"Ich bin der Auffassung, dass die Russen nicht teilnehmen sollten. Man muss ein Exempel statuieren, damit die Welt weiß, dass es Konsequenzen hat, wenn man sich in einem solchen Ausmaß nicht an die Regeln des Sports hält."

Die beliebige Begründung dafür, Russlands Team für die Olympischen Spiele in Rio klein zu machen, lautete eben "Doping"; sie hätte auch "Korruption", "Verletzung von Menschenrechten", "Annexion der Krim" o.ä. lauten können. Es ging Seppelt & Co. ja nicht um Aufklärung, Hygiene und Fairness im internationalen Sportwettkampf, sondern in erster Linie um einen Beitrag zur massiven politischen Kampagne gegen Russland, abzulesen auch an Seppelts abfällig gemeinter Bemerkung über

"die Männerfreundschaft zwischen Putin und dem deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach".

Während der Olympiade wiederholte Seppelt in Komplizenschaft mit der gleichgeschalteten ARD-Sportjournalisten-Garde seine Angriffe gegen den IOC-Präsidenten. Dabei war jeder Bündnispartner genehm, auch der frühere Diskus-Olympiasieger Robert Harting. In einer Programmbeschwerde schrieben wir am 10.8.2016:

"ARD-aktuell hat es versäumt, die opportunistische Haltung des Goldmedaillengewinners zu beleuchten. Es wäre journalistisch zwingend notwendig gewesen, nicht nur darauf hinzuweisen, wie wohlfeil Hartungs Äußerung ist, sondern auch, welche Heuchelei und Doppelbödigkeit den Diskurs über das Doping prägen. Diskussionen, wie sie hier geführt und publiziert werden, dienen vorrangig als systematische Propagandawaffe gegen Russland. Der indirekt vermittelte Eindruck, von anderen Sportnationen werde bei Olympia kein systematisches Doping betrieben, ist nichts anderes als Zuschauertäuschung. Harting, hatte noch im Jahr 2009 lautstark für eine eingeschränkte Freigabe von Dopingmitteln Stimmung gemacht und gleichzeitig die Opfer des systematischen Dopings in der DDR verunglimpft."

Der NDR und im Ergebnis auch sein Rundfunkrat sahen das „natürlich“ ganz anders:

"Die Redaktion stellt ... sowohl Hartings als auch Bachs Standpunkte neutral, objektiv und umfassend dar... In der Gesamtbetrachtung zeigt sich eine ausgewogene und sachliche Darstellung der Positionen von Herrn Harting und Herrn Bach...... Auch bietet der kritisierte Online-Beitrag keinerlei Anhaltspunkte für den Vorwurf der Beschwerdeführer, dass „Diskussionen, wie sie hier geführt und publiziert werden, vorrangig als systematische Propagandawaffe gegen Russland dienen".

ARD-aktuell-Chefredakteur Dr. Gniffke verschwendete in dieser Stellungnahme also keinen Gedanken daran, dass ein Sportler wie Harting kein sonderlich glaubwürdiges Aushängeschild im Anti-Doping-Diskurs ist.

Als nach der Olympiade die Hacker-Gruppe "Fancy Bears" die medizinischen Daten westlicher Hochleistungssportler knackte, war von Seppelt und den Gniffkes nichts Nennenswertes über diese Doping-Fälle zu erfahren. Da standen ja deutsche und nicht russische Sportler im Regen. Wir schrieben:

"Die Frage, warum fünf deutsche Sportler (darunter die Speerwerferin Christina Obergföll, Diskuswerfer Harting, die Tennisspielerin Siegesmund, die Schwimmer Vom Lehm und Reichert) Spitzenleistungen ablieferten, obwohl sie eigentlich schwer erkrankt und existenziell auf die Einnahme hilfreicher Medikamente angewiesen sind", war unseren Kämpfern für einen sauberen Sport dann eher lästig. Mit dem Zauberwort „Ausnahmegenehmigung“ wurden alle Zweifel zugedeckt .... Bei R. Harting reichte dafür ein Hexenschuss. Das von ihm eingenommene Dexamethason, welches auch entzündungshemmend wirkt, gehört – wie der Zufall will – zur Familie der synthetischen Steroidhormone. Und dieser Harting spielte dann auch noch den perfekten Anti-Doping-Kämpfer mit massiver medialer Unterstützung durch ARD-aktuell."

Darauf Chefredakteur Gniffke (von Seppelt hatten wir in diesem Kontext selbstredend nichts gehört):

"Sicherlich ist nicht auszuschließen, dass Sportler Ausnahmegenehmigungen auch zur Leistungssteigerung nutzen, aber solange es keine Beweise für Doping gibt, wie im erwähnten Fall Harting, können wir in der Berichterstattung nichts anderes behaupten. Die Unterstellung, ARD-aktuell würde westliche Sportler, vor allem deutsche, aus der Debatte über Doping heraushalten, weisen wir zurück. Unsere Berichterstattung orientiert sich an Fakten, nicht an Spekulationen."

So dreist können Stellungnahmen eines Chefredakteurs ausfallen, der auch in der allgemeinen Berichterstattung selbst den kleinsten Verdacht und jede Spekulation verwenden lässt, um gegen Russland zu agitieren. Im nationalistischen Sinne erfolgreich war die AgitProp der ARD gegen die Russen im hier angesprochenen Vorgang allerdings am Ende nicht: Trotz einer arg gerupften russischen Olympiamannschaft hatten die Deutschen bei der anti-olympischen „Nationenwertung“ („Medaillenspiegel“, vulgo: "Schwanzvergleich") das Nachsehen.

Seppelt ließ trotzdem nicht locker. War er doch gerade so schön mit seinen "Reportagen" im (anti-russischen) Geschäft! Nach der Olympiade fand er ein weiteres Aktionsfeld. Nun trommelte er zusammen mit der WADA-Dopingagentur gegen Russland: In deren Augen gebe es dort in großem Umfang systematisches Doping im Fußball. Entsprechend penetrante und „natürlich“ nicht belegte Mutmaßungen fanden dann Eingang in die Berichterstattung der ARD über den diesjährigen Confed-Cup in Russland. Bundestrainer Joachim Löw, offensichtlich genervt:

"Es ist ein schwebendes Verfahren, ich möchte keine Spekulationen anheizen. Wenn es so sein sollte, würde ich gerne alle Namen in der Öffentlichkeit hören. Die WADA oder die FIFA sollen dann Ross und Reiter nennen, dann können wir weitersehen, was passiert. Ich kann es nicht beweisen, aber von diesen Institutionen, die auch uns ständig testen, will ich Namen hören, sollte es sich bewahrheiten."

Mit Blick auf einen weiteren Höhepunkt der unappetitlichen ARD-Russophobie zitieren wir hier die "NachDenkSeiten" (NDS):

„Wenn es um ‚überkritische’ oder gar ‚tendenziöse’ Russland-Berichterstattung geht, spielen die Sportredaktionen der öffentlich-rechtlichen Medien oft eine besonders unrühmliche Rolle. Auch beim in den letzten Wochen stattgefundenen Confed Cup sparten ARD und ZDF im Rahmenprogramm der Sportberichterstattung erwartungsgemäß nicht mit einseitiger Kritik an Russland. Das wurde dem ehemaligen Fußballstar Mehmet Scholl, der aktuell als ARD-Experte tätig ist, offenbar zu viel. Scholl quittierte den Dienst für den Confed Cup und reiste nach Hause. Die ARD erklärte dies mit gesundheitlichen Gründen. Doch später kam heraus, dass es hinter den Kulissen wohl mächtig gekracht hat: Scholl wollte eine ARD-Story über vermeintliche Dopingprobleme im russischen Fußball nicht mittragen und zog die Reißleine. Chapeau vor so viel zivilem Ungehorsam."

Und als wolle der Deutsche Fußballbund sich nachdrücklich mit Mehmet Scholl solidarisieren, verlas der deutsche Kapitän der Nationalmannschaft Julian Draxler ein öffentliches Lob auf Russland für die erwiesene Gastfreundschaft. Erwartungsgemäß erfuhr aber das deutsche Publikum hierüber nichts von Dr. Gniffkes Qualitätsjournalisten, weder in der Tagesschau noch auf Tagesschau.de, dem Online-Angebot (Abfrage-Ergebnis im Archiv von ARD-aktuell). Dem deutschen Publikum hätte der Gedanke kommen können, dass die Russen gar nicht so übel sind, wie Gniffke sie darstellen lässt...

Überhaupt scheinen unsere Fußball-Größen ein anderes Bild von Russland zu haben als Gniffke und seine ihm gewogenen Rundfunkräte pflegen. In einem Interview äußerte der FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß Anfang dieses Jahres:

"…dass wir Deutsche Russland so extrem kritisieren und so herabwürdigend zur Seite schieben",
sehe er mit großer Sorge.

Hoeneß:

"Mir ist durchaus bewusst, dass in Russland nicht nur Wohltäter arbeiten und Samariter beschäftigt sind, aber ich glaube, dass es klug wäre, sich zusammen mit den Russen und Amerika den Problemen dieser Welt anzunehmen", forderte der 64-Jährige in der Münchner "tz".

Und weiter:

"Gerade in Deutschland gibt es seit Jahren eine große Anti-Russland-Stimmung, die ich für völlig falsch halte."

Meldungen über diese Interview-Aussagen des FC-Bayern-Präsidenten waren im Mainstream weit verbreitet. Nur Dr. Gniffkes „Qualitäts“- Journalisten blieben stumm. Die an uns adressierte Rechtfertigung:

"Sie warfen der Redaktion erneut eine russlandfeindliche Grundhaltung vor. Diese Vorwürfe weisen wir erneut als haltlos zurück. Ob wir über Interview-Äußerungen von Uli Hoeneß zum deutsch-russischen Verhältnis berichten, obliegt unserer redaktionellen Entscheidung."

Natürlich tut sie das. Und da sie so ausfiel wie geschehen, muss der werte Herr sich dafür kritisieren lassen: No News sind die Geschwister der Fake-News, Herr Doktor.

Über die offiziellen Dopingwächter der WADA – Seppelts Kampfgenossen – urteilte der geständige frühere Radprofi und Dopingsünder Floyd Landis:

"Geben Sie sich keiner Illusion hin. Die Bemühungen der Welt-Dopingagentur WADA und der US-Agentur USADA sind nur Show und Fassade. Diese Leute bekommen Freikarten zu den Spielen. Das ist ihr eigentliches Ziel."

Showcharakter, Populismus, Oberflächlichkeit, Einäugigkeit – solche kritischen Bewertungen ihrer Arbeit verdienen sich Tugendwächter Seppelt und seine Gesinnungsfreunde in den Sportredaktionen der ARD, ganz zu schweigen von Dr. Gniffke, dem Chef der wichtigsten deutschen Nachrichtenredaktion.

Es geht ihnen nur vordergründig um den Kampf gegen das Doping. Faktisch erzeugen und verbreiten sie ein unverdientes und unangebrachtes Saubermann-Image des deutschen Sports und leben ihre antirussischen Emotionen aus. Mit anderen Worten: Sie missbrauchen ihre Medienmacht, als stünden sie nicht in Diensten der (zahlenden) Öffentlichkeit, sondern seien die publizistischen Vollzugsorgane unserer russlandfeindlichen Regierungspolitik.


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