Ab 2020 macht auch die Bundesregierung mit. Dann will sie neben den normalen auch grüne Staatsanleihen ausgeben. Das sind Anleihen, deren Verkaufserlös für umweltschutzrelevante Maßnahmen zweckgebunden ist. Die Idee von solchen Anleihen ist es, privates Kapital für Investitionen zu mobilisieren, die den menschlichen Beitrag zum Klimawandel reduzieren. Das hilft der Umwelt dann, wenn dadurch erstens solche Investitionen billiger finanziert werden können und deshalb zweitens mehr davon stattfinden als ohne grüne Anleihen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat bei der Vorstellung des Projektes allerdings nicht einmal den Versuch gemacht zu argumentieren, durch die grünen Anleihen käme es zu zusätzlichem Umweltschutz. Damit sollen nur ohnehin geplante Investitionen finanziert werden.
Aber grüne Anleihen sind in. Seit die Europäische Investitionsbank 2007 den ersten grünen Bond auflegte, haben diese enorm an Popularität gewonnen. Von einem Volumen von knapp einer Milliarde Dollar im Jahr 2008 legte der globale Markt nach Angaben der Bundesbank bis 2018 auf rund 170 Milliarden Dollar zu. Der Anteil am ausstehenden Anleihevolumen ist mit zwei Prozent aber noch gering. Ob die deutliche Abflachung des Anstiegs von 2017 auf 2018 ein Ausreißer war oder der Beginn vom Ende des Hypes, muss sich zeigen.
Gebietskörperschaften sind die Hauptemittenten, gefolgt von Finanzinstituten sowie Versorgungs- und Industrieunternehmen. China steht an der Spitze, gefolgt von Frankreich und den USA. Deutschland mit der staatlichen Förderbank KfW als Hauptakteur liegt auf Rang sechs der größten Emittenten.
Wie sehr es gelingt, mit grünen Anleihen Umweltschutzmaßnahmen zu verbilligen, lässt sich daran ablesen, mit wie viel weniger Rendite Anleger zufrieden sind, dafür dass sie umweltfreundlich investieren dürfen. Olivier David Zerbib von der Tilburg Universität hat das in der wohl bisher methodisch überzeugendsten Studie ermittelt, die unter dem Titel „The effect of pro-environmental preferences on bond prices" im „Journal of Banking & Finance" erschienen ist.
Minimale Renditeabschläge
Weil die Rendite von Anleihen stark von Laufzeit und Kreditwürdigkeit des Emittenten abhängt, verglich Zerbib paarweise grüne Anleihen mit konventionellen, die in den übrigen Eigenschaften möglichst genau mit diesen übereinstimmen. Er ermittelte für 110 grüne Anleihen von 2013 bis 2017 einen durchschnittlichen Renditeabschlag von 0,02 Prozentpunkten. Pro Million Euro Anleihevolumen macht das eine jährliche Kostenersparnis für Emittenten von 200 Euro aus. Erhöhte Kosten für die grüne Berichterstattung dürften von dem Kostenvorteil wenig übrig lassen.
Eine Reihe anderer Studien fand ebenfalls sehr geringe oder nicht vorhandene Renditeabschläge, vereinzelt wurden auch höhere ermittelt.
Es sei zur Vermeidung von Konfusion angemerkt. Im Monatsbericht Oktober der Bundesbank wird in einem Artikel zu nachhaltigen Finanzanlagen die Zerbib-Studie mit einem höheren Renditeabschlag von 0,08 Prozentpunkten zitiert. Die Bundesbank erklärte auf Nachfrage, dass der Wert aus dem durch die endgültige Publikation überholten Arbeitspapier von Zerbib stamme.
Der geringe Renditeabschlag deutet darauf hin, dass sich die Verzichtsbereitschaft der Anleger für ein gutes Gewissen in Grenzen hält. Offenbar kaufen sie als ökologisch vermarktete Anleihevarianten nur, solange es sie nicht merklich Rendite kostet.
Nach dem weisen schwäbischen Spruch „Was nix koscht, isch nix" ist kein großer Effekt zu erwarten, wenn sich grüne Anleihen fast nicht von anderen unterscheiden.
Es stellt sich die Frage, warum sich die Finanzbranche trotzdem die Mühe macht, mit diversen Initiativen und bunten Prospekten und Studien den Hype zu befördern und das Segment der grünen Anleihen am Markt zu etablieren.
Der Unternehmenswert steigt
Eine Studie von Caroline Flammer von der Boston University legt eine Antwort nahe. Es lohnt sich offenbar für die Emittenten auch jenseits des geringen Kostenvorteils. Sie beschränkte ihre Untersuchung mit dem Titel „Green Bonds: Effectiveness and Implications for Public Policy" auf börsennotierte Unternehmen, weil sie so untersuchen konnte, wie sich die Ankündigung eines grünen Bonds auf den Börsenkurs auswirkte, und wie sich Kennzahlen des Unternehmens nach der Emission entwickelten. Auch sie verwendete die Methode des paarweisen Vergleichs, in diesem Fall des Vergleichs möglichst ähnlicher Unternehmen. Diese sollen sich in allen wesentlichen Aspekten möglichst stark gleichen und sich nur darin nennenswert unterscheiden, dass die einen eine konventionelle Anleihe emittierten, die anderen eine grüne.
Flammer ermittelte einen Ankündigungseffekt auf den Aktienkurs von 0,7 Prozent. Am Aktienmarkt wird also die Ankündigung eines grünen Bonds als positives Signal für den Unternehmenswert verstanden. Allerdings nur, wenn die grünen Anleihen von einem der gängigen Anbieter als solche zertifiziert sind. Bei nicht zertifizierten grünen Anleihen war kein positiver Effekt auf den Aktienkurs feststellbar. Das passt zu einer Studie der Deutschen Bank, der zufolge Presseberichte und Ankündigungen über Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit auf Zwölfmonatssicht den Aktienkurs des betreffenden Unternehmens um durchschnittlich 1,4 Prozent nach oben treiben.
Außerdem stellte die Ökonomin in den beiden Folgejahren eine Verbesserung der „ökologischen Performance" der Emittenten grüner Anleihen fest. Die Indikatoren dafür sind allerdings etwas fragwürdig, vor allem der erste: Dabei handelt es sich um den ASSET4-Index von Thomson Reuters, der vor allem die Offenlegung ökologisch wichtiger Kennzahlen bewertet. Da die Emission zertifizierter grüner Bonds mit zusätzlichen Offenlegungsanforderungen einhergeht, ist diese Verbesserung vorprogrammiert. Der zweite Indikator ist der CO2-Ausstoß des Unternehmens. Hiergegen kann man einwenden, dass die Unternehmen ganz gut vorhersehen können, ob ihre aktuelle Strategie eine Senkung oder eine Erhöhung der CO2-Abgabe nach sich ziehen wird. Wer eine Steigerung erwartet, wird kaum vorher einen grünen Bond herausgeben und sich ein PR-Problem einhandeln.
Positive PR-Wirkung
Aber Flammer stellt auch einen Anstieg der Unternehmensrentabilität zwei Jahre nach der Emission einer grünen Anleihe um gut ein Zehntel fest. Die minimal günstigere Refinanzierung grüner Investitionen kann kaum der Grund dafür sein. Flammer bietet keine Erklärungshypothese an. Wenn der positive Effekt auf die Rentabilität kein statistisches Kunstprodukt ist, bietet sich als Erklärung die positive Wirkung grüner Investitionen und grüner Bonds auf das Standing eines Unternehmens in der Öffentlichkeit und damit auf den Markenwert an. Eine Erklärungshypothese ist auch, dass es ein Ausweis guten — und eventuell verbesserten — Managements sein könnte, wenn die Unternehmensführung die PR-Chancen von grünen Bonds erkennt und wahrnimmt.
Bis die Unternehmen über zusätzliche umweltrelevante Investitionen nachdenken müssen, um die Einnahmen aus grünen Bonds verwenden zu können, muss das Segment jedenfalls noch sehr stark wachsen. Der auf „sauberen Kapitalismus" fokussierte kanadische Datenanbieter Corporate Knights schätzt, dass 17 Prozent der derzeitigen Investitionen großer Unternehmen als im weitesten Sinne umweltfreundlich ein grünes Etikett bekommen und mit grünen Anleihen finanziert werden könnten. Deren umweltpolitische Wirkung dürfte sich damit in sehr engen Grenzen halten.
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