Bargeld ist eine Säule für die Freiheit in unserer Gesellschaft. Allerdings nicht, wenn es im Museum verstaubt, sondern dann, wenn es auch über Ladentheken wandert und als Zahlungsmittel aktiv Verwendung findet. Denn stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Banknote, aber Sie können nirgendwo damit bezahlen. Das hätte doch recht beschränkten Nutzen, oder? Dieses Szenario ist gar nicht so weit hergeholt: Immer mehr Geschäfte lehnen Bargeld ab — nicht nur in Schweden und den Niederlanden, sondern auch in Deutschland und der Schweiz. Und je weniger Menschen an der Kasse zu Scheinen und Münzen greifen, desto schneller verläuft diese Entwicklung.
Sie könnte sogar noch zügiger voranschreiten. Denn das Bargeld dürfte bald einen neuen Konkurrenten bekommen. Die Europäische Zentralbank experimentiert jedenfalls mit dem digitalen Euro. Der soll den Schein von Privatsphäre besitzen, kostenlos sein und für alltägliche Einkäufe zur Verfügung stehen. Eine App auf dem Smartphone wäre Voraussetzung für die Nutzung. Die Überlegungen scheinen dahin zu reichen, dass alle Geschäfte zur Akzeptanz des digitalen Euros verpflichtet werden. So sagte etwa Fabio Panetta, Direktor der Europäischen Zentralbank, am 7. November 2022 in Brüssel:
„In manchen Regionen Nordeuropas wird Bargeld in Geschäften nicht mehr akzeptiert. […] de facto haben wir eine Währungsunion, aber in unterschiedlichen Teilen der Union muss man unterschiedliche Zahlungsmittel nutzen. […] und auch das würde durch einen digitalen Euro behoben werden.“
Wie sehen die Pläne auf EU-Ebene aus? Die Aussage lässt sich so deuten:
Geschäfte werden auch morgen Banknoten und Münzen ablehnen dürfen; stattdessen soll der digitale Euro die Lücke füllen und vom Einzelhandel angenommen werden.
Wenn uns die Politik schon nicht hilft: Was können denn wir Bürger tun, damit Bargeld als Zahlungsmittel eine Zukunft bekommt? Eine mittelfristige Lösung wäre, die Akzeptanz von Banknoten und Münzen ins Gesetz zu schreiben. In der Schweiz sammelt eine Initiative für dieses Anliegen Unterschriften — seit dem 21. März 2023. Die Menschen in anderen Ländern haben es schwerer, sich politisch einzubringen.
Aber es gibt eine langfristige Lösung: ein breites Bewusstsein in der Bevölkerung darüber, welchen Nutzen Bargeld schenkt — uns persönlich und der Gesellschaft im Gesamten. Und dieses Bewusstsein erwacht gerade zum Leben: Vom 15. bis zum 22. Januar 2023 wagten 400 Menschen ein Experiment. Sieben Tage, sieben Herausforderungen und am Ende wartete ein Lohn.
Mehr Kontrolle über die eigenen Finanzen
80 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland sollten ihre Ausgaben gut planen, sagt Hansjörg Stützle. Er half viele Jahre Firmen und Privatpersonen, aus der Geldnot herauszufinden. Er weiß: „Bargeld ist der Schlüssel für Menschen, die in finanziellen Schwierigkeiten sind — und es ist der Schlüssel, nicht in Schwierigkeiten zu kommen.“
Hansjörg Stützle ist Betreiber der Aufklärungsplattform Bargeldverbot.info und Initiator der siebentägigen Bargeld-Challenge. Zum Auftakt bat er die Teilnehmer, sich zu überlegen, wie viel Geld im eigenen Portemonnaie liegt: 7 Euro wurden da genannt, 50 Franken, 200 Euro, 40 Euro, 145 Franken, auch die Zahl 2000. Und dann der Blick in den Geldbeutel — böses Erwachen? Nein, 54 Prozent hatten das sehr gut eingeschätzt, immerhin 40 Prozent trafen es einigermaßen genau.
Die erste Herausforderung: ein Budget für die nächsten sieben Tage beschließen. Jeder dachte also nach, wie viel Geld er benötigen würde für Lebensmittel, für öffentliche Verkehrsmittel oder Benzin, für Freizeitaktivitäten und andere Angelegenheiten. Der Gesamtbetrag musste am Geldautomaten besorgt werden. Und damit war dann die ganze Woche auszukommen.
Hansjörg Stützle kennt die psychologische Seite: In einen vollen Geldbeutel schauen und wissen, dass einem diese Summe wirklich zur Verfügung steht, das gibt Stabilität. Weniger Stress bedeute mehr Vertrauen ins Leben und die Möglichkeit, klare Gedanken zu fassen. Bezahlen kann dann sogar Freude machen.
Letzten Endes können Banknoten und Münzen ein Hilfsmittel werden, sich nicht vom Geld steuern zu lassen, sondern leichter die eigenen Visionen zu verwirklichen.
Ohnehin bekannt ist, dass die Verwendung elektronischer Zahlungsmittel zu höheren Ausgaben verleitet. Der Kreditkartenanbieter Visa wendet sich mit folgenden Zahlen an Gewerbetreibende:
„Für ein Gericht oder einen Imbiss zum Mitnehmen gibt ein US-Verbraucher mit Karte typischerweise 25 Prozent mehr aus in einer Pizzeria, 33 Prozent mehr in einem Feinkostladen oder Schnellrestaurant und 40 Prozent mehr in einem familienfreundlichen Restaurant.“
Die Magie zeigt Wirkung
Während sieben Tagen trafen sich die Teilnehmer am Morgen für eine kurze Videokonferenz. Jedes Mal nahmen sie eine kleine Aufgabe mit nach Hause. Und nach und nach entfaltete das Bargeld seine Magie: „Ich werde noch konsequenter bar bezahlen und mein Umfeld dafür sensibilisieren“, hieß es da. „Ich kann das eigene Geld ganz anders schätzen“, sagte ein anderer.
Als die Woche zu Ende ging, hatten 60 Prozent der Teilnehmer noch Geld übrig. Ob das wirklich ein Überschuss ist, müsse sich erst noch zeigen, gab Hansjörg Stützle zu bedenken. Größere Zeiträume sind repräsentativer, wenn es darum geht, die notwendigen finanziellen Mittel einzuschätzen und ein Budget zu berechnen. Auf jeden Fall aber hat die Bargeld-Challenge nachhaltige Erkenntnisse beschert:
„Ich empfinde mehr Wertschätzung für die Leistung, die ich erhalten habe“, bemerkte ein Teilnehmer. Er hat einen neuen Blick auf das Geldausgeben gewonnen. Und Dankbarkeit ist ein wichtiger Aspekt von Glücklichsein. Von einer neu entstandenen Freude, Geld in die Hand zu nehmen, sprach eine zweite Stimme. Es sei jetzt leichter abzuschätzen, wie viel Geld einem etwas wert ist, sagte eine andere.
Den Nutzen von Bargeld für das eigene Leben will nun niemand mehr missen. Und allen ist klar: Eine freie Gesellschaft braucht ein freies nicht digitales Zahlungsmittel.
Viele wären gern dabei gewesen, haben aber erst im Nachhinein davon erfahren. Zum Glück gibt es nach diesem schönen Erfolg bald die nächste Bargeld-Challenge.
Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.