Bombenvorschlag
von Luciana Bohne
„Es ist an der Zeit, bewaffnete Drohnen an allen Schulen in den USA in Betracht zu ziehen. Wenn Drohnen, geführt von den Militärhelden auf dem Luftwaffenstützpunkt Nellis in Las Vegas, mitten in Syrien Leben retten können, können sie auch zum Schutz von Schulen in den USA eingesetzt werden“, höhnte der Chefpädagoge im Weißen Haus (Wayne Allyn Root, Anm. d. Ü.) im Zusammenhang mit dem Massaker an der Marjory Stoneman Douglas High School.
Keine schlechte Idee. Bei der Aussicht auf einen solchen potenziellen Großauftrag kann man sich leicht die leuchtenden Augen der Top-Anbieter der Multimillionen-Dollar-Drohnen Reaper und Predator für das Pentagon, Northrop Grumman, Lockheed Martin und Boeing, vorstellen. Der stellvertretende Verteidigungsminister des Präsidenten und früherer Geschäftsführer für Raketenabwehr-Programme bei Boeing, Patrick Shanahan, könnte die Beschaffung sogar noch vorantreiben.
Das Militär spricht von UAVs (Unmanned Aerial Vehicles = unbemannte Luftfahrzeuge) oder RPAS (Remotely Piloted Aerial Systems = ferngesteuerte Luftfahrtsysteme). Die breite Masse kennt sie als „Drohnen“ – in der Natur die Bezeichnung für stachellose männliche Bienen, deren Hauptzweck im Leben in der Vereinigung mit einem fruchtbaren Weibchen besteht. Um es mit einer reizvollen Metapher auszudrücken: In der militärischen Vorstellung, die geschlechtsneutral betrachtet eindeutig männlich ist, dient die bewaffnete Flugdrohne als Sex-, Liebes- und Reproduktionswaffe.
Und trotzdem könnten über Schulen kreisende Drohnen recht hilfreich sein. Sie dienen der Spionage, sowie der Überwachung und Wiedererkennung und können so das Spicken bei Prüfungen eindämmen. Sie können nach Straßenbomben oder Geräten auf Landeflächen suchen sowie Parkverstöße auf dem Schulgelände auffliegen lassen. Sie können Gespräche am Handy mithören und solche identifizieren, in denen in exzessivem Ausmaß Sex, Pornografie oder andere für Heranwachsende typische Inhalte thematisiert werden. Sie können die tägliche Routine von Ortsansässigen festhalten, um abweichendes Verhalten oder unangemessene Praktiken bei den Lehrern herauszufiltern.
Sie können Luftunterstützung (sogar bewaffnete Helikopter-Drohnen werden derzeit perfektioniert) leisten während eines Angriffs durch einen verwirrten Einzelgänger oder verblendeten Terroristen – eine Unterscheidung, so stellen einige Zyniker heraus, die die Medien je nach „Rasse“ des Mörders vornehmen.
Natürlich werden solche Sicherheitseinsätze wie der Einsatz bewaffneter Drohnen über jeder amerikanischen Schule auch mit Kollateralschäden verbunden sein. Obamas erster Drohneneinsatz über dem Jemen, eine verdeckte Aktion am 17. Dezember 2009, tötete nicht nur das angestrebte Ziel, sondern auch zwei benachbarte Familien. Die Drohne hinterließ eine Spur von Splitterbomben, mit denen weitere Zivilisten getötet wurden. General James Jones der US-Marines und ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater beschrieb den Jemen zu dieser Zeit apologetisch als ein „embryonales Theater, mit dem wir nicht wirklich vertraut waren“.
Damit lag General Jones ganz richtig. Vor Obamas Angriff im Dezember 2009 hatte es nur einen Drohnenangriff gegeben – im November 2002. Bis 2012 wurden an durchschnittlich einem von sechs Tagen Drohnenangriffe auf Jemens „embryonales Theater“ durchgeführt und bis August 2015 waren mehr als 490 Menschen getroffen worden. Das sind nur die offiziellen Zahlen.
Lieutenant General Michael Flynn war bis zu seiner Berufung Anfang 2017 durch Präsident Trump auf den Posten des Nationalen Sicherheitsberaters, den er nur drei Wochen behielt, Leiter des Auslandsgeheimdienstes Defense Intelligence Agency. Im Jahr 2015 kommentierte er die Drohnenangriffe auf stark besiedelte Gebiete, in denen überwiegend keine oder Möchtegern-Terroristen, einschließlich Kleinkinder leben, säuerlich mit folgenden Worten:
„Die Drohnen-Kampagne dreht sich zurzeit wirklich nur ums Töten. Wenn Sie den Ausdruck ‚Gefangennahme / Abschuss‘ hören, handelt es sich eigentlich bei ‚Gefangennahme‘ um eine Fehlbezeichnung. In der Drohnenstrategie, die wir verfolgen, wird ‚Gefangennahme‘ kleingeschrieben. Wir machen keine Gefangenen mehr. Unsere gesamte Nahost-Politik scheint auf Drohnenabschüssen zu fußen. So hat es diese Regierung in ihrer Anti-Terror-Kampagne beschlossen. Sie ist geradezu verschossen in die Fähigkeit von Sondereinsatzkommandos und der CIA, mitten in der Wüste in einem beschissenen kleinen Dorf einen Typen aufzustöbern, ihm eine Bombe auf den Kopf fallen zu lassen und ihn zu töten.“
Bevor man also beschließt, Millionen Dollar, die eigentlich für die Bildung gedacht sind, für bewaffnete Drohnen zum Schutze einer „beschissenen kleinen“ Schule in Alabama zu verschwenden, sollte der Präsident über eine preiswertere und, ganz ehrlich, schnellere Alternative nachdenken: die öffentlichen Schulen zu bombardieren.
Diese Taktik wird in den Kriegen im Mittleren Osten und Nordafrika systematisch eingesetzt, um den globalen Terrorismus auszulöschen. Zum Beispiel hat die „Saudi-Koalition“, wie sie so nett bezeichnet wird, seit Februar 2015 mehr als 500 Schulen im Jemen, dem ärmsten Land des Mittleren Ostens, von der Karte gebombt. In Wahrheit jedoch ist es ein Stellvertreterkrieg, orchestriert vom sagenumwobenen Anglo-Amerikanischen Joint Special Operation Command.
Sie könnten einwenden, dass die Bombardierung aller amerikanischen öffentlichen Schulen ein wenig extrem ist. Bedenken Sie aber den unmittelbaren Nutzen: Befreit von der Last, gefährliche Schulen zu besuchen, könnte man eine enorme Anzahl von High-School-Abgängern fürs Militär freistellen. Sie würden Disziplin, Patriotismus, auch etwas über Tattoo-Kunst lernen und sich im Töten für die Wahrung der Sicherheit Amerikas zu qualifizieren. Sie würden feststellen, dass die militärische sich nicht allzu sehr von der High-School-Kultur unterscheidet. Sie würden trinken, kotzen, noch mehr trinken, kotzen und Sex haben, bei dem sie einvernehmlich leblos sind.
Sollte Sie dieses utilitaristische Argument für die Bombardierung öffentlicher Schulen nicht überzeugen, bedenken Sie Präsident Trumps oberste Priorität, die er der Bildung zumisst: der Wahl der Schule. Derzeit besuchen neun von zehn amerikanischen Kindern eine öffentliche Schule. Die überwältigende Mehrheit ist jetzt durch die Regierung an den Anspruch auf freie, säkulare und liberale, antiquierte Bildung gebunden. Sollten die öffentlichen Schulen bombardiert werden, wären sie gezwungen, eine „Wahl“ zu treffen. Sie könnten sich für Charterschulen (öffentliche, oftmals von privaten Unternehmen „geleitete“ Schulen, A. d. Ü.) entscheiden oder Gutscheine für private und religiöse Schulen sammeln.
Sicher stimmen Sie Präsident Trump und dessen Bildungsministerin Betsy de Vos zu, dass Amerikas Platz 26 im weltweiten Bildungsvergleich eine Demütigung darstellt. Da ist es doch inspirierend, darüber zu reflektieren, dass eine Budgetkürzung der staatlichen Bildungsinitiativen um 10,6 Milliarden Dollar im Fiskaljahr 2018 ein ermutigender erster Schritt ist, um dieses traurige Ranking umzukehren. Ein Teil der Einsparungen, 400 Millionen Dollar, werden für den Ausbau von Charter- sowie privaten und religiösen Schulen zur Verfügung gestellt, aber das Sahnehäubchen kommt noch.
Die eine Milliarde Dollar, die derzeit bereitgestellt werden, um Druck auf öffentliche Schulen auszuüben, um die Politik der freien Schulwahl durchzusetzen, könnte man einsparen und auf bedürftigere Bereiche umverteilen – falls die öffentlichen Schulen bombardiert werden sollten. Diese Milliarde könnte dem gemeinsamen Budget für Verteidigung und Nuklearwaffen zugeschlagen werden, das derzeit bei stolzen 731,09 Milliarden Dollar liegt (zum Vergleich: Russlands Verteidigungsbudget beläuft sich auf läppische 45 Milliarden Dollar pro Jahr).
Die Aufschlüsselung des für die Verteidigung vorgesehenen Gesamtetats von 731,09 Milliarden Dollar, das einem Bildungshaushalt in Höhe von 59 Milliarden Dollar gegenübersteht, könnte Sie davon überzeugen, wie weise, vorausschauend und geistig rege unsere erwählten Anführer sind – und wie sehr sie sich dafür einsetzen, unserer Jugend eine sichere und prosperierende Zukunft zu bieten. Dem Verteidigungsministerium, dem Pentagon, kommt ein Budget in Höhe von 686 Milliarden Dollar zu, damit das höchste seit dem von Obama im Jahr 2011 und 74 Milliarden Dollar mehr als 2017.
Falls Sie sich sorgen, dass die Kriege gegen all unsere Feinde im Ausland damit ein Ende finden, seien Sie beruhigt: Es wurden 69 Milliarden Dollar für Kriege im Jahr 2019 beiseitegelegt. Weitere 6,97 Milliarden Dollar sind für die im Zusammenhang mit Drohnen stehende Beschaffung, Forschung und Entwicklung und „systemspezifische Konstruktion“ vorgesehen, nachdem es 2016 noch 2,9 Milliarden Dollar waren. Das Energie-Department, beauftragt mit der Unterhaltung der Nuklearwaffen, erhält 30 Milliarden Dollar. Das Amt für Nationale Nukleare Sicherheit, ein semi-autonomer Flügel des Energieministeriums, erhält 15,09 Milliarden Dollar, was im Vergleich zum Ansatz vom Vorjahr eine Aufstockung um annähernd 1,2 Milliarden Dollar bedeutet.
Ehrlich gesagt, kann ich gar nicht genug auf die mehr als offensichtlichen Prioritäten hinweisen. Mit Verlaub und demselben Freimut würde ich Präsident Trump von einer Nutzung bewaffneter Drohnen in öffentlichen Schulen abraten. Das geht einfach ins Geld: Die Kosten für Flugstunden können gewaltig variieren – von einem Stundenpreis von 2 000 bis 3 000 Dollar für die primitiven Reaper und Predator bis zu 30 000 Dollar in der Stunde für einen schicken Global Hawk.
Der Preis für eine Flugstunde mit dem jüngsten Stolz des Militärs, dem Gray Eagle, ist (zumindest dieser Wissenschaftlerin) hingegen noch nicht bekannt, da der erst in diesem Frühjahr auf den Markt kommt (von Fort Carson liegt bereits eine Vorbestellung von vier Exemplaren vor). Der Gray Eagle ist „eine schwerfällige Drohne mit einer Flügelspanne von 56 Fuß mit Platz für vier ‚Hellfire‘-Luft-Boden-Raketen und kann mit seinem dröhnenden Dieselkraftwerk volle 24 Stunden in der Luft bleiben“, schwärmt man auf military.com. (Wie man einen Adler als schwerfällig bezeichnen kann, entzieht sich meiner pedantischen Vorstellungskraft, doch klingt der Einsatz der Gray-Eagle-Drohne, unabhängig von der Alarmstufe, für Schulsicherheit doch ein wenig so, als würde man mit Kanonen auf Spatzen schießen...)
Des Weiteren möchte ich Präsident Trump respektvoll in Erinnerung rufen, dass es sich bei bewaffneten Millionen-Dollar-Drohnen um komplexe Systeme handelt. Selbst Basismodelle wie Reaper und Predator benötigen vier Außenlastträger, eine Boden-Kontroll-Station und eine Satellitenverbindung. Wie wir wissen, sind Drohnen unbemannt, doch heißt das nicht, dass sie ohne Piloten fliegen. Es bedarf ausgebildeter Crews, um die Drohne zu lenken, Aufnahmen zu analysieren und die Entscheidung über den Abwurf von Luft-Boden-Raketen zu treffen. Diese „Helden an der Fernbedienung“, wie der Präsident sie nennt, sollten sich und ihr Blut besser für eher epische Kämpfe aufsparen, als sich für an öffentlichen Schulen geführte Kriege herzugeben.
Um einer Wiederholung des Massakers an Unschuldigen vorzubeugen, wie es die Marjory Stoneman Douglas High School getroffen hat, sind bewaffnete Drohnen keine gute Idee: Man würfe buchstäblich die Perle Geld vor die Sau Bildung. Auch von der Benutzung der Technologie von Homeland Security ist abzuraten, ebenso vom Einsatz pensionierten Polizei- und bewaffneten Militärpersonals in Klassenräumen. Des Weiteren empfiehlt es sich nicht, Schulsicherheit durch Flughafensicherheit zu ersetzen (wobei dies unter den Schülern sehr beliebt werden könnte, da der eigentliche Schultag aufgrund der Stunden verzehrenden Durch- und Untersuchungen nie starten würde) oder Lehrer zu bewaffnen (aus meiner Erfahrung im Klassenzimmer kann ich Ihnen verraten, dass das an schlechten Unterrichtstagen fatal wäre).
Nein, am zügigsten, billigsten und effektivsten lässt sich das Problem der Unsicherheit an Schulen lösen, indem man die öffentlichen Schulen zerbombt. Wie die schlimmste Bildungsministerin, die dieses Land je das Privileg zu ertragen hatte, bemerkte, ist es „an der Zeit für uns, aus den Grenzen auszubrechen, innerhalb derer die Regierung ihre krude Bildungspolitik betrieben hat. Washington hatte in den mehr als 50 Jahren am Steuer sehr wenige Erfolge vorzuweisen.“
Abschließend eine optimistische Bemerkung: Ich freue mich auf den Tag, an dem ein Verteidigungsminister, der Kriege genauso ablehnt wie Betsy DeVos die Bildung, das Regime der „kruden Verteidigungspolitik“ unserer Regierung für beendet erklärt.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Bomb the Public Schools: A modest Proposal“ ". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.
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