Obwohl er schon seit 76 Jahren nicht mehr lebt, Hitler ist der mächtigste Politiker unserer Zeit. Selbst als Schatten überragt er die lebenden Gestalten aller heute aktiven Staatenlenker. Weil es Hitler ist, der die Gedankenwelt von Millionen Menschen beherrscht — selten als Vorbild einiger Unbelehrbarer, weitaus häufiger als mächtiges Tabu und Angstpopanz. Hitler beherrscht die heutigen Menschen durch die Art und Weise, wie diese alles Hitlerhafte zu umgehen und zu vermeiden suchen, um dann doch wieder, auf verschlungenen Wegen, zu ihm zurückzukehren — wie angezogen von einem unwiderstehlichen Gedanken-Magneten.
Der große Unbekannte
In einer persönlichen Mitteilung schrieb mir Claus Hant: „Hier muss man sich die Vergangenheit sehr genau anschauen. Warum ist Hitler seinen Zeitgenossen als eine so überaus positive Figur erschienen? Warum konnten sich viele hochgebildete Intellektuelle für ihn begeistern? Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland?“ Dabei geht es dem Autor nicht darum, zum Beispiel am Krieg, an der Internierung und Ermordung von Regimegegnern oder am Judenmord noch „Positives“ aufspüren zu wollen. Massenerschießungen von osteuropäischen Zivilsten — Männer, Frauen und Kindern — durch SS-Leute lässt er nicht unerwähnt.
Im Mittelpunkt des Buches stehen aber nicht die hinlänglich bekannten Grausamkeiten des Regimes, sondern, wie der Titel sagt, die „wenig bekannten Fakten“. Diese haben vor allem mit der Person des Diktators zu tun. Auch nachdem Bibliotheken über den vielleicht wirkungsmächtigsten Politiker der letzten Jahrhunderte geschrieben worden sind, bleibt Hitler in vieler Hinsicht der große Unbekannte in der Hitlerforschung. Seine Biografen beschäftigen sich zum Teil weitaus mehr mit dem Rauch als mit dem Feuer. Das ist verständlich, denn Hitlers Verbrechen waren monumental. Gerade in ihrem Korrekt-sein-Wollen verfehlen aber viele Hitler-Betrachter den Kern und geben damit ein wesentliches Werkzeug aus der Hand, künftige Menschheitsverbrechen zu verhindern.
Der „Unbegreifliche“
So hat die Forschung bisher versucht das „Unbegreifliche“ weg zu erklären, indem sie immer neue und zusätzliche Hilfsannahmen und Hypothesen auftürmte. Begreifbarer wurde Hitler dadurch aber nicht. Claus Hant ist in seinem Buch einen radikal anderen Weg gegangen. Anstatt zu versuchen „das Unbegreifliche“ hinter wackeligen Erklärungen verschwinden zu lassen, macht er es zum Zentrum seiner Untersuchung. Rasch wird klar: Wir haben uns ein Bild von Hitler gemacht, das wir aufgrund von unzähligen Wiederholungen für real halten. Doch Claus Hant kann durch akribisch belegte Recherche nachweisen, dass dieses Bild an vielen Stellen nicht mit den von der akademischen Forschung nachgewiesenen Fakten übereinstimmt.
Einige Aspekte dieses unzutreffenden Bildes lassen sich auf die Aussagen gewisser Zeitzeugen zurückführen. So versuchten zum Beispiel der Nazi-Architekt Albert Speer und andere, sich von ihrem ehemaligen Chef dadurch zu distanzieren, dass sie ihn in jeder denkbaren Hinsicht in den schwärzesten Farben schilderten. Die dort geschilderten Eigenschaften widersprechen aber in vieler Hinsicht denjenigen Erkenntnissen der historischen Forschung, die zum selben Thema an anderer, vertrauenswürdigerer Stelle, gewonnenen werden konnten. Die Schilderungen dieser „Selbstrechtfertigungsliteraten“, wie der Autor sie nennt, bildeten dann die Grundlage sowohl der akademischen als auch der populärwissenschaftlichen Untersuchungen zu Hitlers Person. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert.
Das Hitler-Tabu
„Darf man es wagen, diejenigen Eigenschaften Hitlers in den Mittelpunkt der Beschreibung zu rücken, die seinen Zeitgenossen imponiert haben?“, fragt Claus Hant. „Ich meine: Das darf man nicht nur, sondern das muss man tun. Tut man das nicht, dann wird Hitler auch weiterhin ‚unbegreiflich‘ bleiben.“ Bei dem Erforschen des „Unbegreiflichen“ hat Claus Hant bewusst auf den üblichen Sarkasmus und auf fortwährende Denunziationen Hitlers verzichtet.
Gerade das Ausmaß von Hitlers Verbrechen sollte nach Auffassung des Autors bewirken, dass man einander nicht andauernd beteuern muss, dass man diese verurteilt.
„Ich habe genug Vertrauen in meine Leser, um davon auszugehen, dass ich sie nicht permanent daran erinnern muss, dass Hitler monströse Verbrechen begangen hat. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich mir selbst am laufenden Band Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausstellen muss indem ich Hitler permanent denunziere. Wozu? Sind wir uns denn nicht alle in dem Punkt einig, dass jeder, der auch nur einen Funken Verstand besitzt, Hitlers Taten verurteilt? Ethnologen, die über Kannibalen-Stämme schreiben, wiederholen ja auch nicht auf jeder Seite, was sie von Menschenfresserei halten.“
Fußnoten und Literaturliste des Buches umfassen 77 Seiten und erwecken den Eindruck eines schwer verdaulichen akademischen Unterfangens. Das ist es aber nicht, im Gegenteil. Dass sich das Buch streckenweise so spannend liest wie ein Krimi, hat seinen Grund darin, dass Claus Hant Drehbuchautor ist. Eine mehr als zwei Jahrzehnte andauernde Recherche hat ihn zum Hitler-Forscher werden lassen. Im Jahr 2010 hat er in England Young Hitler veröffentlicht, ein semi-fiktionales Buch über den jungen Hitler. Gewisse Aspekte, die auch im vorliegenden Buch eine Rolle spielen, waren dort bereits im Ansatz erkennbar. Im vorliegenden Werk hat der Autor diese Erkenntnisse vertieft, mit weiteren Erkenntnissen verknüpft und durch neueste Forschungsergebnisse untermauert.
Der Drehbuchautor als Historiker
Obwohl es sich bei „Hitler. Die wenig bekannten Fakten“ um ein reines Sachbuch handelt, hat sich Claus Hant dabei an manchen Stellen der Arbeitsweise des Drehbuchautors bedient. Seinen Protagonisten hat er nicht nur von außen betrachtet, sondern sich gleichzeitig auch in ihn hineinversetzt. Empathie mit dem Protagonisten gehört beim Drehbuchschreiben zum Handwerkszeug. Bei Hitler fällt das verständlicherweise um einiges schwerer als bei fiktionalen TV-Mördern. Da zu Hitler aber eine Flut von wissenschaftlichen Daten und akribisch erforschten persönlichen Details vorliegen, war es für den Autor keine Unmöglichkeit, seine innere Welt zu ergründen. Auf diese Weise hat Hant die „eindimensionale Scherenschnittfigur“ überwunden, welche die Hitleraufarbeitung bis heute dominiert, und die der Faschismusbekämpfung und- Vorbeugung einen Bärendienst erweist.
Denn wer auf der Suche nach einem Monster ist, das man schon von weitem am Schwefelgeruch erkennt, wird sich schwertun, den „nächsten Hitler“ rechtzeitig zu erkennen.
Das Hitler-Thema ist in Deutschland hochgradig tabuisiert und „muss“ immer innerhalb bestimmter Denkgrenzen abgehandelt werden. Mehr noch: „Das politische Klima in Deutschland wird von gegenseitigen Hitler-Anklagen zunehmend vergiftet“, heißt es in dem Buch. Betrachtet man die Anzahl der „Nazi-Vorwürfe“, wie sie etwa in der Flüchtlings- und der Corona-Krise erhoben wurden, so scheint es tatsächlich, als gebe es heute ähnlich viele Nationalsozialisten in Deutschland wie 1940. Der Publizist Johannes Gross sagte zutreffend: „Je länger das Dritte Reich zurückliegt, umso mehr nimmt der Widerstand gegen Hitler und die Seinen zu.“ Gleichzeitig schleicht sich der durch die Vordertür verjagte „Führer“ aber durch die Hintertür wieder ins Haus. Dabei werden zum Beispiel Hitlers Oberlippenbart, der Vorname „Adolf“ und das Hakenkreuz sorglich vermieden, gleichzeitig breiten sich aber Menschenverachtung, Autoritarismus und Konformismus aus — um nur wenige Beispiele zu nennen.
Ein „zu menschlicher“ Hitler?
Wer schon den Film „Der Untergang“ (2004) kritisiert hatte, weil Hitler darin „zu menschlich“ dargestellt worden sei, der wird sich mit Claus Hants Buch schwertun. Unter anderem äußerte der von Bruno Ganz verkörperte Protagonist ja in dem Film: „Die Nudeln haben gut geschmeckt“. Hitler als einen Menschen zu zeigen, ist für Claus Hant eine Selbstverständlichkeit. Ein Mensch, der, wie jeder andere auch, unterschiedliche charakterliche Facetten und innere Widersprüche aufwies. Um dem „Unbegreiflichen“ auf die Spur zu kommen, hat es der Autor aber vor allem nicht unterlassen, Hitler gerade auch auf seine positiven Eigenschaften hin zu durchleuchten. Die muss es wohl gegeben haben. Denn: „Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, dass es einen Menschen geben soll, der auf jedem Gebiet ausschließlich negative Eigenschaften besitzt“, heißt es in dem Buch.
Erst recht gilt dies für eine Person, der es gelang, außergewöhnlich viel Zustimmung, ja „Liebe“ auf sich zu ziehen. Wir können die Zuneigung sehr vieler Deutscher, können die „Erfolge“ von Hitler heute nur noch schwer verstehen, weil uns sein Gebaren und seine Stimme in den alten Doku-Aufnahmen als zutiefst unsympathisch erscheinen. Überlagert wird dieser Eindruck von unserem Wissen um seine Verbrechen. Dem Phänomen seines Wegs an die Spitze einer „kultivierten“ Industrienation kommen wir jedoch nicht auf die Spur, wenn wir versuchen, alles an Hitler weg zu retuschieren, was auf seine Zeitgenossen offenbar anziehend gewirkt hat.
Hitlers „Erwachen“
Zu den Schwerpunkten von Claus Hants Buch gehört sein Bericht über ein Ereignis, das sich am Ende des Ersten Weltkriegs zugetragen hat und das frühe Gefolgsleute als „Hitlers Erwachen“ bezeichnet haben. Eine Kette von Indizien, die Hant zitiert, legt nahe, dass Hitler damals nach einem Gasangriff an der Front in psychiatrischer Behandlung war. Vor wenigen Jahren wurden diese Indizien durch eine weitere Entdeckung der historischen Forschung bestätigt. Es wurden bei Hitler Symptome behandelt, die man heute als „posttraumatische Belastungsstörung“ bezeichnen würde.
Zu Beginn seiner Karriere hat Hitler häufig von diesem „Erweckungserlebnis“ berichtet, später aber hat er die Episode vertuscht. Verständlicherweise, denn er wollte keine Zweifel an seiner geistigen Gesundheit aufkommen lassen. Die Mehrheit der Geschichtsforscher assistierte Hitler bei dieser Vertuschung. Man wollte sich nicht dem Verdacht auszusetzen, Hitler „verminderte Schuldfähigkeit“ attestieren zu wollen. Und was man schon gar nicht wollte, war, eine Diskussion über „Hitlers Erwachen“ los zu treten.
Hier steckt aber laut Hant der Kern des „Unbegreiflichen“.
Denn Hitler hat sich in seinem Wesen und Verhalten ab dem Zeitpunkt seiner Begegnung mit der Psychiatrie dramatisch verändert: Vom blassen „Niemand“, der er vorher war, wurde er auf einmal zu einem Mann, der mit unerschütterlicher Selbstgewissheit und Charisma auftrat.
Dazu schreibt Hant:
„Das Erweckungserlebnis, von dem Hitler berichtet hat, wurde von der Wissenschaft als der Versuch Hitlers gedeutet, einen Mythos um seine Person zu erschaffen. Der Mythos, der Hitler ja in der Tat schon sehr früh in seiner Karriere umgab, sei also auf ein selbstgestricktes Lügenmärchen zurückzuführen. Ich habe mich mit dieser These nicht zufriedengegeben. Anstatt der Frage nach Hitlers ‚Erwachen‘ aus dem Weg zu gehen, bin ich ihr gezielt auf den Grund gegangen. Am Ende ließen mir die vorliegenden Indizien keine andere Wahl als festzustellen, dass nicht der geringste Zweifel daran bestehen kann, dass Hitler damals tatsächlich eine tiefe innere Erfahrung gemacht hat. Und dass es diese Erfahrung gewesen ist, die ihn zu der Person werden ließ, die in der Lage war, das 20. Jahrhundert zu prägen wie kein anderer Mensch.“
Der „Erwählte“
Weil die meisten Hitler-Forscher selbst nicht an die Möglichkeit tiefgreifender spiritueller Erfahrung glaubten, ignorierten sie wohl diesen Aspekt in der Biografie ihres Protagonisten. Vielleicht auch, weil sie Angst hatten, solche Thesen könnten ihnen als Zustimmung zu Hitlers Selbstmystifizierung als „Erlöser“ und „deutschem Christus“ ausgelegt werden. Eine solche Sorge ist jedoch unbegründet, denn die Feststellung eines „spirituellen Gipfelerlebnisses“ sagt nichts darüber aus, ob dieses in ethischer Hinsicht erfreuliche Folgen hat.
Denkt man die Impulse aus Claus Hants Buch weiter, so scheint es, als gebe es so etwas wie eine „dunkle Erleuchtung“. Dieses Phänomen würde viele negative Phänomene in Sekten und im Umkreis mancher Gurus erklären. Der Erleuchtete sieht sich quasi als über den moralischen Vorurteilen des einfachen Volkes stehend an, ist furchtlos und von unerschütterlichem Glauben an die eigene Mission durchdrungen. Manchmal umfasst dieser „Auftrag“ auch das Recht, andere Menschen für den „höheren Zweck“ zu opfern.
Bevor aus dem „Erleuchteten“ der mächtigste Mann Europas werden konnte, musste aber noch etwas anderes geschehen: Der „Niemand“, der, wie Psychiater das ausdrücken würden, ein schweres Psychotrauma erfahren hatte, sich selbst aber für „erwacht“ hielt, musste auf Resonanz stoßen. Nur dann konnte er entdeckt werden. Claus Hant beschreibt, wie Hitler kurze Zeit nach seinem „Erwachen“ auf eine Gruppe spiritueller Verschwörer traf. Das klingt nach einer Horror-Fantasy-Story. Ist es aber nicht. In der Münchner „Thule Gesellschaft“ hatten sich nicht unvermögende Esoteriker in einer Geheimloge zusammengeschlossen. Dass die Hitler-Bewegung in diesem Umfeld ihren Anfang nahm, ist der Geschichtsforschung ist seit langem bekannt.
Wie sich die Verbindung zwischen den Verschwörern von Thule und Hitler entwickelt hat, wird von Claus Hant basierend auf den Belegen der Forschung minutiös rekonstruiert. Der Bericht, wie der „Niemand“ durch die Thule-Verschwörer einen mächtigen Resonanzkörper erhielt und dadurch urplötzlich zu einem „Jemand“ wurde, ist höchst spannend zu lesen. Die Entwicklung lässt einen auch heute noch schaudern. „Unbegreiflich“ ist Hitler vor diesem Hintergrund aber nicht mehr.
„Höherzüchtung des Lebens“
Man darf sich nicht täuschen. Vieles, was Hitler umtrieb, war in der gesamten westlichen Welt, nicht nur im damaligen Deutschland und Österreich, weit verbreitet und allgemein akzeptiert. Gerade was die Themen „Eugenik“ und biologische „Höherzüchtung“ anbelangt. Diese Ideen dürften seine damaligen Ansprechpartner nicht befremdet haben, sie werden vielmehr auf fruchtbaren Boden gefallen sein. Dies kann uns Nachgeborene dazu motivieren, auch in unserer Epoche Zeitgeistphänomene darauf abzuklopfen, ob sich bei ihnen Anknüpfungspunkte für monströse Ausbrüche von Unmenschlichkeit zeigen.
Nur weil Nazizeit und Gegenwart noch nicht voll zur Deckung gekommen sind, sollten wir nicht damit aufhören, die Schnittmengen aufzuspüren — es ist erschreckend genug, wie groß sie teilweise schon sind.
Die xenophobe Furcht vor „Vermischung“ zum Beispiel erinnert fatal an die von der Eugenik diktierten Gebote von damals. Auch bei der im Neoliberalismus vorherrschenden Ethik der Durchsetzung des ökonomisch Leistungsfähigeren scheint ein entferntes Echo Hitlers hörbar zu sein. Ebenso bedenklich: die „transhumanistische“ Vision einer Überwindung des gewöhnlichen Menschen durch bewusste Steuerung und Beschleunigung seiner Evolution mit Hilfe von Chips, Nanobots, Cyber-Implantaten und ähnlichem. Das Ideal der Menschheitsverbesserung hat, wie wir wissen, auch Hitler angetrieben.
Das Scherenschnitt-Monster
Claus Hant schrieb mir dazu:
„Das zweidimensionale Scherenschnitt-Monster, auf das Hitler von Biographen und Dokumentarfilmern zurechtgestutzt wurde, hätte auch damals keinen nennenswerten Schaden anrichten können. Das ist der entscheidende Punkt.“
Man muss sich klar machen, dass das, was wir das Böse nennen, permanenten Updates in rascher Folge unterliegt. Auf jeden Fall aber müssen Menschheitsverbrecher Charme besitzen und andere positive Eigenschaften. Nur so können sie Massen mobilisieren und dann mit einem plausiblen Narrativ eine leicht begehbare Brücke in ihre geistige Welt bauen.
Wenn wir nach einem „Monster“ fahnden, dann laufen wir Gefahr, uns vor der Diktatur in Sicherheit zu wiegen, solange ein solches ausbleibt.
Wir dürfen vermuten, dass neue gefährliche Massenverführer nicht mit Hakenkreuzfahnen auftreten und auch nicht unbedingt die Juden zu ihren Gegnern wählen werden. Es muss auch nicht notwendig ein Polterer wie Donald Trump oder ein Provokateur in der Art von Björn Höcke kommen — obwohl auch dies natürlich möglich ist. Vielleicht erhebt sich ein neuer Faschismus auch unversehens und schleichend aus der „Normalität“.
Hant weiter:
„Es gibt keinerlei Garantie dafür, dass sich die Katastrophe von damals nicht unter anderen — modernen — Vorzeichen wiederholt, so sehr man auch die Einmaligkeit der damaligen Geschehnisse beschwören mag. Ein moderner Rattenfänger oder eine Rattenfängerin wird moderne Ideale verkünden — Ideale, die unserem heutigen Zeitgeist entsprechen. Das ist die notwendige Voraussetzung dafür, dass sie bei den Massen Gehör findet. Der Zeitgeist von heute ist zwar ein völlig anderer als nach dem Ersten Weltkrieg. Aber die Mechanismen, die derartige Gefahren Wirklichkeit werden lassen, sind heute dieselben wie damals. Daher macht der unverstellte Blick in die Vergangenheit Sinn.“
Gefährliche „Glaubensgewissheit“
Zu beachten ist dabei insbesondere die Rolle der Spiritualität, dort wo sie sich in destruktiver Form zeigt. Von extremen evangelikalen Bewegungen über den islamischen Fundamentalismus bis hin zur „Mode-Bewegung“ QAnon: Irrationalismus boomt — sicher auch als Gegenreaktion auf den als beengend empfundenen Materialismus des von Wissenschaft und Neoliberalismus geprägten Paradigmas. Auf der Welle eines Zeitgeists, der zunehmend in Richtung Unmenschlichkeit abdriftet, kann der nächste Weltenerlöser höchst komfortabel angesurft kommen.
Das Beispiel Hitlers zeigt, dass man niemals einem Menschen vertrauen sollte, der mit „unerschütterlicher Glaubensgewissheit“ auftritt. Gerade wenn sich jemand „im Auftrag des Herrn“ wähnt, sollten wir Vorsicht walten lassen. Adolf Hitler zeichnete sich auch durch ein hohes Maß an „Selbstidentität“ aus. Überzeugung und Handeln kamen bei ihm zur Deckung. Und er war alles andere als ein Atheist — vielmehr spannte er den „Herrn“, den er in erstaunlich vielen Reden beschwor, vor seinen Karren, den er dann nach und nach in den Dreck fuhr.
Bestimmte „Tendenzen, die in unserer heutigen gesellschaftlichen Realität schlummern“, so Claus Hant, „könnten in unserer vernetzten Welt eine moderne Erlöserfigur in hochgradig potenzierter Form lebendig werden lassen. Das könnte selbst die schlimmsten Alpträume heutiger Zukunfts-Warner weit übertreffen. Eine gruselige Vorstellung. Um derartigen Entwicklungen entgegenzuwirken, bedarf es der Wachheit von jedem Einzelnen — gerade auch den Geschehnissen der Vergangenheit gegenüber.“
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