Vielleicht war der Vietnamkrieg damals noch so präsent in den Köpfen, dass die leitenden Redakteure und Inlandsreporter die Gefahren eines hirnlosen Gruppendenkens im offiziellen Washington erkannten, genauso wie die Wichtigkeit eines gesunden Skeptizismus gegenüber offiziellen Verlautbarungen von den US-Geheimdiensten.
Heute jedoch fällt mir keine einzige wichtige Stimme in den Nachrichten der Mainstreammedien ein, die irgendeine Behauptung infrage stellte, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin und sein Land diffamiert – ganz gleich, wie unwahrscheinlich oder absurd sie auch sein mag. Es wird ununterbrochen auf Russland eingeschlagen.
Und hinter dieser verstörenden anti-russischen Gleichförmigkeit finden zunehmend Angriffe gegen unabhängige und andersdenkende Journalisten und Nachrichtenportale außerhalb des Mainstreams statt. Wir treten nicht nur in einen Neuen Kalten Krieg und eine Neue McCarthy-Ära ein; obendrein bekommen wir auch noch eine hohe Dosis Orwellianismus alter Schule gereicht.
Bisweilen lässt sich das an Einzelfällen beobachten, zum Beispiel als die Huffington Post eine gut recherchierte Story des Journalisten Joe Lauria aus ihrem Online-Angebot nahm, weil er es gewagt hatte, darauf hinzuweisen, dass die Demokraten jene beiden Elemente finanzierten, die das ausgelöst haben, was inzwischen als Russia-Gate bekannt ist: die forensische Untersuchung der Computer im Democratic National Committee (dem obersten Parteiorgan der Demokraten A. d. Ü.) und die Trump-Untersuchung durch die Opposition, die der vormalige britische Spion Christopher Steele durchgeführt hat.
Die Huffington Post hat Lauria weder vor noch nach der Entscheidung, die Story zurückzuziehen, kontaktiert, obwohl er darum gebeten hatte, die Gründe für diese Entscheidung zu erfahren. Huffington Post Redakteure teilten einem BuzzFeed-Journalisten mit, sie hätten damit auf Leserbeschwerden, der Artikel stecke voller sachlicher Fehler, reagiert. Dargelegt wurden die jedoch nie, und so herrscht kaum ein Zweifel, dass Laurias eigentlicher Fehler der Verstoß gegen das Russia-Gate-Gruppendenken der anti-Trump Widerstandsbewegung war.
Maulkorb für Russia Today
In anderen Fällen wurde die um sich greifende amerikanische Zensur von US-Regierungsbehörden geleitet. Beispielsweise, als das Justizministerium verlangte, dass sich das russische Nachrichtenportal Russia Today gemäß dem restriktiven Foreign Agent Registration Act registrieren lasse. Das Gesetz verlangt eine derart unverzügliche, häufige und detaillierte Bekanntgabe mutmaßlicher „Propaganda“, dass dies zur Folge haben könnte, dass Russia Today nicht länger in den USA arbeiten kann.
Dieser Angriff auf Russia Today wurde durch die „Geheimdienstliche Bewertung” vom 6. Januar, die jedoch tatsächlich von nur einer Handvoll „handverlesener“ Analysten von CIA, FBI und NSA vorbereitet worden war, rational begründet. Ihr Bericht beinhaltete einen Anhang von sieben Seiten, die aus dem Jahr 2012 stammten und Russia Today vorwarfen, russische Propaganda zu verbreiten. Und offenbar muss dieser Bericht vom 6. Januar nun als alleingültige Wahrheit anerkannt werden, Fragen sind nicht gestattet.
Hätte allerdings irgendein richtiger Journalist den Bericht vom 6. Januar einmal tatsächlich gelesen, hätte er oder sie entdeckt, dass Russia Todays finsterer Angriff auf die amerikanische Demokratie Vergehen beinhaltete, wie eine Diskussion unter Kandidaten abgehalten zu haben, die von den republikanisch-demokratischen Debatten im Jahr 2012 ausgeschlossen waren. In der Tat: Libertären und Grünen zu ermöglichen, ihre Ansichten darzulegen, ist eine ernste Gefahr für die amerikanische Demokratie.
Eine andere “Propaganda” von Russia Today beinhaltete die Berichterstattung über die Occupy Wall Street Proteste und die Untersuchung der Umweltgefahren durch Fracking, Themen, über die auch in den heimischen amerikanischen Medien breit berichtet wurde. Sobald Russia Today über ein berichtenswertes Thema berichtet – selbst, wenn auch andere berichtet haben – handelt es sich anscheinend um „Propaganda“, die unterdrückt werden muss, um das amerikanische Volk davor zu schützen.
Wer sich die Mühe macht, den Anhang zum Bericht vom 6. Januar genau anzusehen, wird leicht zu dem Schluss kommen, dass diese „handverlesenen“ Analysten entweder völlig durchgeknallt oder irre Russenfeinde sind. Und doch verbietet es sich jetzt, diese „Nachrichtendienstliche Einschätzung“ infrage zu stellen, es sei denn, Sie möchten als „Handlanger des Kreml“ oder „Putins nützlicher Idiot“ bezeichnet werden.
Übrigens war es James Clapper, Präsident Obamas Nationaler Geheimdienstdirektor, der unter Eid aussagte, dass die Analysten der drei Geheimdienste „handverlesen“ gewesen seien. Das heißt, dass es Analysten waren, die persönlich von Obamas Geheimdienstchefs von drei Diensten ausgewählt wurden – nicht „allen 17“, wie man dem amerikanischen Publikum ein ums andere Mal weismachte – und daher nicht einmal repräsentativ für die Analysten dieser drei Geheimdienste waren. Und doch wird diese Teilmenge einer Teilmenge regelmäßig als „die US Geheimdienste“ beschrieben, selbst nachdem große Nachrichtenportale schließlich ihre „alle 17“-Ente zurücknehmen mussten.
Und so lebt der Mythos der einhelligen Meinung der Geheimdienste fort. In einem peppigen Artikel am Dienstag darüber, dass die US-Regierung Russia Today dazu zwingt, sich als ausländische Agenten registrieren zu lassen, schrieben die Washington Post Reporter Devlin Barrett und David Filipov: „US-Geheimdienste sind zu dem Schluss gekommen, dass der Sender und der Internetauftritt erbarmungslos anti-amerikanische Propaganda auf Anweisung der russischen Regierung verbreiten.“
In früheren Zeiten, selbst während des alten Kalten Krieges und als Präsident Reagan gegen “das Böse Reich” wetterte, hätten einige von uns doch den Bericht vom 6. Januar und seine Anklage gegen Russia Today unter die Lupe genommen und bemerkt, wie absurd diese Behauptungen über die „erbarmungslos anti-amerikanische Propaganda“ sind. Ob Sie nun die Ansichten der Grünen und Libertären hören möchten oder nicht – oder ob Sie Fracking mögen und Occupy Wall Street hassen – die Möglichkeit, darüber informiert zu werden, stellt keine „erbarmungslos anti-amerikanische Propaganda“ dar.
Der eigentliche Streit der US-Regierung mit Russia Today scheint zu sein, dass es einige Amerikaner auf Sendung nimmt, die auf der schwarzen Liste der Mainstreammedien stehen – darunter höchst glaubwürdige ehemalige Geheimdienstanalysten und gut informierte amerikanische Journalisten –, weil sie diverse offizielle Narrative infrage stellten.
Mit anderen Worten: Die Amerikaner sollen die andere Seite der Geschichte nicht hören, wenn es um wichtige international Konflikte geht, wie den Stellvertreterkrieg in Syrien oder den Bürgerkrieg in der Ukraine oder um Israels Misshandlung der Palästinenser. Nur die Darstellungen des Außenministeriums von diesen Ereignissen sind zugelassen, sogar wenn diese Darstellungen selbst propagandistisch, wenn nicht schlicht falsch sind.
Beispielsweise sollen Sie nichts erfahren über die riesigen Löcher in der Beweisführung zu den Sarin-Einsätzen in Syrien oder darüber, dass das Post-Putsch-Regime der Ukraine Neonazis bewaffnet, um Ukrainer ethnisch russischer Herkunft zu töten, noch über Israels Entwicklung zu einem Apartheidstaat. Alle vernünftigen Amerikaner sollen regelmäßig eine Kost serviert bekommen, die ihnen ausschließlich zeigt, wie rechtschaffen die US-Regierung und ihre Verbündeten sind. Alles andere ist „Propaganda“.
Tabu ist außerdem jegliche nachdenkliche Kritik an diesem Bericht vom 6. Januar – oder offenbar auch Clappers Charakterisierung dieses Berichts als ein Produkt von „handverlesenen“ Analysten aus nur drei Diensten. Sie sollen ja nicht fragen, weshalb andere US Geheimdienste mit einem tiefen Verständnis von Russland ausgeschlossen wurden und weshalb selbst andere Analysten der drei beteiligten Geheimdienste nicht einbezogen wurden.
Nein, Sie müssen immer glauben, dass der Bericht vom 6. Januar eine „übereinstimmende“ Beurteilung „aller US-Geheimdienste“ darstellt. Und Sie müssen dies als schlichte Tatsache akzeptieren – genauso wie es auch die New York Times, die Washington Post, CNN und andere Mainstreamnachrichtenportale handhaben. Ihnen sollte nicht einmal auffallen, dass der Bericht vom 6. Januar selbst gar nicht behauptet, dass die russische Einmischung in die Wahlen eine Tatsache sei. Der Bericht erklärt, dass „Beurteilungen nicht implizieren sollen, dass wir Beweise dafür haben, dass etwas eine Tatsache ist.“
Selbst ein Zitat aus dem Bericht vom 6. Januar könnte einen amerikanischen Journalisten zu einer Art verräterischem „russischen Maulwurf“ machen, dessen journalistische Arbeit durch „verantwortungsvolle“ Medien bereinigt werden muss und der gezwungen werden sollte, das journalistische Pendant zu einem gelben Stern zu tragen.
Die Anti-Trump- und Russlandhysterie
Natürlich kommt ein Großteil dieser anti-russischen Hysterie von der Wut über die schockierende Wahl von Donald Trump, die nun schon ein Jahr anhält. Schon in den ersten Augenblicken verblüffter Ungläubigkeit über Hillary Clintons Niederlage setzte man ein Narrativ in Gang, um Trumps Sieg nicht Clinton und ihrem erbärmlichen Wahlkampf anzulasten, sondern Russland. Darin sah man auch eine Chance, den Ausgang der Wahlen zu revidieren und Trump aus dem Amt zu entfernen.
Die großen US-Nachrichtenmedien setzten sich ganz offen an die Spitze des Widerstandes. Die Washington Post legte sich den melodramatischen und scheinheiligen Slogan „Demokratie stirbt in der Dunkelheit“ zu, mit dem sie ihre Journalisten von der Leine ließ, um das Narrativ von illoyalen Amerikanern, die russische Propaganda in Umlauf brachten, hinauszuposaunen. Vermutlich bietet die Dunkelheit die geeignete Umgebung, um Menschen zu erdolchen, die das Russia-Gate-Narrativ der Widerstandsbewegung infrage stellten.
Am vergangenen Thanksgiving Day wurde ein früher Schuss abgefeuert in diesem Feldzug gegen Informationen, die von der offiziellen Lesart abweichen, als die (Washington) Post einen Artikel auf der Titelseite brachte, in dem eine anonyme Gruppe mit dem Namen PropOrNot zitiert wurde. Darin wurden 200 Internet Nachrichtensites angeprangert, weil sie angeblich russische Propaganda verbreitet hätten. Auf der Liste standen einige der wichtigsten Quellen eines unabhängigen Journalismus‘, darunter Consortiumnews.com, offenbar für das Vergehen, einige der Narrative des Außenministeriums zu internationalen Konflikten zu hinterfragen, insbesondere zu Syrien und die Ukraine.
Danach, als die anti-russische Hysterie und die Zensur an Fahrt aufnahmen, bewilligte der Kongress letzten Dezember eine Summe von 160 Millionen Dollar, die an Denkfabriken und Nichtregierungsorganisationen gingen, um russische Propaganda zu bekämpfen. Und schon bald fanden Berichte und Studien reißenden Absatz, die hinter jedem Artikel, Tweet und Beitrag, der nicht der Linie des Außenministeriums entsprach, einen Russen entdeckten.
Die New York Times und andere führende Nachrichtenanbieter haben Pläne begrüßt, nach denen Google, Facebook und andere Technologiekonzerne Algorithmen benutzen sollten, die Informationen, welche die etablierten Medien als „fake“ oder „Propaganda“ erachten, aufspüren, marginalisieren oder ganz aus der Welt schaffen können. Google hat in einem ersten Entwurf bereits eine Koalition von Mainstreammedien und durch das Establishment abgesegneten Internetseiten geschmiedet, die entscheiden soll, welche Informationen durchkommen und welche nicht.
Unter diesen Wahrheitsaposteln sind die Faktenprüfer PolitiFact, die die Lüge von „allen 17 Diensten“, die die Behauptung vom russischen Hacking angeblich absegnet hatten, als „wahr“ beurteilten. Und das, wo diese Behauptung nie wahr war und inzwischen eindeutig als falsch erwiesen ist. PolitiFact hält weiterhin daran fest, dass diese Lüge der Wahrheit entspreche. Offensichtlich ist diese Organisation erfüllt von der Hybris, die mit der Macht einhergeht, darüber zu bestimmen, was wahr und was gelogen ist.
Was mich an dieser Entwicklung besonders verstört, ist das Stillschweigen vieler Bürgerrechtsanwälte, liberaler Politiker und Verteidiger der Pressefreiheit, auf die man früher vielleicht noch zählen konnte, um sich gegen diese Zensur und diese Ausgrenzung aufzulehnen.
Es scheint so, als heilige der Zweck, Donald Trump zu besiegen und Wladimir Putin zu dämonisieren, jedwedes Mittel, ungeachtet der existentiellen Gefahr eines Atomkrieges mit Russland oder der an McCarthy-Zeiten gemahnende (oder gar Orwellsche) Bedrohung der Rede-, Presse- und Gedankenfreiheit.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel "America’s Righteous Russia-Gate Censorship". Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam korrigiert.
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