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Die Täter-Opfer-Umkehr

Die Täter-Opfer-Umkehr

Der Westen verweigert der Roten Armee die Anerkennung für die Befreiung Deutschlands vom Faschismus — stattdessen wird der Kalte Krieg mit Russland fleißig geschürt.

Wir treffen uns hier, heute, wie jedes Jahr, um den Soldaten der Roten Armee für unsere Befreiung vom Faschismus zu danken.

Wir wissen, dass die Sowjetunion der Motor dieser Befreiung war; dass ihre Truppen die Naziwehrmacht zerschlagen haben; dass ihre Städte, ihre Dörfer, ihre Menschen den Preis für den Frieden bezahlt haben, der durch die Niederlage des Hitlerfaschismus ermöglicht wurde.

Wir wissen das, auch wenn das offizielle Deutschland nach Wegen sucht, diese einfache Wahrheit zu leugnen.

Unser Dank kommt von Herzen und ist uns eine Verpflichtung, über diesen Frieden zu wachen.

Aber dieses Jahr liegt unser Gedenken unter einem doppelten Schatten:
Der erste ist der Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion, der nächsten Monat achtzig Jahre zurückliegt. Ein Überfall, an den man in Deutschland ungern erinnert.

So ungern, dass kürzlich erst Bundestagspräsident Schäuble eine Gedenkstunde im Parlament zu diesem Anlass abgelehnt hat. So ungern, dass der grausame Vernichtungskrieg, der an jenem Tag gegen die Völker der Sowjetunion begonnen wurde, im Unterricht an den Schulen keine Rolle spielt; man spricht nicht von der Belagerung Leningrads, man spricht nicht von der Schlacht von Stalingrad, man spricht nicht von den Kämpfen um Sewastopol — aber man spricht von der Landung in der Normandie. Der 22. Juni 1941 und der heimtückische Angriff, der um viertel nach drei Uhr morgens begann, soll nicht Teil des historischen Gedenkens sein.

Der zweite Schatten ist unsere Gegenwart. Nicht nur in Gestalt der beständigen, aggressiven Rhetorik von der „russischen Bedrohung“, die als „russische Desinformation“, „russische Wahlmanipulation“ oder als „russischer Cyberangriff“ regelmäßig aus den Druckpressen oder Fernsehlautsprechern rinnt; ja, sogar Impfstoffe soll dieses imaginierte Russland nur als Waffen gebrauchen ...

Nein, der Schatten hat konkretere und fassbarere Formen.

Er fährt auf Eisenbahngleisen in Panzergestalt gen Osten; er fährt in den Uniformen der NATO-Armeen vieltausendköpfig den Panzern hinterher; er dreht als Spionageflieger oder -drohne seine Kreise rund um die Krim oder entlang der Frontlinie des ukrainischen Bürgerkriegs, und er streckt sich in jedem der vielen Manöver, Defender 2021 oder eines der kleineren, immer und immer wieder hin zur russischen Grenze. Der schwarze Schatten, der schon an der Wiege der NATO stand, die als Angriffspakt gegen die Sowjetunion gegründet wurde und nun meint, als Angriffspakt gegen Russland ihre Bestimmung erfüllen zu können. Eine NATO, die genau jenen Deutschen an die Spitze ihrer militärischen Planungen setzte, der schon das „Unternehmen Barbarossa“ geplant hatte, den Nazigeneral Adolf Heusinger.

Damals zeigte sich ein demokratischer Senator noch entsetzt über diese Ernennung. Er sagte:

„Das State Department sollte wirklich verstehen, dass ich dieses Argument nicht kaufe, dass (…) es nötig ist, um die militärische Stärke Westdeutschlands aufzubauen, einen Nazigeneral in eine Stellung des höchsten Kommandos zu hieven (…), wo er Einfluss, Autorität und Macht hat, die gemeinsame Militärpolitik zu bestimmen, deren Teil die Vereinigten Staaten sind. Dieser Nazigeneral ist ohne jeden Zweifel mitverantwortlich für den Tod Tausender amerikanischer Jungs (…), was ist mit unserem Gedächtnis passiert? Ist es wirklich so kurz?“

Ja, diese NATO wurde nicht nur von Nazigenerälen mit aufgebaut; diese NATO verbündet sich auch mit jenen, die einst Verbündete der Nazis waren. Wie die Anhänger Banderas in der Ukraine.

Vor Beginn des deutschen Überfalls hatte der spätere Adenauer-Minister Theodor Oberländer monatelang jene ukrainischen Truppen gedrillt, die dann als „Bataillon Nachtigall“ mit der Wehrmacht in die Ukraine eindrangen und von Lemberg bis Babi Jar sich vor allem mit Massakern an ihren jüdischen Nachbarn hervortaten. Die heutige Ukraine, die so gerne in die NATO aufgenommen werden will, hat Bandera zum Nationalhelden erklärt und verherrlicht den Kriegsverbrecher Schuschkewitsch, der das Bataillon Nachtigall kommandierte.

Die NATO hält jedes Jahr gemeinsame Manöver mit dieser Ukraine ab, schickt Ausbilder in ihre Armee und beliefert sie mit den Daten jener eifrig kreisenden Fluggeräte.

Dieser schwarze Schatten hat die Gestalt der ukrainischen Truppen, die an die Front im Donbass gekarrt werden; hat die Gestalt der Haubitzen und Raketenwerfer, die die Dörfer im Donbass unter Feuer nehmen. Dort, im Donbass, berühren sich der Krieg, den die Nazis begannen, und der, den die Freunde der NATO heute dort führen, wie zwei einander überlagernde Bilder. Es gibt dort einen Ort, Saur-Mogila, an dem schon im Zweiten Weltkrieg eine Schlacht stattfand, für die ein großes Denkmal errichtet worden war. Dieses Denkmal wurde 2014 in Trümmer geschossen, und unter dem großen eisernen Stiefel, der von der Statue übriggeblieben ist, liegen die Gräber derer, die den Hügel in den neuen Gefechten verteidigt hatten.

Von diesem Krieg wird bei uns erzählt, als würde er von Moskau betrieben. Dabei war es die illegal an die Macht gekommene Regierung in der Ukraine, die begann, ihre eigenen Bürger zu beschießen.

Eben jene, deren große Vorbilder Bandera und Schuschkewitsch heißen. Und die nur allzu gern bereit sind, den Anlass zu einem zweiten Unternehmen Barbarossa zu liefern. Dieser schwarze Schatten spricht aus den Mündern der NATO-Kriegsminister.

Ich möchte noch ein kleines Zitat bringen: „Heute stehen rund 160 russische Divisionen an unserer Grenze. Seit Wochen finden dauernde Verletzungen dieser Grenze statt, nicht nur bei uns, sondern ebenso im hohen Norden, wie in Rumänien. Russische Flieger machen es sich zum Vergnügen, unbekümmert diese Grenzen einfach zu übersehen, um uns wohl dadurch zu beweisen, dass sie sich bereits als die Herren dieser Gebiete fühlen.”

Klingt das vertraut? Russische Divisionen, die bedrohen, weil sie auf eigenem Gebiet stehen? Klagen über russische Flieger? All das hören wir seit Jahren, mit stetig steigender Frequenz. Das Zitat ist aber nicht von heute. Es stammt aus der Rede, mit der Hitler am 22. Juni 1941 den Beginn des deutschen Überfalls im Radio bekannt gab. In dieser Rede finden sich viele Motive wieder, die uns aus den Medien bekannt sind. Nein, in Wirklichkeit ist es ja andersherum –die heutigen Medien verwenden Motive, die schon damals Bestandteil der Propaganda waren.

Noch eine Kostprobe gefällig?

„Die jüdisch-bolschewistischen Machthaber in Moskau haben es unentwegt unternommen, unserem und den anderen europäischen Völkern ihre Herrschaft aufzuoktroyieren.” Ja, die Formulierung „jüdisch-bolschewistisch“ ist nicht mehr so aktuell. Aber es ist schon interessant, dass der kleine Taschenspielertrick, das Wort „Regierung“ durch „Machthaber“ zu ersetzen, schon dem Herrn Hitler geläufig war.

Hören wir den Satz noch einmal, ohne die störenden Adjektive: „Die Machthaber in Moskau haben es unentwegt unternommen, unserem und den anderen europäischen Völkern ihre Herrschaft aufzuoktroyieren.” Das ist schon aktuelle NATO-Sprache.

Noch näher kommen wir mit diesem Satz: „Die Aufgabe dieser Front ist daher nicht mehr der Schutz einzelner Länder, sondern die Sicherung Europas und damit die Rettung aller.”

Wie bei den heutigen NATO-Manövern waren am Überfall auf die Sowjetunion Truppen aus vielen Ländern beteiligt. Rumänen, die die jüdischen Einwohner Odessas massakrierten, Holländer, Franzosen, Italiener, Finnen ...

Die meisten Menschen hier bei uns erkennen diesen schwarzen Schatten nicht. Weil man über diesen Angriff nicht spricht. Sie kennen auch diese Rede Hitlers nicht, sonst würde die Propaganda auf taube Ohren treffen. In Russland kennt man allerdings diese Sprache noch sehr gut, und man erkennt sie wieder, wenn man sie in den deutschen Sendern hört. In Russland hat man diesen schwarzen Schatten nie vergessen. Dafür hat schon die ungeheure Zahl der Opfer gesorgt.

Das offizielle Deutschland, diese BRD mit besetztem Anhang, sieht sich — und darin ist es zumindest ehrlich — weit eher in der Nachfolge der Überfallenden als in der Nachfolge der Befreiten.

Es meint, der Roten Armee vorhalten zu können, die Naziarmee nicht durch Blumenwürfe niedergerungen zu haben, sondern mit Katjuschas und T34.

Es versucht, den Überfallenen die Schuld zuzuschieben, statt schon für die Tatsache zu danken, dass keine 70.000 deutschen Dörfer und über 1.100 deutsche Städte dem Erdboden gleichgemacht wurden. Niemand hat in Deutschland die Bewohner eines Dorfes in eine Kirche getrieben und diese dann angezündet. Nein, der erste sowjetische Stadtkommandant von Berlin, Nikolai Bersarin, kümmerte sich nicht nur sofort um die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung, er öffnete auch Kinos und Theater, um den Menschen Lebensmut zu geben.

Nach der Annexion der DDR wurden übrigens alle sowjetischen Ehrenbürger Berlins von der Liste gestrichen, im Gegensatz zu den US-amerikanischen; Bersarin wurde erst 2003 als Einziger wieder aufgenommen ...

Das offizielle Deutschland wagt es, der Sowjetunion vorzuwerfen, dass sie Nazis in Lager gesperrt hat. Es macht sich dabei nie die Mühe, darauf hinzuweisen, dass die Hitlerarmee Anweisung hatte, jedes Mitglied der Kommunistischen Partei sofort zu ermorden. Keinen Augenblick, nie, darf der Gedanke aufkommen, auf welchem Feld die Rote Armee ihren größten Sieg errang: bei der Bewahrung der Menschlichkeit im Angesicht der größten Barbarei.

Für diesen Sieg steht das große Denkmal in Treptow. Das kleine Mädchen auf dem Arm des sowjetischen Soldaten soll nicht nur an eine Episode, eine einzelne Heldentat erinnern. Es steht für den Triumph der Humanität über Vernichtung und Tod, und es steht für das neue Leben, das zumindest einem Teil unseres Landes danach für vier Jahrzehnte vergönnt war.

Wenn wir uns heute an diesen Sieg erinnern und unserem Dank dafür Ausdruck verleihen, dann dürfen wir es nicht halb tun; wir dürfen die Verpflichtung nicht vergessen, die damit einhergeht.

Wir müssen über diesen Frieden wachen.


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