Guten Tag,
dem obigen Artikel möchte ich — soweit es mir als Steuerberater möglich ist — in Teilen widersprechen.
Als Steuerberater ist man sicherlich geneigt Vorhaltungen gegenüber der Finanzverwaltung reflexartig zuzustimmen. Allerdings frage ich mich, wie der Autor, ein ehemaliger Betriebsprüfer der Finanzverwaltung, im Eingangsabsatz seines Artikels der staatlichen Finanzverwaltung einen wichtigen Anteil an dem Geschehen im Zusammenhang mit Wirecard zurechnen kann.
Wenn Geldbeträge in Asien verloren gehen, ist dies zunächst eine bilanzielle Frage. Ein Posten der Aktiva ist unauffindbar. Wie auch die Wirtschaftsprüfer würde die Finanzverwaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung sich auf einen Bankbeleg verlassen. Während die Wirtschaftsprüfer die Richtigkeit desselben noch durch eine Gegenkontrolle verplausibilisieren, geht die Finanzverwaltung schon zum nächsten Thema über. Ihre Aufgabe ist — zu Recht — nicht die Richtigkeit und Vollständigkeit der Geld-Aktiva einer Bilanz zu überprüfen, sondern die Richtigkeit der Besteuerungsgrundlagen.
Erst wenn in der nächsten Bilanz der verloren gegangene Aktivposten ausgebucht wurde, kann die Finanzverwaltung darüber nachdenken, ob der Aufwand in Deutschland auch steuerlich als Betriebsausgabe abzugsfähig ist. Zu dieser Gelegenheit kam die Finanzverwaltung aber im vorliegenden Fall noch gar nicht.
Entgegen der Auffassung des Autors wird die Feststellung der steuerlichen Bemessungsgrundlage beziehungsweise die hochsensible Steuerprüfung eben nicht den privaten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften überlassen.
Lückenlose Prüfung
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften prüfen den handelsrechtlichen Jahresabschluss und den Lagebericht. Auf Basis des handelsrechtlichen Jahresabschlusses wird die Steuerbilanz mit ihrer Gewinn- und Verlustrechnung erstellt. Allein diese ist Grundlage für die Steuererklärungen. Die Prüfung dieser — von wem, ob Unternehmen oder Steuerberater, auch immer erstellten — Steuererklärungen ist Aufgabe der Finanzverwaltung.
Bei den in diesem Artikel besprochenen Konzernen werden die Steuererklärungen lückenlos im Rahmen von sogenannten Anschlussprüfungen von der Finanzverwaltung geprüft. Oft ist es sogar so, dass die Finanzverwaltung im Unternehmen schon einen festen Raum hat, indem sie sich nahezu lückenlos aufhält und ihrer Prüfungstätigkeit nachgeht.
Es ist ausdrücklich nicht Aufgabe der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die Steuererklärungen und somit die steuerliche Bemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung zu prüfen. Wie der Autor — ein ehemaliger Betriebsprüfer — zu dieser These gelangt, ist mir unerklärlich. Ohne auf das Aufgabengebiet der Wirtschaftsprüfer eingehen zu wollen — dazu möge sich bitte ein Wirtschaftsprüfer äußern — ist der Vergleich von Bock und Gärtner alles andere als höflich.
Wenn es in Deutschland in den letzten Jahren zu einer massiven steuerlichen Entlastung von Unternehmen und insbesondere Konzernen kam, ist dies im Wesentlichen auf die politische Gesetzgebung, insbesondere der SPD, zurückzuführen.
Das verwundert sicherlich den Leser. Im Lichte der jüngst aufgedeckten Gespräche zwischen Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) und dem Mitgesellschafter der M. M. Warburg Bank, Dr. Christian Olearius und der eingetretenen Verjährung von Steuerrückforderungen im Zusammenhang mit Cum-Cum gegenüber der Bank und der Verantwortung von Olaf Scholz im Zusammenhang mit der HSH Nordbank wundert man sich nun vermutlich über gar nichts mehr.
Erhebliche Mitverantwortung
Dass der Autor Cum-Cum, Cum-Ex und die vielen Steuer CDs in einem Zusammenhang mit den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nennt, ist eine Verdrehung der Tatsachen und hat offensichtlich nur den Zweck, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften zu diskreditieren. Cum-Cum und Cum-Ex liegen im Verantwortungsbereich der Banken und sind nun nach Aufdeckung dieser skandalösen Vorgänge im Verantwortungsbereich der Politik, die nicht den Schneid hat, hier ordentlich aufzuräumen und die Verantwortlichen in Regress zu nehmen.
Wenn Menschen und Unternehmen aufgrund einer ebenfalls skandalösen Besteuerung in Deutschland ihr Vermögen ins Ausland schaffen, trägt die deutsche steuerliche Gesetzgebung eine erhebliche Mitverantwortung. Es ist sicherlich unzweifelhaft, dass der Ankauf von Steuer-CDs genauso kriminell ist wie das Verschweigen von Einkünften im Ausland. Darüber liest man aber im vorliegenden Artikel leider nichts.
In Widersprüche verwickelt sich der Autor, wenn er zunächst feststellt, dass die Durchführung der Steuerprüfungen eine hoheitliche Tätigkeit ist, aber im nächsten Satz dem Leser vermittelt, diese hoheitliche Tätigkeit sei privatisiert worden. Dem ist mitnichten so.
Der Auffassung des Autors, dass die Plünderung der öffentlichen Kassen (auch) über die zahllosen Privatisierungen erfolgt, kann ebenfalls nicht zugestimmt werden.
Tatsächlich hat sich der Staat in den letzten Jahren viele Ausgaben verordnet, mit denen er ideologische Projekte in die Praxis umgesetzt wissen möchte, unter anderem Migration, Energiewende, Rettung des Euro, Teilnahme an militärischen Ereignissen in der Welt.
Privatisierungen entlasten vielmehr die öffentlichen Kassen. Wenn der Staat privatisiert um einmalig Gelder zu mobilisieren und später beispielsweise durch das Anmieten von zum Beispiel Immobilien, Wasserwerken et cetera viel mehr Geld des Steuerzahlers verwendet, als ursprünglich hereinkam, ist die Politik dafür verantwortlich. Das sollte dann auch so konkret benannt und nicht durch Neusprech neutralisiert werden.
Freundliche Grüße
Andreas Bunge, Steuerberater in Mannheim
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