Als vor wenigen Monaten die Bayer AG endgültig den US-Konkurrenten Monsanto übernahm, da hätte man mit dem Blick auf bestimmte Prognosen der Welternährungsorganisation FAO zu dem Eindruck gelangen können, dass die Deutschen jetzt einmal die Amerikaner so richtig über den Tisch gezogen haben. Denn wenn das eintritt, was die Fachleute der internationalen Behörde voraussagen, dann wird der weltweite Bedarf an pflanzlichen Nahrungsmitteln und Futtermitteln bis zum Jahre 2050 um satte 50 Prozent ansteigen.
Dass die Steigung überproportional zu den Voraussagen des Bevölkerungswachstums verläuft, hängt mit einer zügigen Anpassung der Ernährungsgewohnheiten in fast ganz Asien sowie weiteren Regionen an den westlichen Lebensstil zusammen: weg etwa von den traditionell eher bescheidenen Reis-Gemüse-Gerichten mit ein wenig Soße und einem kleinen Stückchen Fisch und hin zu schweren Fleischgerichten, Milchprodukten, Schokoriegeln sowie allerlei Fastfood.
Monsanto besitzt wie kaum eine andere Firma Marktmacht und Knowhow rund um weite Teile der pflanzlichen Intensivlandwirtschaft. Und auf wichtigen Feldern der sogenannten „grünen Gentechnik“, also dem Verändern der Eigenschaften von „Nutzpflanzen“ durch direkte und gezielte Manipulation ihres Genoms, sind sie sogar Marktführer. Ein über mehrere Jahrzehnte gespanntes Vertriebsnetz zieht sich über alle Kontinente und hat so viele Abhängigkeiten in den lokalen Landwirtschaften bewirkt, dass sie von Konkurrenten kaum noch ersetzt werden könnten. Und zudem verfügt das Unternehmen über solch hochkarätige personelle Ressourcen und Erfahrungswerte, dass die neusten Verfahren der grünen Gentechnik wie die CRISPR/Cas9-Methode (1) so schnell und effizient zur Profitsteigerung eingesetzt werden könnten, wie es wohl niemand sonst schaffen würde.
Es steht also ganz zentral eine Frage im Raum: Warum haben die Eigner ein solch scheinbar unschlagbar zukunftsträchtiges Unternehmen nach Europa verkauft? Die zurzeit vielfach vorgebrachte Antwort, dass das Motiv in anstehenden Schadenersatzzahlungen an Kläger zusammenhänge, die dem Konzern die kausale Verursachung von Krebs etwa durch glyphosathaltige Produkte vorwerfen, greift viel zu kurz. Ein gerade ergangenes erstinstanzliches Urteil gegen die Firma hängt nach Ansicht vieler Beobachter nicht zuletzt mit der Veränderung der Eigentümerschaft zusammen. Und viele US-amerikanische Marktführer von Branchen wie der Tabakindustrie und Limonadenproduktion haben Ähnliches gut überstanden. Manch großer Automobilhersteller steckte es sogar weg, als nachweislich viele Menschen durch eigene technische Fehler schwer verletzt wurden oder ums Leben gekommen waren.
Es muss also einen anderen Grund geben für die Veräußerung des gewaltigen Zukunftsgeschäftes an die Deutschen. Und dieser kann nur in einem ganz bestimmten Sachverhalt liegen: dass es sich bei der Intensivlandwirtschaft nämlich gar nicht um ein Zukunftsgeschäft handelt.
Wohl kaum jemand hatte einen direkteren Ausblick auf den relevanten Bereich der Zukunft der Menschheit als die Leute im inneren Wissenskreis des Monsanto-Konzerns. Über Jahrzehnte saßen sie gewissermaßen in der Spitze der Rakete und konnten von dort aus sehen, wo die Reise hingeht. Mit größter Wahrscheinlichkeit haben sie dadurch erkannt, dass in der Flugrichtung eine massive Wand steht. Und dass man unter Verheimlichung dieser Erkenntnis möglichst schnell einen Dummen finden sollte, der die Position übernimmt und dafür auch noch viel Geld zahlt.
Das Naturgesetz der freien Evolution
Zum besseren Verstehen jener Wand, auf die die gesamte Intensivlandwirtschaft mit rasender Geschwindigkeit zustrebt, schaut man am besten einmal zurück auf Veröffentlichungen eines berühmten Naturforschers aus dem 19. Jahrhundert. Es war Charles Darwin, der im Rahmen seines Hauptwerkes „Über die Entstehung der Arten“ etwas sehr Grundsätzliches feststellte: Ohne eine einzige Ausnahme gehen alle bestehenden Spezies des gesamten Planeten auf einen seit dem Beginn des Lebens laufenden, immer gleichen Prozess zurück. In diesem setzten sich von Generation zu Generation stets diejenigen Merkmale durch, die vorrangig dem Bestehen der eigenen Fortpflanzungsgemeinschaft die meisten Vorteile brachten.
Darwin schrieb sogar, dass seine „gesamte Theorie vernichtet“ wäre, wenn in der Natur auch nur ein einziges Beispiel gefunden würde, bei dem irgendein Merkmal einer Spezies zum ausschließlichen Nutzen einer anderen Art entstanden ist. Die Selektion durch den gesamten Umweltdruck zum stetigen eigenen Vorteil nannte er die „natürliche Zuchtwahl“:
„Natürliche Zuchtwahl kann unmöglich irgend eine Abänderung in irgend einer Spezies bewirken, welche nur einer anderen Spezies zum ausschließlichen Vorteile gereichte, obwohl in der ganzen Natur eine Spezies ohne Unterlass von der Organisation einer andern Nutzen und Vorteil zieht. (…) Ließe sich beweisen, daß irgend ein Teil der Organisation einer Spezies zum ausschließlichen Besten einer anderen Spezies gebildet worden sei, so wäre meine Theorie vernichtet, weil eine solche Bildung nicht durch natürliche Zuchtwahl bewirkt werden kann. Obwohl in naturhistorischen Schriften vielerlei Behauptungen in diesem Sinne aufgestellt worden, so kann ich doch keine einzige darunter von einigem Gewichte finden“ (2).
Und überdies betonte der englische Forscher die abgrenzende Besonderheit unserer künstlichen Zuchtwahl:
„Eine der merkwürdigsten Eigentümlichkeiten, die wir an unseren domestizierten Rassen wahrnehmen, ist ihre Anpassung nicht zu Gunsten des eigenen Vorteils der Pflanze oder des Tieres, sondern zu Gunsten des Nutzens und der Liebhaberei des Menschen“ (3).
Darwin hat bis heute Recht behalten, niemand konnte seine Theorie vernichten. Sogar die moderne Parasitologie und die Mikrobiologie mit ihren Millionen Beschreibungen haben in den natürlichen Prozessen niemals ein Beispiel der entsprechenden Manipulation über Generationen hinweg nachweisen können — und zwar noch nicht einmal dort, wo die gegenseitige Manipulation von Erbgut — auf der rein individuellen Ebene — ein Alltagsgeschäft ist und wo die Dinge so komplex sind, dass unsere Landwirtschaft dagegen wie ein kindliches Sandkastenspiel wirkt.
Selbst die modernsten der angeblichen „Erfindungen“ der Gentechnik wie das CRISPR/Cas9-Verfahren sind in der Natur ein buchstäblich uralter Hut. Die wirklichen „Erfinder“ waren Bakterien, welche die „Genschere“ schon vor Hunderten Millionen oder gar Milliarden Jahren evolutionär hervorgebracht haben. Allerdings verwendeten sie diese nur als akute Abwehrwaffe gegen Individuen viraler Angreifer, nicht hingegen zur manipulativen Lenkung der Merkmale von Feinden oder von Nahrungsorganismen über Generationen hinweg.
Häufig wird argumentiert, dass das völlige Fehlen der Manipulation zwischen Erblinien in der gesamten Natur ganz einfach darin begründet ist, dass nur der Mensch die kognitive Fähigkeit zum Hervorbringen einer solchen gezielten Handlung besitzt. Begrenzt auf die Ebene der akut bestehenden Lebensformen scheint dies so auch zuzutreffen. Aber evolutionärgeschichtlich betrachtet ist das Gesamtvolumen der durch die Organismen hervorgebrachten „Ideen“ zur Erlangung von eigenen Vorteilen zweifellos so groß, dass unsere kognitiv hervorgebrachten Ansätze darin verschwindend winzig sind. Und wenn sich in diesem gewaltigen Volumen kein einziges Beispiel der Manipulation von Folgegenerationen findet, dann kann dies nur einen Grund haben: dass es nämlich nicht dauerhaft funktioniert.
Die entsprechende Mechanik ist eigentlich sehr einfach. Der Manipulator spezialisiert und stützt sich ja auf etwas, das er zunehmend schwächt. Wenn die manipulierte Erblinie nicht mit jeder Generation zum vorrangigen eigenen Vorteil selektiert wird, sondern nach dem einer anderen Lebensform, dann ist diese relative Schwächung etwa gegenüber Parasiten, Fressfeinden, Wassermangel, Nährstoffmangel, Kälte, Hitze, Wind und sonstigen Faktoren zwangsläufig. Und dazu kommt: Die immer vorhandenen uralten parasitären Feinde der schwächer werdenden Seite werden die Schwächungen ihrerseits zunehmend nutzen und so zum unüberwindbaren Feind des Manipulators mutieren.
Der Kipppunkt, an dem sich die kurzfristigen Vorteile umkehren
Der Manipulator der Erblinie einer anderen Spezies kann — in evolutionären Maßstäben — nur kurzfristig großen Nutzen erzielen, also etwa eine Erhöhung der Nahrungsmenge. Aber er bewegt sich in jedem Fall auf die Wand zu, die erreicht wird, wenn der Aufwand zum Erhalt der geschwächten Seite einen Kipppunkt erreicht, an dem sich die Vorteile in Nachteile umkehren.
Dieser Kipppunkt muss innerhalb der letzten Jahre von der Aussichtsplattform an der Spitze des Monsanto-Konzerns sehr gut sichtbar geworden sein. Genau auf jenen Ackerfeldern, auf denen durch gentechnische Veränderung geschaffene herbizidresistente Maissorten in nie dagewesenen Mengen produziert wurden — weil man den unempfindlichen Mais ja nun so bequem einsprühen konnte —, entstanden plötzlich in ebenso nie dagewesener Geschwindigkeit mehr als zwanzig verschiedene „Superunkräuter“, die gleich gegen eine ganze Bandbreite der Pestizide resistent und ungewöhnlich anpassungsfähig waren.
Man hatte also schlicht diejenigen Varianten selektiert, die gegen solche Gifte am wenigsten empfindlich sind und nun erhöht sich wieder der Bedarf an diesen Mitteln. Insekten wie der amerikanische Heerwurm überwanden derweil innerhalb weniger Jahre die aufwendig kreierten Sorten des sogenannten Bt-Mais, dem man quasi ein Insektizid eingebaut hatte. Und jetzt wurden nicht nur einfach wieder die Insektizide in früherer Dosis notwendig, sondern die neuen Heerwurm-Varianten waren so wandlungsfähig wie nie zuvor. Mittlerweile ist der amerikanische Heerwurm nach Afrika eingeschleppt worden und wird sich dort nach Ansicht vieler Experten in allen Subsahara-Staaten zu einer Katastrophe der Landwirtschaft entwickeln.
Die Liste der bekannt gewordenen Rückschläge ist bereits lang — jene von denen nur Monsanto wusste, dürfte aber noch sehr viel länger sein. Aus dem Cockpit der Firma konnte also wohl gar nicht mehr übersehen werden, dass ihr gesamtes Konzept zwangsläufig in einer Sackgasse enden wird und dass dieses Ende bereits kurz bevorsteht.
Die weiteren Folgen der Intensivlandwirtschaft werden ganz automatisch darin liegen, was in großen Regionen des Planeten bereits deutlich sichtbar wird: ausgelaugtes Land, durch Pestizide zerstörte Ökosysteme, versiegendes, versalzendes und kontaminiertes Oberflächen- und Grundwasser sowie schließlich durch den Zerfall der Lebensgrundlagen kollabierende Zivilisationsstrukturen.
Dabei war unsere vor etwas mehr als 10.000 Jahren mit der sogenannten „Neolithischen Revolution“ begonnene Landwirtschaft eigentlich von Anfang an eine hastige Flucht nach vorne. Sobald wir das Jagen und Sammeln, also das Nutzen von in freier Evolution entstandenen Lebewesen, verlernt und uns durch die mittels selektiver Manipulation anderer Lebewesen stark erhöhte Nahrungsmenge ebenso stark vermehrt hatten, war der Rückweg scheinbar abgeschnitten.
Die gesunde Entfaltung des Geistes durch echte Aufklärung
Die Annahme der absoluten Ausweglosigkeit wäre aber ein Fehler. Denn genauso, wie sich die Manipulation absichtlich intensivieren lässt, so gibt es nichts, das es gänzlich verhindern könnte, diesen Prozess mit voller Absicht und großer Anstrengung abzubremsen und sogar in die Richtung einer Extensivierung umzukehren. Dafür aber bräuchte es zuallererst eine ganz bestimmte Grundlage, die nur in den Köpfen der Menschen entstehen kann und die es in der Zivilisationsgeschichte nie gegeben hat: eine echte Aufklärung.
Es müsste offen und laut anerkannt werden, dass die belebte Natur seit jeher von sehr grundsätzlichen Gesetzmäßigkeiten geordnet wird, die sich mit keiner Technik und keiner Intelligenz brechen lassen. Die Folgen einer solchen Aufklärung wären sehr vielfältig. Wenn sich jene giftige Überheblichkeit gegenüber den anderen Lebewesen verflüchtigt hat, welche wir uns von den Religionen, Philosophien und heute den Massenmedien in den Kopf drücken lassen, dann entsteht ein sehr großer Raum zur gesunden Entfaltung des Geistes. Und in diesem entwickelt sich ganz natürlich der Respekt im Sinne der Wahrnehmung allen Lebens als auf gleicher Augenhöhe befindlich.
Das ist die Wahrnehmung der Wirklichkeit, während die Gottesbefehle zur Unterwerfung der Erde, die exklusive Vernunft und ebensolche Freiheit, das Konzept der „grausamen Natur“ und vieles mehr nur Werkzeuge waren, um sie so zu verdrehen, dass unsere unwichtige Existenz darin künstlich erhöht werden kann.
Ein besonders wichtiger Teil einer echten Aufklärung würde in einer tiefgreifenden Revision der Naturwissenschaften liegen. Das Leben müsste wieder in der Physik und somit der Königsdisziplin der empirischen Forschung behandelt werden. Die „Physik“ war nämlich in ihren Anfängen das, was sie im Lateinischen als „physica“, zu Deutsch „Naturlehre“, eben nur sein konnte: die wissenschaftliche Erforschung der grundlegenden Naturerscheinungen. Die Ausklammerung und Abgabe des Lebens an Religion und Philosophie geschah nur zu dem Zweck, seine größeren Zusammenhänge und unsere eigene Perversion nicht empirisch erkennen zu müssen.
Nach der echten Aufklärung bräuchten die Forscher ihre Zeit nicht mehr mit der sinnlosen Suche nach immer kleineren Teilchen und in zunehmend phantasievolleren Theorien von Quanten und Strings zu verschwenden. Sondern nun läge mit dem Leben ein riesiges, bisher fast völlig unbetretenes Gebiet vor ihnen. Das Naturgesetz der freien Evolution würde dann bald weit vor solche Themen wie die Gravitation oder die Lichtgeschwindigkeit gestellt. Und das hätte dann endlich einmal mit echter Vernunft zu tun. Denn das Vernachlässigen der Gravitation kann die Fortentwicklung verschiedener Technologien bremsen und einzelne Leute das Leben kosten, weil sie irgendwo herunterfallen. Die weitere Missachtung der Naturgesetze des Lebens hingegen wird schon sehr bald und ganz sicher die gesamte Menschheit vernichten.
Quellen und Anmerkungen:
(1) CRISPR/Cas9-Methode - eine biochemische Methode, um DNA gezielt zu schneiden und zu verändern.
(2) Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 231.
(3) Charles Darwin: Uber die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begunstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 49.
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