Ich hatte lange darüber nachgedacht, wie man Menschen, die vorbehaltlos an die durch die öffentlich-rechtlichen Medien verbreitete „Wahrheit“ glauben, davon abhalten kann, reflexartig abzuschalten, wenn man über Medienmanipulation berichtet. Daher kam mir sehr gelegen, als Maren Müller vorschlug, in unserem gemeinnützigen Verein ein Essay über die Medienberichterstattung während der Griechenlandkrise als Buch zu veröffentlichen (1).
Nach meiner Meinung war die Griechenlandkrise in den Medien eine große Geschichtsfälschung nach der ersten Phase der Ukrainekrise, mit dem Umsturz in Kiew in 2014 und seinen unmittelbaren Folgen. Über die Ukraine hatte damals allerdings sogar noch das Satire-Format „Die Anstalt“ berichtet (2). Die Ukrainekrise erweiterte sich, führte zum Krieg mit Deutschlands Beteiligung, so die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, und nun berichtet auch keine Satire-Sendung mehr kritisch über die Berichterstattung. Wenn man die Kommentare der Medien über die Friedensdemo in Berlin vom 25. Februar liest, wird klar, dass hierzu derzeit keine sachliche Diskussion möglich ist.
Die meisten Menschen reagieren emotional ablehnend, wenn man versucht, die Diskussion über Ursachen, Folgen und Aussichten des Krieges zu versachlichen. Auch bei der Aufarbeitung der Coronakrise, die noch nicht ernsthaft begonnen hat, sind die meisten ebenfalls noch in emotionalen Urteilen gefangen. Und so ist es schwierig, den Einfluss des Journalismus bei aktuellen Themen anzusprechen.
Dagegen sehen die Menschen die Griechenlandkrise als abgeschlossen, als Teil der Geschichte an. Das Analysieren der Berichterstattung darüber wird wesentlich weniger Emotionen erzeugen als das Analysieren der Berichterstattung aktueller Krisen. Dabei hilft, dass im Gegensatz zu heute damals noch die Massenmedien einige abweichende Meinungen veröffentlichten.
Wie die ARD über die Griechenlandkrise berichtete, ist ein Hinweis darauf, wie es zur Situation während der folgenden Krisen kommen konnte. Das in der „Krise der Banken wegen Griechenlandschulden“, um eine alternative Beschreibung der Geschichte zu benutzen, beschriebene Medienversagen, ist nicht die Ausnahme, sondern wird in „Das Ende des Informationsjournalismus“ (1) als Muster entlarvt.
Der Blick in die Vergangenheit, ohne die eigene Meinung zu aktuellen Krisen ins Spiel kommen zu lassen, sollte uns erkennen lassen, mit welchen Methoden Medien arbeiten. Und es mag absehbar sein, wohin wir noch weiter steuern werden, wenn wir nichts aus dieser Vergangenheit lernen.
Der Inhalt
Gleich zu Anfang des Buches stellt der Autor dar, wie aus einem Informationsjournalismus ein „Geschichtenerzähl-Journalismus“ wurde, und was die Hintergründe dafür waren. Nicht zuletzt durch einen Rückblick bis zu Mythen und Märchen. Er weist nach, mit welchen manipulativen Mitteln Medien in der Griechenlandkrise arbeiteten, hier am Beispiel der ARD, deren Journalisten dies bewusst in Seminaren vermittelt bekommen. Außerdem beweist er die Anwendung von angelernten Manipulationstechniken an Beispielen der damaligen Berichterstattung, also lange vor der Corona- oder Ukrainekrise. Es ist äußerst hilfreich für einen Medienkonsumenten zu verstehen, wie diese „Nachrichten“-Manipulation funktioniert, welche die frühere Trennung von Nachricht und Kommentar heute ad absurdum führt.
Chronologisch durchleuchtet der Autor akribisch die fast täglichen, die Realität verzerrenden Berichterstattungen über die Krise, und das ergibt ein erschreckendes Bild. Erschreckend, wenn man es an den Ansprüchen misst, welche in den Statuten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks definiert sind. Denn der durch nicht freiwillige Beiträge aller deutschen Haushalte finanzierte Medienkonzern ÖRR wird de facto den staatstragenden politischen Parteien kontrolliert.
Aber wir sollten uns nicht täuschen. Was für die öffentlich-rechtlichen Medien gilt, gilt nicht weniger für die privaten. Dessen manipulative Berichterstattung wird durch ein archaisches Gesetz geschützt. Der Status des „Tendenzbetriebes“ soll dem Eigentümer eines Mediums die Möglichkeit geben, seine Sicht der Welt ohne Einschränkungen durch Mitarbeiter oder von außen darzulegen.
Im zweiten Teil des Buches weist der Autor analytisch sauber nach, wie nicht nur durch Gefühle und Formulierungen, sondern auch durch glattes Verdrehen von Fakten in ihr Gegenteil, um nicht das Wort Lügen zu benutzen, dem klassischen Journalismus der Garaus gemacht wird.
Zunächst ist das Buch also eine detaillierte Aufarbeitung des Versagens des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wenn man den Auftrag abgekürzt als Informationsjournalismus bezeichnen mag. Dieser Teil dürfte sehr interessant für Menschen sein, die bisher davon ausgehen, dass die Behauptung, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk würden Falschinformationen verbreitet oder Informationen unterdrückt, eine reine „Verschwörungstheorie“ sei.
Ergänzend sei auf eine hervorragende Video-Dokumentation verwiesen, welche aufzeigt, warum Griechenland sich bemühte, die Länder, deren Banken bedroht waren, von einem anderen Vorgehen, als das von der Troika erzwungenen, zu überzeugen (3).
Dass dieses Buch keinen Einzelfall schildert, geht meines Erachtens inzwischen auch aus einem ganz offiziellen „Framing-Manual“ für die Journalisten der ARD hervor (4). Damit werden die Berichterstatter der ARD sozusagen zu zertifizierten Framern beziehungsweise Haltungsjournalisten. Was das noch mit dem ursprünglichen Geist eines „öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ zu tun hat, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Weiterentwicklung
Demokratie ist nur möglich, wenn die Wähler durch Informationen in die Lage versetzt werden, sich selbst eine eigene Meinung zu bilden. Wenn aber die Medien Bilder vermitteln, in denen sie ihr subjektives Weltbild darstellen, wird echte Demokratie nie verwirklicht werden.
Es gibt natürlich Übergangsphasen, wie sie zum Beispiel in Deutschland nach dem Krieg oder in Entwicklungsländern zu beobachten sind, in denen Diktaturen durch „gelenkte Demokratien“ abgelöst werden, welche die Menschen auf eine echte Demokratie vorbereiten. Diese Phase sollte allerdings in Deutschland lange vorbei sein. Der Schritt wurde offensichtlich in Deutschland nicht gemacht, sondern im Gegenteil der Parteikonsens über den Wählerwillen gestellt und zementiert. Die Kontrolleure haben die Macht übernommen.
Dass die politischen Parteien kein Interesse daran haben, ihre Macht an den Wähler abzugeben, wurde selten so deutlich ausgesprochen wie in einer Rede der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahr 2010 (5). Darin ging sie auch auf die Rolle der Medien ein:
„Die Politik kann allerdings lernen, welche Sorgen und Hoffnungen mit einem bestimmten Projekt verbunden sind. Man kann erahnen, wie viel Überzeugungskraft gegebenenfalls notwendig ist, um ein wichtiges, notwendiges Projekt durchzusetzen“ (6).
Der Rede zufolge sehen die politischen Parteien ihre Aufgabe nicht darin, dem Wähler ein politisches Modell vorzustellen und, falls dieser zustimmt, dann umzusetzen. Vielmehr sind sich die politischen Parteien darin einig, die Politik nach ihrem Gutdünken zu gestalten, und danach –auch mithilfe der von ihnen kontrollierten Medien – die Kraft aufzubringen, den Wähler davon zu überzeugen, dass es das Beste für ihn war.
Gleichschaltung
Es gibt keine Gleichschaltung der Medien in dem Sinne, dass jemand zentral etwas bestimmt und das hierarchisch weitergegeben wird. Vielmehr hat sich das System im Laufe von Jahrzehnten selbst gleichgeschaltet. Eingestellt und gefördert wird, wer dem eigenen Weltbild entspricht und sich entsprechend journalistisch verhält. Das Verhalten hatte schon Jacques Ellul in den 1960er-Jahren beschrieben.
Es gibt einen Nebeneffekt. Je länger eine Person innerhalb des gleichen Weltbildes von Schule, über Hochschule, bis Arbeitsplatz und sozialem Umfeld geprägt wird, desto einfacher ist es für Propaganda, die auf diesem Weltbild aufbaut, diese Person erfolgreich zu indoktrinieren. Wer ausbricht, wird zum Paria, verliert sein soziales Umfeld, oft das Einkommen, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, läuft sogar Gefahr, von der Justiz verfolgt zu werden. Wie wir seit der Coronakrise und jetzt der Ukrainekrise erfahren mussten und müssen.
Zum Autor
Otto Stern ist ein Pseudonym, das dem Autor seine Privatsphäre sichert. Wir hoffen, dass sich mehr Spezialisten zu medialen Themen in ähnlicher Weise äußern, und sichern absolute Diskretion zu, wenn sie uns kontaktieren. Vielleicht wird ein ständiger Aufklärungsdruck dazu führen, dass der Auftrag aus dem deutschen Grundgesetz und der europäischen Aufklärung zu einer Reform führt. Damit zukünftige Generationen in einer selbstbestimmten, demokratischen Welt leben können.
Wer wissen will, wie Medien Nachrichten so generieren, dass sie dem Medienkonsumenten den gewünschten Eindruck vermitteln, für den ist dieses Buch ein Quell der Erkenntnis.
Das Buch ist in verschiedenen Formaten über den Buchhandel, Buchversender oder direkt über den Internetshop des Vereins zu beziehen: politikchronist.org
Quellen und Anmerkungen
(1) Das Ende des Informationsjournalismus: Storytelling in der ARD-Griechenlandberichterstattung 2015, Otto Stern et al., Der Politikchronist e.V. 2023. www.politikchronist.org/index.php/shop
(2) https://youtu.be/LSDitudiGR4 Die Anstalt: Kriegsberichterstattung der Mainstream Medien, ZDF vom 23. September 2014
(3) https://youtu.be/KYcuLmFUyjE (Die Troika - Drei Gangster für Griechenland // Doku)
(4) https://www.docdroid.net/vP5XGlq/framing-manual-ard-pdf Berkeley International Framing Institute – Framing-Manual – Unser gemeinsamer, freier Rundfunk ARD.
(5) https://apolut.net/standpunkte-%E2%80%A2-das-primat-der-politischen-parteien/
(6) https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975954/770314/2b01a87d270d15afb0d02da54d2121d0/21-2-bk-data.pdf?download=1
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