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Die russisch-amerikanische Freundschaft

Die russisch-amerikanische Freundschaft

Die Wiederbelebung einer einst überraschend guten Beziehung wäre nicht nur für die USA und Russland, sondern für die gesamte Menschheit äußerst wichtig.

„Deutschland ist ein besetztes Land, und das wird es auch bleiben“, so Barack Obama 2009 zu US-Army-Angehörigen der Airbase Ramstein sprechend. Von Souveränität keine Spur in Sicht, stellt sich bis heute die Frage: Warum und was wählen wir eigentlich alle paar Jahre? Und wie sieht es denn mit den Vereinigten Staaten und ihrer Souveränität aus? Sind sie das Imperium, von dem sie behaupten, es zu sein, oder nur ein Potemkinsches Dorf, das endlich eingerissen werden muss, um dem Protagonisten dahinter direkt ins Gesicht zu schauen?

Es gab eine Zeit, in der jeder US-Geheimdienstler, jeder US-Diplomat das Studium der Geschichte und der Kultur anderer Nationen und ihrer historischen Beziehungen zur USA durchlaufen haben musste. Spätestens mit der Beendigung des Kalten Krieges und des sofortigen Eintritts des vom Empire geführten Westens in einen neuen heißen Krieg gegen jeden und alles, ist dieses Wissen nicht mehr für nötig befunden. Der derzeitige Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Russland, der sich gefährlich auf einen möglichen Dritten Weltkrieg zubewegt, verlangt aber nach einem solchen Ansatz.

Wie die Geschichte zeigt, haben immer wieder US-amerikanische Staatsmänner von der Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes bis zur Zeit von Präsident John F. Kennedy Bündnisse mit Russland — also auch während des Kalten Krieges — in ihrem gemeinsamen Interesse gesucht und erreicht. All diese Staatsmänner waren führende Vertreter des amerikanischen Systems der politischen Ökonomie, die ein gemeinsames Interesse mit führenden Rusländern darin sahen, ihre Länder durch Zusammenarbeit in wissenschaftlichen und technologischen Unternehmungen zu entwickeln, den Lebensstandard und die Lebensbedingungen ihrer Bevölkerungen zu verbessern und damit den Weltfrieden zu sichern.

Obwohl ihre Erfolge unter ständigem Beschuss standen und in einem nicht unerheblichen Maße sabotiert wurden, trugen diese Menschen entscheidend dazu bei, Bedingungen für den weltweiten Fortschritt zu schaffen, der alle Menschen teilhaben ließ. Die erklärten Verpflichtungen des US-amerikanischen Wirtschaftssystems — Förderung der Produktivkräfte der Arbeit, wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt, Entfesselung der schöpferischen Geisteskräfte der Menschheit, um die Erde und das Universum zu „gärtnern“ — veranlassten sie zu einer Kooperation mit den russischen Führern, die trotz ihrer politischen Differenzen mit den Vereinigten Staaten diese Bestrebungen teilten.

Mit anderen Worten: Die Zusammenarbeit mit Russland auf prinzipieller Basis ist eine Tradition des US-amerikanischen Systems.

Das Prinzip Leibniz

Ein verbindendes Element Russlands und der Vereinigten Staaten war das Wirken des Universaldenkers Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 bis 1716), der an der Spitze eines internationalen Netzwerks von Wissenschaftlern und Staatsmännern stand, die sich dem Aufbau von Institutionen widmeten, welche dem allgemeinen Wohl ihrer Nationen dienen sollten. Er leistete Pionierarbeit auf dem Gebiet der Ökonomie und der Naturwissenschaften und förderte die Entwicklung der Wärmekraft-Maschinen und wissenschaftlicher Akademien, um diese wissenschaftliche Arbeit zu unterstützen. Er blickte über die Ideologie hinaus, um die höheren Prinzipien zu finden, auf deren Grundlage sich die Nationen entwickeln und zusammenarbeiten konnten.

Der als Solon Russlands bezeichnete Leibniz wurde Berater von Zar Peter dem Großen und regte die Gründung der Sankt Petersburger Akademie der Wissenschaften (1724) an, gestaltete die Struktur der russischen Regierung um und förderte die bemerkenswerte Entwicklung der Industrie in Russland unter der Herrschaft des Zaren.

Die von Leibniz geschaffenen Institutionen, insbesondere das noch immer bestehende Netz russischer Wissenschaftsakademien, waren entscheidend für die spätere Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten. In Amerika wurde Leibniz‘ wissenschaftlicher und philosophischer Beitrag von den Führern der Massachusetts Bay Colony, wie Cotton Mather, und Philadelphia — angeführt von William Penns Sekretär James Logan und dem großen amerikanischen Philosophen und Staatsmann Benjamin Franklin — geleistet. Auch der indirekte Einfluss durch seinen Anhänger Emmerich de Vattel, einem Schweizer Denker, muss berücksichtigt werden. De Vattels Schriften zur Staatskunst und zum Völkerrecht hatten unter anderem einen großen Einfluss auf einen der US-Gründerväter und späteren Finanzminister Alexander Hamilton (1).

Russlands Rolle bei der Bildung der Liga der bewaffneten Neutralität, dem Pakt von 1780 zwischen Russland, Dänemark, Holland, Portugal, Preußen, Schweden und dem Heiligen Römischen Reich zur Verteidigung der neutralen Schifffahrt gegen die Angriffe des britischen Empire auf die französisch-amerikanische Allianz im US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, war nicht unerheblich. Auch wenn die Aktion an sich keine politische Verbundenheit der Kaiserin Katharina der Großen mit der US-amerikanischen republikanischen Sache als solcher zeigte, begründete sie jedoch ein starkes Gefühl der Sympathie und Wertschätzung der US-amerikanischen Seite gegenüber den Russen.

Das dritte wichtige Element war die Verbreitung der amerikanischen Systemwirtschaft in Russland. Bereits 1792 bemühten sich russische diplomatische Kreise um Zugang zu Hamiltons Bericht über Manufakturen, der dem Kongress im Jahr zuvor vorgelegt worden war. Dieser Bericht wurde dann 1807 in einer vom Finanzministerium geförderten Übersetzung in russischer Sprache veröffentlicht, mit einer Einleitung des russischen Pädagogen Vasily Fyodorovich Malinovsky (2), der schrieb:

„Die Ähnlichkeit der Vereinigten Provinzen Amerikas mit Russland zeigt sich sowohl in der Weite des Landes, dem Klima und den natürlichen Bedingungen, in der Größe der Bevölkerung, die in keinem Verhältnis zum Raum steht, als auch in der allgemeinen Jugendlichkeit verschiedener allgemein nützlicher Einrichtungen; daher sind alle hier vorgeschlagenen Regeln, Bemerkungen und Mittel für unser Land geeignet.“

Der Einfluss von Hamiltons Anschauungen hielt in russischen Regierungskreisen an, wurde durch die Interventionen deutscher Anhänger des amerikanischen Systems, wie etwa der Verfechter von Friedrich Lists Ideen, verstärkt und kam schließlich im späten 19. Jahrhundert unter den Zaren Alexander II. und Alexander III. auf dramatische Weise zum Tragen (3).

John Quincy Adams

1807, nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Russland und den USA, wurde John Quincy Adams der erste Botschafter in Russland. Während seines Aufenthalts in Sankt Petersburg, der damaligen Hauptstadt Russlands, führte er einen intensiven Dialog über Staatsangelegenheiten, Außenbeziehungen und Handel mit dem russischen Kanzler Graf Nikolaj Rumjanzew. Es war der russische Kanzler, der sich dafür einsetzte, dass Dänemark die Briten im Krieg von 1812 nicht gegen Amerika unterstützte, und sogar vorschlug, sich der antibritischen Handelspolitik der Vereinigten Staaten gegenüber Südamerika anzuschließen — ein Plan, der jedoch vom Zaren abgelehnt wurde.

In seiner anschließenden Laufbahn als Außenminister (1817 bis 1825) und dann als Präsident (1825 bis 1829) fand John Quincy Adams seine potenziellen Partner in Russland weniger aufgeschlossen: Russland hatte sich auf dem Wiener Kongress 1815 dem von den Briten und Österreichern inszenierten postnapoleonischen Europakonzert angeschlossen. Die nachfolgenden Entwicklungen zeigten aber, dass die proamerikanische Strömung in den russischen Institutionen nicht tot war.

Die Zusammenarbeit zwischen den Ingenieurskreisen wurde fortgesetzt, insbesondere mit denjenigen, die am Aufbau der russischen Eisenbahnen beteiligt waren (4). Der Ingenieur Pawel Melnikow wurde von Zar Nikolaus I. 1839 in die Vereinigten Staaten geschickt, um sich mit allen amerikanischen Eisenbahnbauern zu treffen — mit dem Erfolg, dass US-amerikanische Ingenieure mit dem Bau der ersten großen russischen Eisenbahnlinie von Sankt Petersburg nach Moskau beauftragt wurden.

Abraham Lincoln

Als Abraham Lincoln im Frühjahr 1861 das Amt des Präsidenten antrat, hatte der russische Zar Alexander II. am Vortag gerade die Leibeigenschaft abgeschafft, die 25 Millionen Russen als Leibeigene des Landes und seiner Besitzer gehalten hatte.

Lincoln ernannte den entschiedenen Gegner der Sklaverei Cassius Clay aus Kentucky zu seinem Botschafter in Russland. Von seinem Posten in Sankt Petersburg aus verbreitete Clay das amerikanische System, insbesondere die Arbeit von Lincolns Chefökonom Henry Carey.

Am 10. Juli 1861 – kurz nach Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs – schrieb der russische Außenminister Alexander Gortschakow (5) eine viel beachtete Note an Präsident Lincoln, in der er die „aufrichtigen Wünsche“ des Zaren für den Erfolg der USA, das Land als Einheit zu bewahren, zum Ausdruck brachte.

Am 29. Oktober 1862 folgte eine formelle russische Zusage, niemals gegen die Vereinigten Staaten vorzugehen und sich Versuchen anderer, dies zu tun, zu widersetzen. Die „Aufrechterhaltung der amerikanischen Union als eine unteilbare Nation“ war das russische Ziel.

Dies wurde auch durch die russische Weigerung untermauert, sich an den von Großbritannien angeregten Vermittlungsbemühungen zwischen Nord und Süd zu beteiligen, die faktisch zu einer Anerkennung der Konföderation als eigenständige Nation geführt hätten.

Der Höhepunkt der engen Beziehungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten in dieser Zeit war die Entsendung der russischen Flotte nach New York City und San Francisco im Herbst 1863. Diese Besuche in den Anlaufhäfen waren zwar nicht ausdrücklich als Beteiligung an den Kämpfen gedacht — Russland bestand, wie bereits oben dargelegt, darauf, im Bürgerkrieg neutral zu sein —, aber sie waren eine enorme moralische Unterstützung für die umkämpften Unionstruppen und die Präsidentschaft. Die russische Flotte in San Francisco hatte den Befehl, amerikanische Forts gegen Angriffe der Konföderierten zu verteidigen, auch wenn sie diesen nie ausführen musste.

Die russische Flotte wurde in New York City in monumentalem Stil mit Paraden und einem großen Ball begrüßt. Als sie im Dezember den Hafen von Alexandria, Virginia, anlief, nahm selbst die Gattin des Präsidenten an den Feierlichkeiten teil. Auch in San Francisco wurde die Flotte willkommen geheißen, wenn auch in weniger üppigem Rahmen. Die Flotten blieben bis zum Frühjahr 1864 in amerikanischen Gewässern.

Das, was Russland und die Vereinigten Staaten verband, war eine Übereinstimmung bei der Abschaffung der Sklaverei, die Aufrechterhaltung der Union und die Unterstützung der einheimischen Industrie durch den Schutzzoll. Die Zusammenarbeit wurde auch nach dem Attentat auf Lincoln fortgesetzt, mit Besuchen amerikanischer Militärs, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Ingenieuren in Russland. Nach einem gescheiterten Attentat auf Zar Alexander II. entsandten die Vereinigten Staaten 1866 eine Seestreitmacht nach Russland, die mit einer großen Feier begrüßt wurde.

„Mögen diese beiden Flaggen in friedlicher Umarmung für immer vereint sein“, schrieb Admiral Gustavus Vasa Fox (6), der 1866 die amerikanischen Seestreitkräfte anführte.

Eine nicht zu übersehende Zusammenarbeit zwischen den Befürwortern des US-amerikanischen Systems und Russland im 19. Jahrhundert zeigte sich im russischen Verkauf von Alaska an die Vereinigten Staaten im Jahr 1867.

In Russland argumentierten die Befürworter des Verkaufs, dass Russland und die Vereinigten Staaten natürliche Verbündete im pazifischen Becken seien und dass die USA im Falle eines Versuchs Großbritanniens, „Russisch-Amerika“ (Alaska) zu erobern, besser in der Lage wären, es zu verteidigen, als Russland. Die Briten ihrerseits waren spürbar beunruhigt über die enge russisch-amerikanische Zusammenarbeit.

Franklin Delano Roosevelt

Es waren die Vereinigten Staaten, die nach der bolschewistischen Revolution (1917) die diplomatischen Beziehungen zu Russland abbrachen. Anfang 1918 marschierte die Regierung Wilson zusammen mit sechs anderen Nationen in das Land ein, um die zaristische Herrschaft wiederherzustellen, was jedoch misslang.

Obwohl die Geschäftstätigkeit in den 1920er-Jahren fortgesetzt wurde, erfolgte die offizielle diplomatische Anerkennung der Sowjetunion erst, als Franklin Delano Roosevelt sie im November 1933 erklärte. Vorausgegangen waren persönliche Verhandlungen zwischen Roosevelt und dem Kommissar für auswärtige Angelegenheiten, Maxim Litvinov.

Als Roosevelt die Entscheidung zu einem entsprechenden Abkommen mit der Sowjetunion traf, unterhielten bereits alle anderen Großmächte diplomatische Beziehungen zu den Sowjets. Als Deutschland im Juni 1941 in die Sowjetunion einmarschierte, unternahm Roosevelt sofort etwas zur Unterstützung. Er schickte seinen persönlichen Abgesandten Harry Hopkins nach Moskau, um sich mit dem sowjetischen Führer Joseph Stalin zu treffen.

Es folgte ein offizieller Notenwechsel im August, in dem Roosevelt seine Unterstützung zusagte. Bald darauf übermittelten die Sowjets Washington eine Liste der dringend benötigten Güter, um ihre Verteidigung durchzuführen. Trotz des anhaltenden Widerstands beschloss Roosevelt, das im März desselben Jahres verabschiedete Lend-Lease-Gesetz — das zur Versorgung Großbritanniens verwendet wurde — zu nutzen, um den Sowjets materielle Unterstützung zu gewähren.

Letztendlich lieferten die Vereinigten Staaten 250.000 Tonnen Material, von Flugzeugen über Panzer bis hin zu Nahrungsmitteln, an die Sowjetunion, um die Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Die materielle Hilfe spielte eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung des russischen Widerstands. In der Zwischenzeit bemühte sich Roosevelt durch persönliche Diplomatie — sowohl durch Hopkins als auch durch Vizepräsident Henry Wallace — um eine Beziehung zu Stalin.

Dies gelang schließlich auf der Konferenz von Teheran im Jahr 1943 mithilfe von Humor auf Kosten von Winston Churchill. Stalin brach in Gelächter aus, als Roosevelt Churchill auf die Schippe nahm, und da wusste Roosevelt, dass er Erfolg gehabt hatte. Roosevelt wandte sich auch gegen Churchills ständige Versuche, die Invasion in Frankreich, die sogenannte Zweitfront, zu sabotieren, die die Sowjets dringend benötigten, um die Nazis von ihrem Vorgehen in Russland abzulenken.

Roosevelt war überzeugt, dass Geduld und guter Wille die Sowjetunion zu einem guten Partner bei den Nachkriegsvereinbarungen zur Erhaltung des Weltfriedens machen würden.

In Teheran sagte er:

„Wir haben bewiesen, dass die unterschiedlichen Ideen unserer Nationen ein harmonisches Ganzes bilden können, das sich vereint für das gemeinsame Wohl von uns und der Welt einsetzt.“

Er hatte einen Plan für die Vereinten Nationen ausgearbeitet, der die Sowjetunion als die Großmacht anerkennen sollte, die sie war.

Die Sowjets hatten die Hauptlast des deutschen Angriffs getragen und während des Krieges etwa 27 Millionen Menschen verloren. Ich bin davon überzeugt: Hätte Roosevelt bis in die Nachkriegszeit hinein gelebt, hätte der Respekt vor diesem Opfer und vor dem sowjetischen Volk die Politik der USA bestimmt und der britischen Initiative, vom Krieg gegen die Deutschen direkt zum Krieg gegen die Sowjetunion überzugehen, möglicherweise den Boden entzogen.

Die Briten ihrerseits konzentrierten sich auf die Zerstörung der sowjetisch-amerikanischen Zusammenarbeit, die sie als Bedrohung ihrer imperialen Interessen betrachteten. Nach dem Tod Roosevelts hatten sie Erfolg, und der Kalte Krieg begann. Churchills Rede 1946 in Fulton/USA war der Ausgangspunkt für die Truman-Doktrin (7). Die rhetorische Haltung des amerikanischen Systems zu Souveränität, internationalen Beziehungen und Fortschritt wurde zunehmend untergraben, während die Gefahren für den Weltfrieden eskalierten.

John Fitzgerald Kennedy

Präsident John F. Kennedy versuchte in seiner kurzen Präsidentschaft, Roosevelts Werk, die Tradition des amerikanischen Systems fortzusetzen, auch in der Frage der Beziehungen zur Sowjetunion. Kennedys Entscheidung, bei seinem Amtsantritt persönliche Kontakte mit dem sowjetischen Staatschef Chruschtschow aufzunehmen, spielte eine entscheidende Rolle bei der Entschärfung der Kuba-Raketenkrise.

Eine der wichtigsten und markantesten Aussagen über Kennedys politischen Bruch mit der Mentalität des Kalten Krieges war seine Rede an der American University am 10. Juni 1963, in der er die Frage des Weltfriedens ansprach und die Gespräche vorschlug, die schließlich zum Moskauer Atomteststopp-Abkommen führten. Interessanter als das Endergebnis ist für uns heute jedoch der Ansatz, den Kennedy im Umgang mit der Supermacht verfolgte, die zum „Feind“ geworden war.
Ich zitiere ausführlich:

„Manche sagen, es sei sinnlos, von Weltfrieden oder Weltrecht oder Weltabrüstung zu sprechen, und dass es sinnlos sein wird, bis die Führer der Sowjetunion eine aufgeklärtere Haltung einnehmen. Ich hoffe, dass sie das tun. Ich glaube, wir können ihnen dabei helfen. Aber ich glaube auch, dass wir unsere eigene Haltung überdenken müssen — als Einzelne und als Nation —, denn unsere Haltung ist ebenso wichtig wie die der Sowjetunion. Und jeder Absolvent dieser Schule, jeder nachdenkliche Bürger, der am Krieg verzweifelt und den Frieden herbeiführen will, sollte damit beginnen, nach innen zu blicken, indem er seine eigene Haltung gegenüber den Möglichkeiten des Friedens, gegenüber der Sowjetunion, gegenüber dem Verlauf des Kalten Krieges und gegenüber Freiheit und Frieden hier zu Hause überprüft.

Erstens: Wir sollten unsere Einstellung zum Frieden selbst überprüfen. Zu viele von uns halten ihn für unmöglich. Zu viele halten ihn für unwirklich. Aber das ist ein gefährlicher, defätistischer Glaube. Diese Einstellung führt zu der Schlussfolgerung, dass Krieg unvermeidlich ist, dass die Menschheit dem Untergang geweiht ist, dass wir von Kräften beherrscht werden, die wir nicht kontrollieren können.

Wir brauchen diese Ansicht nicht zu akzeptieren. Unsere Probleme sind von Menschen gemacht, deshalb können sie auch von Menschen gelöst werden. Und der Mensch kann so groß sein, wie er will. Kein Problem des menschlichen Schicksals ist jenseits der Menschen. Die Vernunft und der Geist des Menschen haben schon oft das scheinbar Unlösbare gelöst — und wir glauben, dass sie es wieder tun können. (…)

Zweitens: Wir sollten unsere Haltung gegenüber der Sowjetunion überdenken. Es ist entmutigend zu denken, dass ihre Führer tatsächlich glauben könnten, was ihre Propagandisten schreiben. Es ist entmutigend, einen neueren maßgeblichen, sowjetischen Text über Militärstrategie zu lesen und auf Seite für Seite völlig unbegründete und unglaubliche Behauptungen zu finden, wie etwa die Behauptung, dass ‚amerikanische imperialistische Kreise sich darauf vorbereiten, verschiedene Arten von Kriegen zu entfesseln‘ (…).

Es ist traurig, diese sowjetischen Erklärungen zu lesen, um das Ausmaß der Kluft zwischen uns zu erkennen. Aber es ist auch eine Warnung, eine Warnung an das amerikanische Volk, nicht in dieselbe Falle zu tappen wie die Sowjets, nicht nur eine verzerrte und verzweifelte Sicht der anderen Seite zu sehen, nicht den Konflikt als unvermeidlich, die Verständigung als unmöglich und die Kommunikation als nichts anderes als einen Austausch von Drohungen zu betrachten.

Keine Regierung und kein Gesellschaftssystem ist so böse, dass man die Menschen dort als tugendlos ansehen müsste. Als Amerikaner finden wir den Kommunismus als Verneinung der persönlichen Freiheit und Würde zutiefst abstoßend. Dennoch können wir das russische Volk für seine zahlreichen Errungenschaften loben — in Wissenschaft und Raumfahrt, in wirtschaftlichem und industriellem Wachstum, in der Kultur und in Taten des Mutes.

Unter den vielen Gemeinsamkeiten zwischen den Völkern unserer beiden Länder ist keine größer als unser gegenseitiger Abscheu vor dem Krieg. Unter den großen Weltmächten ist es fast einzigartig, dass wir noch nie gegeneinander Krieg geführt haben. Und keine Nation hat in der Geschichte des Krieges jemals mehr gelitten als die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Mindestens 20 Millionen Menschen verloren ihr Leben. Unzählige Millionen von Häusern und Bauernhöfen wurden verbrannt oder geplündert. Ein Drittel des Territoriums der Nation, darunter fast zwei Drittel der industriellen Basis, wurde in ein Ödland verwandelt — ein Verlust, der der Verwüstung dieses Landes östlich von Chicago entspricht.

Sollte es heute wieder zu einem totalen Krieg kommen, egal wie, wären unsere beiden Länder die Hauptziele. (...)

Seien wir also nicht blind für unsere Differenzen, sondern lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf unsere gemeinsamen Interessen und auf die Mittel, mit denen diese Differenzen beigelegt werden können. Und wenn wir schon unsere Differenzen nicht beenden können, so können wir wenigstens dazu beitragen, die Welt für die Vielfalt sicher zu machen. Denn letztlich besteht unsere grundlegendste Gemeinsamkeit darin, dass wir alle diesen kleinen Planeten bewohnen. Wir alle atmen dieselbe Luft. Wir alle sorgen uns um die Zukunft unserer Kinder. Und wir sind alle sterblich.

Drittens: Lassen Sie uns unsere Haltung gegenüber dem Kalten Krieg überdenken und uns daran erinnern, dass wir keine Debatte führen, in der es darum geht, Diskussionspunkte anzuhäufen. Wir sind nicht hier, um Schuld zuzuweisen oder mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wir müssen uns mit der Welt auseinandersetzen, wie sie ist, und nicht, wie sie hätte sein können, wenn die Geschichte der letzten 18 Jahre anders verlaufen wäre.

Wir müssen daher die Suche nach Frieden fortsetzen, in der Hoffnung, dass konstruktive Veränderungen innerhalb des kommunistischen Blocks Lösungen in greifbare Nähe rücken könnten, die uns jetzt unerreichbar erscheinen. Wir müssen unsere Angelegenheiten so regeln, dass es im Interesse der Kommunisten liegt, einem echten Frieden zuzustimmen. Vor allem müssen die Atommächte unter Wahrung ihrer eigenen lebenswichtigen Interessen solche Konfrontationen vermeiden, die einen Gegner vor die Wahl stellen, entweder einen demütigenden Rückzug oder einen Atomkrieg zu führen. Ein solcher Kurs im Atomzeitalter wäre nur ein Beweis für den Bankrott unserer Politik — oder für einen kollektiven Todeswunsch für die Welt.“

Die Führer der Sowjetunion waren von dieser Rede so beeindruckt, dass sie sie in ihrer Presse abdruckten. Die Verhandlungen über das Atomteststopp-Abkommen fanden statt und waren erfolgreich. Kennedy selbst unterbreitete am 20. September ein Angebot zur Zusammenarbeit mit den Sowjets bei der Erforschung des Weltraums. Kurz darauf wurde Kennedy ermordet, der Kalte Krieg kehrte zur Tagesordnung zurück.

Kennedy hatte recht. Der derzeitige Zusammenbruch der amerikanisch-russischen Beziehungen ist „menschengemacht und umkehrbar“.

Der Schlüssel liegt darin, die Prinzipien des amerikanischen Systems der politischen Ökonomie auf höchster Ebene wiederzubeleben, denn sie definieren die gemeinsamen Interessen, die beide Nationen — neben anderen — an einer Zusammenarbeit zur Verbesserung des Lebens aller Menschen auf der Erde durch wissenschaftlichen und technischen Fortschritt haben. Die Geschichte zeigt, dass es möglich ist. Unser aller Zukunft verlangt es (8).


Quellen und Anmerkungen:

(1) Alexander Hamilton wurde von Aaron Burr ermordet, dem von Jeremy Bentham, Chef des Geheimausschusses des britischen Foreign Office, geförderten Gründer der Bank of Manhattan, heute Chase Manhattan Bank. Mit dem Tod Hamiltons wurde das föderale Prinzip der bestehenden US-Nationalbanken sukzessive ad acta gelegt und die Finanzoligarchie der City of London nahm an der Wallstreet Platz.
(2) In: „Peace/MIR: An Anthology of Historic Alternatives to War“ von Charles Chatfield und Ruzanna Ilukhina
(3) Noch bevor es in den USA zum Sezessionskrieg kam, unterzeichnete Zar Alexander II am 3. März 1861 ein Gesetz, mit dem endlich in Russland für 25 Millionen Bauern, die durch Fronarbeit oder Abgaben an die adligen Gutsbesitzer gebunden waren, die Leibeigenschaft vorbei war. Verbunden mit dem Dreikaiserbund durch Alexander III, dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn und dem Unwillen zum Krieg, verunsicherte er die damalige Weltmacht, das britische Empire, das in der russisch-amerikanischen freundschaftlichen Zusammenarbeit eine Gefahr für seinen Einfluss auf die Welt sah.
(4) Die Russen und die Amerikaner sahen ihr Bündnis als Sprungbrett für eine Zusammenarbeit bei der wirtschaftlichen Entwicklung. In seiner jährlichen Ansprache an den Kongress im Jahr 1864 hob Präsident Lincoln die laufenden Arbeiten an einem Landtelegrafen hervor, der den amerikanischen und den asiatischen Kontinent über die Beringstraße verbinden sollte. Auf diese Verbindung sollte der Bau der Transsibirischen Eisenbahn folgen, der unter der Leitung von Graf Sergej Witte, einem Befürworter des amerikanischen Systems, verwirklicht wurde. Witte sah in der Fertigstellung der Eisenbahn (1904) „eines jener Weltereignisse, die in der Geschichte der Nationen neue Epochen einleiten und nicht selten eine radikale Umwälzung der bestehenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten bewirken“. Er dachte insbesondere daran, die Grundlage für die „Anerkennung konkreter gegenseitiger Interessen auf dem Gebiet der weltweiten Wirtschaftstätigkeit der Menschheit“ zu schaffen und die Möglichkeit für „direktere Beziehungen zu den nordamerikanischen Staaten“ zu eröffnen. Die Eisenbahn würde eine „Solidarität der politischen Interessen“ zwischen Russland und den Vereinigten Staaten offenbaren, schrieb Witte. Zu den wichtigsten russischen Gesprächspartnern mit amerikanischen Wissenschaftlern und Industriellen gehörte der weltberühmte russische Chemiker Dmitri Mendelejew, damals Mitglied der Sankt Petersburger Akademie und Regierungsberater, der die Vereinigten Staaten während der Hundertjahrfeier-Ausstellung 1876 in Philadelphia besuchte. Mendelejew nutzte seine Zeit in den USA, um mit Thomas Edison zusammenzuarbeiten, die Ölindustrie zu studieren und sich über die Wirtschaft der sich entwickelnden Industrien in Amerika zu informieren. Er war durch seine Reisen und seine Zeit in Deutschland durch die List-Kreise bereits mit dem amerikanischen Wirtschaftssystem vertraut, entwickelte es aber während dieser Reise eindeutig weiter. Im Jahr 1891 veröffentlichte er eine wichtige Arbeit über Schutzzölle, die den Einfluss seiner amerikanischen Mitarbeiter widerspiegelt.
(5) In: „Fürst Aleksandr M. Gorčakov (1798 bis 1883): Kanzler des russischen Reiches unter Zar Alexander II.“ von Horst Günther Linke
(6) Gustavus Vasa Fox in „Narrative of the Mission to Russia, in 1866“
(7) Im März 1947 verkündete der amerikanische Präsident Harry S. Truman die nach ihm benannte Doktrin. Darin sichert er all jenen Ländern Unterstützung zu, in denen eine sowjetische Unterwanderung befürchtet wurde. „Die freien Völker der Welt rechnen auf unsere Unterstützung in ihrem Kampf um die Freiheit.“ Das war der Auftakt zum Kalten Krieg.
(8) Der mit John F. Kennedy junior eng befreundete spätere Präsident Donald Trump hat mit Unterstützung des Kennedy-Clans versucht, die wirtschaftsfreundlichen Beziehungen mit Russland wieder aufleben zu lassen. Sein 1776-Projekt steht stellvertretend dafür, nicht nur die freundschaftlichen Beziehungen mit Russland wiederzubeleben, sondern das amerikanische System der politischen Ökonomie zum Vorteil aller Nationen beziehungsweise Menschen zu reimplementieren.


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