2012 musste das buntberüchtigte Berliner Kunsthaus Tacheles dichtmachen. Die Betreiber und Bestreiter verloren das übliche Spiel gegen einen Haufen kapitalstarker Anleger. Die Politik zeigte die übliche kalte Schulter, die Polizei gehorchte einfach dem Befehl, wenn es um den Erhalt kreativer und vor allem unkontrollierbarer Frei- beziehungsweise Lebensräume geht.
Schon damals dachte ich, warum verlieren wir mehr und mehr Raum für die Kunst, das Leben und den ganzen Rest? Mich erinnerte diese Entwicklung an dieses unheimliche, sich unaufhaltsam ausbreitende Nichts des Kinderromans „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende.
2021 sitze ich in meinem Büro und erlebe, wie eine Vielfalt an Lebensräumen von einer verrückten Politik und einer festgefahrenen Wissenschaft, quasi über Nacht, verschlossen und verriegelt wird. Selbst ein zwangloser Spaziergang in die nächstgelegene Ortschaft kann zu einer Herausforderung werden. Je nachdem, was die lokalen Corona-Auflagen vorschreiben.
Während die Anzahl der glücklichen Freilandhühner steigt, hocken wir wie Käfighühner in unseren Zellen mit Fernwärme und trauen uns noch nicht einmal, laut zu gackern. Das tun wir nicht, weil sonst der Staatshahn vor unserer Tür steht und auf uns herumhackt.
Ein Außenminister twittert seine Ängste in die Welt
Kürzlich twitterte Heiko Maas, der smarte Außenminister, ungezwungen folgenden Textbaustein: „Es ist noch nicht abschließend geklärt, inwiefern Geimpfte andere infizieren können. Was aber klar ist: Ein Geimpfter nimmt niemandem mehr ein Beatmungsgerät weg. Damit fällt mindestens ein zentraler Grund für die Einschränkung der Grundrechte weg.“ Von seiner höllischen Bösartigkeit abgesehen, sagt er Folgendes:
Geht es nach Maas, so dürfen nur noch geimpfte Menschen bestimmte Räume betreten. Er spricht von Kinos und Restaurants. Aber im Grunde meint er jeden Raum.
Wahrscheinlich bekommt Heiko bereits Erstickungsanfälle beim bloßen Gedanken, mit einem Ungeimpften in einem Zimmer zu sitzen.
Zugegeben, völlig frei und ungehindert konnten wir uns noch nie von Raum zu Raum bewegen. Schon häufig sahen wir uns Türstehern gegenübergestellt. Coolen Gestalten, mit kräftigen Oberarmen, die Geld, die richtigen Klamotten oder das entsprechende Auftreten sehen wollten. Und waren wir außerstande, ihren Wünschen zu entsprechen, blieben wir kurzerhand vor der Tür stehen. Konnten fluchen, konnten spucken, rein kamen wir jedenfalls nicht.
Vereinfacht könnte man sagen, dass wir schon immer damit leben mussten, nicht auf jeder Party tanzen zu dürfen. Allerdings hat sich der Umstand jetzt auf ein unerträgliches Maß hinaufgeschraubt. Und Partys wurden kurzerhand verboten.
Die Liste der Kriterien, anhand derer bestimmt wird, wer sich an einem Ort aufhalten darf und wer nicht, spiegelt den Charakter der Designer dieser Welt.
Kriterien wie der Status, das Aussehen und die Liquidität sind alte Bekannte. Während der letzten Jahre kam eine Ideologie hinzu, eine Ideologie, die kontrolliert, wer aus dem Spiel fliegt und wer weiterkommt. Jetzt bekommen wir bald das Gesundheitszeugnis, inklusive Impfausweis und Gen-Check.
Die Räume werden enger und der Bewegungsradius kleiner, wohingegen die Liste an Auflagen, um den Radius auszuweiten, länger wird.
Mehr vom Gleichen
So betrachtet ist die Corona-Maßnahmen-Einschränkungpolitik nur der nächste, aber sicher der größte Baustein derselben Wand. Die allgemeine Raumkontrollen-Kultur ist ein Prozess, der vor Corona begann und jetzt ein beachtliches Niveau erreicht hat. Die Methoden sind nicht neu. Sie sind lediglich mehr vom Gleichen.
Das wetteifernde Gehabe über Diversität, Inklusion und wissenschaftlichen Humanismus, insbesondere über und durch Institutionen, Gruppen und Vereine wie die Amadeu Antonio Stiftung, die GWUP, Psiram und Co. oder die Giordano Bruno Stiftung, ist ein Bluff. Die Liste ließe sich erweitern. Zusammengefasst kann man es als ein Netzwerk verstehen. Genau genommen halten diese Leute nichts von Diversität, erst recht nichts von Inklusion.
Nur um ihrer eigenen Behaglichkeit willen dulden diese Leute um sich herum nur Personen, die ihren Vorstellungen und ideologischen Ansichten entsprechen.
Am liebsten haben sie Menschen in ihrer Blase, welche die Dinge auf ihre Weise sehen, die Dinge auf ihre Weise benennen, die über Dinge auf ihre Weise nachdenken und die Dinge auf ihre Weise aussprechen. Andernfalls leiten die Herren und Damen der Schöpfung diskreditierende Ausschlussverfahren ein, dass einem Hören und Sehen vergeht. Es scheint, als haben sie die Medien und die Politik in ihrer Tasche. Warum das so ist, könnte ein Buch ergeben. Ebenso mit welcher Ideologie wir es zu tun haben.
Sie sorgen jedenfalls dafür, dass jeder und alles, der oder das nicht ihren Vorstellungen entspricht, zum Schweigen gebracht wird. Und wenn die Verunglimpften nicht zurückrudern, geht man zum nächsten Schritt über und stellt ihre moralischen Grundsätze infrage, bis sie gesellschaftlich eingefroren sind. Niemals geht es bei diesen Prozessen um Inhalte, stets geht es um die Vernichtung, den Ausschluss von Menschen, deren Ansichten und Meinungen.
Am Ende einer Argumentationskette ist dann alles rechts, geschwurbelt, antisemitisch oder verschwörungstheoretisch. Die Massivität dieser Verfahren ist dermaßen gewalttätig, dass die Betroffenen schnell gestehen und sich buchstäblich mit dem nächstbesten Taxi ins Gedankengefängnis fahren lassen.
Schwanengesänge sind nicht lustig
Ein trauriges Beispiel ist die britische Comedy-Serie „Little Britain“, der 2020 Rassismus vorgeworfen wurde und die kurzerhand aus dem Programm der BBC gestrichen wurde. Und noch bevor irgendjemand ihr Verschwinden zur Kenntnis nehmen konnte, überbrachten die Little-Britain-Schöpfer und Darsteller Matt Lucas und David Walliams ein demütig und reuevoll verfasstes Entschuldigungsschreiben unserer Weißkittel-Jury. Worin sie eindringlich darauf hinwiesen, dass sie ihren Humor schon seit Längerem bedauern würden. Einen erbärmlicheren Abgang kann man sich kaum vorstellen.
Diese kleinlauten Erniedrigungen vor einer aalglatten Moralschleuder ist der Schwanengesang jeder selbstbestimmten Kultur. Eine kulturelle Katastrophe.
Die intelligenzleeren Debatten um Inklusion, Diversität, Gender, Frauen, das Klima, Gesellschaft und womit sonst noch aufgewartet wird, können über die eigentlichen Absichten nicht hinwegtäuschen. Im Grunde wird ein geistiger Inzest betrieben. Die Lieblingsbeschäftigung liegt darin, Ausschlusskriterien, Regeln und Konsequenzen für ungebührendes Verhalten festzulegen und auszuweiten. Als wäre das alles nicht schon verwerflich genug, gesellte sich 2020 noch das medizinische Diktat hinzu.
Verwirrend in dem Zusammenhang ist ihre hartnäckige Behauptung, es würden Diskussionen geführt. Stattdessen drängt sich einem aber ein ganz anderes Bild auf. Denn über die Leitmedien werden uns stets dieselben Leute mit stets denselben Ansichten präsentiert. Gleichzeitig aber findet unter dem Deckmantel der vermeintlichen Diskussionen ein regelrechter Frühjahrsputz von Personen, Gruppen, Programmen, Ideen, Witzen, Texten, Stücken, Büchern und wissenschaftlichen Erkenntnissen statt.
Und wer kein so geschäftstüchtiger Mensch wie Ken Jebsen ist, der aus seiner Not eine Tugend machte und kurzerhand einen eigenen Laden eröffnete, bleibt auf der Strecke. Im Übrigen ist Ken Jebsens Strategie sehr empfehlenswert, insbesondere in Zeiten einer allgemeinen Meinungs-Deflation.
Der Sexappeal der neuen Inquisition
Das Motto der neuen Inquisition lautet: „Wenn divers, dann bitte nur, wenn es die omnipotente Gut-Mensch-Walze bestehend aus einer Me-Too-Bewegung, aus einer Black-Lives-Matter-Bewegung, aus Gretas Fridays-for-Future-Bewegung, aus der ultra effektiven Gesundheitsdiktatur, der Biosecurity, dem Healthterror mit seinem Corona-Virus-Flagschiff überlebt!“
Da dürfte wenig übrig bleiben.
Am Ende läuft es auf eine Geisteshaltung mit dem Sexappeal einer Zyste hinaus. Die Meinungsvielfalt wird auf ein Minimum heruntergekocht. Schlimm dabei sind der vorauseilende Gehorsam und der selbst auferlegte Gedankenmaulkorb. Orwells Doppeldenk lässt grüßen.
Das Heimtückische an diesen Bewegungen und Stiftungen sind ihre stets vernünftigen Argumente. Es ist wie mit dem Händewaschen. Hände waschen ist zweifellos eine empfehlenswerte Angelegenheit. Man bekommt saubere Hände und verhindert, dass sich Krankheitserreger ausbreiten. Allerdings kann man es damit übertreiben. Erhebt man das Händewaschen zum Allheilmittel für alles, gerät die Sache schnell in den Strudel des Wahnsinns.
Denn was ist der Zwang anderes, als eine auf die Spitze getriebene, im Grunde vernünftige Sache?
Gut zu sehen im gegenwärtigen Gebrauch der an sich vernünftigen Quarantäne. Das Wort stammt aus dem Französischen und bedeutet Vierzig und bezog sich auf die Anzahl der Tage, die eine erkrankte Schiffsbesatzung auf einem Schiff „in Quarantäne“ bleiben musste. Was wurde aus dieser vernünftigen Maßnahme? Man lässt ganze Bevölkerungen zuhause vor sich hin schmoren. Jeder potenziell Kranke wird einfach in Quarantäne gesteckt. So kann es kommen. Auf Wiedersehen, Vernunft. Auf Wiedersehen, geistige Gesundheit.
Nehmen wir das E-Auto. Es wird als die Lösung für ziemlich alle Umweltprobleme verkauft. Obgleich die Produktion davon mit erheblichen Umweltbelastungen einhergeht. Nicht wirklich vernünftig, oder?
So enden vernünftige Lösungen in einem Desaster.
Gut und Böse per Verordnung
Im Raum, in dem gefährliche Mikroben ihren Spaß haben, kann sich keiner entspannen. Allerdings genügt für manche die bloße Annahme, es sei so, um das Hasenpanier zu ergreifen. Wenn die da oben sagen, es sei gefährlich, dann wird das schon stimmen, gleichgültig in welcher wirtschaftlichen Beziehung ihre Berater stecken. Und völlig ungeachtet dessen, was andere Wissenschaftler dazu sagen. Außerdem vergisst man dabei schnell, dass wir es mit Menschen zu tun haben, Menschen, deren eigene irrationale, subjektive Erlebniswelt zur Richtschnur für unsere Leben erhoben wird.
Was man im Fall eines Heiko Maas sehen kann, der durch Twitter die Möglichkeit hat, die Welt an seinen Ängsten teilhaben zu lassen. Da wird eine bedrückende Stimmung zur Ultima Ratio einer ganzen Nation. Wenn Ressentiments die Politik bestimmen, ist es um die vernünftige Staatsführung geschehen. Dann regiert quasi der Bauch, dann regiert die Angst, die Furcht. Was genau Heiko Maas angetriggert hat, wissen wir nicht. Vielleicht wurde er als Kind von seinem Vater ins Schwimmbecken geworfen, um so schwimmen zu lernen. Und vielleicht wäre er dabei fast ertrunken.
Unser Lebensraum, unsere Gesetze
Meint man es ernst mit Diversität und Inklusion, dann braucht das ein klein wenig Mut und Standhaftigkeit. Man kann nicht wie verrückt alles Unangenehme und Anstößige aus der Welt verbannen, bis der gemeinsame Nenner divers genug ist.
Es kann nicht angehen, dass wir uns für alles ausweisen müssen, nur weil sich einige bereits in die Hosen machen, wenn Kinder niesen.
Das wirklich Beleidigende an diesen Beleidigungen sind nicht die Beleidigungen, vielmehr der Mangel der eigenen Schlagfertigkeit, mit der man sie zu kontern versäumte.
Dass viele Kritiker der angeordneten Maßnahmen im Moment einen Haufen Beleidigungen über sich ergehen lassen müssen, legt den Schluss nahe, dass es an der Zeit ist, sich die gebührende Schlagfertigkeit anzueignen.
Denn eines sollte man bei dieser Geschichte als Lektion gelernt haben: Eine Bevölkerung, die alles mit sich machen lässt und im Grunde nichts einer verrückt gewordenen Legislative und Exekutive entgegensetzt, Menschen also, die sich einfach so ihrer Grundrechte, ihrer existenziellen Grundlage berauben lassen, sollten sich am Ende nicht wundern, wenn sie bis aufs Hemd ausgezogen im Käfig der neuen Inquisition hocken.
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