von Erika Schelby
Santa Fe ist die älteste Hauptstadt der USA. Sie ist Sitz der Regierung von New Mexico und beherbergt den drittgrößten Kunstmarkt des Landes. Die Stadt, die sich selbst „The City Different“ nennt, bietet ihren mehr als 88.000 Einwohnern über 250 Kunstgalerien und -händler, ein Dutzend staatliche und private Museen und ein Opernhaus von Weltrang.
Die „kostspieligen negativen Auswirkungen auf den Tourismus, die Tierwelt und die Ästhetik“ veranlassten Santa Fe im April 2015, Einwegplastiktüten mit der Verordnung Nr. 2015-12 zu verbieten. Die Entscheidung wurde auch getroffen, „um die Umwelt zu schützen und gleichzeitig Abfall, Müll und Umweltverschmutzung zu reduzieren, um die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung zu verbessern“. Im April 2016 wurde ein offener Brief des Bürgermeisters an die lokalen Unternehmen verschickt, in dem das Projekt und die neuen Regeln ausführlich erläutert wurden.
Das nahe gelegene Albuquerque ist ebenfalls attraktiv, aber weniger nobel und eher eine Arbeiterstadt. Mit 562.599 Einwohnern im Jahr 2021, einer Wachstumsrate von 24,8 Prozent seit 2000 und 942.000 Einwohnern bis 2022 ist sie deutlich größer. Insgesamt 49,8 Prozent der Bevölkerung sind Hispanoamerikaner. Die meisten von ihnen leben seit Generationen hier. Albuquerque liegt in der Hochwüste am Rio Grande und verfügt über mehrere Museen, eine Altstadt aus dem Jahr 1706 und vielfältige Kultur- und Freizeitangebote.
Nach langen Debatten trat am 1. Januar 2020 die „Albuquerque Clean and Green Retail Ordinance“ in Kraft. Einwegplastiktüten wurden an den Verkaufsstellen verboten. Doch dann kam die Pandemie und die Umsetzung wurde verschoben. Das Geschäft im Einzelhandel war bereits schwierig und stressig für Management, Mitarbeiter und Kunden geworden. Lieferketten waren unterbrochen. Zusammen mit den neuen Herausforderungen durch die Pandemie schienen diese Veränderungen zu viel auf einmal zu sein.
Der Stadtrat hörte sich die Sorgen der Wähler an und beschloss, sich gegen das fortschrittliche Plastiktütenverbot von Bürgermeister Tim Keller auszusprechen. Er stimmte mit 6 zu 3 Stimmen für die Aufhebung des Verbots. Der Bürgermeister legte mutig sein Veto gegen die Aufhebung ein. Doch am 4. April 2022 wurde der Antrag der Stadträte, das Veto aufzuheben, erneut mit 6 zu 3 Stimmen angenommen. Das Verbot der Einwegplastiktüten wurde aufgehoben. Die Bequemlichkeit hat über den Umweltschutz gesiegt, aber der Krieg ist noch nicht gewonnen.
Dieser Kampf ist zweifellos größer als die Entscheidung eines einzelnen Stadtrats, das zu verschieben, was getan werden muss. San Francisco war 2007 die erste Stadt in den USA, die ein Gesetz gegen Einwegplastiktüten verabschiedete. Kalifornien folgte 2014 mit einem landesweiten Verbot.
Puerto Rico und zehn weitere Bundesstaaten haben Gesetze zum Verbot von Einwegplastiktüten erlassen: Connecticut, Delaware, Kalifornien, Hawaii, Maine, New Jersey, New York, Oregon, Vermont und Washington. Im Gegensatz zu Albuquerque, das sein Verbot wieder aufhob, haben immer mehr amerikanische Städte Plastiktüten verboten oder mit Gebühren belegt, darunter Boston, Chicago, Los Angeles, Seattle, Boulder, New York, Portland, Washington D.C. und San Francisco. Auf internationaler Ebene haben immer mehr Länder landesweite Verbote für die Herstellung, die Verwendung und den Verkauf von Plastiktüten eingeführt.
Während der verheerenden Überschwemmungen im Sommer 1998 stellte Bangladesch fest, dass dünne Plastiktüten Hunderte von Regenwasserkanälen und Entwässerungssystemen verstopften und die Situation verschlimmerten.
Schätzungsweise 80 Prozent der Überschwemmungen in den Städten waren darauf zurückzuführen. Bangladesch war deshalb 2002 das erste Land der Welt, das alle Plastiktüten verbot. Andere Länder folgten. „Laut einem Dokument der Vereinten Nationen und mehreren Medienberichten haben 77 Länder der Welt ein vollständiges oder teilweises Verbot von Plastiktüten erlassen“, berichtet Statista.
Leider reichen solche Verbote nicht aus. Obwohl Bangladesch das erste Land der Welt war, das Plastiktüten verbot, verursachte ihr Gebrauch weiterhin Umweltschäden. Das Umweltministerium hat zwischen 2019 und 2021 insgesamt 592.223 Tonnen Polyethylen beschlagnahmt. Die Zahl der illegalen Hersteller von Plastiktüten stieg von 300 im Jahr 1999 auf schätzungsweise 700 bis 1.000 im Jahr 2021. Darüber hinaus wurden bis 2019 etwa 1,2 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle aus den USA und Großbritannien verschifft, was die schlechte Situation noch verschlimmert.
Anstatt Lösungen für die Probleme der Plastikverschmutzung zu finden, haben Berichte westlicher gemeinnütziger Organisationen und Unternehmen in der Zwischenzeit dazu beigetragen, die Schuld für die Verschmutzung der Weltmeere auf „ein kleines geografisches Gebiet in Ost- und Südostasien“ zu schieben. Im Juli 2022 entschuldigte sich die bekannte gemeinnützige Organisation „Ocean Conservancy“ offiziell für den Schaden, den ein Bericht angerichtet hatte, den sie 2015 zusammen mit dem McKinsey Center for Business and the Environment verfasst hatte: „Stemming the Tide: Land-Based Strategies for a Plastic-Free Ocean.“
Tadellos geschrieben, professionell im Ton und überzeugend in der Sprache, behauptete der Bericht, Untersuchungen hätten gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Plastikverschmutzung, die in den Ozean gelange, aus fünf asiatischen Ländern stamme: China, Philippinen, Indonesien, Vietnam und Thailand. Der Bericht behauptet, dass die „wachsende Wirtschaftskraft“ und die „explodierende Nachfrage nach Konsumgütern“ diese Länder dazu veranlasst hätten, Plastik in großen Mengen zu produzieren und zu verwenden, und dass sie nicht über die nötige Infrastruktur verfügten, um den daraus resultierenden Plastikmüll-Tsunami zu bewältigen. Infolgedessen landete der Müll im Meer. Die Studie argumentiert, dass der effektivste Weg, dieses Problem zu lösen, das Recycling ist. Hinter diesem euphemistischen Begriff verbirgt sich der Einsatz von Technologien zur Energiegewinnung: Vergasung und Verbrennung.
Bei der Verbrennung von Kunststoffen wird jedoch eine starke und gefährliche Mischung aus Giftstoffen und Treibhausgasen in die Atmosphäre und in die Gemeinden freigesetzt, die sich unglücklicherweise in der Nähe der Verbrennungsanlagen befinden. Darüber hinaus hat der zynische Hype um das Recycling in einigen reichen Ländern mit Umweltauflagen den Export von Kunststoffabfällen in weniger entwickelte Länder wie Bangladesch gefördert, was zu Vorwürfen des „Müllkolonialismus“ geführt hat.
Darüber hinaus hat der Bericht ein schädliches und falsches Narrativ geschaffen. Obwohl der Bericht von der Website der Ocean Conservancy entfernt wurde, bleibt er ein raffiniertes und warnendes Meisterwerk des Greenwashing. Es ist erstaunlich, dass es so lange gedauert hat, diese Wahrheit anzuerkennen, wenn man sich die Liste der Unterstützer des Projekts ansieht: Die Coca-Cola Company, die Dow Chemical Company, der American Chemistry Council und die Recycling and Economic Development Initiative of South Africa, um nur einige zu nennen.
In der Zwischenzeit haben die Regierungen mit einer UN-Resolution zur Beendigung der Plastikverschmutzung, die im März 2022 auf der UN-Umweltversammlung 5.2 in Nairobi verabschiedet wurde, begonnen, sich um ein globales, rechtsverbindliches Abkommen bis 2024 zu bemühen. Es durfte nicht wie ein weiteres zaghaftes Pariser Abkommen von 2015 aussehen. Es brauchte Biss.
Vom 28. November bis 2. Dezember 2022 trafen sich daher Delegierte aus 150 Ländern in Punta del Este, Uruguay, zur ersten Sitzung des Zwischenstaatlichen Verhandlungsausschusses (INC1) der Vereinten Nationen, um die Verhandlungen zu beginnen, die schließlich zu einem internationalen Kunststoffvertrag führen sollen. Zumindest hofft man das. „Drehen wir dem Plastik den Hahn ab“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres. „Kunststoffe sind fossile Brennstoffe in einer anderen Form.“
Das sind sie tatsächlich: Produkte, die aus Öl und Gas hergestellt werden.
Die Amerikaner werfen jährlich 100 Milliarden Tüten weg, hergestellt aus 12 Millionen Barrel Öl. Und was diese dünnen, leichten und billigen Behälter vielleicht noch schrecklicher macht, ist die Tatsache, dass weltweit 500 Milliarden von ihnen jedes Jahr für durchschnittlich nur 15 Minuten benutzt werden.
Danach werden sie weggeworfen. Doch noch jahrelang belasten sie die Umwelt und gefährden die Gesundheit.
Hinzu kommt, dass die meisten der 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoffe, die seit den 1950er Jahren produziert wurden, auf Mülldeponien oder in der Natur landen. Schätzungen zufolge werden bis 2050 etwa 12 Milliarden Tonnen Kunststoffabfälle auf Deponien oder in der Natur landen. Plastik ist ein synthetisches Material, nicht biologisch abbaubar. Irgendwann und sehr langsam wird es durch Sonne, Wind, Wasser, Wellen und Abrieb in winzige Partikel zersetzt.
Bei Einweg-Plastiktüten aus Polyethylen dauert es bis zu 1.000 Jahre, bis sie durch Licht zersetzt werden. Ein effektives Recycling, insbesondere in den USA, mag ein Wunschtraum sein. Die praktische Infrastruktur, die Anlagen, die Arbeitskräfte und der Wille, diese tägliche Flut von unzerstörbarem Abfall zu bewältigen, sind nicht vorhanden und wären teuer. Verbrennung ist keine Lösung: Sie schadet mehr, als sie nützt. Kein Wunder, dass weltweit über 90 Prozent der Kunststoffe nicht recycelt werden. Sie landen auf Deponien, in Flüssen und Meeren.
Ein Großteil des Plastikmülls landet auf Deponien. Wenn sie sich zersetzen, setzen sie gefährliche Chemikalien frei, verschmutzen die Umwelt und gelangen in die Nahrungskette. In einem Factsheet von EarthDay.org heißt es:
„Forscher in Deutschland weisen darauf hin, dass die Verschmutzung durch Mikroplastik an Land viel höher ist als im Meer — je nach Umgebung schätzungsweise 4- bis 23-mal höher.“
Doch der Plastikmüll in den Meeren wächst rasant. Ein großer Teil davon wird über die Flüsse eingeschwemmt. Mindestens 10 Millionen Tonnen Plastikmüll landen jedes Jahr in unseren Meeren. Wenn das so weitergeht, könnte es im Jahr 2050 mehr Plastik als Fische in den Meeren geben.
Weltweit produzieren die Menschen so viel Dreck und Müll, dass sich diese Abfallprodukte inzwischen zu beachtlichen Flächen anhäufen, manchmal größer als ganze Städte und Länder. Ein Beispiel dafür ist der „Great Pacific Garbage Patch“ (GPGP), eine Ansammlung von Meeresmüll, die sich von der Westküste Nordamerikas bis nach Japan erstreckt. Er ist bereits riesig — schätzungsweise 1,6 Millionen Quadratkilometer, etwa doppelt so groß wie Texas oder dreimal so groß wie Frankreich — und könnte eine ganze Familie von schwimmenden Müllansammlungen hervorbringen, die mit den Meeresströmungen treiben und so weitere Gewässer erreichen.
Die unerbittliche Energie des Meeres zerkleinert Teile dieser Müllstrudel zu Mikroplastik. Es entsteht ein dicker, trüber Brei, in dem größere Teile hängen bleiben. Ein Teil des Mülls sinkt auf den Meeresboden. Dadurch werden Algen und Plankton vom Sonnenlicht abgeschnitten und abgetötet, Fische und Schildkröten werden hungrig und schwach. Viele sterben. Dadurch gibt es weniger Nahrung für Tunfische, Haie und Wale, was zu einer Destabilisierung des marinen Nahrungsnetzes führt.
Der Mensch isst schon heute jede Woche buchstäblich fünf Gramm Mikro- und Nanoplastik, also Plastik, so schwer wie eine Kreditkarte.
Das sind zwischen 39.000 und 52.000 Plastikpartikel, die jedes Jahr in unsere Nahrung gelangen. Mikroplastik findet sich in Tieren, Fischen und Vögeln, aber auch im Blut und in menschlichen Organen. Sogar in die Plazenta ungeborener Kinder gelangen sie. Sie sind überall.
Plastik beeinträchtigt die menschliche Gesundheit und die Fortpflanzung und könnte irreparable Folgen für die menschliche Spezies haben und sogar zum Aussterben der Menschheit führen, wenn der unkontrollierten Verwendung von Plastik nicht Einhalt geboten wird. Untersuchungen an Mäusen haben bereits eine Abnahme der Spermienmenge und -qualität sowie eine Verringerung der Gesamtzahl der Follikel in den Eierstöcken der Weibchen gezeigt. Die Erforschung der Auswirkungen von Mikroplastik, das in den menschlichen Körper aufgenommen wird, hat gerade erst begonnen. Die Wissenschaft wird noch 10 bis 15 Jahre brauchen, um Antworten zu finden.
Der Wunsch nach einem sauberen und sicheren persönlichen Lebensraum — einem Zuhause — ist dem Menschen angeboren. Viele Menschen wollen ihr Zuhause nach ihren Möglichkeiten und ihrem Geschmack so schön wie möglich gestalten. Jeder Mensch produziert aber auch Abfall und ist dafür verantwortlich — das ist die Kehrseite unseres Lebensstils. In modernen Haushalten wird der Abfall weggespült oder von der städtischen Müllabfuhr in einer Tonne abgeholt. Für diesen Komfort zahlen die Bewohner Gebühren. Aber der Müll gehört ihnen immer noch. Er wurde nur an einen anderen Ort gebracht — aus den Augen, aus dem Sinn.
Und genau da liegt das Problem. Kommunen und Deponien sind mit dem Plastikmüll überfordert. Im Jahr 1960 produzierten die USA 88,1 Millionen Tonnen Müll, 2018 waren es bereits 292,4 Millionen Tonnen. Amerika hat sich zu einer Wegwerfgesellschaft entwickelt. Im Jahr 2022 war Amerika der zweitgrößte Pro-Kopf-Erzeuger von festen Siedlungsabfällen weltweit — überraschenderweise nach Dänemark, das oft als vorbildlicher Weltbürger genannt wird. Andere hoch entwickelte Länder produzieren deutlich weniger Abfall als die USA.
Ein Sonderfall ist die australische Stadt Adelaide, die vielleicht das effektivste Abfallprogramm der Welt hat. In einem kürzlich im Guardian erschienenen Artikel wird die Geschichte von Alice Clanachan erzählt, einer Frau, die den städtischen Plan „Reduce, Reuse, Recycle“ so konsequent umgesetzt hat, dass sie ihre Mülltonne 26 Monate lang nicht zur Abholung bereitstellen musste.
Hier in den USA, im Bundesstaat New Mexico, ist es der Stadt Santa Fe schon vor Jahren gelungen, Einwegplastiktüten zu verbieten. Die Einwohner haben verstanden, dass man nicht lange ein schönes Zuhause haben kann, ohne sich um die Umwelt zu kümmern.
Wenn der Einzelne die Vorstellung verabscheut, sein eigenes Zuhause zu verschmutzen, kann er auch die Verschmutzung des gesamten Planeten — unserer gemeinsamen Heimat — verabscheuen.
Vielleicht war das in Santa Fe leichter. Es ist eine kleine Stadt, die ihren eigenen Geist hat.
In Albuquerque könnte sich die amerikanische „Can Do“-Einstellung bald wieder durchsetzen. Bürgerstolz und Bürgerpflicht werden die Einwohner daran erinnern, dass das Verbot von Einwegtüten eine Sache ist, die sie hier und jetzt, auf lokaler Ebene, kontrollieren und tun können. Die Menschen haben genau das getan, bevor die Plastikplage begann. Und wir können uns sogar beim Einkaufen an die einfache Routine gewöhnen, unsere eigenen langlebigen und wieder verwendbaren Taschen mitzubringen. Dieser einfache Schritt könnte helfen, Plastikmüll zu reduzieren, einen saubereren Lebensstil zu fördern und alles Leben auf der Erde zu unterstützen.
Erika Schelby ist Autorin von „Looking for Humboldt and Searching for German Footprints in New Mexico and Beyond“ (Lava Gate Press, 2017) und „Liberating the Future from the Past? Die Vergangenheit von der Zukunft befreien?“ (Lava Gate Press, 2013), das für den Internationalen Essaypreis des Berliner Kulturmagazins Lettre International nominiert war. Schelby lebt in New Mexico.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien am 17. Januar 2023 unter dem Titel „Our planet versus plastic bags bei Nations of Change. Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.
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