Beim Öffnen des Firefox-Browsers ein Schock: Die Presseschau war am frühen 26. Februar 2020 mutmaßlich hereingefallen auf rechtslibertäre Trickser, die zu Scilogs und Eifrei, „eigentümlich frei“, lockten. Beim Start von Firefox präsentierte die Website drei Artikel „empfohlen von pocket“, Apps bei Google Play, normalerweise aus dem Mainstream von Der Spiegel, Neue Zürcher Zeitung, Die Welt und weiteren, doch manchmal auch von Wissenschaftsseiten, die mit populären Themen aufmachen. Diesmal war scheinbar Spektrum der Wissenschaft mit einem Corona-Artikel dabei. Aber es war ein anderes „Spektrum“, das von Scilog (1).
Täuschend echt der Website spektrum.de nachgemacht werden hier bei Scilogs alle möglichen Wissenschaftsblogs präsentiert: Vermutlich eine reine Marketingmasche des Spektrum-Verlages, der damit das Renommee seines Magazins werbewirtschaftlich noch weiter ausschlachten will: Durch gebündeltes Anzeigen-Marketing über alle diese Blogs. Dabei werden echte Wissenschaftsmeldungen zuweilen leider mit rechtslibertärer Propaganda gemischt, etwa knapp unter dem läppischen Corona-Text etwas zum Reißer-Thema „Glück“ und seinem angeblichen Zusammenhang mit Parteienpräferenz (3).
Vom harmlos scheinenden Locktext wird man nach drei Sätzen weitergeleitet zum rechtslibertären Magazin Eigentümlich frei mit der Eigenbezeichnung „Eifrei“, wo der läppische Artikel behauptet, am Glücklichsten seien Unionswähler, gefolgt von FDP, Grünen und SPD — abgeschlagen: Linke und AfD-Wähler (4).
Überhaupt strengt sich „Eifrei“ mächtig an, Rechts- und Links-Extremisten in einen Topf zu werfen, ganz nach der alten reaktionären Theorie vom „politischen Kreis“. Dabei drehen sie sich in einem Kreis mit den Neorassisten, Neuen Rechten und „hippen Reaktionäre“ der „Alt Light“, die wir als Trump-Internet-Sumpf der USA kennenlernen mussten: Es geht um die Online-Kulturkämpfe der Neoreaktionären und Think-tank-Mandarine des Neoliberalismus (5).
Psychopathische Herrenmenschen
Rechtslibertäre bewegen sich in einem politischen Raum zwischen schwarz, gelb und braun, wobei sie sich vom Braunton der Rechtsextremen — meist vergeblich — abzugrenzen suchen.
Abgeleugnet wird daher die Schnittmenge von Liberalismus und Faschismus: Gut, die einen sind für, die anderen gegen den starken Staat, aber beide treiben einen Kult um den „Sieger im Wettbewerb“, um Hierarchien, die angeblich auf Leistung beruhen, um Sozialdarwinismus, der die „Verlierer“ missachtet, weil sie angeblich zu schwach waren, sich durchzusetzen.
Natürlich nicht, weil die Sieger unfair spielten, gelogen, betrogen, gestohlen haben — oder schlicht geerbt, etwa das Eigentum, das ihre Vorfahren ergaunerten. Das rechtslibertäre Credo von Eifrei lautet:
„Eigentum — das ist der Schlüssel zur Freiheit. Um Eigentum und Freiheit dreht sich in eigentümlich frei vieles… Erst mit seinem Eigentum kann jeder tun und lassen, was er für richtig hält, ganz eigentümlich und freisinnig... Der Massenmensch dagegen ist eine Nummer, austauschbar und gewöhnlich. Er muss andere um Erlaubnis bitten. Und er wird dabei zwangsläufig feige und verlogen. Es gibt immer zwei Wege: Sozialismus oder Eigentum, Politik oder Freiheit“ (6).
Wer Eigentum besitzt, darf sich also für etwas ganz Besonderes halten, je reicher umso besser. Alle anderen sind Massenmenschen, austauschbar, gewöhnlich und „zwangsläufig feige und verlogen“. Das ist das Motto psychopathischer Herrenmenschen, reicher Egomanen, die ihre Untergebenen zu devotem Anbiedern zwingen, sie zum Dank dafür als feige und verlogen bezeichnen, andernfalls feuern — ganz in feudalistischer Tradition. Aus dem Knechten der anderen beziehen sie ihr aufgeblasenes Ego, das Leid der anderen ist ihre Freud.
Die Menschenwürde auch Besitzlosen zuzugestehen, liegt diesen Egomanen ebenso fern, wie ihnen der Neid auf Solidarität und Lebensfreude der Sozialisten nahe liegt — und sich in antikommunistischem Hass manifestiert. Steuern zahlen und der Sozialstaat sind ihnen folglich ein Gräuel, Familie und Tradition finden die reichen Erben gut. Die weit überwiegend männlichen Eifrei-Autoren schwenken ihr publizistisches Gemächte denn auch ungeniert unter anderem gegen soziale Menschenrechte, Sozialisten, Sozialdemokraten, Gewerkschaften sowie gegen Frauenemanzipation in Genderdiskursen.
„Eigentümlich frei“ ist ein seltsames Pressemedium. Der saloppe Reaktionär mit flotten Sprüchen aus der zynischen Mottenkiste. Die Macher dieses Mediums leben in einer Welt, die kein Hartz-IV-Elend kennt (7).
Der Sozialstaat ist für sie immer noch zu ausgebaut, sie wollen ihn reduzieren. Die Freiheit, die sie meinen, ist die Freiheit zur steuerfreien Ausbeutung, ihre Freiheit ist die eigentümliche Freiheit nur des Eigentümers …
„Besonderen Hass hegen die vermutlich von Multimillionären alimentierten Schreiberlinge der rechtspopulistischen Agitprop-Front gegen den Sozialstaat. Er sei die Wurzel allen Übels, er wuchert und tötet die Freiheit, die eigentümliche des Eigentümers versteht sich. Wer nix hat, soll sich nicht so haben und den Gürtel enger schnallen. Dann können die Steuern sinken und die Reichen jubeln — hurra! Aber leider neidet der Ausgeraubte dem Räuber dessen Beute, will gar etwas zurück“, schrieb Theodor Marloth am 18. Januar 2013 in JasminRevolution (8).
Eifrei: Zwischen Libertären, Neoliberalen und Reaktionären der AfD
Herausgeber und Chefredakteur von Eifrei ist André F. Lichtschlag, ein umtriebiger Publizist im Bereich der Konservativen, Neuen Rechten, Rechtslibertären bis hin zu Rechtsextremen wie in Junge Freiheit:
„Lichtschlag publizierte zahlreiche Gastbeiträge in folgenden überregionalen Zeitungen und Zeitschriften: Börse am Sonntag, Criticón, Die Welt, Die Weltwoche, Direkte Aktion, Der Einzige, Espero, Focus, Junge Freiheit...“ (9)
Unter den Autoren finden sich berühmte Publikations-Patriarchen wie Thilo Sarrazin, der Nestor des „Kopftuchmädchen“-Rassismus (10) und schillernde Querfront-Figuren — hier ist dieser antideutsche Kampfbegriff mal nicht diffamierend eingesetzt, sondern treffend — wie Jürgen Elsässer, der sich für Eifrei als „Linker“ beschreibt, was relativ zu deren anderen Gestalten auch stimmen könnte (11).
Verlinkt wird von Eifrei sogleich auf Elsässers Homepage woher sein Text stammen soll und wo Elsässer für seinen AfD-Kumpel Björn Höcke kämpft (12). Besser kann man die braun-gelb-schwarze Soße der rechtslibertären Debatten kaum repräsentieren. Scilogs versucht scheinbar mit Wissenschafts-Mimikry, gutgläubige Internet-Surfer in diesen Sumpf zu locken und war mit dem Corona-Artikel dabei erfolgreich. Der Pocket-Google-Artikeldienst korrigierte schnell seinen Irrtum und verlinkte auf einen echten Spektrum-Artikel zu Corona. Vermutlich war man dem Google-Lemminge-Prinzip eigener Webstatistiken aufgesessen.
„Liberalismus ist, wenn der Arme wie der Reiche die Freiheit hat, unter einer Brücke zu schlafen. Neoliberalismus ist, wenn die Brücke privatisiert wird und der Arme selbst dafür noch an den Reichen zahlen soll“, so Theodor Marloth ebenfalls am 18. Januar 2013 in JasminRevolution (13).
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://scilogs.spektrum.de/fischblog/was-tun-bei-einer-coronavirus-pandemie/
(2) https://www.spektrum.de/
(3) https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/weltanschauung-glueck-und-parteipraeferenz/
(4) https://ef-magazin.de/2015/06/12/7004-eigenverantwortung-schwierig-aber-notwendig
(5) https://www.rubikon.news/artikel/die-digitale-gegenrevolution
(6) https://ef-magazin.de/webwarum-ef/
(7) https://jasminrevolution.wordpress.com/2013/02/03/gera-hartz-iv-statistik-gefalscht/
(8) https://jasminrevolution.wordpress.com/2013/02/18/agitprop-neoliberal-wer-ist-eigentumlich-frei/
(9) https://eifrei.de/andre-lichtschlag/
10) https://ef-magazin.de/2016/02/27/8481-fakt-ist-gute-und-schlechte-zuwanderung
(11) https://ef-magazin.de/2009/09/25/1505-piraten--bereit-zum-entern-stimmt-fuer-die-piratenpartei-solange-es-sie-noch-gibt
(12) https://juergenelsaesser.wordpress.com/
(13) https://jasminrevolution.wordpress.com/2013/02/18/agitprop-neoliberal-wer-ist-eigentumlich-frei/
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