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Die nächste Kriegswelle

Die nächste Kriegswelle

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Ukraine gehen unvermindert weiter.

Liebe Friedensfreunde,

wir stehen hier, weil der Frieden bedroht ist.

Nicht in kleinen Stücken, daran haben wir uns ja schon gewöhnt in den letzten Jahren, dass die Welt in einen Flickenteppich aus Kriegszonen und Friedenszonen geteilt wird — nein, es geht um keinen kleinen Krieg, es geht um einen großen. Den großen, der so nah ist wie seit der Kubakrise in den Sechzigern und dem Able-Archer-Manöver der NATO in den Achtzigern nicht mehr. Das Land, in dem dieser Krieg seinen Anfang nehmen könnte, ist die Ukraine.

Genau genommen, die Frontlinie des Bürgerkriegs, der dort seit inzwischen sieben Jahren brodelt. Die Berichterstattung über diesen Krieg steigt und fällt wie der Wasserpegel eines Flusses; zurzeit herrscht gerade Hochwasser.

Die Nachrichten sind voll mit Meldungen über „russische Aggression“, mit Aufforderungen deutscher Politiker, Russland möge seine Truppen von seiner Grenze zurückziehen; selbst der Tod zweier ukrainischer Soldaten fand den Weg in die deutsche Nachrichtenlandschaft.

Als wäre seit den letzten großen Gefechten im Frühjahr 2015 um Debalzewo in all den Jahren niemand in diesem Krieg ums Leben gekommen.

Nicht geredet wird darüber, was da in der Ukraine an die Macht gekommen ist.

Während wir hier stehen, findet in Kiew ein Marsch zu Ehren der Waffen SS-Division Galizien statt, gefördert vom Medienliebling Klitschko, ehemals Boxer und Werbestar, seit 2014 Bürgermeister von Kiew.

Nein, es gibt keine Nazis in der Ukraine…

Ja, es wird sogar debattiert, der Ukraine Waffen zu verkaufen.

Die Bundesrepublik verkauft bekanntlich gern Waffen und ist auch nicht allzu wählerisch, was die Kundschaft angeht.

Die Schiffe, die an Saudi-Arabien geliefert wurden, helfen schließlich auch mit, die Bevölkerung des Jemen auszuhungern. Geht ja nur um defensive Waffen, wird da in Berlin gemurmelt, Flugabwehrraketen zum Beispiel.

Die Donbass-Milizen haben aber keine Luftwaffe, und mit der russischen Luftwaffe bekäme es die Ukraine nur zu tun, wenn sie es selbst provoziert. Durch einen Angriff auf die Krim zum Beispiel. Den der ukrainische Präsident, der frühere Komediant Selensky, schon per Erlass zum Staatsziel erklärt hat.

Die deutschen Medien und selbst die deutsche Politik — die es besser wissen muss — behaupten, der Donbass sei von Russland besetzt. Nun, wir leisten seit sieben Jahren dort humanitäre Hilfe, ich habe mit eigenen Augen gesehen, was dort geschieht. Und das ist eine andere Geschichte, als sie in Deutschland erzählt wird.

Wir haben dort keine russischen Truppen gesehen.

Aber wir haben zerschossene Schulen und Kindergärten gesehen.

Die ausgebrannten Hausruinen in den Orten entlang der Frontlinie; die Menschen, die neben diesen Ruinen leben und ihre Nächte inzwischen wieder im Keller verbringen; die Dächer über ihren Köpfen, oft löchrig und notdürftig geflickt, und die Mauern unter diesen Dächern, die oft nur noch der gute Wille aufrecht hält, weil jahrelanger Beschuss, ständige Erschütterungen sie mürbe gemacht hat.

Die Menschen dort nehmen den Geschützdonner hin wie unsereins ein Sommergewitter; sie harren aus, weil das ihr Haus ist, ihr Heim, ihre Heimat.

Sie pflanzen Gemüse in den Gärten und hoffen, dass keine Granate ins Beet fällt. Jüngst hatte ich ein Bild in der Hand, das auf einer unserer Fahrten in Saizewo gemacht wurde; ich neben einer Großmutter.

Es wird kein weiteres Bild mit ihr geben — das Enkelkind an der Hand, auf dem Weg zu ihrem Gemüsegarten, trat sie auf eine Mine. Das Kind hat überlebt.

Überhaupt, die Kinder...

Von Anfang an veranstalteten wir Malwettbewerbe für Kinder im Donbass; zum einen, weil das ein Anlass ist, ihnen nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Malmaterial zu geben, ohne dass sie sich als Almosenempfänger fühlen müssen, zum anderen aber auch, weil wir diese Bilder hier zeigen wollen.

Denn sie machen diesen Krieg sichtbar.

Und die Bilder haben sich verändert. Am Anfang war es der Wunsch nach Frieden, der in diesen Bildern zum Ausdruck kam; die Sehnsucht nach unbeschwertem Spiel; Frieden, der sich in fröhlichen, feiernden Menschen zeigt. Inzwischen sind die Bilder stumm, Stillleben oder Landschaften, und wenn eine Fantasie vom Frieden in diesen Bildern auftaucht, dann fehlt das Überströmende, die Farben, das Glück.

Das ist kein Wunder; die Kinder, die im letzten Herbst die Schule begonnen haben, sind bereits im Krieg geboren, und jene, die im Sommer von den Schulen abgehen, dürften bald die letzten sein, die sich noch wirklich an Frieden erinnern.

Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, was ein solcher Krieg bedeutet.

Weil inzwischen hier bei uns mit völliger Sorglosigkeit die kriegerischste Rhetorik gebraucht wird: Man müsse „Russland aus einer Position der Stärke begegnen“, beispielsweise, oder man müsse „den Druck auf Russland erhöhen“.

Pünktlich mit dem Amtsantritt des US-Präsidenten Biden hat der ukrainische Beschuss erneut deutlich zugenommen. Inzwischen werden wieder Raketenwerfer auf Siedlungen gerichtet, und es sollen sogar Totschka-U-Raketen auf ukrainischer Seite bereitstehen; das sind Raketen, deren Sprengkopf eine halbe Tonne wiegt und deren Splitter eine Fläche von zwanzig Fußballfeldern durchpflügen. 2014 wurden schon solche Raketen abgeschossen, auf Chemiewerke und auf Städte im Donbass; eine der vielen Tatsachen, die einem hier nie zu Ohren kamen.

Nach Jahren voller Grabenkämpfe und wackliger Waffenruhen bereitet sich Kiew jetzt auf einen neuen Angriff vor und bringt Europa, ja, die Welt an den Rand eines großen Krieges. Und nicht nur Washington, auch Berlin versichert seine Unterstützung.

Aber die Bundesregierung hat doch damals, 2015, mit dafür gesorgt, dass es die Minsker Vereinbarungen gibt, mögen manche einwenden.

Das hat sie; aber mit welchen Hintergedanken? Damals hatte die Kiewer Armee gerade eine große Niederlage erlitten und brauchte dringend eine Waffenruhe. Man musste also nicht allzu viel Druck ausüben, um diese Vereinbarungen zu erlangen. Allerdings wurden sie nie umgesetzt. Ja, das weiß man auch noch, wenn man deutsche Zeitungen liest; schon mehrfach wurden Sanktionen gegen Russland verhängt, „weil es die Minsker Vereinbarungen nicht umsetzt“. Niemand kann begründen, wie und warum, und das wird auch niemand können, weil Russland gar nicht Unterzeichner dieses Abkommens ist, sondern nur Garantiemacht, wie Deutschland.

Nur was uns über dieses Abkommen erzählt wird, ist seltsam.

Jahrelang wurde behauptet, die „prorussische Rebellen“ genannten Donbass-Republiken müssten als nächsten Schritt nach der Waffenruhe die Kontrolle über die Grenze zu Russland an Kiew übergeben, was blank gelogen war. Inzwischen erklärt unsere Kampfpresse, die Ukraine könne russischen Forderungen nach einem Sonderstatus für Donezk und Lugansk nicht nachkommen, weil das ja eine Aufgabe der Souveränität wäre.

Dabei ist das der erste politische Schritt hin zu einem Frieden, den die Minsker Vereinbarungen vorsehen.

Und es ist auch logisch. Wenn man einen Bürgerkrieg wirklich beenden will, dann gibt es einige Dinge, um die man nicht herumkommt.

Die Bewohner und auch die Kämpfer der gegnerischen Seite müssen sich sicher fühlen können, dem muss politisch Rechnung getragen werden. Die Mittel dazu heißen Autonomie und Amnestie. Wie sollte man jemanden motivieren, die Waffen niederzulegen, wenn das unmittelbar ins Gefängnis führt — oder Schlimmeres. Wurden die IRA-Kämpfer in Nordirland eingesperrt nach den Friedensverhandlungen? Nein, sie saßen im nordirischen Parlament.

Wie geht Assad in Syrien mit jenen um, die die Waffen niederlegen?

Sie dürfen in ihr friedliches Leben zurückkehren. So und nicht anders kann man ein zerrissenes Land heilen.

Seit sechs Jahren ist klar, wer die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen verhindert, es war und ist die Regierung in Kiew.

Seit sechs Jahren reden deutsche Politiker, deutsche Außenminister nur von der Verantwortung Russlands. Sollen wir wirklich glauben, hinter verschlossenen Türen würden sie Druck auf Kiew ausüben, wenn sie öffentlich noch jeden Kiewer Verstoß decken? Wenn sie die Wirklichkeit im Donbass verleugnen, so wie sie das Massaker in Odessa verleugnet haben?

Die humanitäre Lage im Donbass wurde und wird ignoriert.

So, wie sie auch in Syrien ignoriert wird, im Jemen, in all den Ländern, denen man ein gehorsameres Regime an den Hals wünscht.

Und nicht nur das — wir von der Friedensbrücke erleben immer wieder, dass unsere Hilfe gezielt erschwert wird. Da werden Überweisungen blockiert und Konten gekündigt. Da gibt es alltägliche kleine Schikanen.

Dass ich Bilder aus einem Malwettbewerb für Kinder, die in einem Paket via Russland geschickt werden, persönlich beim Zoll abholen muss, vorzeigen muss, wieder und wieder.

Die Bundesregierung, dieser arrogante Haufen, der ständig das Wort „Werte“ im Mund führt, trägt ein gerüttelt Maß an Schuld daran, dass es diesen ukrainischen Bürgerkrieg überhaupt gibt.

Das fängt an mit den Scheinverhandlungen, die der damaligen Außenminister Steinmeier im Februar 2014, unmittelbar vor dem Putsch, geführt hat.

Wäre es ihm wirklich um den verabredeten friedlichen Übergang durch Neuwahlen gegangen, wäre ihm eine friedliche Zukunft der Ukraine wichtig gewesen, er hätte die Putschregierung nicht anerkannt und darauf bestanden, dass die Vereinbarung eingehalten wird.

Dann wäre es weder zum Referendum auf der Krim noch zum Aufstand im Donbass gekommen.

Das war der erste deutsche Wortbruch, aber nicht der letzte.

Damals, und dass ist auf's Äußerste beschämend und nicht hinnehmbar, verhandelte der deutsche Bundespräsident Steinmeier in der deutschen Botschaft auch mit dem Führer der ultrarechten Svoboda-Partei, dem Faschisten, Oleg Tjagnibok, und posierte nach den Verhandlungen demonstrativ neben diesem.

Später gab es Händeschütteln mit dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko, der sich tausendfacher Morde schuldig gemacht hat.

Diese und noch mehr aufschlussreiche Fotos kann man im Internet einsehen.

Wie viel ist sie denn wert, die deutsche Garantie für die Minsker Vereinbarungen? Nicht das Papier, auf dem sie steht.

Aber im Verbrennen der Brücken ist dieses Deutschland ganz groß.

Die EU verhängt immer neue Sanktionen gegen Russland; Russland wurde aus den G8 geworfen, aus den olympischen Spielen; der NATO-Russland-Rat ist stillgelegt, Städtepartnerschaften ebenso. Es gibt nur einen Schritt, den die BRD bisher nicht mitträgt; an North Stream 2 wird festgehalten.

Kein Wunder; ihr Gas können die Russen auch nach China verkaufen, aber die Stromversorgung hier ist in ernster Gefahr.

Da mag die grüne Koboldfrau noch so jubeln — sollte sie an die Regierung kommen und uns das russische Gas abdrehen, dann werden wir, sofern wir dann noch im Frieden leben, die Winter dunkel und kalt genießen dürfen.

Seit 2014 werden Schritt für Schritt all die kleinen Fäden gekappt, die unsere Länder verbinden, Deutschland und Russland, und Berlin ist immer munter mit dabei, wenn es darum geht, noch einen Zahn zuzulegen.

Wem das nicht gefällt, der ist ohnehin ein Putinversteher, ein Russentroll oder sonst eine Art von Vaterlandsverräter.

Inzwischen sind die jeweiligen Botschafter Russlands und der USA heimgerufen; das war nicht einmal während der Kubakrise der Fall; und mit dünnsten Begründungen werden die russischen Vertretungen quer durch Europa reduziert. Die NATO robbt sich schrittweise an den Abbruch der diplomatischen Beziehungen heran, und es wird berichtet, als sei das eine Nichtigkeit oder irgendeine Art von Erziehungsmaßnahme und nicht das klassische Vorspiel zu einem Krieg.

Vor sieben Jahren, als mit dem Putsch in Kiew diese Gefahr das erste Mal sichtbar wurde, waren wir noch mehr. Inzwischen wurde nicht nur der Keil des „Querfront“-Vorwurfs in die Reste einer einstmals starken Friedensbewegung getrieben; seit damals wird fast jedes politische Thema genutzt, um die Menschen aufeinander zu hetzen.

Das kann man nicht anders sagen, denn normales Regierungshandeln bestünde darin, für friedliche Debatten zu sorgen, und nicht, jede Form von Abweichung zu denunzieren. Also bezogen auf den Donbass, auch die Seite der Menschen dort zu Wort kommen zu lassen; oder, bezogen auf das jüngste „Highlight“, das Leid, das die Corona-Maßnahmen erzeugen, wahrzunehmen und aussprechen zu lassen, statt sofort jeden zum Feind zu erklären. Eine normale Regierung, auch in einer bürgerlichen Demokratie, auch im Kapitalismus, erkennt an, dass es Widersprüche gibt, würde versuchen, die Gefährdeten zu schützen, aber den Kindern nicht ihr Recht auf Lebensfreude absprechen oder gar verbieten, darüber zu sprechen, wie sie unter ihrem Verlust leiden.

Noch viel weniger würde sie eine Spaltung der Gesellschaft in „Coronaleugner“ und „Covidioten“ geradezu vorantreiben; sie würde die ihr zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um die Lage zu entschärfen, beispielsweise, indem durch die Einführung einer Schwelle beim Ct-Wert die Inzidenzzahlen zuverlässiger werden.

Aber was beabsichtigt eine Regierung, die das Gegenteil tut (und noch dazu mit Menschen, die vereinzelt in ihre Wohnungen verbannt und der Lebensfreude beraubt werden)? Sie versucht, eine Situation zu schaffen, in der es keinen Widerstand mehr gibt, gleich, was sie beschließt und tut.

Sie tut dies vorerst nicht mit physischem Terror, sondern durch Spaltung und Zermürbung, aber sie tut es.

Wenn gleichzeitig die NATO massive Manöver an Russlands Grenzen durchführt und die ukrainische Armee Menschen und Material zur Front karrt, wenn die schwächelnde Vormacht USA zu immer hysterischeren Tönen greift und jede Regel des Völkerrechts ins Klo kippt und unserem Außenministerdarsteller dazu nur einfällt, weiter gegen Russland zu pöbeln, und die Kriegsministerin sich freut, dass deutsche Truppen ganz vorn mit dabei sind, dann riecht es schon nach Krieg.

Nicht nur, weil die NATO die davor üblichen Probeläufe, Simulationen und Planspiele schon absolviert hat. Auch, weil der einzige Grund, die Menschen hier derart zu unterwerfen, darin besteht, etwas durchzusetzen, was die Bevölkerung auf keinen Fall will.

Wogegen sie sich zur Wehr setzen würde. Und auf der Liste der Dinge, die vernünftige Menschen ganz sicher nicht wollen, steht er ganz oben:

Der Krieg.

Im Donbass kann man ihn sehen. Die jungen Männer, die fürs Leben gezeichnet sind, weil ihnen Arme oder Beine abgerissen wurden.

Kinder, die zusehen mussten, wie ihre Eltern oder Großeltern von Schrapnellen zerfetzt wurden.

Eltern, die um ihre Kinder trauern, die beim Spielen einen Blindgänger fanden, oder, schlimmer noch, durch Granaten und Luftminen ermordet wurden.

Männer, die ihre Frauen beweinen, die ins Visier von Scharfschützen gerieten. Man muss nicht viel Zeit dort verbringen, um die Freude am Knallen von Feuerwerk zu verlieren, sondern stattdessen Deckung zu suchen.

Man behält lang den muffigen Geruch der Keller in der Nase, die den einzigen Schutz bieten.

Im letzten Jahrhundert haben sich die Deutschen zweimal in einen Krieg treiben lassen, um den Wohlstand der Krupp und Thyssen zu retten.

Ein weiteres Mal sollten wir uns nicht für die Konten der Milliardäre zur Schlachtbank führen lassen.

Das zu verhindern, ist jeden Einsatz wert.


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