Von Katrin Nagel
„Du veränderst Dinge nicht, indem Du die bestehende Realität bekämpfst. Um etwas zu verändern, musst Du ein neues Modell erschaffen, welches das bestehende Modell überflüssig macht“, so der amerikanische Architekt und Visionär R. Buckminster Fuller (1895 bis 1983).
Die Momo Bewegung ist die Verbindung von Menschen, die sich mit Momo und den damit verbundenen menschlichen Grundwerten identifizieren und an einer neuen Welt mitbauen möchten.
Wer ist Momo? Zuhören für den Frieden
Momo ist die Hauptperson in Michael Endes gleichnamiger Geschichte. Der Roman erschien 1973 mit dem Untertitel „Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte“.
Das kleine Waisenkind Momo hat eine besondere Gabe, sie kann zuhören. Eines Tages tauchen die grauen Herren auf, die glatzköpfigen Agenten der Zeitsparkasse (Banken). Sie bieten den Menschen einen Tausch an: Karriere gegen Lebenszeit. Mit den Worten „Zeit ist Geld“ bringen sie die Menschen dazu, die eigene Zeit zu sparen, um sie für später sicher und verzinst aufzubewahren. In Wahrheit werden die Menschen um ihre Zeit betrogen, denn während sie versuchen, Zeit zu sparen, vergessen sie, im Hier und Jetzt zu leben. Sie geraten in ein Hamsterrad aus Stress und Hektik, sind gereizt und haben keine Zeit mehr für ihre Mitmenschen und das Schöne im Leben. Die Kinder spüren diese Auswirkungen und organisieren eine Demonstration, doch die Erwachsenen haben keine Zeit hinzugehen. Sie sind in ihrem beruflichen Alltag gefangen.
Die Geschichte weist auf die falschen Strukturen der Geldordnung hin, in der eine Klasse von Ausbeutern, die sogenannten „Grauen Herren“ (die Besitzenden), der Menschheit die Lebenszeit aussaugt. Beherrscht wird dieses System von anonymen Befehlshabern, im Volksmund „Die Hochfinanz“ beziehungsweise „Das Kapital“. Weiter heißt es, eine theoretische Aufklärung sei nicht ausreichend, es muss eine geistig-seelische Umorientierung stattfinden. Momo stellt einem Grauen Herrn die entscheidende Frage: „Hat dich denn keiner lieb?“
Finanzkritik: Neues Geld, neue Welt
Die Geschichte spricht unser Geldsystem, den Finanzkapitalismus, als gesellschaftliches Grundproblem an. In einem Brief schreibt Michael Ende: „Gerade mit den Gedanken Steiners und Gesells habe ich mich in den letzten Jahren intensiver beschäftigt, da ich zu der Ansicht gelangt bin, dass unsere Kulturfrage nicht gelöst werden kann, ohne dass zugleich, oder sogar vorher, die Geldfrage gelöst wird.“ Überdenken wir unser Geldsystem, könnten wir das Konsumverhalten, die daraus resultierende Umweltverschmutzung und Kriege eindämmen.
Eine demokratische Geldreform könnte den ständigen Klassenkampf zwischen den Besitzenden und Besitzlosen sanft beenden und die soziale Schere wieder schließen. Andere Bereiche wie zum Beispiel das Bildungs-, Gesundheits- und Mediensystem würden sich mit den neuen gerechten Machtverhältnissen automatisch neu organisieren und verbessern.
Die Geldkritiker von heute sind die Retter von morgen. Geld an sich ist nichts Schlechtes, es dient uns als Tauschmittel. Geld ist eine Form der Energie, wohin wir investieren, dahin fließt die Energie. Wird in Bildung investiert, können mehr Menschen sich diesem Bereich beruflich widmen und er gewinnt gesamtgesellschaftlich an Bedeutung. Investieren wir in die Rüstungsindustrie, arbeiten Menschen für den Krieg und bauen diesen Bereich weiter aus.
„Geld an sich ist wertlos, es ist bedrucktes Papier, erst der Glaube daran schafft seinen Wert“, heißt es im Spielfilm „Das Wunder von Wörgl“ (2018). Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit um das Jahr 1932. Das österreichische Dorf hat „Rohstoffe, Maschinen und Arbeitskräfte, was fehlt ist ein lächerliches Tauschmittel“, so der damalige Bürgermeister. Um den finanziellen Bankrott abzuwenden und der wirtschaftlichen Notlage Herr zu werden, beschließt der Gemeinderat, eine eigene Währung zu drucken: bedruckte Scheine mit einer Umlaufsicherungsgebühr. Dieses Konzept findet sich auch bei Rudolf Steiner unter dem Begriff „alterndes Geld“. Er sagte, dass wir erleben müssen, wie Geld altert – ähnlich zu Kartoffeln. Es ist ein Tauschmittel für Waren und nichts anderes –, deren Wesen darin besteht, hervorgebracht und über kurz oder lang konsumiert zu werden. Die Geldscheine werden daher mit einem Ablaufdatum versehen. Nach Ablauf dieser Frist wird eine Anti-Hortungsgebühr fällig. Wenn Geld im Umlauf ist, erhöht es die Kaufkraft, den Energiefluss und Wohlstand. Es kann – wie in Wörgl – zum Wirtschaftswunder führen, ohne jemandem etwas wegzunehmen.
Der Film lehnt sich an die Idee von Silvio Gesell an, indem von „rostenden Banknoten“ die Rede ist. Die Wurzel allen Übels war für den Sozialreformer die Hortbarkeit von Geld und die Möglichkeit, es durch Zins und Zinseszins zu vermehren. Durch die Verzinsung wird ständig neues Geld geschaffen. Wachstumszwang kommt aus dem Zinswesen, da immer mehr geschaffen/gearbeitet werden muss, um die Zinsschuld zu tilgen. Dadurch werden die Banken/Aktionäre reicher und der Lohnarbeiter bleibt abhängig und arm (Lohnsklave). Die Wertschöpfung, das neu geschaffene Geld, kommt nur den Geldgebern, den Banken oder Aktionären zugute. Dieses neue Geld bleibt solange im Finanzmarkt versteckt, bis das Betrugssystem durch Inflation sichtbar wird. Um die akute Bedrohung durch steigende Preise anzugehen, stellen „Momos“ die zugrunde liegende Frage der Geldschöpfung: Was ist und wodurch entsteht Geldschöpfung? Wer bekommt den Profit der Geldschöpfung? Ein konkreter Vorschlag wäre, dieses Geld in die Hand des Volkes/ der Gemeinschaft zu legen. Das Finanzsystem soll für jedermann verständlich sein.
Michael Ende (1929 bis 1995), der als Leitfigur der Bewegung dient, machte zeitlebens darauf aufmerksam, ein nicht-kapitalistisches System auszuprobieren. Damit schließt er auch den Marxismus aus, da dieser aus seiner Sicht „keinen echten Anti-Kapitalismus“ darstellt, sondern eine Form des Staats-Kapitalismus. Beide Kapitalismen geben uns nur die Wahl zwischen einer ökologischen oder einer ökonomischen Katastrophe. Er war der Meinung, der dritte Weltkrieg hätte schon seit dem Beginn der 80er Jahre begonnen. Nur wird dieser nicht territorial ausgefochten, sondern es handelt sich um einen langwierigen Krieg gegen die Zukunft unserer Kinder.
Die Momo Vision
Die „Momos“ stellen fundamentale menschliche Werte in den Mittelpunkt der Bewegung. „Mensch sein, heißt, offline sein. Es heißt, ich sehe dich, ich höre dir zu, ich nehme mir Zeit für dich“ (ein Momo Gedanke).
Zuhören meint im weiteren Sinne, sich verbinden und vernetzen, miteinander in den Austausch treten. In kreativen Kunst- Musik- und Theater-Projekten wie beispielsweise einem unsichtbaren Theater oder Street Art werden konstruktive Lösungsvorschläge eingebaut, um die Aufmerksamkeit auf das humanistische Weltbild zu lenken und den Glauben an das Happy End – das Morgenland – zu stärken. Ziel ist es, Rückhalt in der Bevölkerung zu gewinnen. Die Menschen sollen sich an ihre eigene Schöpferkraft erinnern und wieder zum Träumen angeregt werden, vom Traum einer friedlichen Zukunft. Zusätzlich soll die Momo-Bewegung den mutigen Ökonomen einen gesellschaftlichen Rückhalt bieten, damit die demokratische Debatte endlich losgetreten werden kann.
Das Momo-Manifest
Wir Momos erkennen an…
- … dass niemand in Erfahrung bringen kann, wer über Frieden oder Krieg entscheidet, weil „die anonymen Befehlshaber“ es nicht zulassen.
- … dass das Finanzsystem ein Betrugssystem ist. Das Zinswesen beutet die arbeitende Bevölkerung seit Jahrzehnten durch versteckte Kosten aus (Zinslast), erzwingt zusätzlich einen krankhaften Wachstumszwang und ist die Grundursache für die unaufhaltsame Inflation (stille Enteignung).
- … dass die reichsten Menschen ihr gutes Ansehen in der Gesellschaft nicht durch gute Taten erlangt haben, sondern durch Ausbeutung, Betrug und Marketing. Gleiches gilt für ihre Großkonzerne.
- … dass mit dem jetzigen Geld – zum Beispiel der Euro – kein Frieden mehr möglich ist, weil die Skrupellosesten das meiste davon besitzen und dadurch Wissenschaftler, Journalisten, Politiker und Richter jederzeit belohnen oder bestrafen können.
- … dass man ihre Macht nur brechen kann, wenn alle Individuen – zum Beispiel Soldaten & Mainstream-Journalisten – befreit werden, indem sie es sich finanziell leisten können, einen unethischen Auftrag spontan zu verweigern.
- … dass die Nicht-Superreichen ihr eigenes Geld schaffen müssen, um den Frieden auf Erden wieder herzustellen.
- … dass, wenn dieses Geld eine Umlaufsicherungsgebühr bekommt, der Reichtum und die Macht sich ganz natürlich dezentralisieren werden, die Wirtschaft wieder aufblühen wird und wir Menschen unserer Berufung wieder nachgehen können, wodurch das Konsumverhalten wieder heilt („Das fließende Geld“). Dies ist der Traum von vielen Geldkritikern, unter anderem auch von Michael Ende. Seinen Traum wollen wir 50 Jahre später endlich verwirklichen!
In seinem Buch „Momo“ nannte er es: Das Morgen-Land.
Ein Momo werden
So wie man alle Menschen, die sich für eine friedliche Konfliktlösung einsetzen, als eine Friedensbewegung sehen kann, so kann man auch die Momo-Bewegung verstehen.
Wer die Zukunftsängste verjagt und Humor verbreitet, ist ein „Momo". Wer die „Rumpelstilzchen“ entlarvt, ist ein Momo. Wer gut zuhören kann, ist ein Momo. Wer die Geldkritik unterrichtet beziehungsweise die Geschichte Momo und ihre ökonomischen Hintergründe erklärt, ist ein Momo. Wer sich für ein humanes System engagiert, ist ein Momo.
Im Telegram-Kanal „Die Momo-Bewegung“ sind aktuell etwa 2.400 Mitglieder. Es finden regelmäßig Livecalls – derzeit Sonntag abends 20:30 Uhr – zum Kennenlernen und Austauschen statt. In der Untergruppe „Momo-Gespräche" gibt es aktive Chatgruppen geordnet nach Bundesländern, Fragen und Vorschläge, Momo-Links und Einladung zu Momo-Events. Bei geselligen Abenden können sich Projektgemeinschaften bilden, es soll Spaß machen und gemütlich sein.
Die Momo-Bewegung hat keinen Anführer. Bei den „Momos“ wirkt lediglich Michael Ende (verstorben am 28. August 1995) als intelligenter Prophet und Vordenker, seine fiktive Figur Momo als Vorbild. Er schrieb für das Kind im Menschen, das Kind, das gerne spielt, das staunt und die Welt verstehen will. Das Kind in jedem von uns. Momo ist der Appell an das Kind in uns. „Momo sein“ ist eine Lebenseinstellung. Dieses Jahr feiert die Geschichte sein 50-jähriges Bestehen, ein Märchen wird erwachsen. Kritische Ökonomen und nun erwachsene Kinder aus jeder Bildungs- und Gesellschaftsschicht setzen sich zusammen und diskutieren Lösungsansätze für eine humane Gesellschaftsordnung. Ein bereits viel diskutierte Idee ist die humane Marktwirtschaft. Sie hat zum Ziel, dass es allen Menschen so gut wie möglich geht.
Die humane Marktwirtschaft soll den Menschen dienen, nicht dem Kapital. Im jetzigen System arbeiten alle dafür, dass wenige immer reicher werden. „Es wird funktionieren, aber die werden es nie zulassen“, so Peter Haisenko im Interview der Dokumentation "Plan B“. Geld ist nur dann etwas wert, wenn jemand bereit ist, dafür zu arbeiten. Haisenko stellt ein System dar, das dauerhaft stabil sein soll, das das Vertrauen in die Gesellschaft repariert und gleichzeitig die Herrschaftsmacht reduziert. Für diesen grundlegenden Wandel ist eine breite Unterstützung aus der Bevölkerung notwendig.
Man hat nur eine Stunde Zeit, um die Welt zu retten, so heißt es in der Geschichte. Diese Stunde hat in unserer Realität bereits mit der spürbaren Inflation und dem Great Reset begonnen. Die Politiker dienen den Reichen und die Reichen kontrollieren die Medien. Im Rahmen der Globalisierung und Digitalisierung werden Überwachungssysteme auf der ganzen Welt etabliert und das Bargeld zunehmend reduziert. Eine Geldreform ist für „Momos" die wichtigste Maßnahme, dieser Gefährdung entgegenzusteuern. Hamburger „Momos" haben bereits damit angefangen, die Geldscheine der alten Geldordnung mit einem Momo-Stempel zu verzieren. Der Stempel zeigt das Herz-Symbol mit einer „MOMO“-Inschrift.
Ein gemeinsames Zukunftsbild
Zahlreiche Ökonomen und kritische Geister teilen in Alternativmedien ihre Vorstellungen und Ideen für eine bessere Gesellschaftsordnung. Nicht selten fehlt die Vernetzung und Unterstützung dieser Wissensträger untereinander. Der Traum von einer besseren Welt sollte alle einen, doch die herrschende Macht ist stets bemüht, diese Vernetzung zu unterbinden. „Divide et impera“ („Teile und herrsche“) war schon im Römischen Reich die Maxime zur Machterhaltung.
Was fehlt, ist die gemeinsame Vision, ein Bild der Zukunft. Kreativität ist mächtig. Das Bild von Momo kann hier Sinn stiftend und verbindend wirken. Die Idee verkörpern, gemeinsam an einer neuen Friedensordnung mitzuwirken.
Nicht zu resignieren oder in Parallelgesellschaften zu flüchten, sondern seine Mitmenschen auf den Momo Gedanken aufmerksam machen, sie aufzuklären und an ihre Rechte zu erinnern, sie zu animieren, sich zu informieren. Sich eine eigene Meinung zu bilden, mit- und weiterzudenken. Sich gegenseitig zu unterstützen. „Momos“ wollen ein Gefühl der Fülle erreichen über ein fließendes Geldsystem. Die Geldreform ist das gemeinsame Ziel.
Quellen und Anmerkungen:
Filme:
- Die Momo-Bewegung (2023) Einladungsfilm auf Odyssee (49min)/ Eröffnungsvideo der Momo-Bewegung auf zivilcourage.tv von Lui Koray
- Die Momo-Lösung auf zivilcourage.tv von Lui Koray
- Momo Film (1986)
- Das Wunder von Wörgl (2018)
- Die Deutschen und ihr Geldsystem (2022)
Weiterführende Konzepte/Ideen:
- Peter Haisenko: Plan B - Die Humane Marktwirtschaft
- Silvio Gesell: Rostende Banknoten
- Rudolf Steiner: Alterndes Geld, Soziale Dreigliederung
- Briefkorrespondenz 1986, Werner Onken Herausgeber der „Zeitschrift für Sozialökonomie“
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