Anfang November gab Glenn Greenwald sein Ausscheiden aus The Intercept bekannt. Der Anlass: Die Redakteure der Online-Zeitung, die Greenwald mitgegründet hat, versuchten einen kürzlich von ihm geschriebenen Artikel zu zensieren, der von der Korruption Joe Bidens handelt und von der gemeinsamen Anstrengung der Medien, diese Geschichte zu unterdrücken. Greenwalds Vertrag mit The Intercept garantierte ihm redaktionelle Unabhängigkeit. Mit dem Zensurversuch verletzte The Intercept diesen Vertrag.
Greenwald begründet seine Entscheidung hier.
Er erklärte seine Gründe auch in der Fernsehshow Tucker Carlson Tonight.
Seine Korrespondenz mit der Intercept-Redaktion ist hier.
Sein abgelehnter Artikel „Der wahre Skandal: Die US-Medien benutzen Lügen, um Joe Biden vor Hunters E-Mails zu schützen“ ist hier.
Die Intercept-Redakteure reagierten auf seinen Rücktritt mit einer scheinheiligen Stellungnahme, die keine seiner Behauptungen entkräftet. Darin heißt es:
„Wir haben die größte Hochachtung für den Journalisten, der Glenn Greenwald einmal war, und schauen mit Stolz zurück auf die Arbeit, die wir in den letzten 6 Jahren zusammen mit ihm gemacht haben. Es ist Glenn, der sich von seinen ursprünglichen journalistischen Wurzeln entfernt hat, nicht The Intercept.“
Hmmm. Nein. Ich lese Glenn Greenwald, seitdem er vor fünfzehn Jahren zum ersten Mal in seinem damaligen Blog „Unclaimed Territory“ publizierte. Später schrieb er für Salon und The Guardian. Jeder Greenwald-Artikel, den ich gelesen habe, war die investierte Zeit wert. An seiner Art zu schreiben hat sich nichts geändert. Es war The Intercept, das sich schon kurze Zeit nach seinem Start von dem entfernte, was es versprochen hatte zu sein, und das in der liberalen Medienlandschaft etwa so nutzlos wurde wie die #MeToo-Kampagne.
Auch andere haben zu dem Rücktritt Stellung bezogen:
- Matt Tabibi hat in seinem Substack-Blog über Greenwalds Entscheidung geschrieben.
- Yves Smith hat in Naked Capitalism eine nachdenkliche Stellungnahme verfasst.
- Michael Tracey steuert seine Gedanken in diesem Video bei.
Meine erste Reaktion auf Greenwalds Rücktritt war die Frage: Warum erst jetzt?
Die Antwort ist, wie Greenwald selbst erwähnt, die finanzielle Sicherheit, die der Vertrag mit The Intercept Glenn und seiner Familie gegeben hat. Aber diese ging einher mit einem schwerwiegenden Ansehensverlust, den es sich nicht mehr lohnt, in Kauf zu nehmen.
Dass The Intercept nicht das Anti-Establishment-Medium ist, das es bei seiner Gründung versprochen hat zu sein, ist seit langem klar. Ich habe in Moon of Alabama mehrere Artikel darüber geschrieben:
- Trau nicht dem Intercept oder Wie man Informanten verrät (6. Juni 2017)
- Intercept brandmarkt Syrien als neonazistisch — durch Falschübersetzung einer Rede von Assad (9. September 2017)
- Intercept vergrößert den syrienfeindlichen Teil seiner Redaktion (4. Oktober 2017)
- Wem nicht zu trauen ist — US-Regierung klagt weiteren Informanten des Intercept an (9. Mai 2019)
Unser wichtigster Artikel über The Intercept: „Von Snowden bis Russiagate — die CIA und die Medien“ vom 26. Dezember 2017 beschreibt es als Teil einer Aktion der US-Regierung, die mithilfe von Milliardären des Silicon Valley die Washington Post kaufte und The Intercept ins Leben verhalf, mit der Absicht, die Snowden-Dokumente von der Öffentlichkeit fernzuhalten. (1) Genau diese beiden Medien waren es auch, die Russiagate verbreitet haben.
Snowden besaß Kopien von 20.000 bis 58.000 NSA-Dateien. Nur 1.182 davon sind bis heute veröffentlicht. Bezos und Omidyar haben offenbar der NSA geholfen, mehr als 95 Prozent des Snowden-Archivs von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Diese Dokumente wurden sozusagen zu treuen Händen privatisiert und gehören jetzt Milliardären des Silicon Valley mit Verbindungen zu verschiedenen Geheimdiensten sowie zur Obama-Administration.
Welchen Vorteil Bezos und Omidyar von der Sache hatten, ist nicht klar. Bezos soll über 90 Milliarden Dollar verfügen. Der Kauf der Washington Post ist Kleingeld für ihn (eine Viertelmilliarde Dollar, Anmerkung des Übersetzers). Omidyar wird auf 9,3 Milliarden Dollar netto geschätzt.
Aber der Einsatz von Milliardären zur Verschleierung von Geheimdienstoperationen ist nicht neu. Die Ford-Stiftung war Jahrzehnte lang eine Frontorganisation der CIA. Die „Open Society“-Stiftung von George Soros ist einer der führenden „Regimewechsel“-Spezialisten, erfahren und versiert im Anstiften sogenannter Farbrevolutionen.
Es wäre sinnvoll gewesen, die Zusammenarbeit der Geheimdienste mit den Milliardären nach Sicherstellung der NSA-Dateien zu beenden. Aber es scheint, dass die enge Kooperation der Bezos- und Omidyar-Medien mit der CIA und anderen weiter besteht.
Nach der Snowden-Affäre schrieb Glenn Greenwald meistens für Intercept Brazil über die Korruption unter Jair Bolzonaro. Er enthüllte die faschistischen Aktivitäten, die zur Inhaftierung von Ex-Präsident Lula führten. Da er auch in Brasilien lebt, war diese Arbeit für ihn mit hohem persönlichem Risiko verbunden.
Jetzt, wo er wieder unabhängig arbeitet, können wir erwarten, dass er sich wieder auf die US-Politik konzentrieren wird. Er wird das Seine zu der objektiven Berichterstattung von Taibbi, Yves Smith, Tracey und anderen unabhängigen Autoren beitragen. Das ist auch bitter nötig, da die US-Medien des linken Spektrums ihre Fähigkeit verloren haben, objektiv über ihren Lieblingskandidaten zu berichten.
In seinem von The Intercept abgelehnten Artikel weist Greenwald darauf hin, dass die US-Medien und sozialen Netzwerke jede Erwähnung des korrupten Verhaltens der Biden-Familie in der Ukraine oder China unterdrücken. Damit ergänzt er unsere eigenen Bemühungen, die Fälschungen der Medien zu diesem Thema offenzulegen.
So ist zum Beispiel die Behauptung, dass Shokin gar nicht gegen Burisma und ihren Eigentümer ermittelt habe, nachgewiesenermaßen falsch. Wie wir mehrfach erwähnt haben, hat Shokin als Strafverfolger vier große Häuser und ein Luxusauto des Burismabesitzers Mykola Zlochevski konfisziert, nur zehn Tage bevor Biden begann, sich für Shokins Entlassung stark zu machen.
Glenn Greenwald ist ein sehr bekannter Autor. Er wird in der Lage sein, genug Leser zu gewinnen, um sein jetzt wieder unabhängiges Schreiben zu finanzieren. Trotzdem hat die Unabhängigkeit natürlich ihren Preis. Wer für eine größere Zeitung schreibt, hat zusätzlich zum Einkommen noch einen Haufen Nebeneinnahmen. Die vermisst man manchmal als einsamer unabhängiger Blogger.
Aber Greenwalds Beispiel verstärkt nur meine Entschlossenheit, Moon of Alabama als unabhängige Plattform weiter zu betreiben. Es ist der einzige Weg, zu berichten und zu kommentieren, ohne dass sich fremde Interessen einmischen. Mein Dank geht an Euch, die Leser, die das möglich machen.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Welcome back in Independence“ und wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzerteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratteam lektoriert.
Quellen und Anmerkungen:
Bekannt ist folgendes: Glenn Greenwald gründete mit zwei Kollegen The Intercept, um von da aus, nach dem Start im Guardian, weiter die Snowden-Enthüllungen zu publizieren. Der Guardian wurde im Juli 2013 von der britischen Regierung gezwungen, seine Kopie des Snowden-Archivs zu vernichten. Der Milliardär und Ebay-Gründer Pierre Omidyar half bei der Finanzierung des Intercept, während Jeff Bezos für 250.000.000 Dollar die Washington Post kaufte (Anmerkung des Übersetzers).
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