Der Ölkonzern Exxon Mobile gab 1982 intern eine Studie in Auftrag, in der untersucht werden sollte, wieviel CO2 von Menschen ausgestoßen wird und wie sich das auf Klima und Wetter auswirkt. Mit dem Geld und den Möglichkeiten des Ölkonzerns fand die Untersuchung auch umfassend statt.
Allerdings gefiel dem Auftraggeber das Ergebnis der Studie trotz der beteiligten hervorragenden Wissenschaftler nicht. Exxon Mobile ließ sie still und heimlich in einer Schublade verschwinden. Hätte der Ölkonzern die richtigen Konsequenzen aus der Studie gezogen, dann wären auf ihn hohe Investitionskosten zugekommen. Also entschied die Chefetage, Geld zu sparen. Stattdessen begannen sie mit dem Aufbau von Strukturen, die jede Warnung vor dem menschengemachten Klimawandel, der damals noch „Treibhauseffekt“ hieß, als unwissenschaftlich oder Panikmache verunglimpfen sollten. Die angewandten Methoden glichen denen der Tabakindustrie, die diese von 1950 an bis in die späten 1980er Jahre hinein gegen Warnungen aus der Wissenschaft verwendeten.
Eine dieser Strategien heißt „Astroturfing“. Dabei werden Bewegungen oder Gruppen gezielt unterwandert, um diesen einen gewünschten Spin zu geben. Der US-amerikanische Soziologe Riley Dunlap fasste diese Strategie am Beispiel der Debatte rund um Klima und Klimawandel in einem Vortrag an der Portland Universität zusammen. Mit derartigen Methoden kann es dann vorkommen, dass — wie beim Wahlkampf von Donald Trump 2017 — plötzlich Gruppen, die sich als Aufklärer, Widerständler oder Systemkritiker bezeichnen, Propaganda für einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten machen.
Die ganze Geschichte rund um die Studie von Exxon Mobile ist übrigens derart grotesk, wie sie nur das echte Leben schreiben kann. Der Ölkonzern wird mittlerweile von eigenen Anlegern verklagt mit dem Argument: Ihnen wären die Folgen des Treibhauseffekts verschwiegen worden. Exxon Mobile tritt nun für eine CO2-Steuer ein und hofft so auf einen Deal mit der Staatsanwaltschaft und auf gesetzlichen Schutz vor den Klagen seiner Anleger.
Das Handbuch für Subkulturen
2017 geisterte im deutschsprachigen Raum das „Handbuch für Medienguerillas“ durchs Internet. Dessen Inhalt war inspiriert von den Methoden, vor allem den Erfolgen, wie in den USA Graswurzelbewegungen und Subkulturen unterwandert und gekapert worden waren. Auch in diesem Handbuch wird versucht, Menschen anzusprechen, die schon eine kritische Distanz zu Machteliten haben, aber noch beeinflussbar genug sind. Ihre aktiv-revolutionäre Haltung soll in eine passiv-rebellische umgeformt werden.
Nicht das System wird hinterfragt, sondern es sollen nur die Machthaber und Machthaberinnen ausgetauscht werden. Das Rad wird nicht zerschlagen, es wird nur weitergedreht. So heißt es beispielsweise in diesem Handbuch:
„Wir alle verarschen gerne Opfer im Internet. Die Bezeichnungen dafür sind vielfältig: Trollen, shitposten, ficken, memetische Kriegsführung oder einfach nur verarschen. Hier ein kleines Handbuch, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.“
Das Handbuch zeigt deutlich, wie skrupellos und mit welchen Strategien Internetaktivisten, die eher dem rechten Spektrum zuzuordnen sind, diejenigen „angreifen“, die sie für politische Gegner halten. Hier sollen die Leser dümmlichem Doppeldenk und Neusprech auf den Leim gehen, was relativ einfach zu erkennen ist. Das gilt vor allem für diejenigen, die 2015 im Rahmen der sogenannten Flüchtlingskrise beschlossen hatten — vor Angst und Panik —, nicht mehr mit offenen Sinnen ihr Leben zu gestalten und ebenso offen und kritisch mit Medien umzugehen.
Das „Handbuch für Medienguerillas“ setzt nämlich genau da an: Es nutzt die breite Verunsicherung der Bevölkerung hemmungslos aus, die die Medien durch die auf Hochglanz inszenierte Flüchtlingskrise geschürt hatten.
Der Leitfaden für die Avantgarde des Doppeldenk und Neusprech ist letzten Endes aber nur eine moderne Version alter militärischer und politischer Strategien, eine Fortsetzung von Machiavellis „Der Fürst“, angetrieben von dem Versuch, intelligente Subkulturen zu kapern und aus deren kreativem Potenzial parasitär zu schöpfen. Das gelang glücklicherweise nur in geringem Maße: Nur die Dümmsten aus dem Subkultur-Milieu konnten als Propagandisten und gehorsame Soldaten gewonnen werden. YouTuber wie Gunnar Kaiser, SallyIsG4y, Doktorant und sogar Imp der Übermensch bemerkten relativ bald, vor welchen Karren man sie spannen wollte und halten wacker dagegen. Die Analysen des libertären Gunnar Kaiser zur „identitären Bewegung“ sind übrigens sehr zu empfehlen.
Auch wenn die Methoden und Strategien dieser Netzwerke sehr einfach zu durchschauen sind, so erkennt doch nicht jeder gleich die Perfidie der psychologischen Tricks, die Machteliten über Jahrhunderte entwickelt haben, um die Bevölkerungen brav und gehorsam zu halten. Es folgt noch ein Zitat aus dem Handbuch:
„7) Rudeltaktik
Alles oben genannte ist effektiver, wenn es nicht nur von einem, sondern von einer Gruppe von Leuten gemacht wird. Sprich Dich mit Deinen Freunden ab, und wenn es zum Showdown kommt, trommel sie zusammen, um gemeinsam gegen die Lügen und das Gift zu kämpfen. Wenn Du keine Freunde hast, lege Dir mehrere Accounts an und betreibe sie parallel. Bau Dir eine Armee von Sockenpuppen auf. Der Mensch ist ein Herdentier. Er ist eher gewillt, einer Gruppe von Menschen zu folgen als einem einzelnen.“
Dieser Punkt 7 aus dem Handbuch der plumpen Manipulation ist essenziell, um das dritte Beispiel in unserer Chronologie zu verstehen. Mit diesem schließt sich auch der Kreis des augenscheinlich großen und spaltenden Krieges, der gerade in den sozialen Medien in Sachen Klimawandel tobt.
Vom 23. bis zum 26. Mai 2019 fanden die EU-Wahlen statt und vor diesen Wahlen passierte in Deutschland etwas sehr Bemerkenswertes: Ein junger, erfolgreicher YouTuber, der bislang nicht groß mit politischem Content aufgefallen war, drehte ein Video mit dem Titel „Die Zerstörung der CDU“. Das Video zeigte einen jungen Mann mit blau gefärbtem Haar, der — sprachlich angepasst an die Jugend —, die herrschende Politik in Deutschland energisch und punktgenau kritisierte und auseinandernahm. Er thematisierte illegale Kriege, Drogenpolitik und Umweltzerstörung — also alles Themen, die eigentlich auch die sogenannte Wahrheits- und auch Friedensbewegung immer vorantreibt und anspricht.
Man könnte also glauben, dass dieser junge Mann, der sich Rezo nennt, auch von den sogenannten alternativen Medien sehr wohlwollend aufgenommen wurde. Doch so reagierten nur die wenigsten. Und das liegt leider daran, dass sich ein guter Teil der alternativen Medien, zum Teil absichtlich, zum Teil unbewusst, zu Propagandaorganen der deutschen Partei AfD hatte machen lassen.
Der FPÖ ist in Österreich übrigens so etwas nicht gelungen.
Absichtlich entstanden ist auf jeden Fall ein Netzwerk rund um Jürgen Elsässer, Oliver Janich, Martin Sellner, Hagen Grell, Naomi Seibt, Gerhard Wisnevski und andere selbsternannte Aufklärer. Diese Gruppe spielt sich koordiniert Themen zu und versucht — ebenfalls abgesprochen —, aktuellen Ereignissen einen Spin zu geben, der die Politik der von ihnen protegierten Partei unterstützt. Noch weniger subtil, als es Jan Böhmermann für die SPD macht — aber um noch einiges scheinheiliger und doppelzüngiger. Denn derartige Absprachen werden bei den etablierten Medien zu Recht kritisiert und aufzudecken versucht.
Der AfD und ihren Pharisäern passt der Klimawandel gar nicht in die Themensetzung — ein großer Teil der Führungselite dieser Partei leugnet den menschengemachten Klimawandel oder verharmlost die Gefahren, die uns Menschen dadurch entstehen und bevorstehen.
Knapp nach der EU-Wahl begann also eine offensichtlich koordinierte Kampagne, die sich zuerst gegen Vertreter der sogenannten etablierten Medien richtete. Hier wurde vor allem gegen populäre Wissenschaftler wie Harald Lesch oder MaiLab, populäre YouTuber wie Mr. Wissentogo und Tilo Jung sowie gegen Wissenschaftler von „ScienceforFuture“ wie Volker Quaschning mobil gemacht.
In der geheimen, aber trotzdem offensichtlichen AfD-Clique tat sich in diesem Zusammenhang besonders Oliver Janich mit seiner Anhängerschaft hervor. Sie versuchten, über den Hashtag #Oliwillreden den oben genannten Personen eine Debatte aufzuzwingen — natürlich alles im Namen der Freiheit, versteht sich. Der Telegram-Kanal von Janich hat knapp über 40.000 Abonnenten. Damit kann Janich schon für Stimmung und Aktivismus sorgen, wenn er seiner Anhängerschaft richtig einheizt. Und das macht er auch mit seiner apokalyptischen und verbitterten Sicht auf die Welt. Für die gehorsamen Schäfchen, die sich eher für Soldaten halten, gibt es dann noch den Telegram-Kanal „Konterrevolution“, wo dann komplett ungeniert zum Kampf gegen die angebliche grüne Kulturrevolution aufgerufen wird.
Natürlich ist diese Angst an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Nur mit welchen Argumenten will man Menschen begegnen, die Car-Sharing für eine kommunistische Idee halten?
In der Gruppe „Konterrevolution“ werden dann übrigens eins zu eins Anleitungen aus dem „Handbuch für Medienguerillas“ übernommen; sie werden empfohlen und es wird dazu angeregt, diese umzusetzen. Janich teilt diese Strategien seinen „Schäfchen“ in seiner großen Telegram-Gruppe mit. Er postet auch direkt Links auf YouTube-Kommentare mit dem Ziel, sich gegenseitig zu pushen. Videos mit abweichenden Meinungen werden nach Relevanz sortiert und in Kommentaren mit gezielten Shitstorms überzogen.
Direkt von Janich in seiner Telegram-Gruppe geposteter Screenshot, in dem er stolz die zuvor gesammelten Likes für den Kommentar unter einem Video von KenFM präsentiert. Quelle: Telegram@oliverjanich
So passiert es dann, dass sich sogar Ken Jebsen von diesen straff organisierten und nach militärischen Prinzipien ausgerichteten Gruppen beeindrucken lässt und vor dem virtuellen Mob brav einknickt.
Vor einiger Zeit brachte KenFM einen Artikel von Rainer Rupp in der Rubrik Tagesdosis unter dem Titel „Klimabetrug: Gerichtsurteil stürzt CO2-Papst vom Thron“. Der Artikel selbst hatte mit dem Journalismus, dem sich Ken Jebsen eigentlich verschrieben hat, genau nichts zu tun — es war eine Ansammlung von Lügen und Halbwahrheiten, die dann in akribischer Recherche von Dirk Pohlmann widerlegt wurde.
Ken Jebsen war sich aber nicht zu schade, die Lügengeschichte von Rainer Rupp und das tatsächlich journalistische Stück von Dirk Pohlmann als gleichwertige Meinungen zu behaupten und behaupten zu lassen.
Journalismus heißt in erster Linie, sich an Wahrheit und Fakten zu halten, wenn diese dann herrschende Verhältnisse stören, dann trifft der Spruch von George Orwell zu „Journalismus bedeutet, etwas zu bringen, von dem andere wollen, dass es nicht veröffentlicht wird. Alles andere ist PR“.
Wenn aber Lügen und Halbwahrheiten als Journalismus verkauft und verteidigt werden, dann sollte man einfach mal innehalten und versuchen herauszufinden, zu welchem Büttel man sich macht. Vor allem dann, wenn man in seinem Vokabular gerne „Machteliten“ führt.
Was Henrik M. Broder und der Mainstream-Medienapparat mit seiner geballten Wucht gegenüber Ken Jebsen nicht geschafft haben, gelingt ein paar Jahre später halbseidenen Kopien einer perfiden Methodik, die per organisierter Kommentarflut von einem anonymen Rudel die sozialen Medien mit Videos und Beiträgen überschwemmen.
Wieder eine ironische Note, die nur das Leben schreiben kann.
Auch der Kanal von NuoViso beruft sich immer gerne auf Meinungsfreiheit und produziert Videos, wenn die Freiheit des eigenen Kanals bedroht ist, hält sich aber dann mit solidarischen Gesten zurück — zum Beispiel gegenüber Dirk Pohlmann, der von der AfD-Propaganda-Clique, allen voran von Oliver Janich, gezielt mundtot gemacht werden soll. Auch wer über Jahre einen Systemwechsel propagiert und anstrebt, sich für alternative Lebensweisen stark macht und Herrschaftsverhältnisse hinterfragt, dem ist in der konkreten Situation dann doch die eigene Angst am Nächsten. Das Prinzip von Gehorsam und Unterwerfung gegenüber inszenierten Alphas und ihren Rudeln funktioniert sogar bei den aufgeklärtesten Geistern.
Und tatsächlich geht es bei der ganzen Posse gar nicht wirklich um den Klimawandel, es geht den Kameraden und wenigen Kameradinnen rund um das Hetzwerk doch um etwas ganz anderes, viel Größeres.
In einem seiner aktuellsten Videos, in dem Oliver Janich auf eine derart unverschämte Methode gegen Dirk Pohlmann agitiert, die es so nicht mal in den Mainstream-Medien gibt, sagt dieser Typ Folgendes:
„Apokalypse. Wir haben die Zeit der Aufdeckung. Die Spreu trennt sich vom Weizen und zwar so deutlich wie nie zuvor. Wenn ihr jetzt nicht langsam kapiert wer auf eurer Seite ist und wer euer Gegner ist, dann seid ihr so blind, dass ihr einfach mit unter gehen werdet in der Apokalypse. Das ist völlig klar…Stellt euch auf die Seite des Positiven, der Aufklärung, der Wahrheit — sonst geht ihr mitunter.“
Wie ist da noch eine ernsthafte Debatte möglich?
Robert Fleischer, Dirk Pohlmann und Mathias Bröckers: Die Sache mit dem Klimawandel
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