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Die Linke links liegen lassen

Die Linke links liegen lassen

Es ist fraglich, ob sich die Partei „Die Linke“ von dem Kinnhaken der Saarlandwahl noch einmal erholt — oder überhaupt vermisst werden würde.

„Feind — Todfeind — Parteifreund“

Nun hatte zehn Tage vor der Wahl das einstige politische Schwergewicht der Linkspartei, Oskar Lafontaine, bereits das sinkende Schiff verlassen. In seinem Abschiedsbrief urteilte Lafontaine, die Linke sei eine Partei geworden, „in der die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner und eine auf Völkerrecht und Frieden orientierte Außenpolitik nicht mehr im Mittelpunkt stehen“. Außerdem hätte es in der saarländischen Linkspartei dubiose Mauscheleien gegeben, die Lafontaine vermutlich aus juristischen Gründen nicht weiter konkretisierte.

Irgendwie waren wohl die Umgangsformen an der Saar schon lange nicht mehr die allerfeinsten. Denn Thomas Lutze, seines Zeichens Vorsitzender der Linken Saarland, schleuderte seinem flüchtigen besten Pferd im Stall noch allerlei unfeine Abschiedsgrüße hinterher:

„Der Kopf dieser Clique war lange Zeit auch unser Spitzenkandidat, unser Fraktionsvorsitzender. Was die sich geleistet haben bis hin zu der Rücktrittserklärung zehn Tage vor der Wahl, das ist durch nichts mehr zu unterbieten, das war unter aller Sau.“

Keine Ahnung, wer hier der Mörder ist. Die Linke ist allerdings schon lange als lebhafter Intrigantenstadl bekannt.

Ein alter Kämpfer seit 1968, der für die Linke lange Jahre im Kreistag gesessen und sich das alles angetan hat, um für die kleinen Leute wenigstens ein paar wenige Verbesserungen herauszuholen, sagte zu mir: „Es gibt bei der Linken eine Steigerung bis zum Superlativ: Feind — Todfeind — Parteifreund.“ Die Linkspartei ist schon lange ein extrem bunter Haufen. Neben den Altkommunisten gab es die aalglatten SED-Karrieristen; dazu kamen später die West-Linken mit ihrer Sozialisation aus der 1968er-Bewegung. Ehemalige DKP-Mitglieder, sogenannte „Revisionisten“, ergänzt durch West-Maoisten, die „Linksutopisten“.

Trotzkistische Minisekten haben sich eingebracht. Schließlich noch frühere Sozialdemokraten. Grundsatzfragen werden wegen der großen Heterogenität der Basis prinzipiell ausgeklammert. Es kann eigentlich immer nur darum gehen, eine Konsensmilch unverbindlicher, möglichst inhaltsfreier, gleichwohl gut klingender Floskeln zu erzeugen. Real sind lediglich die wenigen Pöstchen, die diese Partei im eigenen Apparat oder in öffentlichen Bereichen zu vergeben hat.

Lafontaines Karriere ist sowieso zu Ende. Mit nunmehr achtundsiebzig Lebensjahren kann der Altmeister sich beruhigt ins Privatleben zurückziehen. Sein Abschlussböller vor der Saarlandwahl hatte also für ihn persönlich keine Konsequenzen mehr.

Vielleicht wollte Lafontaine damit der Linkspartei auf Bundesebene signalisieren, was ihr blühen kann, wenn sie sich von ihrem einzigen Publikumsmagneten, nämlich Lafontaines Gattin Sahra Wagenknecht trennen sollte. Bestrebungen gab es schon zuhauf, die rote Sahra aus der Linkspartei rauszuschmeißen.

Ob allerdings der Abgang der letzten bemerkenswerten Politikerin für den weiteren Abstieg der Linkspartei noch eine echte Bedeutung hat, darf ernstlich bezweifelt werden. Denn die Diskrepanz zwischen dem, wofür die Linkspartei angeblich antritt, und ihren politischen Errungenschaften stößt so langsam auch dem treuesten Stammwähler übel auf.

Wenn zudem dann noch das nachwachsende Führungspersonal massive Defizite aufzuweisen hat, dann gibt es bald kein Halten mehr. War es ein Versprecher, und warum wurde er nicht rasch zurückgenommen, als die neue Vorsitzende der Linken, Susanne Marianne Hennig-Wellsow, im Interview Putin einen Überfall auf Polen vorwarf (1)? Gäbe es diese Fehlleistung nicht, wüsste die Öffentlichkeit gar nicht, dass es Frau Hennig-Wellsow überhaupt gibt und dass sie an der Spitze der Linkspartei steht.

Wie auch immer. Die Betroffenheit über den jähen Niedergang der sogenannten Linkspartei hält sich mittlerweile in überschaubaren Grenzen. Diese Partei hat in ihren diversen Gestaltwandlungen wenig Gutes hervorgebracht. Hervorgegangen aus der nicht immer ganz freiwilligen Vereinigung von SPD und KPD garantierte die SED das Stillhalten der ostdeutschen Bevölkerung für die geopolitischen Interessen der Sowjetunion. Als PDS garantierte diese Partei eine reibungslose Enteignung des DDR-Vermögens durch westliche Banken. Und als Die Linke hat diese Partei das Stillhalten jener Bevölkerungsteile garantiert, die von den marktradikalen Verarmungsprogrammen der Agenda 2010 als eindeutige Verlierer betroffen sind.

Das abschließende Sahnehäubchen war nun, wie die Linkspartei sich in der Corona-Kampagne als feuriger Vorkämpfer der Agenda des World Economic Forum profilierte und Kundgebungen vor den Toren der einschlägigen Impfkonzerne abhielt mit dem Motto „Impfungen für Alle!“

Die Linkspartei ist in den Stadtstaaten Berlin und Bremen an der Regierung beteiligt. Nirgendwo wurde der Protest gegen die offizielle Corona-Politik so brutal und unerbittlich niedergeknüppelt wie an jenen Orten, wo die Linkspartei in der Regierung ist.

Auferstanden aus Urinen

Man sieht es dieser Partei kaum mehr an. Aber die Ursprünge der Linkspartei liegen tatsächlich im härtesten Stalinismus. Stalin und seine georgische Mafia um den NKWD-Chef Lawrenti Berija ließen alle echten Kommunisten in der Sowjetunion systematisch und im großindustriellen Stil ermorden. Übrig blieben gefügige Bioroboter. Die deutschen Exilkommunisten im Moskauer Hotel Lux waren es gewohnt, dass immer mal Leute aus ihren Reihen verschwanden. Und keiner wagte auch nur den Namen der Verschwundenen in den Mund zu nehmen, geschweige denn zu fragen, wo die Genossen abgeblieben waren.

In diesem Geiste war auch Walter Ulbricht in der KPD groß geworden. Ulbricht wurde mit neun anderen Genossen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in ein Flugzeug gesteckt und nach Berlin geflogen. Er sollte für die sowjetische Besatzungszone eine Fassadendemokratie zusammenzimmern. Laut Wolfgang Leonhard, der zu dieser „Gruppe Ulbricht“ dazugehörte, soll der KPD-Chef verordnet haben, dass in allen Berliner Bezirken der Sowjetzone bürgerliche Politiker an der Spitze stehen sollen. Aber alle wirklich wichtigen Schlüsselposten sollten von Kommunisten kontrolliert werden (2). Am 17. Juni 1953 ist nach den Arbeiteraufständen allerdings Schluss gewesen mit der Fassadendemokratie.

Ab jenem Zeitpunkt entwickelte sich die Sozialistische Einheitspartei Deutschland aufgrund einer nicht vorhandenen Opposition immer mehr zum Selbstzweck. Abgehobene Vorgaben aus dem Elfenbeinturm der losgelösten SED lähmten das Leben in der DDR. Kommt einem irgendwie ziemlich aktuell vor, nebenbei bemerkt. Der Zusammenbruch der DDR lässt sich indes mit dieser einen Tatsache allein nicht erklären. Aber das parasitäre Dasein dieses Organismus SED hat zumindest nicht unerheblich zum Niedergang beigetragen.

Nach dem Zusammenbruch der DDR war eine Weiterexistenz als SED nicht mehr möglich. Die Führung der nunmehr in Partei des Demokratischen Sozialismus umbenannten Gruppierung richtete sich gemäßigt sozialdemokratisch neu ein. Man war auch froh, dass bis auf die beiden Eriche — Honecker und Mielke — kein Parteigenosse vor Gericht gezerrt wurde und nahm mit Erleichterung zur Kenntnis, dass die neu geschaffene Gauck-Behörde bis heute eigentlich keine substantiellen Erkenntnisse zutage gefördert hat. Meine Frau wartet immer noch vergeblich auf die Zusendung ihrer Stasi-Unterlagen. Dafür, dass man so sanft im Kapitalismus gelandet war, machte man sich gerne nützlich. Im Jahr 2004 verkaufte eine SPD-PDS-Koalition in Berlin sage und schreibe 65.700 Wohnungen für einen Schnäppchenpreis von 405 Millionen Euro an Goldman Sachs und den Privatisierungsspezialisten Cerberus.

Dass sich bisweilen der Stimmenanteil der PDS bei Wahlen nach solchen glorreichen Regierungsakten glatt halbierte, beunruhigte in den Reihen dieser Partei niemanden. Allerdings scheiterte die PDS bei den Bundestagswahlen im Jahr 2002 glatt an der Fünf-Prozent-Hürde. Nun hätte die PDS trotzdem im Bundestag bleiben können, wenn sie, wie schon die Jahre zuvor, mindestens drei Direktkandidaten durchgebracht hätte.

Hier schrieb allerdings ein einsamer Neonazi Geschichte. Denn in einem bislang von der PDS gehaltenen Bundestagswahlkreis in Berlin kandidierte auch der für die Grünen im Bundestag tätige Bürgerrechtler Hans-Christian Ströbele. Der Neonazi schlug Ströbele einen Ziegelstein auf den Kopf, woraufhin der Rechtsanwalt im Krankenhaus behandelt werden musste. Die Wähler entschieden sich für Ströbele — und der PDS-Kandidat verlor sein Mandat. Für geschlagene vier Jahre mussten nun zwei direkt gewählte PDS-Abgeordnete auf Klappstühlen ganz am Rand des Plenarsaals ihr Dasein fristen.

Der schlaue Coup mit der WASG

Dieser Schock bescherte den Meisterstrategen der PDS ganz neue Herausforderungen. Immerhin einigte man sich auf einen Masterplan: um endlich die ersehnte und bislang nicht vollzogene Westerweiterung der rein ostdeutsch gebliebenen PDS zu wuppen, musste man eben eine neue Protestpartei in Westdeutschland aus der Taufe heben. Der Zeitpunkt passte. Denn der damalige Kanzler Gerhard Schröder hatte gerade die Agenda 2010 verkündet: Ein Plan zur systematischen Verarmung weiter Kreise der Bevölkerung.

Die Agenda 2010 war von der Bertelsmann-Stiftung erarbeitet und dann von der rotgrünen Koalition eins zu eins umgesetzt worden. Kanzler Schröder von der einstigen Arbeiterpartei SPD verordnete, dass es zur Agenda 2010 keine Alternative gäbe. Selbst profilierte SPD-Linke wie Erhard Eppler warben für diesen unsozialen Plan.

Nun traten plötzlich Leute aus dem Umfeld von SPD und Gewerkschaften an die mediale Öffentlichkeit und verkündeten, dass als Reaktion auf die sozialen Ungerechtigkeiten von Schröders Agenda eine neue Sozialpartei gegründet werden müsse.

Die neu gegründete Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit (WASG) erhielt in den Mainstream-Medien größte Beachtung, obwohl sich dort kaum mehr Mitstreiter fanden als in einer maoistischen Sekte. Eigentlich sollte die nächste Bundestagswahl erst im Jahr 2006 stattfinden. Nachdem jedoch die SPD im Sommer des Jahres 2005 in Nordrhein-Westfalen bei der dortigen Landtagswahl spektakuläre Stimmenverluste hinnehmen und die Regierungsverantwortung an die CDU abgeben musste, zog Bundeskanzler Schröder die Bundestagswahlen auf den Herbst 2005 vor.

Einen Tag nach Schröders Verlautbarung gab die Führung der WASG an alle Ortsvereine durch: man müsse jetzt sofort mit der PDS zusammenarbeiten, um im nächsten Bundestag eine Fraktionsgemeinschaft zu bilden. Nur so könne man die Agenda 2010 kippen. Die Mitglieder, unter ihnen auch der Autor dieser Zeilen, waren völlig perplex. Wenn man PDS-Politik hätte machen wollen, dann hätte man doch schon vor fünfzehn Jahren in die PDS eintreten können. Man wollte doch eine unbelastete Sozialpartei neuen Typs zum Erfolg führen. Was soll man denn mit den Altlasten der PDS? Mit dem Landesvorsitzenden der WASG in Schleswig-Holstein führte ich zu jener Zeit stundenlange Telefonate.

Er erklärte mir, dass die WASG von vorneherein von der PDS gegründet worden sei. Die ganze WASG sei unterwandert von PDS-Leuten. Tatsächlich traten die vier Mitglieder des Vorstands der schleswig-holsteinischen WASG bald darauf aus Protest geschlossen zurück.

Dem letzten Bundesparteitag der WASG in Kassel am 3. Juli 2005 wohnte ich als Journalist bei. Schon für den Tag zuvor hatten Gegner einer Fusion von WASG und PDS zu einem Treffen in Kassel eingeladen, um sich für den Parteitag abzusprechen. Seltsamkeit dieses Vorbereitungstreffens: Es wurde von einer trotzkistischen Sekte ausgerichtet. Im Saal saßen am Rande genau jene WASG-Vorstandsmitglieder, die sich offen für eine Fusion ausgesprochen hatten. In der Versammlung haben nur der Autor dieser Zeilen und eine engagierte Zionistin sich eindeutig gegen die erneute Zwangsvereinigung ausgesprochen und für diesen Kuhhandel harsche Worte gefunden. Diese Veranstaltung diente von vorneherein nur dem einen Zweck, die Fusionsgegner schon im Vorfeld zu erschöpfen.

Der Parteitag am nächsten Tag war eine Lehrstunde manipulierter Entscheidungsprozesse. Auf dem Podium saß neben dem Vorstand der WASG bereits jetzt die PDS-Funktionärin Katja Kipping. Der Gewerkschaftsfunktionär Klaus Ernst hielt eine Rede. Katja Kipping hielt eine Rede. Man dürfe jetzt die Gelegenheit nicht verpassen, der Agenda 2010 den entscheidenden Schlag zu versetzen. Und dann der absolute Star-Auftritt: Platz frei für Oskar Lafontaine! Lafontaine war in der ersten Regierung von Gerhard Schröder dessen Finanzminister gewesen. Zusammen mit seinem französischen Fachkollegen Dominique Strauss-Kahn wollte er die wild gewordenen Finanzspekulationen etwas kürzer an die Leine legen. Was den beiden übelste Hetztiraden britischer Gazetten einbrachte. Da Lafontaine von Gerhard Schröder wenig Unterstützung erhielt, trat er am 11. März 1999 als Finanzminister zurück. Zugleich gab er sein Amt als Parteivorsitzender der SPD und sein Bundestagsmandat ab.

Am 24. März begann dann die Bombardierung Belgrads. Und nun hatte Lafontaine im Jahr 2005 sein SPD-Parteibuch abgegeben, um dafür dann das Parteibuch der WASG in Empfang zu nehmen. Ein ehemaliger Bundesligaspieler jetzt also in der Kreisklasse D. Pressefrage am Rande des Kasseler Parteitags: „Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Sie seien jetzt in einer politischen Gurkentruppe?“ Lafontaine: „Das ignoriere ich!“ Lafontaine hält eine längere Rede auf dem Parteitag. Er erzählt allerlei konfuses Zeug über „Fremdarbeiter“ und plädiert dafür, Kindesentführer zu foltern, falls diese den Aufenthaltsort des entführten Kindes nicht preisgeben wollen. Damals erregte gerade der Fall eines Kindesentführers die Öffentlichkeit, der im Verhör nicht sagen wollte, wo er das Kind festgehalten hat. Purer Populismus, würde man heute sagen. Stehende Ovationen, elend lang, nachdem Lafontaine das Podium, flankiert von seinen beiden wendigen Leibwächtern, wieder verlassen hat.

Der Parteitag ist gelaufen. Das Fußvolk der WASG darf jetzt noch aufs Podium. Jedem Delegierten sind nicht mehr als fünf Minuten Redezeit eingeräumt worden. Und da ja schönes Wetter ist, verlustieren sich die restlichen Delegierten derweil draußen im Garten. Der Rest ist Formsache. PDS und WASG gehen ein Wahlbündnis ein. So erreicht die PDS denn auch tatsächlich den erneuten Einzug in den Bundestag. Nachdem die Abgeordneten der mittlerweile zur Partei Die Linke fusionierten Bundestagsfraktion ihr Diäten-gesättigtes Leben genossen haben, kommt vom Partei-Fußvolk die Frage, was denn jetzt der Kampf gegen die Agenda 2010 macht. Keine Antwort aus dem hohen Haus. Ab jetzt ist nur noch die Rede davon, den Sozialhilfesatz um fünf Euro zu erhöhen (3).

Die Linke und die Antifa

Eine weitere Episode. Stellvertretend für das große Ganze. Mikrophysik der Macht sozusagen:

Die altgedienten Linken in der gewendeten SED/PDS/Linke zogen sich so langsam auf ihr Altenteil zurück. Es rückten junge Leute nach, die mit der Tradition der Linken so gar nichts zu tun hatten. Eigentlich passt dieser Nachwuchs thematisch überhaupt nicht zu irgendwelchen linken Inhalten.

Soziale Belange sind dieser neuen Generation vollkommen egal. Frieden bedeutet für diese Klientel nichts anderes als die unangefochtene Dominanz der Welt durch die USA.

Zudem eine aus der Geschichte überstrapazierte Verpflichtung, der israelischen Regierung in jeder nur erdenklichen Frage a priori Recht zu geben. Und diesen Positionen möglichst handgreiflich Geltung zu verschaffen. Die Leitfiguren dieser neuen Szene sind offenbar von allen Zwängen des Broterwerbs freigestellt und haben jede Menge Zeit, um sich ihren neuen Leitungsfunktionen im weit gefächerten Netzwerk der Linkspartei zu widmen. Und die alten Kämpfer haben anscheinend keine Kraft mehr, sich gegen diese Anmaßungen zur Wehr zu setzen.

Ein Beispiel von vielen: Der langjährige Bundestagsabgeordnete und außenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Wolfgang Gehrcke, stellte in einer Universitätsstadt sein Buch „Rufmord“ vor (4). Es geht darum, dass in Deutschland legitime Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung grundsätzlich als „antisemitisch“ gebrandmarkt wird. Die Buchpräsentation wird von alten Hasen der Linkspartei besucht. Offenkundig sind die Senioren nur hier, damit überhaupt jemand da ist bei dieser Veranstaltung der Linkspartei. Doch weit gefehlt: vor der Tür steckten siebzehn Studenten, nervös am Glimmstengel ziehend, die Köpfe konspirativ zusammengesteckt. Red Bull in der Jackentasche. Dann, fünf Minuten nach Beginn der Veranstaltung, quillt der Pulk in den Raum. Stühlerücken. Bierflaschen kippen um. Unruhe. Schließlich sitzen alle.

Gehrcke, einer der wenigen echten Linken in der Linkspartei aus alten Hamburger KPD-Tagen, stellt sein Buch vor. Danach beginnt unmittelbar das Kreuzverhör: „Herr Gehrcke, Sie haben bei dem rechten Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen ein Interview gegeben! Sie haben dort gesagt …“ Gehrcke: „Nein, so habe ich das weder gesagt noch gemeint!“ Antifa-Funktionärin: „Doch! Sie haben es gesagt! Ich habe es aufgezeichnet! Auf Minute 25:45 haben Sie gesagt …“ Und von allen Seiten hagelt es nun Wortmeldungen. Herr Gehrcke könne sich da jetzt nicht so einfach herausreden. Natürlich ist Gehrcke ein Antisemit. Eine unsagbare Respektlosigkeit, wie die jungen Burschen den 75-jährigen verdienten, echten Antifaschisten runterputzen.

Während dessen scheinen die alten Linken in ihren Stühlen entschlafen zu sein. Von ihnen kommt gar nichts. Ich bringe die jungen Spunde endlich zum Schweigen, indem ich sage, wir müssten in Deutschland auch das nachholen, was die Mitglieder des Council on Foreign Relations, John Mearsheimer und Stephen Walt, geleistet haben: nämlich eine sorgfältige Aufklärung über die lobby-artige Einflussnahme Israels auf die Regierungen der USA und der Bundesrepublik Deutschland (5).

Die Antifa-Recken sind irritiert. Natürlich haben sie außer ihren Szene-Magazinen wie Jungle World und Bahamas nichts gelesen. Kurzum: Der Abend geht eins zu eins aus. Es ist den Jungspunden nicht gelungen, Wolfgang Gehrcke als Antisemiten zu brandmarken. Es ist aber ebenso wenig gelungen, über Lobbynetzwerke der israelischen Regierung in Deutschland aufzuklären.

Die Blockflöte …

Diese Episode zeigt das ganze Elend der sogenannten Linkspartei. Stagnation und gegenseitige Lähmung haben System. Es kommt nichts voran. Seitdem Linkspartei-Politiker wie Stefan Liebich sich ganz offen in transatlantischen Lobbyorganisationen wie der Atlantikbrücke oder der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik tummeln, sind die letzten Hüllen gefallen. Wer es heute in der Linkspartei wagen sollte, die Regierungen der USA oder Israels sachlich zu kritisieren, wird gleich geteert und gefedert als „Antisemit“.

Offiziell werden noch ein paar wohlfeile pseudolinke Phrasen hochgehalten. Natürlich müssen alle Bürger in den Genuss der Biontech-Impfungen gelangen. Der Sinn dieser genetischen Eingriffe darf aber nicht hinterfragt werden.

Damit alle Bürger, ob arm ob reich, geimpft werden können, müssen die Pharmakonzerne enteignet werden. Eine garantiert folgenlose Forderung. Denn jeder weiß doch zu genau, dass die Enteignung der Konzerne bei den herrschenden Kräfteverhältnissen nicht umsetzbar ist. Nichts als eine Handvoll Heißluft, um noch eine gewisse Street Credibility zu bewahren.

Während dessen lassen Senatoren der Linkspartei Kritiker der Corona-Politik von brutalen „Robocops, besonders gepanzerte Bürgerkriegssoldaten, verprügeln. Ein gewisses Aufsehen konnte die Linkspartei erregen, als im Januar 2019 der als extremer Rechtsausleger und verbaler Rüpel bekannt gewordene Botschafter der USA, Richard Grenell, als Ehrengast beim Neujahrsempfang der Linkspartei auftauchte (6).

Im Nachhinein wurde das natürlich so verkauft, als habe sich der intime Freund von Jens Spahn selber zu diesem Empfang der Linken eingeladen. Um die Kurve noch zu kratzen, wurde irgendwann später der Rauswurf von Grenell aus Deutschland gefordert. Was natürlich, wie die Funktionäre der Linkspartei genau wissen, genauso realistisch ist wie die Forderung nach Enteignung der Pharma-Giganten. Mittlerweile ist Grenell in der Washingtoner Hierarchie aufgestiegen.

Und jetzt übt sich die Linkspartei obendrein im Schulterschluss mit der erwiesenermaßen faschistischen Junta in der Ukraine. Gysi empört sich über Sahra Wagenknecht, die für eine weniger parteiische Sichtweise auf den Russland-Ukraine-Konflikt wirbt (7). Als Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete, dass aus einem „Sondervermögen“ des Bundes astronomische 100 Milliarden Euro frei gemacht werden sollen für eine Mega-Aufrüstung der Bundeswehr, war das nun der Linken-Wählerschaft nur noch schwer zu vermitteln. Um trotzdem Reste von Glaubwürdigkeit zu simulieren, wurde ein Appell veröffentlicht gegen die Scholz-Pläne (8).

Eine Mit-Initiatorin dieses Appells ist die Funktionärin der Linken Julia Schramm. Die Dame ist hervorgetreten mit menschenverachtenden Twitter-Aussagen. Sie bejubelt die Bombardierung der Dresdner Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg mit griffigen Parolen wie: „Sauerkraut, Kartoffelbrei — Bomber Harris, Feuer frei!“ (9). Weitere Twitterbotschaften von Julia Schramm gefällig? Bitteschön: „Bomber Harris Flächenbrand — Deutschland wieder Ackerland.“ Oder: „Deutschland ist eine Idee. Deutschland darf getötet werden“ (10).

Als der Krieg bereits zugunsten der Alliierten entschieden war, überzogen britische und amerikanische Bomber das ehemalige Elb-Florenz Dresden systematisch mit Teppichen aus Phosphorbomben (11). Ein militärstrategisch vollkommen sinnloser Akt der Barbarei. Die Befürwortung eines solchen schweren Kriegsverbrechens war kein Hindernis für Julia Schramm, in der Linkspartei Karriere zu machen. Dass eine solche Person jetzt einen Appell gegen eine Mega-Aufrüstung initiiert, ohne sich vorher in aller Form von ihren kriegsverherrlichenden Äußerungen distanziert zu haben, schafft kein Vertrauen. Ich werde jedenfalls diesen Appell nicht unterschreiben. Das ist erkennbar ein letztes Aufgebot der Pseudolinken, um wieder Kontakt zur Basis zu erlangen. Die Basis ist allerdings längst woanders unterwegs.

Warum sollten echte Linke Die Linke wählen? Welches Alleinstellungsmerkmal hat diese Partei? Sie ist eine Blockflötenpartei geworden. „Blockflöten“ nannte man die als Alibi agierenden bürgerlichen Parteien, die zusammen mit der führenden SED auf den Einheitswahlzetteln in der DDR kandidierten. Heute ist die SED-Nachfolgepartei Die Linke zur Alibi-Blockflöte einer CDU/CSU/SPD/GRÜNE/FDP/AFD-Einheitsliste mutiert. Die Wähler haben das erkannt und sind entnervt zuhause geblieben.

Die Linke verschwindet. Keinen interessiert‘s.


Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.youtube.com/watch?v=yDx5bfsWrJg
(2) Wolfgang Leonhard, Die Revolution entlässt ihre Kinder. Zitiert nach Wolfgang Kraushaar, Die Protestchronik 1949 bis 1952. Hamburg 1996. Erster Band.
(3) http://www.gesellschaft-und-visionen.de/PDF/Zeitgeschehen/WASG-RLS.pdf
(4) Wolfgang Gehrcke: Rufmord — Die Antisemitismus-Kampagne gegen links. Köln 2015
(5) https://web.archive.org/web/20071110100243/http://www.lutz-forster.de/html/Israel_Lobby.pdf
(6) https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/party-schreck-us-botschafter-grenell-sprengt-linken-empfang-20530419
(7) https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-03/linke-gregor-gysi-sahra-wagenknecht-russland-ukraine-krieg
(8) https://derappell.de/
(9) https://jungle.world/artikel/2014/10/etwas-stolz-auf-den-bomber
(10) Natürlich sind Schramms menschenverachtende Äußerungen längst aus dem Internet getilgt worden. Entsprechende Screenshots kann man noch besichtigen in Markus Fiedlers Film „Zensur“: https://www.youtube.com/watch?v=HH-Ym-an2xw&t=5113s und zwar auf 1:25:15
(11) https://apolut.net/history-die-bombardierung-dresdens-im-februar-1945/


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