von James O’Neill
Am 7. April 2018 ereignete sich angeblich ein Chemiewaffenangriff in Duma, einer Stadt in der Arabischen Republik Syrien. Die westlichen Mainstream-Medien verbreiteten dramatische Aufnahmen der „Opfer“ — vor allem von Kindern mit Schaum vor dem Mund, die gerade mit Schläuchen abgespritzt wurden. Die Aufnahmen stammten fast ausschließlich von einer als „Weißhelme“ bekannten Gruppe, die von den gesamten westlichen Medien als eine Art Zivilschutz-Organisation dargestellt wird.
Tatsächlich ist sie aber ein Zweig des britischen MI6, der von den Briten trainiert und von Großbritannien sowie den USA finanziert wird. Der angebliche „Chemiewaffenangriff“ diente den US-amerikanischen, britischen und französischen Regierungen als Vorwand für einen Raketenangriff auf syrische Ziele. Die etwa einhundert abgefeuerten Raketen zerstörten Gebäude und töteten Zivilisten; viele verfehlten ihr Ziel — sie waren von der syrischen Luftabwehr entweder abgelenkt oder abgeschossen worden.
Vorschnelle Schlussfolgerungen
Auf einer Pressekonferenz am Sonntag nach den Angriffen stellte der damalige australische Premierminister Malcolm Turnbull eine Reihe unqualifizierter Behauptungen auf. Er sicherte dem Militäreinsatz die „starke“ Unterstützung seiner Regierung zu und drängte Russland dazu, seine Autorität geltend zu machen und sicherzustellen, dass die Chemiewaffen zerstört würden.
Auch sollte Russland mit seinem Einfluss gewährleisten, „dass der jüngste Chemiewaffenangriff gründlich untersucht wird.“ Er beschuldigte die Regierung Assad der Tat und beschrieb die Militäraktion der USA, Großbritanniens und Frankreichs als „gezielt, angemessen und verantwortlich“. Er versuchte sogar — um den Russen eins draufzugeben —, das Ereignis in Duma mit dem Fall Skripal in Salisbury, England, in Verbindung zu bringen.
Sowohl das Timing als auch der Versuch, diese beiden Ereignisse in einen Zusammenhang zu bringen, sind kein Zufall. Sie waren ganz deutlich Teil einer Kampagne, mit der man Russland diskreditieren wollte, weil dessen Eingreifen im syrischen Krieg zum entscheidenden Wendepunkt wurde — sehr zum Ärger der „Regime Changer“ in Washington und London.
Fakten und Beweise? Lästige Nebensache
Bezüglich des maßgeblichen Völkerrechts wie auch der Gegebenheiten gibt es — wie es ja heute fast ausnahmslos der Fall ist —, einen deutlichen Unterschied zwischen der politischen Rhetorik und der tatsächlichen Situation. Dies wurde im Fall Skripal überdeutlich, was ja anderweitig bereits sehr gut dokumentiert wurde — so zum Beispiel von www.theblogmire.com am 3. März 2019.
Wenden wir uns kurz dem rechtlichen Aspekt des Raketenbeschusses auf Syrien zu.
Es gibt kein „gezieltes, angemessenes und verantwortliches“ Bombardieren eines souveränen Staates, wenn nicht zwei Bedingungen erfüllt sind: Entweder muss der Angriff in Selbstverteidigung erfolgen — wenn die Länder, die den Angriff durchführen, selbst attackiert wurden, was ja hier offensichtlich nicht der Fall war —, oder die Aktion muss vom UN-Sicherheitsrat autorisiert worden sein. Auch dies ist nicht geschehen.
Wie in so vielen australischen militärischen Beutezügen weltweit gab es für die Einmischung in Syrien keine rechtliche Grundlage — wenngleich die Australier hier auch nur am Rande standen und anfeuerten.
Australiens Teilnahme an den so genannten Koalitionstruppen, die als Verbündete der USA — die das Völkerrecht serienmäßig verletzen — in Syrien kämpften, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Die australische Regierung hat sich seit 2014 rechtlich beraten lassen. Wenn sie von ihrem Rechtsstandpunkt so überzeugt ist — warum weigert sie sich dann nach wie vor, die Inhalte der Beratung zu veröffentlichen? Die tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort unterstützen die Turnbull-Position ebenso wenig.
Turnbull kritisierte Russland dafür, sein Veto im Sicherheitsrat eingesetzt zu haben, um Anträge zu Untersuchungen von Chemiewaffen-Verbrechen zu verhindern. Tatsächlich haben jedoch sowohl Russland als auch Syrien die Organisation für das Verbot chemischer Waffen OPCW gebeten, den Vorfall in Duma zu untersuchen.
Die Untersuchungsmission der OCPW begann am 21. April 2018, zwei Wochen nach dem angeblichen Angriff. Dschihadisten-Gruppen blockierten anfangs die Ermittlungen, und die OPCW-Mitarbeiter konnten die entscheidenden Gebiete erst unter dem Schutz der syrischen Armee und der russischen Militärpolizei betreten.
Untersuchungsergebnisse — von den Medien verschwiegen
Am 6. Juli 2018 wurde ein vorläufiger Bericht veröffentlicht, in dem geschlussfolgert wurde: „Kein Organophosphat (Sarin)-Nervengift oder dessen Zerfallsprodukte wurden in den Proben der Umgebung oder den Blutplasma-Proben der angeblichen Opfer gefunden.“ Der Einsatz von Sarin war einer der Hauptvorwürfe gegen die syrische Regierung gewesen. Diese vorläufige Schlussfolgerung erregte nur minimale mediale Aufmerksamkeit.
Der Schlussbericht der OPCW zu den Ermittlungen wurde am 1. März 2019 freigegeben. Man wird aber lange suchen müssen, um eine genaue Wiedergabe dieses Berichts in den westlichen Mainstream-Medien zu finden. Der Grund für das Schweigen der Medien ist nicht schwer zu erkennen.
Der OPCW-Bericht macht die Argumente von US-Präsident Trump, Großbritanniens Premierministerin May und Turnbull zunichte. Die Ermittlungen der OPCW wurden gravierend behindert. Die Weißhelme und ihre Dschihadistenfreunde hatten alle verstorbenen „Opfer“ des angeblichen Giftgas-Angriffs entweder eingeäschert oder begraben. Die Grabstätten wurden den Ermittlern nicht preisgegeben. Daher stand kein Autopsiematerial zur Verfügung.
Dem diensthabenden medizinischen Fachpersonal in den Krankenhäusern in Duma wurden bereits „Opfer“ eingeliefert, bevor der angebliche Giftgasangriff überhaupt begonnen hatte. Keines der „Opfer“ zeigte Symptome eines chemischen oder Nervengas-Angriffs. Das Ermittlungsteam der OPCW führte eine Reihe von Analysen in Gebieten durch, die von dem Giftgasangriff betroffen gewesen sein sollen. Auch hier fanden sie keine Spuren geächteter chemischer Substanzen.
Ihnen wurden zwei gelbe Zylinder gezeigt, die angeblich für die Todesfälle verantwortlich waren. Aber selbst diese „Beweise“ waren nicht verwendbar, weil sie von den Dschihadisten bewegt und an zwei Orten platziert worden waren, so dass sie als Proben nicht verwertbar waren. Die OPCW war nicht in der Lage zu sagen, wie diese Zylinder eingesetzt worden sein könnten, um Gifte freizusetzen. Wenn man bedenkt, dass nirgends Spuren von Toxinen gefunden werden konnten, ist die wahrscheinliche Schlussfolgerung, dass diese beiden Zylinder schlicht Attrappen waren.
Dies wird durch die Tatsache bekräftigt, dass das OPCW-Team einen weiteren gelben Kanister fand, der den oben genannten ähnelte. Dieser Kanister wurde jedoch in einer Werkstatt der Dschihadisten gefunden, in der sich auch vielfältige Chemikalien und Gerätschaften befanden, die zur Bombenherstellung genutzt werden. Wenn die Medien überhaupt hiervon berichteten, wurde diese Entdeckung damit erklärt, dass die syrische Regierung dieses Material dort eingeschleust habe. Die OPCW behauptete nichts dergleichen.
Eine Inszenierung … und trotzdem sind Syrien und Russland schuld!
Was die OPCW tatsächlich fand, waren Spuren von Chlorin. Chlorin ist jedoch eine gewöhnliche Haushaltschemikalie und daher auch nicht in der Liste geächteter Chemiewaffen verzeichnet. Chlorin würde sowieso keine Todesfälle — und schon gar nicht die behaupteten hohen Opferzahlen — zur Folge haben. Die von der OPCW interviewten medizinischen Fachkräfte hatten angegeben, dass die im Krankenhaus behandelten Opfer an den Folgen einer Staub- und Rauchinhalation litten. Niemand wies lebensbedrohliche Verletzungen auf oder verstarb im Krankenhaus. Es gab also tatsächlich — ganz abgesehen von dessen Illegalität — keinerlei Grundlage für den Angriff der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Genauso wenig bestand eine Rechtfertigung für Turnbulls unmissverständliche Behauptungen syrischer Schuld und russischer Beihilfe in einem Chemiewaffen-Angriff gegen die zivile Bevölkerung.
Ungeachtet der Entkräftung der Behauptungen der USA und anderer — darunter auch Turnbulls schlecht beratene zweifelsfreie Unterstützung — beziehen sich die USA und die Mainstream-Medien noch immer auf Assads angeblichen Einsatz von Chemiewaffen, um ihre anhaltende Besatzung syrischen Territoriums zu rechtfertigen.
Weder willkommen noch legal berechtigt
Selbst diese Besatzung stellt schon eine Verletzung des Völkerrechts dar. Die „Debatte“ in den herrschenden Kreisen der USA darüber, ob Trumps ursprünglichem Wunsch, Syrien zu verlassen, zu entsprechen sei oder nicht, hat etwas Surreales — seither ist er ja ohnehin wieder davon abgekommen.
Es scheint ihnen gar nicht in den Sinn zu kommen, dass sie weder willkommen noch juristisch berechtigt sind, sich überhaupt dort aufzuhalten.
Vielleicht sollte ein führender BBC-Fernsehproduzent, Riam Dilati, das letzte Wort haben. Am 13. Februar 2019 twitterte er: „nach fast sechsmonatigen Ermittlungen kann ich ohne Zweifel beweisen, dass die Szene im Krankenhaus in Duma inszeniert war.“ Könnten unsere eigenen Medien und Politiker ein ähnliches Maß an Ehrlichkeit aufbringen, würden sie Syrien und Russland die schon längst fällige und berechtigte Entschuldigung darbringen. Darauf werden wir jedoch möglicherweise lange warten können.
James O'Neill ist Rechtsanwalt und Jurist, sein Spezialgebiet ist das Internationale Recht, Schwerpunkt Geopolitik. Er hat gelehrt an der Universität von Bergen (Norwegen), der Universität von Waikato (Neuseeland) und war Gastprofessor an der Louvain la Neuve (Belgien). Er hat zwei Bücher und viele Artikel verfasst, sowie Bewertungen in Fachzeitschriften und Kommentare in Publikationen in den USA, Europa und Australien geschrieben.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „The Douma “Chemical Attack”: Still Waiting for an Apology“. Er wurde von Gabriele Herb aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.
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