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Die Kaputtmacher

Die Kaputtmacher

Das US-Militär fragte via Twitter nach dem Einfluss des Militärdienstes auf das Leben von Armeeangehörigen — und erhielt schockierende Antworten.

von Caitlin Johnstone

Nach dem Post eines Videos, in dem ein junger Rekrut vor laufender Kamera berichtet, wie der Militärdienst es ihm ermöglichte, ein besserer „Mann und Krieger“ zu werden, twitterte das Militär:

„Wie hat der Dienst dich beeinflusst?“

Als der vorliegende Text verfasst wurde, hatte der Thread bereits mehr als 5.300 Einträge. Die meisten davon zerreißen einem das Herz.

„Meine Tochter wurde während ihrer Militärzeit vergewaltigt“, schrieb ein Nutzer. „Sie wurde ins Krankenhaus. Dort versuchten die Krankenhausmitarbeiter — allesamt männlich —, sie davon zu überzeugen, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Das Leben ihres Peinigers sei sonst ruiniert. Sie blieb standhaft und wollte nicht nachgeben. Ging für einen Einsatz in den Irak, und leidet jetzt an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).“

„Seit 15 Jahren habe ich fast jede Nacht den gleichen Alptraum“, schrieb ein anderer.

Unabsichtlich gab das Militär den Menschen eine Plattform, um in tausenden von Tweets davon zu berichten, wie sie selbst oder eine ihnen nahestehende Person von einer skrupellosen Kriegsmaschinerie verschlungen, zermalmt und dann wieder ausgespuckt wurden.

Zweck dieses Artikels ist lediglich, ein paar dieser Antworten zu dokumentieren, um einerseits die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und anderseits zu verhindern, dass der Thread verloren geht, sollte er aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ gelöscht werden.

Nachstehend eine Auswahl der Tweets in einer Auflistung ohne bestimmte Reihenfolge:

„Jemand, den ich liebte, ging direkt nach der Highschool zum Militär, obwohl ich ihn bat, es nicht zu tun. Wenige Monate nach Ende seines Einsatzes kamen wir wieder zusammen. Eines Nachts sagte er mir, dass er mich liebt, und erschoss sich dann. Wenn ihr Jugendliche unbedingt für euren Imperialismus ausnutzen müsst, dann behandelt immerhin ihre PTBS.“

„Nachdem ich wieder von meinem Auslandseinsatz zurück war, konnte ich ohne ein paar Bier intus nicht in große Menschenmengen gehen. Ich habe eine Nervenschädigung im rechten Ohr, aber weil ich nicht schwach wirken wollte, als ich wieder zurückkam, log ich diesbezüglich vor den Mitarbeitern des Kriegsveteranenministeriums (VA). Mein Vater war Agent Orange ausgesetzt, das seine Lunge, sein Herz, die Leber und die Bauchspeicheldrüse zerstört. Vor fünf Jahren ist er schließlich daran gestorben. Er war 49, dem Gift nicht in Vietnam, sondern an seinem Dienststandort ausgesetzt gewesen, wird meine Tochter und meinen Neffen nie kennenlernen. Ich trinke immer noch zu viel. Menschenmengen sind an den meisten Tagen okay, aber ich muss nachts einkaufen gehen und kann tagsüber nicht arbeiten, weil da zu viele Menschen sind.“

„Der Vater meines besten Freundes aus der Highschool war beim Militär. Er litt 30 Jahre lang unter einer unbehandelten PTBS und einer schweren Depression, hat es seiner Familie nie erzählt. Weihnachten 2010 ging er in den Schuppen, um die Geschenke zu holen, und schoss sich in den Kopf. Das war die erste Beerdigung, auf der mir die Todesursache und die Gründe dafür überhaupt genannt wurden. Ich ging nach dem Gottesdienst nach Hause, fragte etwas herum und fand heraus, dass die meisten Beerdigungen, auf denen ich bisher war, ebenfalls auf durch den Militärdienst verursachte unbehandelte Gesundheitsprobleme zurückzuführen waren.“

„Ich lernte diesen Typen kennen, der im Irak war, Christian hieß er. Er war cool, hatte eine eigene Wohnung mit einer Stange im Wohnzimmer. Schmiss immer tolle Partys. Meine damals beste Freundin begann ihn zu daten, so blieben wir übers Wochenende in seiner Bude. Nach einer Party, um sechs Uhr morgens, holte er seinen Laptop raus. Er zeigte uns ein paar Bilder aus seiner Armeezeit. Bilder mit ein paar Jungs. Grinsend, lachend. Es war cool. Ich war betrunken und mir war’s egal. Er fing an, uns Bilder von ein paar kleinen Kindern zu zeigen. Nach einer Weile wurden seine Augen scheißdunkel. Ich dachte mir nur: Scheiße, der ist völlig high. Er erklärte uns ganz ruhig, dass alle diese Kinder tot seien. ‚Aber das ist es, was Krieg ausmacht. Tote Kinder und nichts, was man dafür vorweisen könnte außer einer Ermäßigung für Militärangehörige.‘ Christian nahm sich zwei Monate später das Leben.“

„Chronische Schmerzen und Null Prozent Behinderungsgrad — trotz Entlassung aus medizinischen Gründen, also kein Anspruch auf Leistungen, und Wutgefühle, die ich dadurch verarbeite, indem ich mich mit Fremden prügle.“

„Hat aus meinem talentierten jüngeren Bruder einen gebrochenen und behinderten Mann gemacht, der kaum noch das Haus verlässt.

Aus meiner Mutter aufgrund der hohen Anzahl an sexuellen Übergriffen, die von den befehlshabenden Offizieren toleriert und gedeckt werden, eine völlig verängstigte, ständig wachsame und angespannte Frau. Ein Freund ist direkt nach der High School zum Militär. Ist jetzt wegen einer Kugel vom Hals abwärts gelähmt.“

„Mein Großvater kam mit einer schweren PTBS aus Vietnam zurück, versuchte, sie in Alkohol zu ertränken, schlug meinen Vater so heftig und so oft, dass der 50 Jahre später immer noch zusammenzuckt, wenn man ihn berührt. Und ich wuchs bei einem Vater auf, der emotionale Narben davontrug und deswegen selbst an PTBS leidet. Schön war‘s.“

„Hmmm, lasst mich überlegen: Ich hab‘ Freunde verloren, überall Narben, PTBS, einen Arm, der nicht immer das macht, was er soll, und eine Hand, die nicht funktioniert.“

„Mein Vater war im Irak stationiert und ein anderer Mensch, als er zurückkam. Konnte wegen Angstzuständen und PTBS nicht mal mehr den Job weitermachen, in dem er 20 Jahre gearbeitet hatte. Er hatte Alpträume, wurde schnell gewalttätig und litt unter schrecklichen Depressionen. Aber die Armee gab ihm nur Pillen, jetzt ist er zu 100 Prozent behindert und bekommt einen Riesenhaufen Medikamente. Er hat jede Nacht Alpträume, läuft durchs Haus und schläft kaum, überprüft jedes Zimmer, um sicherzugehen, dass sich alle in Sicherheit befinden. Viele seiner Freunde haben Selbstmord begangen.“

„Ich war in der US-Marine, mein Mann in der US-Armee, er diente in Bosnien und im Irak, und dieser freundliche, schüchterne, lustige Kerl war verschwunden, ersetzt durch einen zurückgezogenen, wütenden Mann… Ein paar Jahre später beging er Suizid… Wenn mir für meinen Dienst gedankt wird, nicke ich nur.“

„Ich bin für immer körperlich eingeschränkt, weil ich trotz starker Schmerzen trainiert habe, nachdem ich von der Klinik wegen ‚Simulierens‘ abgewiesen wurde. Wie sich herausstellte, hatte ich einen Beckenbruch und brauchte mit gerade mal 20 Jahren eine Hüftoperation.“

„Ich kenne niemanden in meiner Familie, der nicht wegen dem Militärdienst an PTBS leidet.

Ein Familienmitglied ist deswegen vom Dienst freigestellt und der Meinung, Gewalt sei in Ordnung. Ein anderer — Marinesoldat — hat sich in einen Psycho verwandelt und denkt, häusliche Gewalt sei die Lösung, wenn seine Frau seinen Befehlen nicht gehorcht.“

„Mein Vater diente in Vietnam, aber nachdem er enge Freunde verloren hatte und Zeuge wurde, wie die USA Unschuldige tötete, weigerte er sich, bei einem weiteren Einsatz mitzumachen. Seit damals leidet er an PTBS. Seine mutigste Tat beim Militär war, dass er sich weigerte, noch länger zu kämpfen, und dafür bin ich unglaublich stolz auf ihn.“

„Meinem besten Freund aus der Highschool wurde eine psychische Behandlung verweigert und er wurde zu einem dritten Einsatz im Irak gezwungen, obwohl er so stark traumatisiert war, dass er kaum noch funktionierte. Zwei Wochen vor dem Einsatz nahm er eine Handvoll Schlaftabletten und erschoss sich.“

„Mein Vater war in zwei Einsätzen im Nahen Osten. Seine Persönlichkeitsveränderungen hatten starke Auswirkungen auf meine Familie. Die ‚Beratung‘, die man beim VA erhält, umfasst nur eine begrenzte Anzahl an Sitzungen, sie schicken einen auch nicht zu einem echten Psychologen. Der Militärdienst verursacht eine Epidemie an psychischen Erkrankungen und die Armee scheitert kläglich daran, damit fertig zu werden.“

„Ich wurde mit 17 von einem Kameraden meiner Schwester sexuell missbraucht, als ich sie auf ihrem Stützpunkt besuchte, dann noch mal mit 18. Ein Freund von mir wurde abhängig von K2 (synthetische Cannabinoide; Anmerkung der Übersetzerin) und starb, nachdem das VA die Behandlung seiner psychischen Traumata verweigert hatte. Eine andere Freundin wurde von ihrem Vorgesetzten sexuell ausgebeutet. Später wurde ihr die Schuld dafür gegeben.“

„Ich war zehn Jahre beim Militär. Ich arbeitete 15-Stunden-Schichten, um sicherzustellen, dass meine Truppen versorgt waren. Als Dank für meine harte Arbeit wurde ich von drei Militärangehörigen vergewaltigt. Ich wurde nie in einen Rang befördert, der einen Unterschied gemacht hätte. Und einen Selbstmordversuch habe ich begangen. Ihr könnt mich mal!“

„Die erfolgreiche Militärkarriere meines Vaters lehrte ihn, dass er Gewalt anwenden darf, um Leute dazu zu bringen, das zu tun, was er will. Amerika gab ihm die Macht dazu.“

„Ich habe darüber nachgedacht, mich verpflichten zu lassen, bis ich diesen Thread gesehen habe. Jetzt definitiv nicht mehr.“

„Ich hoffe bei Gott, dass die Armee genug Mumm hat, diesen Thread zu lesen und zu erkennen, wie schlecht unsere Soldaten behandelt werden. Danke und Gottes Segen für alle Menschen in diesem Thread und die Angehörigen, die ebenfalls leiden.“

... und das war nur eine kleine Auswahl von Posts aus dem Thread. Es gibt noch viele, viele mehr ...


Caitlin Johnstone bezeichnet sich selbst als Schurkenjournalistin, Bogan-Sozialistin, Anarcho-Psychonautin, Guerilla-Poetin und Utopia-Prepperin.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „The US Army Asked Twitter How Service Has Impacted People. The Answers Were Gut-Wrenching.“ Er wurde von Nadine Müller aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.


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