von Peter König
Am 8. Oktober 2018 wurde Jair Bolsonaro zum Präsidenten Brasiliens gewählt — mit 55,1 Prozent der Stimmen und gewaltiger Unterstützung von Cambridge Analytica.
Auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) im schweizerischen Davos hielt Bolsonaro im Januar 2019 eine protzige Rede mit dem Titel: „Wir erschaffen ein neues Brasilien“, in der er ein Programm skizzierte, das buchstäblich Brasilien zum Verkauf darbot — vor allem den brasilianischen Teil Amazoniens. Er sprach hauptsächlich über die Wasserressourcen Brasiliens — die größten der Welt — und über den Regenwald, der ein großes Potenzial für die landwirtschaftliche Erschließung und den Bergbau böte.
Ressourcen für die globale Marktwirtschaft
Keines der anwesenden Staatsoberhäupter — also genau jene, die sich regelmäßig treffen, um angeblich die Erde zu retten — reagierte auf diese Erklärung zur Amazonas-Region. Sie alle wussten, wer Bolsonaro war und ist — sie wussten, dass dieser Mann skrupellos ist und die „grüne Lunge“ der Welt buchstäblich zerstören würde. Sie taten — nichts. Sie schwiegen in Wort und Tat und bejubelten den Neonazi für seine Offenheit gegenüber dem internationalen Business und der Globalisierung.
Lahme Drohungen
Heute bezichtigte Präsident Emmanuel Macron — anlässlich eines ähnlichen Weltereignisses — beim G7-Gipfel im französischen Biarritz Bolsonaro der Lüge, der bei seinem Amtsantritt über den Schutz des Amazonasgebietes gesprochen und Umweltbewusstsein versprochen hatte. Deutschland schloss sich Frankreich an, das damit drohte, die Handelsvereinbarung mit Mercosur (Abkürzung für Mercado Común del Sur, auf Deutsch: Gemeinsamer Markt Südamerikas, ein regionaler Zusammenschluss; Anmerkung der Übersetzerin) zu stornieren, sollte (Bolsonaro) nicht sofort Schritte unternehmen, um die „Wildfeuer“ einzudämmen und zu löschen. Wahrscheinlich haben sie überhaupt nichts mit „wild“ zu tun, weisen doch alle Indizien auf eine vorsätzliche Verursachung hin — in einer konzertierten Aktion, um das reiche Amazonasgebiet vom lebenserhaltenden Dschungel zu „befreien“, um danach das durch Brandrodung entwaldete Land für private Agrarunternehmen und den Bergbau zu erschließen.
Die G7 — eine illegale, parasitäre Vereinigung
Wohlgemerkt, die G7 sind eine weitere selbst ernannte, völlig illegale Gruppierung industrialisierter, reicher Länder ähnlich der G20 — illegal deshalb, weil sie weder von der UNO noch von einer anderen internationalen Organisation legitimiert sind. Reich wurden sie vor allem auf Kosten armer Entwicklungsländer, die Hunderte von Jahren kolonialisiert waren — und es noch immer sind. Die G7-Staaten stellen heutzutage etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung, kontrollieren aber 40 Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukts.
Trotz der Tatsache, dass niemand außer sie selbst ihre Existenz und ihre Machenschaften ratifiziert hat, sind sie davon überzeugt, dass sie bestimmen dürfen, wie die Welt sich zu drehen und zu funktionieren hat. Sie verfügen über keinerlei offizielle Legitimation — vor allem nicht vonseiten der Menschen, die mit überwältigender Mehrheit die Globalisierung bekämpfen. Es ist eine nutzlose Konstruktion — RT (Russia Today, ein russischer Auslandsfernsehsender; Anmerkung der Übersetzerin) titelte „Die unerträgliche Sinnlosigkeit der G7“, deren Macht auf dem Schweigen der restlichen Welt beruht, auf ihrer stillen Billigung des arroganten Handhabung des Zepters der Macht durch die G7.
Würde Bolsonaro sie also ernst nehmen — wohl wissend, dass er einer von ihnen ist, sie seine Ideologie des „Profits an erster Stelle“ vollkommen teilen und damit ökologische und soziale Werte in die schlammigen Fluten des Amazonas kippen? Wohl kaum. Er weiß, dass sie Heuchler sind, die ein bisschen Lärm machen, weil sie es müssen. Das sorgt für eine gute Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda — damit die Menschen nicht auf die Barrikaden gehen. Er weiß, dass alles, was die Macrons dieser Welt auf so beeindruckende Weise von sich gegeben haben ab (…) Montag, dem 26. August, wenn der G7-Gipfel Geschichte sein wird, verhallt sein wird. Die Medien stürzen sich auf andere „Nachrichten“, und die Waldbrände werden den Lebensstrom Amazonas einäschern — um Raum für die Unternehmensgewinne einer kleinen Elite zu schaffen.
Rohstoffe für den Unternehmerprofit
Ungeachtet des in der Verfassung verankerten Schutzes der indigenen Völker und ihres Landes wird Bolsonaro — unterstützt von den Evangelisten und der Militärjunta — ganz schnell jeden Rest der noch vorhandenen Schonung des Ökosystems und einheimischer Gemeinschaften über Bord werfen. Sein Argument lautet, dass sich das Land der Ureinwohner auf riesigen Rohstoffvorkommen befinde, die Brasilien gehören und für die Konzessionen an private Unternehmen ausgegeben werden können — für Bergbau, Land- und Holzwirtschaft.
Indigene Völker — die Torhüter des Regenwaldes
Über Tausende von Jahren haben indigene Völker im Amazonas-Gebiet friedlich ihren Lebensunterhalt bestritten. Sie sind die Torhüter Amazoniens und möglicherweise jene Menschen, die unsere Gene von der gegenwärtigen Killerzivilisation in die nächste Zivilisation tragen, die dann hoffentlich weniger mörderisch ist — wenn die Menschheit es schließlich geschafft hat, sich selbst zu zerstören.
Den Planeten wird es nicht zerstören — niemals. Der Planet wird nur die ruchlosen Elemente der Vernichtung — die Menschheit — loswerden und sich regenerieren.
Wie so oft in der Vergangenheit, wird eine neue Zivilisation geboren — und, ja, die indigenen Völker der Welt, die wahrscheinlich einzigen Überlebenden, tragen unsere DNA weiter, möglicherweise in einen nächsten Versuch der Menschheit.
In den etwa zwanzig Tagen seit ihrer Entdeckung haben die Waldbrände mindestens 74.000 Hektar an tropischem Regenwald zerstört. Der Rauch zieht bereits über die Grenze hinweg nach Argentinien und beeinträchtigt die Provinzen Formosa, Jujuy, Corrientes, Catamarca, La Rioja, Santa Fa und erreicht möglicherweise bereits Buenos Aires. Die NASA berichtet, dass die Rauchschwaden über etwa 3,2 Millionen Quadratkilometer Südamerikas stehen.
Internationale Krise
Die Flammen sind riesig und verheeren den Dschungel in rasanter Geschwindigkeit. Das Amazonasgebiet beherbergt einen der größten Regenwälder der Welt — bekannt als „Grüne Lunge“ der Erde —, ohne den das Überleben der Menschheit sowie von Flora und Fauna nicht gesichert ist.
Laut dem INPE (Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais, auf Deutsch: Nationales Institut für Weltraumforschung) haben die Brände im Vergleich zum Vorjahr um 83 Prozent zugenommen, haben sich also fast verdoppelt. Und nicht zufällig sind mindestens 68 Prozent der Schutzgebiete betroffen. Das INPE entdeckte 72.000 Brände, davon 9.000 allein in der dritten Augustwoche. Das Amazonasgebiet beheimatet 34 Millionen Menschen, darunter mehr als 350 indigene Gruppen.
Macron twitterte zu Beginn der G7-Konferenz:
„Unser Haus brennt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der Amazonas-Regenwald — die Lungen, die 20 Prozent des Sauerstoffs unseres Planeten produzieren — steht in Flammen. Dies ist eine internationale Krise. Teilnehmer des G7-Gipfels, lasst uns diesen Notfall in (den) zwei Tagen vorrangig behandeln!“
Die Zerstörung des Amazonasgebietes ist in der Tat ein Verbrechen ersten Grades. Dementsprechend finden weltweit Proteste gegen Bolsonaros „Für-alle-kostenlos“-Politik des Bergbaus, der Holzwirtschaft sowie des Griffs nach Land und Wasser statt. Die Öko-Krieger der „Extinction Rebellion“ (XR, auf Deutsch „Rebellion gegen das Aussterben“) organisieren weitläufige Proteste, und vor der brasilianischen Botschaft in London skandierten Demonstranten „Hey hey, ho ho, Bolsonaro’s got to go!” („Hey hey, ho ho, Bolsonaro muss gehen!“).
Während die Brände in Brasilien weltweite Aufmerksamkeit auf sich ziehen, gibt es sogar noch größere Feuer, die andere Teile der sauerstoffproduzierenden Lungen der Erde niederbrennen. Bloomberg zitiert Daten der NASA, denen zufolge Donnerstag und Freitag, am 22. und 23. August — in nur zwei Tagen —, mehr als 6.900 Brände in Angola und etwa 3.400 in der Demokratischen Republik Kongo aufgezeichnet wurden — etwa fünfmal so viele wie an beiden gleichen Tagen im brasilianischen Amazonasgebiet. Die Zerstörung des Dschungels in Afrika geht so gut wie unbemerkt vor sich und wird kaum von den westlichen Medien berichtet. Bloomberg ist da die Ausnahme. Warum ist das so?
Rohstoffe in Zentralafrika — und auch hier brennt es
Kann es sein, dass eben jene globalen Unternehmen, die an Brasiliens natürlichen Rohstoffen unter dem Amazonasgebiet interessiert sind, sich auch für diese gewaltigen Vorräte von Mineralstoffen und Erdölvorkommen in Zentralafrika interessieren? Wurden sie — die Demokratische Republik Kongo, Angola und möglicherweise auch andere — von Bolsonaro und seinem Clan stillschweigend oder direkt dazu angestiftet, den Urwald brennen zu lassen? Es gibt viele brasilianische Unternehmen, die ein starkes Interesse an Angola haben — einer weiteren ehemaligen portugiesischen Kolonie.
Trotz des offenbaren Anliegens der G7, die „Grüne Lunge“ im Amazonasgebiet zu schützen, scheinen sie die Zerstörung des Regenwaldes in Zentralafrika zu übersehen. Die enormen afrikanischen Brände breiten sich ebenfalls schnell aus und verwüsten einen anderen Teil der „Grünen Lunge“.
Diese Feuer werden jedoch weder vom G7-Radar erfasst noch stehen sie auf einer Tagesordnung — und niemandem wird mit Sanktionen gedroht, sollten die betroffenen Regierungen weiterhin nur vom Pech verfolgte Zuschauer bleiben.
Im Jahr 2008 wurde eine sogenannte Amazonas-Stiftung gegründet — die erste UN REDD+ Initiative für den Schutz, die Erhaltung und die Überwachung des Amazonasgebietes. UN REDD+ (ist ein Programm der Vereinten Nationen zur) Reduzierung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung sowie die Förderung des Waldschutzes, der nachhaltigen Waldbewirtschaftung von Wäldern und des Ausbaus des Kohlenstoffspeichers Wald in Entwicklungsländern).
Unter anderem haben Deutschland und Norwegen Brasilien beschuldigt, seinen Beitrag zur Stiftung nicht ordnungsgemäß geleistet zu haben. Norwegen hat erst kürzlich eine Zahlung von 30 Millionen US-Dollar, die für die Stiftung bestimmt gewesen waren, blockiert. Deutschland hatte bereits Anfang August umgerechnet 39 Millionen US-Dollar für verschiedene Maßnahmen zum Schutz des Amazonasgebietes gesperrt, die von der Stiftung finanziert werden sollten. Bolsonaro jedoch verwarf nonchalant die gesperrten Zahlungen und schlug vor, Deutschland solle die Geldmittel für die Wiederaufforstung Deutschlands verwenden.
Im Falle Brasiliens hatten die Drohungen des Macron-Merkel-Duos und anderer offensichtlich zumindest zu Anfang den Effekt, dass Bolsonaro nun das Militär mobilisiert, um bei der Löschung der Brände zu helfen. Wird er erfolgreich sein? Will er erfolgreich sein? Werden die Medien unabhängig davon weiterhin über die Brände berichten, wenn die G7 wieder nach Hause gegangen sein werden? Wird der weltweite Aufschrei laut genug sein, um gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, die möglicherweise auch von der UNO geleitet werden — um diese Brände zu bekämpfen und zu löschen, die nicht nur einen wesentliche Sauerstoffproduzenten für das Leben auf Mutter Erde zu zerstören drohen, sondern auch ein von der UNESCO geschütztes Weltkulturerbe?
Peter König ist Ökonom und geopolitischer Analyst. Er ist außerdem Spezialist für Wasserressourcen und Umweltfragen; in diesem Bereich hat er über 30 Jahre lang für die Weltbank und die Weltgesundheitsorganisation gearbeitet. Er unterrichtet an Universitäten in den USA, Europa und Südamerika. Regelmäßig schreibt er unter anderem für Global Research, ICH, Russia Today, Sputnik, PressTV, The 21stCentury, TeleSUR, The Saker Blog und New Eastern Outlook (NEO). Er ist Autor des auf seinen Weltbank-Erfahrungen basierenden Romans „Implosion — An Economic Thriller about War, Environmental Destruction and Corporate Greed“ sowie Ko-Autor von „The World Order and Revolution! — Essays from the Resistance“. Außerdem ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des „Centre for Research on Globalization“.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „[Amazonia in Flames — Brazil´s Bolsonaro is a World Criminal — Encouraging Jungle Burning for Private Exploitation of Freed Land]https://www.globalresearch.ca/amazonia-flames-brazil-bolsonaro-world-criminal/5687210)“. Er wurde von Gabriele Herb aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.
Wenn Sie für unabhängige Artikel wie diesen etwas übrig haben, können Sie uns zum Beispiel mit einem Dauerauftrag von 2 Euro oder einer Einzelspende unterstützen.
Oder senden Sie einfach eine SMS mit dem Stichwort Manova5 oder Manova10 an die 81190 und mit Ihrer nächsten Handyrechnung werden Ihnen 5, beziehungsweise 10 Euro in Rechnung gestellt, die abzüglich einer Gebühr von 17 Cent unmittelbar unserer Arbeit zugutekommen.