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Die Gewaltinszenierung

Die Gewaltinszenierung

Im Schatten der erfolgreichen Demonstration in Leipzig wurde eine Ausschreitung künstlich herbeigeführt.

Der 9. Oktober 1989 war ein historischer Tag in Leipzig. An diesem Montag versammelten sich, wie seit Monaten, die Anhänger der diversen demokratischen Bewegungen in der Nikolaikirche zum Friedensgebet und zogen anschließend auf den Leipziger Innenstadtring. An diesem Tag gelang es erstmals, den gesamten Demonstrationszug, dem sich auf seinem Weg zehntausende Bürger anschlossen, über den circa 3,6 km langen Ring zu führen, ohne dass die Staatsmacht eingriff. Sie hatte vor der Masse schlichtweg kapituliert. Dies war der Durchbruch für die friedliche Revolution in der DDR. Die Menschen erkannten, dass ab diesem euphorischen Moment alles möglich war und sie vor dem Regime keine Angst mehr haben mussten.

In diese Fußstapfen wollte die von Querdenken 711 organisierte Demonstration am 7. November 2020 treten. Ausgangspunkt sollte eine Kundgebung auf dem Augustusplatz sein, die sich von dort aus dann auf den Weg um den Ring machen wollte. Wer dieses Vorhaben schon im Vorfeld als anmaßend oder gar als Verrat an der Revolution von 1989 kritisierte, übersieht den heute so dringend benötigten symbolischen Charakter der Aktion. Von Leipzig sollte wieder ein zentraler, angstbefreiender Moment ausgehen: Befreiung von der Angst vor einem vermeintlich überall lauernden Virus und Befreiung von der Angst vor einer Staatsmacht, die zum vermeintlichen Schutz davor in sämtliche Lebensbereiche eindringt.

Nun, 31 Jahre später, fiel gleißendes Sonnenlicht auf den Augustusplatz inmitten des geschichtsträchtigen Innenstadtringes. Zunächst machte auch alles den Anschein, als könnte der Tag den hohen Erwartungen gerecht werden. Die Stimmung auf dem gesamten Platz war ausgelassen und auf der Bühne sprach sogar einer der damaligen Pfarrer der Nikolaikirche, Christoph Wonneberger. Von Gewalt und Hass war unter den Demonstranten nichts zu spüren. Im Gegenteil, es tat gut, in lächelnde, hoffungsvolle Gesichter zu blicken. Die Menschen, die sich versammelt hatten, stellten einen Querschnitt der Bevölkerung dar. Alle Altersgruppen waren vertreten, es gab keinen Dresscode und jeder konnte sich als der Mensch zeigen, der er ist. Selbstverständlich trug kaum jemand eine Maske. Ist diese doch gerade das Symbol für die Angst, welche die Demonstration aufzulösen versuchte. Schließlich wäre auch 1989 niemand auf die Idee gekommen, im FDJ-Hemd oder mit Parteiabzeichen gegen die SED-Diktatur zu demonstrieren.

Es dauerte nicht lange, da folgte das altbekannte Prozedere seitens der Polizei, das sie schon auf anderen Corona-Demonstrationen durchgezogen hatte. Die Abstände seien nicht groß genug, der Virus könne immer noch von einem Demoteilnehmer zum nächsten hopsen, weswegen sich die Menschenmenge doch bitte auf die gesamte Fläche rund um den Augustusplatz verteilen solle. Als die Veranstalter den Teilnehmern dann die zweite Verwarnung der Polizei mitteilten, setzen sich immer mehr in Bewegung, um auch die bislang wenig „bevölkerten“ Bereiche rund um das Demo-Areal zu befüllen. Auch wir schlossen uns an und gingen in die Lenne-Anlage, die sich hinter dem Gewandhaus, welches den Augustusplatz begrenzt, befindet.

Das Geschehen entzerrte sich damit in Bereiche, wo die Hauptbühne und die Menschen auf dem Augustusplatz nicht mehr zu sehen waren. Was sprach auch dagegen? Immerhin vergrößerte sich somit die Fläche der Veranstaltung und verlieh dieser dadurch noch mehr Ausdruckskraft.
Im Park angelangt, war die Stimmung ebenfalls friedlich. Die Lautsprecher tönten bis nach hinten und ermöglichten es den Teilnehmern, dem Bühnengeschehen akustisch zu folgen. Dieser Demobereich gestaltete sich zunächst sehr familienfreundlich, Kinder kletterten auf die Bäume des Parks und tobten im herabgefallenen Laub. Ganz offensichtlich friedlich gestimmte Menschen standen und saßen harmonisch beieinander.

Während auf der Bühne zuerst ein zwölfjähriger Junge und dann eine siebzehnjährige Gymnasiastin sprachen, vollzog sich in dem Bereich, von dem aus wir zuhörten, ein seltsamer Stimmungsumschwung: Es war, als ob die dunkle Seite der Macht aufzieht.

Bereits zuvor konnten wir beobachten, wie einzelne schwarz vermummte Gestalten, offenbar Kinder und Jugendliche, die Antifa spielten, zu Fuß und mit Fahrrädern den Bereich des Parks umkreisten und dabei auffällig oft an den seitlich parkenden Polizeieinsatzfahrzeugen hielten. Dann zog quer durch den Park ein Trupp der sächsischen Polizei in voller Kampfausrüstung und bereitete den Weg für die Antifa-Darsteller, die sich nun formierten und sich nun im Rücken der Demonstranten dem Park näherten. Dies fühlte sich bereits sehr bedrohlich an und die friedlich versammelten Familien zogen sich auf die Straße zwischen Augustusplatz und Roßplatz zurück.

Flucht

Es war mit Händen zu greifen, dass das bisherige Gleichgewicht aus dem Lot geriet. Auch wenn es zu keiner gewaltvollen Auseinandersetzung kam, so spürte man doch den von außen aufziehenden Hass und die dadurch bei uns ausgelöste Anspannung. Man hatte das Gefühl, als könnte die Lage jeden Moment eskalieren. Und just in dem Moment positionierte sich direkt vor der Kette der Vermummten ein offensichtlich professionelles Kamerateam. Deren Blick war auf unsere Rücken gerichtet und daher stellte sich die Frage: Was wollten sie am ausgefransten Rand der Demo, ohne Kontakt zum Geschehen auf dem Augustusplatz, aufnehmen? Wir hatten das Gefühl, unfreiwillig Teil einer Filmkulisse zu werden, in der uns eine Rolle aufgezwungen werden sollte, die wir nicht ausfüllten. Eine Antifa-Versammlung, die uns bedrohlich nahe kam; eine Polizei, die sich nicht dazwischen stellte, sondern im Gegenteil Geleitschutz zu liefern schien; und ein Kamerateam, das auf seinen Einsatz wartete. Plötzlich stieß unser Harmoniebedürfnis in diesem uns umgebenden schlechten Energiefeld auf keine Resonanz mehr.

Wir bekamen Angst und wollten dieser absurden Situation einfach nur entfliehen. Nach vorn, zurück in Richtung Augustusplatz, konnten wir nicht, da dieser Bereich bereits überfüllt war und wir die Demo nicht gefährden wollten. Der einzige freie Weg in diesem Moment führte direkt hinter dem Gewandhaus entlang, hindurch zwischen Unimensa und Moritzbastei in Richtung Wilhelm-Leuschner-Platz. In dem Moment, als wir hinter dem Gewandhaus abbogen, ragte aus der Menge eine Reichsflagge hervor, die direkt auf das Kamerateam und die dahinter positionierte Antifa-Kette zusteuerte. Das absurde Drehbuch steuerte seinem Finale entgegen, ging es uns in diesem Moment durch den Kopf, sicher vonseiten der Aggressoren bewusst forciert.

Wir entschlossen uns, so schnell wie nur irgend möglich unserer unfreiwilligen Rolle in diesem „schwarzen Block(buster)“ endgültig zu entkommen. Die Flucht aus dieser skurrilen und albtraumhaften Szenerie gestaltete sich aber nicht so einfach. Ohne dies vorher zu wissen, führte unser Weg entlang einer der zahlreichen Nebendemos, die unabhängig von der Querdenken-Demo auf dem Augustusplatz abliefen. Auf die Schnelle konnten wir nicht erkennen, wer sich hinter der Moritzbastei versammelt hatte, aber es schienen Anhänger des scheidenden US-Präsidenten zu sein. Die dortige Szenerie erinnerte an den versprengten Haufen, der am 29. August ohne jeden Bezug zu dem, was sich zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule abspielte, die Treppen des Berliner Reichstages „erstürmte“ und dabei die Bilder lieferte, die sodann in den Massenmedien verbreitet und mit denen die überwältigende Mehrzahl der friedlichen Teilnehmer der Hauptdemo völlig zu Unrecht in Sippenhaft genommen wurde.

Um diese unbedeutende Nebendemo hatte sich ein breiter Gürtel schwarz vermummter Gestalten gebildet. Ob diese nun ein Polizeiabzeichen oder eine Bierdose trugen, spielte keine große Rolle mehr, beide waren uns ganz offensichtlich nicht wohlgesonnen. Sowohl zwischen den Büschen als auch auf den Bürgersteigen drängten sich Antifa-Darsteller wie angriffslustige hungrige Raubtiere aneinander. Wir sahen uns gezwungen, eine Mund-Nase-Bedeckung aufzusetzen, denn würde uns die Antifa wegen unserer „nackten“ Gesichter angreifen, so wäre es naiv gewesen anzunehmen, unsere „Freunde und Helfer“ wären uns zur Hilfe geeilt. So zogen wir mit vermummten Gesichtern durch diese Straße, stets einen Fluchtpunkt in diesem Spießrutenlauf suchend. Jene, die sich „erdreisteten“, mit unbedeckten Gesichtern durch die Straßen zu gehen, bekamen von den Antifa-Darstellern Bemerkungen zu hören, sie sähen mit Maske besser aus. Andere schrien Eltern an, sie sollten ihre Kinder zu Hause lassen.

Auf dem Weg in Richtung Wilhelm-Leuschner-Platz wurden wir uns emotional zum ersten Mal der ganzen Tragweite des Corona-Faschismus bewusst, da wir ihn plötzlich am eigenen Leib erfuhren. Wäre unser Gesicht „nackt“, also ohne Maske, so hätte das auf die Antifa-Darsteller so gewirkt wie die dunkle Hautfarbe auf Rassisten und schmale Augen auf Sinophobe.

Es erschien uns auf unserer Gasse durch den Hass wie eine Ewigkeit, bis wir den weitläufigen Wilhelm-Leuschner-Platz erreichten, der uns wieder Raum und Luft zum freien Atmen gab. Doch es dauerte noch eine Weile, bis die Klänge der „antifaschistischen“ Rocklieder aus den Lautsprecherboxen und das penetrante Rattern der Polizeihelikopter verhallten und unser Herzschlag sich wieder im Normalbereich einpendelte. Unsere psychische Verfassung erlaubte es uns nicht, zu der Demo zurückzukehren; wir ahnten, dass eine geplante Eskalation nicht lange auf sich warten lassen würde, wenn diese nicht sogar schon mitten im Gange war.

An einem Rückzugsort angelangt, lasen wir schon die ersten Meldungen von Eskalationen, von einer Polizei, die die Situation nicht in den Griff kriegte, und von fliegenden Steinen. Zwar kennen wir die Einseitigkeit der Berichterstattung und die mannigfaltigen Methoden der Medienmanipulation, aber vor Ort war es uns nicht möglich, diese Meldungen auf ihre Echtheit zu prüfen.

Bild
Abbildung: Die Szenerie auf einer Karte abgebildet. Quelle: © googlemaps

Was uns dabei zutiefst verletzte, war die völlige Verkehrung dessen, was wir unter Antifaschismus verstehen. Wir, als Autoren dieses Beitrages, sehen uns mit glühendem Herzen und reifem Verstand als Menschen, die sich als Antifaschisten bezeichnen. Ein antifaschistisches Leben bedeutet für uns, dass wir ohne jegliche Autoritäten und Ideologien unsere Zeit auf Erden in Frieden, Vielfalt, auf Augenhöhe, ohne missbräuchliche Machtverhältnisse und im Einklang mit der Natur gestalten können. Antifaschismus heißt, keine absoluten Wahrheiten zuzulassen, die zur Ideologie werden könnten. Es heißt, die Vielfalt der Menschheit als das uns alle verbindende Moment zu begreifen. Das erfordert gegenüber einem übergriffigen Staat die Pflicht zum Ungehorsam und bedeutet, selbst zu denken und zu handeln. Es ist bizarr, uns von sogenannten Antifaschisten als Nazis beschimpfen lassen zu müssen. Ihr eigener Faschismus äußert sich darin, dass sie ihr Denken und ihre Selbstbestimmung an einen totalitär handelnden Staat abgegeben haben.

Unseren unschönen Erlebnissen zum Trotz schien die gesamte Veranstaltung dennoch einen guten Ausgang gehabt zu haben. Zwar wurden die Demoteilnehmer durch die altbekannte und mittlerweile bewährte Einkesselungs-Technik aufgehalten und zusammengepfercht. Jedoch wurde Videoberichten zufolge der Kessel irgendwann geöffnet, und eine Vielzahl an Menschen strömte, mit Kerzen in den Händen, auf die Straßen und setzte in Leipzig am 7. November 2020 ein unübersehbares Zeichen für den Frieden.



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