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Die geplante Zerschlagung Syriens

Die geplante Zerschlagung Syriens

Protokolle diplomatischer Treffen offenbaren unangenehme Wahrheiten über den Krieg gegen Syrien.

Ein vertrauliches diplomatisches Protokoll von Benjamin Norman, einem Diplomaten der britischen Botschaft in Washington (1), zuständig für Politik des Mittleren Ostens, wurde von der libanesischen Tageszeitung Al Akhbar (2) in einem Artikel der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der Inhalt ist so brisant, dass ich versuchte, über Freunde den Journalisten zu kontaktieren, der die Al Akhbar-Recherchen durchgeführt hatte, um das Originaldokument prüfen zu können. Jedoch fürchtet dieser juristische Konsequenzen. Da ich die Quelle für zuverlässig halte, hier nun die Enthüllungen über die Politik der westlichen Großmächte in Syrien, wie sie sich aus dem Dokument erschließen.

Das Protokoll berichtet über das erste Treffen einer Diplomatengruppe mit der Kurzbezeichnung „Small American Group on Syria“. Zu der Gruppe gehören die USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien.

Das Treffen fand am 11. Januar 2018 in Washington statt. Die Teilnehmer waren Hugh Cleary, Chef der britischen Abteilung des Außenministeriums für den Nahen und Mittleren Osten, Jérôme Bonnafont, Direktor für ANMO (Afrique du Nord et Moyen-Orient) beziehungsweise Nordafrika und Mittlerer Osten der französischen Regierung, David Satterfield, stellvertretender Außenminister beziehungsweise Staatssekretär der USA für den Mittleren Osten, sowie der Jordanier Nawaf Tell und der Saudi Jamal al-Aqeel.

Die Diplomatennachricht enthüllt die Strategie der genannten Staaten in Bezug auf Syrien:

Die Teilung des Landes, das Sabotieren des Friedensprozesses von Sochi, das Austricksen der Türkei beziehungsweise Drängen derselben in einen Angriffskrieg gegen Syrien sowie die Einflussnahme auf den UN-Sonderberichterstatter Staffan de Mistura.

Das Dokument enthält eine inoffizielle Anlage in Vorwegnahme des zweiten Treffens der „kleinen Gruppe“, die am 23. Januar 2018 in Paris stattfand und hauptsächlich dem Thema „Chemiewaffen“ und den „Instruktionen“ für Staffan de Mistura gewidmet waren. Was ein besonderes Licht auf die Äußerungen von Macron zur Roten Linie im Fall von „Giftgaseinsatz“ durch die syrische Regierung wirft (3).

Der Artikel berichtet, am 11. Januar habe David Satterfield das Treffen mit der Mitteilung eröffnet, dass das zweite Meeting am 23. Januar in Paris stattfinden sollte. Satterfield bestätigte, dass Präsident Trump beschlossen hat, eine große militärische Präsenz in Syrien beizubehalten, auch nach dem Sieg über ISIS /Daesh. Eine Mitteilung, die den Äußerungen von Trump am 24. Februar 2018 widerspricht (4), was aber nicht verwundern sollte.

Die Kosten für die dauerhafte Besetzung Syriens wird laut dem Bericht auf 4 Milliarden Dollar beziffert. Einerseits soll die US-Präsenz das Wiederaufleben von Daesh verhindern, aber viel wichtiger wäre zu verhindern, dass „die Iraner sich dauerhaft festsetzen und sich selbst auf der Suche nach einer politischen Lösung einbringen“. Satterfield bestand darauf, dass das erste Treffen der „kleinen Gruppe“ auch die „materielle und politische Unterstützung für Staffan de Mistura“ bereitstellen sollte, um den „Genfer Prozess zu konsolidieren“.

Alle Teilnehmer der Besprechung begrüßten die Entwicklung, um „substantielle Fortschritte in Syrien im Jahr 2018 zu machen“ und „auf die Sieges-Propaganda Russlands zu antworten“. Außerdem bestanden alle Teilnehmer darauf, dass „Russlands Wunsch, eine politische Lösung herbei zu führen“, genutzt werden sollte, um die Ziele der „kleinen Gruppe“ operativ umzusetzen.

Die Konsolidierung des Genfer Prozesses

Der Bericht hält fest, die Vereinigten Staaten wären der Meinung, nicht länger an den Treffen in Astana teilzunehmen, nachdem sie ihre Beteiligung in der Vergangenheit bereits stark herunter gefahren hatten, mit dem Ziel, sich verstärkt in die Genfer Verhandlungen einzubringen.

Die Teilnehmer der Runde stellten dann fest, dass „Genf ein Fehlschlag geblieben war, trotz der Anstrengungen von Staffan de Mistura“. Sie legten besonderen Wert darauf, einen Waffenstillstand in die Genfer Verhandlungen einzubringen: „In Wahrheit haben wir nicht die Möglichkeiten, das Regime (5) davon abzuhalten, die verbliebenen Taschen der Opposition in Idlib und Ost-Ghouta aufzulösen“.

Es ging der Gruppe also offensichtlich darum, die Gebiete, die von Terroristen besetzt waren, und die Qualen der dortigen Zivilbevölkerung und damit den Druck „auf das Regime“ so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.

Der Bericht erklärt, durch die Opposition wären in den letzten Monaten große Fortschritte gemacht worden, wies aber darauf hin, sie müsse noch größere Flexibilität entwickeln, um sicher zu stellen, dass die syrische Regierung die Gespräche in Genf nicht verlässt. Offensichtlich befürchtet die Gruppe, dass sich die syrische Regierung aus den UNO-Gesprächen zurückziehen würde, begründet mit einem schneller vorankommenden Prozess in Sochi.

Die USA würden derweil die Voraussetzung einer Übergangsregierung – wie durch die UNO-Resolution 2254 vorgesehen – nicht unterstützen, hält der Berichterstatter fest. Im Text des Berichtes wird dann noch hinzugefügt, dass es hilfreich für die Opposition wäre, damit aufzuhören, ständig auf dieser Voraussetzung einer Übergangsregierung zu bestehen, gemeint ist vermutlich eine ohne den Präsidenten Bashar al Assad.

Es wurde ebenfalls vereinbart, dass „die Opposition flexibler sein muss und damit aufhören‚ ‘das Schreckgespenst einer Übergangsregierung‘ zu spielen“, wie dem Protokoll zufolge die Amerikaner sagten, ohne jedoch das letztendliche Ziel, Syrien zu zerschlagen und Bashar al-Assad los zu werden, aus den Augen zu verlieren.

Dem Artikel zufolge brachte der französische Vertreter Jérome Bonnafont das Problem einer möglichen Beteiligung von Bashar al-Assad in zukünftigen Wahlen ins Spiel. Dem Bericht entnimmt der Artikel, dass David Satterfield darauf antwortete, dass „das Ziel ist, Bedingungen und Institutionen zu erschaffen, die es Assad unmöglich machen, Wahlen zu gewinnen“.

Satterfield fügte demnach hinzu, es würde „keinen vernünftigen Grund“ geben, Assad als Kandidaten auszuschließen. Unter diesen Bedingungen wäre es im Wesentlichen eine Frage des möglichen Widerstandes Russlands, ob man „das Regime dazu bewegt, eine neue Verfassung, freie Wahlen unter der Kontrolle der Vereinten Nationen und die Gründung eines Umfeldes zu erlauben, das diese beiden Prozesse begünstigt“.

Nach Satterfield ging es darum, die Russen dazu zu bringen, Assad fallen zu lassen, und zwar „durch Sitzungen im Sicherheitsrat und einer breiten PR-Kampagne“, wobei sie davon ausgingen, dass die anstehenden Präsidentschaftswahlen in Russland die bisherige russische Position schwächen würden.

Das Sabotieren und Instrumentalisieren von Sochi

Eine der Schlussfolgerungen des ersten Treffens der „kleinen Gruppe“ war eindeutig: „Genf wieder zu beleben, so dass Sochi irrelevant wird“. Frankreich forderte mehr „Transparenz über die Position Russlands“. Aber es wäre noch nicht der Zeitpunkt gekommen, sich frontal gegen Sochi zu positionieren, da dort ein signifikanter Teil der syrischen Zivilgesellschaft versammelt ist, von der die „besten Beiträge nach Genf übernommen werden könnten, um das Genfer Format neu zu starten und zu beleben“.

Der saudische Teilnehmer warnte dem Bericht zufolge vor dem Risiko, die Opposition weiter in unterschiedliche Gruppen zu zersplittern, und forderte Hilfe, um den Zusammenhalt zu gewährleisten. Satterfield antwortete, dass die Vertreter der Opposition „stärker damit beschäftigt sein sollten, eine politische Lösung zu finden, statt hohe Gehälter und lange Aufenthalte in angenehmen Hotels zu genießen“. Frankreich unterstützte diese Bemerkung durch Betonung der notwendigen „Kommunikation“.

Diesbezüglich findet man dem Artikel zufolge in dem britischen Protokoll noch den Kommentar: „Unglücklicherweise beabsichtigt die Fünfte Republik nicht die Finanzierung dieser Anstrengungen“. Großbritannien erinnerte daran, dass „die Kommunikation der Opposition in erster Linie durch Großbritannien finanziert worden war“.

Der Bericht führte weiter aus, dass David Satterfield erklärte, der Widerstand der Türkei gegen die Teilnahme der „Kurdish People’s Protection Units“ (YPG) hielte sie davon ab, in Genf teilzunehmen. Er brachte zwar Verständnis für die Position Ankaras auf, betonte jedoch, dass „wir eine Gruppe, die ein Drittel Syriens (sic) kontrolliert und den größten Teil des Kampfes gegen Daesh (sic) geleistet hatte, nicht ignorieren können“.

Er erklärte, dass die Amerikaner versuchen würden, eine multi-ethnische Führung im Nordosten Syriens zu etablieren, um die Hegemonie der YPG zu unterminieren“. Andererseits wäre es notwendig, die SDF (Syrian Democratic Forces, -hauptsächlich Kurden unter der Kontrolle der USA) in den Prozess in Genf einzubeziehen.

Der Artikel ergänzt dann den Kommentar des Berichtsautors: „Ich habe gehört, dass die Vereinigten Staaten William (Bill) Roebuck, ihren ehemaligen Botschafter in Bahrain, als Sondergesandten der SDF entsenden wollen. Es ist notwendig sich zu erinnern, dass auf Grund unserer separaten Diskussionen, zum Beispiel mit Fiona Hill, deutlich wurde, dass die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Türkei schon jetzt sehr schlecht sind und sich kaum verbessern werden.

Als Folge sind Amerikaner nicht in der besten Position, die große Aufgabe mit der SDF und Ankara alleine zu stemmen.“ Ein ehemaliger US-Botschafter wird also Gesandter der Kurden in Syrien. Mehr muss wohl zum Thema „Stellvertreterkrieg“ nicht gesagt werden.

Das Ziel wäre dann klar definiert worden: „Staffan de Mistura dazu zu bringen, in Genf eine Dreiparteien-Struktur zu akzeptieren, bestehend aus der Opposition, Assad und der SDF“.
Darüber hinaus wies der stellvertretende Außenminister der USA darauf hin, dass Staffan de Mistura vor dem nächsten Treffen am 23. Januar in Paris ein inoffizielles Papier mit dem Titel „Wiederbelebung der politischen Entwicklung Syriens in Genf“ geschickt werden würde, um die Russen auszuspielen.

Dieses Dokument enthielt „eine politische Roadmap, die Elemente der Verfassungsreform, die Struktur der UNO-Wahlüberwachung und Richtlinien für die Errichtung einer friedlichen Umgebung“. Mit anderen Worten wollen die USA die gesellschaftlichen Veränderungen in Syrien unter dem Deckmantel von UNO-Vorschlägen nach ihren Wünschen gestalten.

Der Autor des Berichtes schlussfolgert: „Im Moment müssen wir diese Gruppe nur auf die USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien beschränken. Die als nächste Einzuladenden sind Ägypten und Deutschland (für die wir uns stark gemacht hatten)“. Die Türkei sollte ebenfalls der Gruppe beitreten, aber die Diskussion mit dem Land könnte dem Bericht zufolge durch die Kurdenfrage vergiftet werden, wodurch es schwieriger würde, Astana zu neutralisieren. Daher wäre es im Moment nicht angesagt, die drei Länder zu integrieren.

Bellizistische Kommentare

Die abschließenden Kommentare des diplomatischen Berichts sprechen Bände über die Zukunft westlicher Strategie in Syrien. Die drei wichtigsten Schlussfolgerungen unterstreichen „eine reale Bestätigung der US-Führung hinter den Kulissen …“. Der zweite Aspekt ist dem Artikel zufolge, „den Druck auf Russland aufrecht zu erhalten, auch wenn Moskau nicht überzeugt werden kann, das Regime fallen zu lassen, wie wir es gehofft hatten“. In dieser Hinsicht „müssen wir weiter machen - was wir ja bereits tun, die schreckliche humanitäre Lage zu denunzieren ebenso wie die Komplizenschaft Russlands bei der Bombardierung ziviler Ziele“.

Fazit

Aus dem Dokument ist die westliche Strategie in Syrien gut zu erkennen. Es geht darum, den Sochi-Friedensprozess zu sabotieren und zwei neue Kriege in die Syrienkrise einzubringen: den Krieg der Türkei gegen die Kurden, der ja bereits begonnen hat, und den der Israelis gegen den Iran und die libanesische Hisbollah, der kurz vor dem Ausbruch zu stehen scheint.

Das Ziel der USA ist offensichtlich nach wie vor die Zerstörung Syriens, mit einer Entwicklung wie sie im Irak und Libyen zu beobachten war.

Ihre Absicht ist es offensichtlich, die Kurden zu bewaffnen, damit sie die Ölreserven in Ost-Syrien kontrollieren, um den politischen und wirtschaftlichen Aufbau des Landes zu beeinflussen. Die spannende Frage wird sein, ob die Kurden sich auf Dauer von den USA in dieser Form instrumentalisieren lassen.


Bild


Quellen und Anmerkungen:

(1) Benjamin Norman, Foreign and Security Policy, Middle East, British Embassy
(2) http://al-akhbar.com/node/291239
(3) http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-02/syrien-frankreich-macron-giftgas-angriffe
(4) https://twitter.com/RT_Deutsch/status/967387577937522688
(5) Gemeint ist die Regierung von Syrien.


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