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Die Gemeinschaftslüge

Die Gemeinschaftslüge

In der Frage des Impfens sprechen Politiker gern von „Solidarität“ — dahinter verbirgt sich jedoch das genaue Gegenteil.

Der eine oder die andere dürfte sich noch an Helmut Kohls geflügeltes Wort erinnern, dass „alle den Gürtel enger schnallen müssen“. Beim genauen Hinsehen zeigte sich, dass längst nicht alle gemeint waren, schlimmer noch, dass die Instrumentalisierung der Solidarität eine deutliche Umverteilung von unten nach oben verschleiern sollte. Solidarität, ein durch historische Kämpfe mythisch aufgeladener Begriff, entzieht sich einfachen Definitionen, vielleicht macht ihn das so anfällig für politischen Missbrauch. Wo „Solidarität“ zur Volksbeschwörung verwendet wird, geht es darum, dem Bürger einzureden, auf Eigeninteressen zu verzichten. An uns ergeht der Ruf der Obrigkeit, uns konform zu verhalten, aus Einsicht in die Notwendigkeit — die oft gar nicht besteht — oder auch nur aus Einsicht in die Herrschaftsverhältnisse, also aus Angst vor Ächtung.

Die derzeit für Impfsolidarität trommelnden Politiker, Journalisten und „Experten“ — selten Virologen, Epidemiologen oder anderweitig fachlich Versierte — stehen ganz in dieser demokratiefeindlichen Tradition, wenn sie sich wie Peter A. Fischer in der NZZ völlig unbefangen als die „Vernünftigen“ bezeichnen (1) oder wie Udo Knapp in der taz ihren Fieberphantasien von einer „kollektiven Bedrohungslage“ freien Lauf lassen (2). Den Impfverweigerern wird vorgeworfen, ihre Volksgenossen in dieser Not im wahrsten Sinne des Wortes im Stich zu lassen. Wer so egoistisch und uneinsichtig sei, der müsse dann eben von der vernünftigen Herrschaft gezwungen werden.

Das passt doch, denn Politiker von Markus Söder bis Wolfgang Schäuble finden schon lange nichts dabei, Impfverweigerer öffentlich als moralisch minderbemittelt zu geißeln. Das explizit als nur vorläufig gekennzeichnete „gute Zureden“ mit dem Solidaritätszeigefinger ist reichlich paradox, weil damit dem Einzelnen sein individuelles Entscheidungsrecht abgenommen werden soll — während doch eigentlich moralisch nur etwas geheißen werden kann, was aus freiem Willen geschieht. Um dieses Handicap zu überwinden, wird einerseits die Freiheit des Einzelnen beteuert, anderseits gleichzeitig die „Faktenlage“ so zurecht poliert, dass der Einzelne nicht mehr anders kann, als aus freier Einsicht in die Notwendigkeit einzustimmen in das von Obrigkeit und herrschender Meinung intendierte soziale Gebot.

Was bedeutet die Forderung nach „Solidarität“ im gegenwärtigen Stadium der Pandemie und wie weit soll sie reichen? Zunächst einmal:

Wenn ein junger Mensch entscheidet, sich impfen zu lassen und damit auch ein gewisses Gesundheitsrisiko auf sich zu nehmen, um zum Beispiel das Risiko der eigenen Eltern, an Covid-19 zu erkranken, zu reduzieren, hat das wenig mit Solidarität zu tun, sondern mit Liebe.

In den meisten solcher und ähnlicher Konstellationen lautet allerdings die naheliegendste Frage, warum es nicht reicht, wenn sich die betagten Eltern impfen lassen, sofern es stimmt, dass die Impfung vor schweren Verläufen und Sterberisiken weitgehend schützt.

Wer noch kein Senior und einigermaßen gesund ist, für den besteht angesichts der Seltenheit von schweren Verläufen der Corona-Erkrankung bei unter 50-Jährigen, also aus Gründen des individuellen Schutzes, kein zwingender Anlass, sich impfen zu lassen, je jünger, desto weniger. Wer aus diesen Altersklassen sich dennoch sicherer mit der Impfung fühlt, kann sie in Anspruch nehmen — aber auch das hat nichts mit Solidarität zu tun.

Das Thema Covid-19 und Impfungen lässt sich nicht altersunabhängig betrachten, obwohl uns genau dies die Mainstream-Medien monatelang mit allen Rechentricks, verdrehten Faktenchecks, aufgebauschten Einzelfällen und Experteninterviews versucht haben einzureden. Risiken für schwere Verläufe der Erkrankung und für Todesfälle sind stark altersabhängig: Das durchschnittliche Alter der an Covid-19 Verstorbenen liegt über 80 und entspricht damit annähernd der normalen Sterblichkeit und der Sterblichkeit in Grippewellen. Unter 50 dagegen gibt es keine statistisch relevante Masse an ernsthaften Verläufen oder gar Todesfällen (weniger als 1 Prozent), sondern nur Einzelfälle, je jünger, desto weniger (3).

Kinder haben fast ausschließlich asymptomatische oder ganz leichte Verläufe. Ganz und gar abstrus wird es daher, wenn neuerdings gefordert wird, dass diejenigen aus der älteren Generation, die sich immer noch nicht haben impfen lassen, dies aus Solidarität mit den Jüngeren nachholen sollen. Für solche Forderungen braucht es eine ausgeprägte Phantasie, um überall neue Bedrohungen zu wittern. Nicht minder abstrus ist allerdings die Forderung, die Kinder, die von den Impfungen höchstwahrscheinlich keinerlei zusätzlichen Schutz, sondern nur die Risiken zu erwarten haben, müssten mit dem Rest der Gesellschaft solidarisch sein (4).

Solidarität innerhalb einer Altersklasse: kein Thema für die Impftodleugner

Die Corona-Impfungen sollen laut einhelliger Meinung der Impfexperten und Politiker für einen hervorragenden „Eigenschutz“ der Geimpften vor schweren Verläufen und Sterberisiken sorgen. Kinder müssen davor nicht geschützt werden, da sie diese Risiken nicht haben. Wenn aber die Risikogruppen, vor allem die vulnerablen Hochbetagten und vorerkrankten Betagten, durch eigene Impfung geschützt sind, braucht es für ihren Schutz auch keine „Solidarität“. Ob wir diese für etwas anderes brauchen, dazu später mehr. Zunächst noch ein Blick auf das bereits praktizierte Solidarprinzip im Rahmen der Impfkampagne:

Der extremste Zwang zur Solidarität hat meines Erachtens innerhalb der Generation der Senioren selbst Anwendung gefunden.

Ich habe den Eindruck, dass in vielen Seniorenheimen und ähnlichen Einrichtungen nicht groß gefragt wurde, wer sich impfen lassen möchte — oder wenn, dann war der moralische Druck so hoch, dass sich wohl kaum jemand getraut hat, Nein zu sagen. Bei den Hochbetagten sind in Folge der Impfung zweifellos Menschen gestorben, die ansonsten noch eine unbestimmte Zeit länger unter uns geblieben wären.

Laut Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts von Mitte Juli 2021 (5) sind im Zeitraum bis 30. Juni 2021 allein nach Impfung mit der vielgerühmten BioNTech-Vakzine „Comirnaty“ 174 Menschen an Thrombose, in Zahlen: 143, oder Blutung, 31, verstorben, davon mehr als 45 Prozent, das heißt 79, in der Altersklasse 80 und älter, weitere 35 Prozent, also 41, in den Altersklassen 60 bis 79. Man kann davon ausgehen, dass es eine hohe Dunkelziffer an ungemeldeten Todesfällen gerade in der Klasse „80+“ gibt, dies hat sich in der Anfangszeit der Impfkampagne gezeigt, als mehr oder weniger synchron aus Senioreneinrichtungen über auffällige Todesfall-Häufungen berichtet wurde, die man aber amtlicherseits aggressiv und mit Flankenschutz seitens der üblichen Faktenfüchse als rein zufällig zur Seite geschoben hat.

Die Hochbetagten hatten das größte Risiko, an Corona zu sterben, und auch das größte Risiko, an akuten Impffolgen zu sterben. Abgestuft gilt das auch für die Altersklassen über 60. In gewisser Weise könnte man das für den natürlichen Lauf der Dinge halten: Je älter, desto höher ist eben „sowieso“ das Sterberisiko — das durfte nur in Bezug auf Covid nie gesagt werden, in Bezug auf die Impfung wurde es dagegen von manchen Impfbefürwortern ganz unbefangen geäußert: „Das waren doch Patienten, die schon auf der Palliativstation lagen“ oder so ähnlich (6). Ach so, ja dann, wenn es nur um ohnehin Todgeweihte ging, dann spielt offenbar die Frage, ob sie an der Entscheidung beteiligt waren, keine Rolle.

Man kann diese Praxis des „Durchimpfens“ der Hochbetagten aus Sicht von Einrichtungen nachvollziehen und vielleicht sogar als „alternativlos“ begründen: Warum hier das Selbstbestimmungsrecht über die eigene Gesundheit der Quasi-Entmündigung zum Opfer fiel. Allerdings steht diese Praxis in seltsamem Kontrast zu der geäußerten politischen Aussage: „Jedes Menschenleben zählt“, und zu Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (7)

Es ist beeindruckend, wie wenig Beachtung in der Impfkampagne das Recht auf Selbstbestimmung über die eigene Gesundheit findet, geradezu beängstigend aber finde ich es, wie wenig Beachtung dieser Aspekt bei der Impfung der Betagten und Hochbetagten gefunden hat.

Alte Menschen wurden in großer Zahl die ganze Pandemie über entmündigt. Daran hat sich die Öffentlichkeit so gewöhnt, dass es niemand mit den Impffolgen und der freiwilligen Impfentscheidung davor so genau wissen wollte. Interessant scheint mir in diesem Zusammenhang auch, dass es Politikern und Journalisten schon aufgefallen ist, dass in den extrem verkürzten Zulassungsstudien für die Impfstoffe Kinder und Jugendliche nicht repräsentiert waren. Für Hochbetagte und Risikopatienten galt das zwar auch, das hat aber fast niemand interessiert.

Wenn die Impfung zum Eigenschutz — vor schweren Verläufen und Tod — hervorragend ist, dann könnte man es doch der Verantwortung des Einzelnen überlassen, welche Risiken er oder sie eingeht, egal in welchem Alter und mit welchem „statistischen“ Corona-Risiko. Wir verbieten mit einigen guten Gründen weder Risiko-Sportarten noch Rauchen oder Alkoholkonsum und verweigern den dadurch Geschädigten auch nicht die notwendige medizinische Hilfe.

Junge für Alte oder umgekehrt: Wer definiert eigentlich die Richtung des Solidarprinzips?

Meist wird allerdings mit dem Begriff „Solidarität“ in der Impfkampagne gar nicht die Solidarität innerhalb einer Altersklasse gemeint. Vielmehr wird offensiv unterstellt, Stärkere sollten etwas für die Schwächeren tun. Diese, aus dem Sozialstaat bekannte und wohlklingende Formel lässt sich jedoch nur mit kräftigen Verbiegungen auf das Thema Gesundheit anwenden. Warum sollen denn Alte kein deutlich höheres Erkrankungs- und Sterberisiko haben als Jüngere? Und warum sollen Gesunde ihre Gesundheit riskieren, damit diese natürliche Tendenz abgeschwächt wird?

Gilt schon für die Therapie das hohe Gebot, primär nicht zu schaden, muss dies bei Präventivmaßnahmen wie Impfungen erst recht gelten. Impfungen verändern das Immunsystem für den „Rest des Lebens“. Ob das gut oder schlecht ist, lässt sich kaum pauschal sagen, schon gar nicht bei wenig bekannten Erkrankungen und neuartigen Impfstoffen. Es ist allerdings falsch und unverantwortlich, so zu tun, als seien diese Impfungen für die Jüngeren „alternativlos“ — dies ist eine verlogene politische Strategie.

Unter Solidarität könnte genauso gut verstanden werden, dass Hochbetagte sich mit den jüngeren Altersgruppen in der Form solidarisch zeigen, ihre höheren Lebens- beziehungsweise Sterberisiken zu tragen, damit die Jüngeren, die noch einen längeren „Rest des Lebens“ haben, nicht ihre Gesundheit belasten.

Das wäre nur dann klar andersherum, nämlich so, wie es die Impfpropaganda reklamiert, wenn die Impfung harmlos wäre wie der kleine Piks an sich, nur ein kleines „Aua“ wert — was Fachleute ganz offensichtlich bezweifeln, sonst hätte es längst offizielle Empfehlungen gegeben, die mit Mühe erst diese Woche der Ständigen Impfkommission abgerungen wurden!

Bei den bekannten Sozialversicherungen wird vom Solidarprinzip gesprochen. Ähnlich könnte der Staat prinzipiell eine Impfpflicht mit dem Solidarprinzip einer Risikogemeinschaft begründen. Um sich zu solcher herrschaftlichen Fürsorge zu ermächtigen, müssten allerdings die Prämissen stimmen. Daran hapert es aber gewaltig: Es gibt, anders als etwa bei der Arbeitslosenversicherung, keine Risikogemeinschaft bei Corona, vielmehr sind die Risiken unter den Altersgruppen extrem unterschiedlich verteilt.

Je jünger die Gruppen der zu Impfenden werden, bei denen ein geringes Risiko für schwere Covid-Verläufe besteht, desto mehr könnte man in puncto Solidarität fragen: Wie viele Todesfälle pro 100.000 geimpften jüngeren Menschen und wie viele weitere schwerwiegende und dauerhafte Schäden in diesen Altersklassen sind akzeptabel, damit vielleicht 5 alten Menschen pro 100.000 das Leben, und für wie lang, gerettet wird? Genaue Zahlen kennen wir nicht, die interessanten Berechnungen von Prof. Harald Walach und anderen wurden erwartungsgemäß als „unseriös“ in den Faktencheck-Reißwolf gesteckt. Wer wie mit Zahlen rechnen darf, bestimmen die Pandemiewächter (8).

Vergessen wir aber nicht, dass wir fast jeden Tag hören, wie gut die vulnerablen Gruppen durch die weitgehende Durchimpfung ihrer Altersklassen bereits geschützt sind, der beste Eigenschutz aller Zeiten, das heißt, es gibt anscheinend kaum noch Todesfälle durch Corona. Für diese Gruppen braucht es demnach keine Solidarität und keine Zahlenspiele. In den jüngeren Altersklassen sind allen Unkenrufen zum Trotz ohnehin kaum Todesfälle zu erwarten, es sei denn man spekuliert angstbesetzt wie Udo Knapp drauflos über drohende aggressivere Corona-Varianten und über die „weltweit dann noch lange nicht beherrschten Corona-Virenfamilie“. Von Helmut Schmidt stammt das geflügelte Wort: „Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen.“ Wer Horrorvisionen hat, für den gilt das erst recht.

Die Mär von der Herdenimmunität oder: Vom guten Zweck, der Lügen heiligt

Da für den Schutz der vulnerablen Gruppen die Impfsolidarität nicht erforderlich ist, wird die unverändert aggressiv geforderte „Solidarität“ mehr und mehr umdefiniert und aufs ganze Volk bezogen: Auch die Jungen und Gesunden sollen sich impfen lassen, damit wir bald wieder normal leben können. Dass wir das angeblich nur können, wenn alle geimpft sind, dies war schon früh die erklärte Strategie der Kanzlerin! Diese Fiktion wird seither in immer neuen und aggressiveren Varianten nachgebetet, zuletzt diese Woche vom Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ralph Brinkhaus: Ungeimpfte würden das Leben der Geimpften einschränken. Das ist eine dreiste Lüge: Die Politik von Merkel, Brinkhaus und Co. schränkt das Leben aller ein, es hat nichts mit den Ungeimpften zu tun.

Eigentlich müsste die Politik ihre diversen Versprechen von 2020 längst einlösen: Wenn die Worst-Case-Szenarien gebannt sind, kommt die Normalität zurück.

Stattdessen werden von der Politik ständig neue Schreckensszenarien gebastelt und Inzidenzwerte fixiert, um die unsinnige Behauptung der Kanzlerin aufrechtzuerhalten, die Durchimpfung der Bevölkerung wäre unabdingbar. Derweil verfolgen einige Medien und „Experten“ mittlerweile eine andere Linie, um durch die Hintertür aus der selbstverschuldeten Argumentationsmisere zu entweichen: Die Deltavariante des Coronavirus sei schuld, dass es mit der Herdenimmunität nichts wird, zuvor sei diese aber ein sinnvolles politisches Ziel für die Impfkampagne gewesen.

Die Herdenimmunität, wenn sie denn möglich wäre, benötigt man weder für den Schutz des Gesundheitssystems vor Überlastung noch für den Schutz der vulnerablen Gruppen. Auch wenn es ganz verboten klingt: Corona ist dafür nicht oder zumindest nicht mehr gefährlich „genug“ — und die Impfungen sind nicht harmlos „genug“ für eine Impfpflicht. Die Überlastung der Krankenhäuser oder gar Intensivstationen mit vielen jungen Corona-Schwererkrankten ist bloße Phantasie, es gibt keinerlei realistischen Anhaltspunkte dafür. Derweil erzählt die Kanzlerin weiter bei jeder Gelegenheit, um die zu erwartenden höheren Inzidenzen zu bewältigen, würde eine höhere Impfquote benötigt, und „bittet“ die noch Unsicheren oder Zögernden eindringlich, sich impfen zu lassen. Gleichzeitig fasst sie mit den Ministerpräsidenten Beschlüsse für flankierende Maßnahmen, um es den Zögerlichen noch ungemütlicher zu machen.

Was ist wirklich zu erwarten an der Pandemiefront? Es wird möglicherweise wie in allen Grippezeiten wieder vollere Krankenhäuser in Herbst und Winter geben. Außerdem vermutlich, je nach Teststrategie, steigende Corona-„Fallzahlen“, allerdings ohne Fälle, da die nun vermehrt betroffenen Jüngeren überwiegend keine oder nur geringe Symptome zeigen. Das muss aber heftig geleugnet werden, damit man es weiter den Ungeimpften ungemütlich machen kann. Nur aus derart gezielter Fehldarstellung kann man „logisch“ folgern, dass die Gesellschaft ein Interesse an einer hohen Impfquote haben müsse.

Man erfindet eine „kollektive Bedrohung“, so Knapp, und passend dazu „die einzige Chance“, sie abzuwenden. Dafür müssen dann endlich auch Kinder und Jugendliche geimpft werden. Egoisten oder ideologische Impfgegner, die die Herdenimmunität verhindern, muss die Politik mutig im Sinne des „demokratischen“ (!) Zusammenhalts zur Vernunft zwingen.

Virologen, Epidemiologen und ausgewiesene Impfexperten teilen weder dieses Szenario noch geben sie die berühmt-berüchtigte Herdenimmunität noch länger als realistisches Ziel aus. Ist diese denn überhaupt möglich? Ständig wurden höhere notwendige Impfquoten dafür genannt, hochgebaut wie ein Kartenhaus, das eben irgendwann einstürzt, statt irgendetwas tragen zu können. Was wir sicher wissen ist, wie schwierig selbst bei weniger variablen Viren und effektiveren Impfungen sowie hohen Impfquoten das Erreichen von irgendeiner Art Herdenimmunität ist (9).

Derweil sinkt die Effektivität des Corona-Impfschutzes in puncto Übertragung des Virus praktisch von Tag zu Tag und erreicht die für Grippeimpfungen üblichen, lausigen Werte — deutlich besser als nichts, solange sie zum Eigenschutz taugt, aber garantiert kein effektives Mittel, ein solches Virus und seine Familie quasi total in den Griff zu bekommen (10). Das hat nichts mit Delta oder irgendwelchen anderen angeblich überraschenden Varianten zu tun, sondern mit den gezielt aufgebauschten falschen Vorstellungen von Herdenimmunität.

Wahrscheinlich ist sogar die Formulierung, Herdenimmunität sei „mit diesen Impfstoffen“, so Prof. Hendrik Streeck, nicht hinzubekommen, so vernünftig und moderat sie klingt, ziemlich irreführend, so als würden wir demnächst „noch bessere“ Impfstoffe erwarten — wo doch ein mindestens ebenso großes Hemmnis für eine Herdenimmunität in der Art der Erreger zu sehen ist. Daher gehen viele Fachleute dazu über, Corona mehr und mehr und Schritt für Schritt wie eine Art Grippe zu sehen: Manche sagen, alle über 50 sollten sich unbedingt impfen lassen, andere sagen, na ja, auf alle Fälle die besonders vulnerablen Alten; ansonsten wird der Ball deutlich flacher gehalten als in Politik und Medien (11).

Die Impfpropaganda folgt den üblichen Mustern und zeigt die üblichen Widersprüche

Zu „Demokratie“ müsste hierzulande eigentlich der Anspruch gehören, dass die maßgeblichen politischen Institutionen und Medien nicht jene „Wahrheit“ verbreiten, die dem Zweck der jeweiligen Kampagne dienlich ist, sondern einen Diskurs über wissenschaftliche Erkenntnisse und Konsequenzen daraus zulassen oder gar organisieren. Doch bei Corona läuft die Impfpropaganda nach dem altbekannten Muster, welches das RKI seit Jahr und Tag für viele Impfungen perfekt beherrscht, nur dass die Ständige Impfkommission (STIKO) diesmal lange Zeit nicht so richtig mitgemacht hat:

Schritt 1: Die Gefahr durch den Erreger für die Bevölkerung wird stark überzeichnet, ebenso das Risiko des Einzelnen, zu erkranken, schwer zu erkranken, eventuell zu sterben, zumindest aber unter chronischen Folgen zu leiden. „Lang lebe Covid“, beziehungsweise Long-Covid lässt grüßen. Dafür müssen auch die Möglichkeiten der Behandlung der Krankheit und ihrer Folgen ausgeblendet werden. Dass Menschen nach einer schweren akuten Atemwegserkrankung manchmal lang oder sogar sehr lang brauchen, um wieder fit zu werden, oder sogar bleibende Defizite haben, gilt in der Medizin als nichts Besonderes, dies als Syndrom zu bezeichnen, ist vor allem eines: eine zweckdienliche Krankheitserfindung.

Schritt 2: Die Wirksamkeit der Impfung wird stark überzeichnet. Das Risiko für Impfnebenwirkungen und Impfschäden wird im gleichen Zug kleingerechnet oder frech kleingelogen. Die Pharmaindustrie hat viel Erfahrung mit solchen Zahlenspielen, von den Zulassungsstudien bis zu den als „Studien“ aufbereiteten ziemlich frei gewählten und malträtierten Zahlen in der breiten Anwendung. Wenn jedoch die Covid-Impfungen so harmlos wären wie behauptet, hätte die Ständige Impfkommission sie doch längst vehement für alle empfehlen müssen und nicht erst jetzt nach monatelangem politischem Druck und unter „neuen Erkenntnissen“. Offenbar fürchten doch einige Wissenschaftler, und nicht nur in der STIKO, um ihren Ruf oder haben sogar ethische Bedenken!

Ständig erzählt uns die Impfpropaganda, schwerwiegende Nebenwirkungen der Corona-Impfungen seien „sehr, sehr selten“. Die Begriffe „häufig“ bis „sehr selten“ für Meldungen von Nebenwirkungen sind allerdings klar definiert: „sehr, sehr selten“ gibt es gar nicht, es soll im Propagandakontext wohl heißen: so gut wie nicht feststellbar — was angesichts der im historischen Vergleich schlecht verträglichen Impfstoffe skurril wirkt.

Die Kategorie „sehr selten“ für unerwünschte Arzneimittelwirkungen beinhaltet eigentlich eine Meldung auf 1000 bis 10.000 Behandelte. Bei den Impfstoffen hat man die Bezugsgröße „Zahl der Behandelten“ in „Zahl der Impfdosen“ verwandelt, was logischerweise, da viele Menschen zwei Impfdosen — oder bald mehr! — erhalten, automatisch die Zahl der gemeldeten Impfstoff-geschädigten Menschen drastisch reduziert. Dennoch waren laut Paul-Ehrlich-Institut für das erste Halbjahr der Impfkampagne pro 1000 Impfdosen 1,4 Meldungen für Nebenwirkungen zu verzeichnen, das ist mehr als ein Fall unter 1000 bis 10.000 Impfdosen und müsste korrekt unter „gelegentlich“ rangieren (12). Schwerwiegende gemeldete Nebenwirkungen waren es 0,1 pro 1000, also 1 pro 10.000, das würde dann gerade noch als „sehr selten“ durchgehen.

Pharmafirmen und die für sie Forschenden spielen mit diesen Tricks, seit es Marketing gibt. Man kann zum Beispiel einzelne Risiken für schwerwiegende Nebenwirkungen gesondert angeben, dann wirkt es nach weniger. So sollen männliche Kinder und Jugendliche nach neusten Erkenntnissen der STIKO ein Risiko von 1:16.000 für eine Herzmuskelentzündung haben. Das ist definitionsgemäß „sehr selten“. Aber sind die Risiken für sämtliche schwerwiegenden Nebenwirkungen auch „sehr selten“ — und in welchem Verhältnis steht dies zu den Risiken, schwer an Covid-19 zu erkranken?

Die eventuellen negativen Langzeitfolgen für die individuelle Immunität werden sowieso nicht diskutiert, ebenso wenig die Langzeitfolgen für die epidemiologische Anfälligkeit der Bevölkerung.

Die Kinder zu impfen könnte auch im Sinne der Pandemiebekämpfung unsinnig sein, denn sie durchlaufen die Infektion asymptomatisch oder mit schwachen Symptomen, entwickeln eine vermutlich solidere Immunität als durch die Impfung, stecken Alte im Übrigen weniger an als gedacht. Man könnte also vermuten, im Grunde tragen sie ungeimpft mehr und nachhaltiger zur Kontrolle der Corona-Erreger bei. Wir wissen es nicht. Das würde natürlich niemand so sagen, erstens weil es fast nach Wolfgang Wodarg und anderen vom Corona-Establishment Verstoßenen klingt, zweitens weil die Pandemiewächter sowieso alles ganz genau wissen, je nach Kampagnenbedarf.

Rückblickend kann man diesem Regime attestieren, dass es die Angst der Älteren und die Angst um die Älteren, aber auch um viele tatsächliche und mehr noch angebliche sonstige Risikogruppen mehr als ausreichend mobilisiert hat, so dass in den Lockdowns eine hohe Bereitschaft zur Solidarität — als Verzicht auf viele Arten von Eigeninteressen — die Folge war. Was davon angemessen war und nicht, sei hier einmal dahingestellt. Nur ist die Situation jetzt definitiv anders, das lässt weder weitere Lockdown-Maßnahmen noch den Ruf nach Impfpflicht sonderlich plausibel erscheinen.

Um was geht es also? Die Angst der Herrschenden, aus dem selbst gestrickten Labyrinth von Falschaussagen und überzogenen Forderungen nicht mehr herauszufinden?

Oder der bloße Machtanspruch? Die in Corona-Zeiten wieder zur Gewohnheit gewordene Herrschaftsform des Obrigkeitsstaats, das mutmaßt zumindest NZZ-Chefredaktor Eric Gujer (13) — obwohl die NZZ manchmal auch mitmacht bei der Ungemütlichkeit für Ungeimpfte.

Wer lässt hier eigentlich die Gesellschaft im Stich? Konformismus ist kein moralisches Adelsprädikat

Die Moral von der Geschichte? Moralisch kann letztlich nur die Entscheidung und das Verhalten des Einzelnen sein, der seinem Gewissen folgt — auch wenn im erweiterten Sinn verordnete Sozialstaatsprinzipien ebenfalls als ethisch begründet erscheinen. Die herrschende Lehre jedenfalls, was „man“ zu tun habe, ist nicht per se moralischer beziehungsweise moralisch höherwertig, selbst wenn es die Meinung der Mehrheit wäre.

John Stuart Mill, ein Mitbegründer des modernen Liberalismus, hat wiederholt geäußert, etwa in seiner Streitschrift „On Liberty“ von 1859, schlimmer als die Tyrannei eines Königs könne die moralische Wichtigtuerei einer Gesellschaft sein. Das passt auf die Religion, die er vor allem im Auge hatte, aber auch auf das gegenwärtige Regime, dass die Moral zur Unterdrückung missbraucht.

Es gibt ethisch relevante Gründe, sich der Impfkampagne zu verweigern und der anhaltenden Impfpropaganda zu widerstehen. Die Menschenwürde gehört dazu. Impfverweigerer sind keinesfalls automatisch Egoisten, genauso wenig wie Geimpfte automatisch als moralisch höherwertige Handelnde geadelt werden können. Tatsächlich haben sich viele Menschen in guter Absicht und aus Solidarität heraus impfen lassen und sind dabei auch Risiken eingegangen — das verdient meinen Respekt.

Vielen anderen ging und geht es jedoch schlicht darum, ihre Ruhe zu haben vor dem Druck der Obrigkeit und ganz bequem möglichst schnell wieder als Vollmitglied der Gesellschaft ohne Reise- und sonstige Einschränkungen agieren zu dürfen. Ein Teil von ihnen hetzt aktiv mit gegen die angeblich unsolidarischen Ungeimpften. Doch man könnte partiell auch hier die Frage nach der Solidarität umdrehen: Wer lässt hier wirklich die freiheitliche Gesellschaft — und das normale Leben einer Demokratie — im Stich zugunsten des erzwungenen Konformismus? Ungeimpfte sind ungemütlich, weil nicht angepasst genug.

Allerdings, warum sollten sich Geimpfte und Ungeimpfte von Macht und Medien mit pseudomoralischen Argumenten gegeneinander aufbringen lassen! Das trifft auch auf andere, manchmal nur scheinbare Fronten am Corona-Graben zu: Warum gegeneinander ausspielen lassen (14)? Wer wie ein Großteil der Politiker und publizistischen Pandemiewächter, vom „notwendigen schlechten Gewissen“ schwadronierend, schamlos die Tatsache leugnet, dass die Herdenimmunität bei Corona längst ein Phantom ist, wer eine nicht mehr existente kollektive Bedrohung heraufbeschwört und gleichzeitig die Effektivität der Impfungen weiter unfassbar beschönigt, die Nebenwirkungen verschweigt, der hat jede Berechtigung zur ethischen Argumentation verloren.

So gesehen ist es eigentlich wie immer, nur schlimmer. Als Helmut Kohl unseren Gürtel enger schnallen wollte, gab es innerhalb und außerhalb des Parlaments eine — aus heutiger Sicht zumindest — starke Opposition von SPD, Gewerkschaften, Kirchen, Sozialverbänden und anderen, auch die Medienlandschaft bot reichlich kritische Stimmen. Heute scheinen die Medien wie gleichgeschaltet, die machtbewusste Kanzlerin bittet ihre Mitbürger mit unschuldigem Gehabe, Bischöfe beten für die Impfkampagne und die Opposition innerhalb des etablierten politischen Spektrums beschränkt sich auf Teile der FDP, AFD und Hubert Aiwanger von den Freien Wählern, die allesamt nach anderthalb Jahren Pandemie und herrschaftskonformem Verhalten nur bedingt glaubwürdig sind.

Ihr wahlkampftaktisches Verhalten gibt allerdings Hinweise darauf, wie stark der Gegentrend in der Gesellschaft ist. Schon möglich, dass vielen Politikerinnen und Politikern die moralische Enttarnung droht: Sie leugnen und lügen, allerdings stützen und immunisieren sie sich dabei gegenseitig. Eine ganz besondere Art von Herdenimmunität. Wer weiß, wie lange sie noch hält.


Quellen und Anmerkungen:

(1) Peter A. Fischer, Nichtimpfen ist unsolidarisch, Neue Zürcher Zeitung, 29. Juli 2021, https://www.nzz.ch/meinung/kein-impfzwang-aber-aufklaerung-und-anreize-zum-corona-impfen-ld.1636559
(2) Udo Knapp, Ja zur Impflicht! die tageszeitung, 20. Juli 2021, https://taz.de/Anti-Corona-Politik/!5787512/
(3) Statista, Todesfälle mit Coronavirus (COVID-19) in Deutschland nach Alter und Geschlecht (Stand: 3. August 2021), https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1104173/umfrage/todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus-in-deutschland-nach-geschlecht/
(4) https://www.change.org/p/jens-spahn-keine-corona-impfpflicht-f%C3%BCr-kinder
(5) Paul-Ehrlich-Institut, SICHERHEITSBERICHT, Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen nach Impfung zum Schutz vor COVID-19 seit Beginn der Impfkampagne am 27. Dezember 2020 bis zum 30. Juni 2021, veröffentlicht am 15. Juli 2021, https://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/DE/newsroom/dossiers/sicherheitsberichte/sicherheitsbericht-27-12-bis-30-06-21.pdf?__blob=publicationFile&v=5
(6) ZDF, Corona-Impfung: „Die Risiken sind sehr, sehr begrenzt“, 14. Januar 2021, https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-impfung-nebenwirkung-tote-100.html
(7) Christoph Wagner, Das Ethik-Dilemma, Rubikon, 26. Februar 2021, https://www.rubikon.news/artikel/das-ethik-dilemma
(8) Harald Walach, Unsere Impfstudie und unsere Kindermaskenstudie — Erläuterungen, 19. Juli 2021, https://harald-walach.de/2021/07/19/impfstudie-kindermaskenstudie-erlauterungen/#more-3080
(9) Steffen Rabe, Herdenimmunität, 20. Februar 2021, https://www.impf-info.de/neben-wirkungen/herdenimmunit%C3%A4t.html
(10) Redaktionsnetzwerk Deutschland, Virologe Streeck: „Wir erreichen mit diesen Impfstoffen keine Herdenimmunität“, RND, 22. Juli 2021, https://www.rnd.de/gesundheit/virologe-streeck-wir-erreichen-mit-diesen-impfstoffen-keine-herdenimmunitaet-42ZY777OCRFXBEVG5KJYGONI4I.html
(11) Martina Frei, „Es wird keine Herdenimmunität geben“, Interview mit Klaus Stöhr, 21. Juli 2021, https://www.infosperber.ch/gesundheit/public-health/es-wird-keine-herdenimmunitaet-geben-2/
(12) a.a.O., siehe (5)
(13) Eric Gujer, Der andere Blick: Es ist Zeit, die Corona-Einschränkungen zu beenden und zur Normalität zurückzukehren, NZZ, 6. August 2021, https://www.nzz.ch/meinung/corona-pandemie-es-ist-zeit-die-covid-verbote-aufzuheben-ld.1639005?kid=nl175_2021-8-6&mktcid=nled&ga=1&mktcval=175&trco=&reduced=true
(14) Initiative # coronaaussöhnung, Covid 19 ins Verhältnis setzen. Alternativen zu Lockdown und Laufenlassen, 7. Juli 2021, Broschüre zum Download: https://coronaaussoehnung.org/wp-content/uploads/2021/07/Corona_ins_Verhaeltnis_setzen_Update_15-Juli-2021.pdf


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