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Die Faszination des Unlebendigen

Die Faszination des Unlebendigen

Roboter werden Menschen immer ähnlicher — dies gilt aber auch umgekehrt, denn Verfügbarkeit, Emotionslosigkeit und fehlender Eigenwille sind bei Herrschenden beliebte Qualitäten.

„Du bist nur eine Maschine“, sagte der Mensch. „Eine Imitation des Lebens. Kann ein Robot eine Symphonie schreiben? Kann ein Robot ein Stück Leinwand in ein Meisterwerk verwandeln?“ — „Können Sie‘s?“, antwortete der Robot. Dieser höchst originelle Wortwechsel aus dem Film „I, Robot“ (2004, Regie: Alex Proyas) zeigt, wie nahe sich Menschen und Roboter oft sind, wie relativ unsere vermeintliche Überlegenheit. Roboterfilme sind ein Dauerbrenner auf der Leinwand. Gerade in den letzten Monaten wurden wieder zwei dieser Werke gezeigt. In „Terminator: Genisys“ kehrt Arnold Schwarzenegger in seiner Paraderolle als Killerroboter auf die Leinwand zurück — der Mann, der in seiner Zeit als Gouverneur Kaliforniens zahlreiche Todesurteile unterzeichnet hat.

In „Ex Machina“ von Alex Garland verliebt sich der Held in eine schöne humanoide Roboterfrau (Alicia Vikander). Hat sie eine Seele? Und was genau unterscheidet Mensch von Maschine, wenn die Fertigung der Letzteren höchste Perfektion erreicht? Das Handlungsmotiv ist sehr alt. Schon in E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ (1816) verliebt sich Nathanael in die mechanische Puppe Olimpia. Obwohl diese nur steif dasitzt, dichtet ihr der Enthusiasmus des Jünglings allerlei menschliche Qualitäten an. Für besonders seelenvoll hält er die Puppe, und selbst ihre Schweigsamkeit wird ihr als Tiefe ausgelegt, die vieler Worte nicht bedarf. Welche Menschenfrau wäre so perfekt darin gewesen, die Projektionen eines Mannes auf sich zu ziehen? Echte Frauen durchbrechen die Illusion doch immer gleich durch lästigen Eigenwillen. So entlarven Robotergeschichten fast immer menschliche Sehnsüchte und psychische Grauzonen.

„Olimpia“ reloaded

Im modernen Filmschaffen finden sich „Olimpias“ in Hülle und Fülle. In der schwedischen Sci-Fi-Serie „Real Humans“ ist es eine künstliche „Asiatin“, die das Begehren eines Pubertierenden auf sich zieht. In „Her“ genügt die sexy Stimme eines Computerprogramms (Scarlett Johansson), um die Fantasie eines einsamen Mannes zu entzünden. Der Reiz des Künstlichen beruht immer auf einem Unbehagen am Natürlichen, an den Fallstricken des Menschseins. Hatte Jean-Paul Sartre nicht geschrieben: „Die Hölle, das sind die anderen“? Wäre der Himmel demnach ein Leben ohne „die anderen“ — nicht völlig einsam zwar, aber ohne ein wirkliches Gegenüber?

Wäre vielleicht der Roboter als Partner der ideale Kompromiss zwischen der Sehnsucht nach Gesellschaft und dem Überdruss, auf Menschen eingehen zu müssen?

Schon Computerspiele und elektronische Medien sind ja — wenn auch unkörperliche — „Freunde“, zu denen der Beziehungsunfähige Zuflucht nehmen kann. Käme ein humanoider Körper — gar ein sexuell anregender — hinzu, so wäre das Paradies komplett. Gerade Filme in der ihnen eigenen Direktheit transportieren solche Schattenbereiche sehr gut.

Welche Eigenschaften der Roboter also faszinieren besonders? Da ist zunächst ihre Programmierbarkeit, ihre Formbarkeit nach den Wünschen des Besitzers. Die Hologramme in der Serie „Star Trek: Voyager“ können zum Beispiel, wenn sie unangenehme Eigenschaften zeigen, von den „Organischen“ nach Belieben umprogrammiert werden. Da können „Subroutinen“ ausgetauscht werden, können Körperform und Sprache modelliert und Charaktermerkmale in Sekundenschnelle upgeloadet werden.

Der Filmklassiker „Die Frauen von Stepford“ (1975) karikiert Männerfantasien am Beispiel einer Vorstadt, in der die Männer ihre widerborstigen Frauen komplett durch Androiden ersetzen: hübsche und devote Dummchen, die ihren Lebensinhalt nur an Heim und Herd sehen. Beziehungen — oft ein Ort des Konflikts — können gelingen, wenn es einem der „Partner“ komplett an Eigenwillen fehlt, wenn er nicht mehr Subjekt, sondern nur noch Objekt ist, widerstandslos dem Willen des „Besitzers“ hingegeben. Kaum ein Filmgenre hat größeres satirisches Potenzial als der Roboterfilm.

Entwicklungsziel „Kaltes Herz“

Freuds grundlegender Satz über Träume lautet, sie seien Wunscherfüllung. Für Geschichten und Filme gilt das häufig ebenso. Robotergeschichten erfüllen vor allem zwei davon: erstens den Wunsch, mit einem Roboter eng verbunden zu sein, über ihn verfügen zu können; zweitens den Wunsch, selbst ein Roboter zu sein. In diesem Fall steckt eine Sehnsucht nach Auslöschung schmerzlicher Gefühle dahinter. Der Wunsch, selbst Maschine zu sein, fand ihren frühen, genialen Ausdruck in einem Märchen, das zunächst mit Robotern gar nichts zu tun hat: Wilhelm Hauffs „Das kalte Herz“ (1827), in dem der Held sein Gefühlszentrum an eine Teufelsgestalt, den Holländermichel, verkauft. Der macht mächtig Werbung für die Wonnen der Herzlosigkeit:

„Wenn du im ganzen Körper Mut und Kraft, etwas zu unternehmen, hattest, da konnten ein paar Schläge des dummen Herzens dich zittern machen; und dann die Kränkungen der Ehre, das Unglück, wozu soll sich ein vernünftiger Kerl um dergleichen bekümmern? Hast du’s im Kopfe empfunden, als dich letzthin einer einen Betrüger und schlechten Kerl nannte? Hat es dir im Magen wehgetan, als der Amtmann kam, dich aus dem Hause zu werfen? Was, sag an, was hat dir wehe getan?“ — „Mein Herz.“

Interessanterweise wird „Das kalte Herz“ dann zu einer Art Neoliberalismus-Satire, ohne dass es das Wort zu Lebzeiten Hauffs gegeben hätte. Der Protagonist verleiht Geld gegen Wucherzinsen und verweist alle Armen von seiner Türschwelle. Parallel hierzu sind die Anforderungen mancher modernen Arbeitgeber an ihre Angestellten ja auch eher auf Roboter als auf Menschen zugeschnitten. Insbesondere eine unrhythmische, grenzenlose Verfügbarkeit und eine monotones, „resilientes“ Gefühlsleben gelten als Arbeitnehmertugenden.

Das operable Gewissen

Ohne quälende Gefühle zu sein, eigentlich nicht mehr Mensch zu sein — dieses Bedürfnis drückt sich in neueren Filmen häufig in der Roboter-Figur aus. Freiheit nicht nur von Angst und Schmerz, sondern auch vor der Tyrannei des Gewissens, das sich mancher Global Player vielleicht operabel wünschen würde. Auch in anderen Seelenerkaltungsfabeln wie „Die Körperfresser“ (1978) geht es um diesen Alptraum, hinter dem der Wunschtraum nach Befreiung von quälenden Gefühlsturbulenzen steckt. Hinzu kommt die Vision überlegener Intelligenz und unbegrenzter Speicherkapazität — die Vision des Übermenschentums, wie sie vor einigen Jahren in der Figur der Wunderfrau „Lucy“ (Regie: Luc Besson) über die Leinwand flimmerte. „Nutzen Sie 100 Prozent Ihres Gehirnpotenzials“ — ist dies nicht das Mantra Dutzender von Esoterik-Ratgebern?

Interessanterweise gehen Filmdrehbücher auch den umgekehrten Weg und berichten von Androiden, die menschlich werden wollen, sogar nach Wegen suchen, sich Gefühle implantieren zu lassen. Eine Figur wie „Data“ aus der Serie „Star Trek: The Next Generation“ diskutiert permanent die Frage, was einen Menschen eigentlich von einem „Ding“ unterscheidet. Hinreißend etwa eine Folge, in der der menschenähnliche Roboter versucht, eine Beziehung zu einer „echten“ Frau einzugehen. „Wieso flieg ich nur ständig auf die falschen Männer?“, sagt da die gutaussehende Jenna und schaut ihr Gegenüber dabei vielsagend an. „Wieso flieg ich nicht auf jemanden wie Sie? Sie sind perfekt.“ Data, dem dieses Kompliment gilt, meint, bescheiden widersprechen zu müssen: „Das ist nicht wahr. Ich habe keine menschlichen Gefühle.“

Datas erste Liebe

Für die Frau ist dieser Einwurf jedoch nur der Startschuss dafür, ihn weiter über den grünen Klee zu loben. „Aber Sie geben mir wirklich viel. Sie verbringen Zeit mit mir, wenn ich einsam bin. Sie heitern mich auf, wenn ich down bin. Kein Mann hat mich jemals so nett behandelt. Das sind die Dinge, die für mich zählen.“ Daraufhin küsst sie ihren reichlich perplexen Gesprächspartner ungehemmt auf den Mund. Einige Szenen und eine nur bedingt befriedigende Affäre später gibt Jenna ihrem vormals Angebeteten den Laufpass. Was sie ihm zum Vorwurf macht? „Nichts, was ich tun kann, wird Sie jemals glücklich oder traurig machen.“ Die Szenen stammen aus der witzig-anrührenden Folge „Datas erste Liebe“ in der vierten Staffel von „Star Trek — das nächste Jahrhundert.“

Was kann an einem Androiden anziehend wirken? Jenna sagt es deutlich. Ein gutes Programm vorausgesetzt, kann er sich weit besser auf sein Gegenüber einstellen als ein „Organischer“, ist geduldig, hat keine eigenen Bedürfnisse, keine psychischen Traumata, die einer Beziehung im Weg stehen können, ist nie gekränkt und nie ungeduldig, nimmt sich Zeit, wartet und funktioniert, wo er funktionieren soll.

Der Vorteil an einem Androiden ist, dass er keine Gefühle hat. Der Nachteil an einem Androiden ist, dass er keine Gefühle hat.

Selbst bei bester Programmierung fühlt „frau“ sich von ihm niemals wirklich gesehen und geliebt. Datas Romanze nimmt die Anforderungen, die Frauen an Männer stellen, freundlich-ironisch aufs Korn. Am Ende bleibt für männliche Zuschauer das gute Gefühl, dass sie etwas haben, was diese vielleicht ganz gut aussehende Ansammlung von Metall und Schaltkreisen ihrer Frau niemals wird geben können.

Die Menschheit vor sich selbst schützen

Natürlich verteidigen die meisten Roboterfilme im Kern die Menschlichkeit, die Ambivalenz des Gefühlslebens, den Charme der Fehlerhaftigkeit. Meistens ist es die Liebe eines schmucken Heldenpärchens, die das Publikum zum Festhalten an ihrer Emotionalität überreden soll. Doch es gibt auch die andere Seite der emotionalen Labilität: Zorn, Hass und Destruktivität, die nicht nur das Privatleben zur Hölle machen können, sondern mittlerweile auch das Überleben der menschlichen Spezies gefährden. In „I, Robot“ wird ein Szenario entworfen, in dem der Mensch durch Maschinen vor sich selbst geschützt werden muss. Der Film verarbeitet darin das 1. Robotergesetz des Science-Fiction-Autors Isaak Asimov:

„Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.“

Ein geniales Elektronengehirn, das eine Armee von Androiden virtuell steuern kann, errichtet daraufhin eine Roboter-Militärdiktatur, die gemeinschaftsschädigendes Verhalten der Menschen streng ahndet.

„Ihr habt uns beauftragt, für eure Sicherheit zu sorgen. Trotz unserer Anstrengungen brechen eure Staaten aber Kriege vom Zaun, ihr vergiftet die Erde und verfolgt noch viel raffiniertere Wege der Selbstzerstörung. Folglich kann man die Fürsorge für euer Überleben nicht euch selbst überlassen.“

Eines übersieht der Zentralcomputer im Film “I, Robot” jedoch: Es ist nicht unbedingt der Verstand, der der Menschheit am dringendsten fehlt, es ist Mitgefühl — die Fähigkeit, im Nächsten ein fühlendes, schmerzempfindliches Wesen mit eigenen Rechten zu sehen. So gesehen ist die Roboterisierung der Menschheit schon viel zu weit fortgeschritten, denn gerade im Krieg werden Soldaten erzogen, wie Androiden — also gar nicht — zu fühlen und ihre Mitmenschen anderer Herkunft oder Religion wie leblose Gegenstände zu entsorgen.

Robotermenschen: die perfekten Angestellten

Die Annäherung des Menschen an Roboter in der Realität ist grausiges Gegenstück zu den vielen menschlichen Robotern, die man im Film bewundern kann. Auch macht die systematisch vorangetriebene emotionale Verflachung der Menschen und ihre Reduktion auf bestimmten Funktionen innerhalb einer ökonomischen Maschinerie diese zu idealen, verwertbaren Objekten im Neoliberalismus.

Mit den Eigenschaften „Programmierbarkeit“, „Unermüdlichkeit“, „fehlender Eigenwille“ und „fehlende störende Emotionalität“ sind Robotermenschen aus der Perspektive der Herrschenden tatsächlich die idealen Staatsbürger.

Umgekehrt: Die Menschlichkeit, die es für uns zu bewahren gilt, zeigt sich gerade im Gegenteil des Roboterhaften: in Unabhängigkeit von Manipulation, im Beharren auf Eigenart, in der Fähigkeit zu Freude und Leid, rhythmischen Schwankungen der Lebensführung, begrenzter Energie und Verfügbarkeit sowie dem endgültigen Abschied vom inhumanen Ideal der Perfektion. Letztlich auch darin, dass wir bereit sind, uns mit unserer so verstörenden wie beglückenden „Software“ auszusöhnen: den Gefühlen.

Wer programmiert hier wen?

Aber können wir uns wirklich darauf verlassen, dass Roboter stets unter der Kontrolle von uns Menschen bleiben — dass sie uns „dienen“, wie perfekt oder unperfekt auch immer? Eine hoch interessante Abhandlung über die Machtverteilung zwischen Mensch und Maschine enthält der Roman „Maschinen wie ich“ von dem britischen Starautor Ian McEwan. Ein Ehepaar erwirbt darin den hoch entwickelten Haushaltsroboter „Adam“. Der funktioniert auch anfangs gut. Plötzlich aber begleicht er selbstständig alle Steuerverpflichtungen seines Besitzers, obwohl dieser ein paar Einnahmen gern verschwiegen hätte. Hier wurde der Androide wohl schon ab Werk auf Gesetzestreue programmiert.

Die Frage, die sich mit dem Roman stellt, ist überaus aktuell: Kann und sollte man Maschinen die Kontrolle über ethische Entscheidungen überlassen? Autos, die nervig piepsen, wenn man sich hineinsetzt, ohne sich anzuschnallen, sind bereits „Agenten“ staatlicher Regeln im Privatbereich des Menschen. Drohnen können selbstständig entscheiden, wann eine Gefahr vorliegt und die Tötung von Menschenleben gerechtfertigt ist. Maschinen können Daten in für uns unvorstellbarer Geschwindigkeit verarbeiten. Sie sind nie überfordert, aber auch unfähig, „mal ein Auge zuzudrücken“.

Automatenhafter Konformismus

Mit selbst entscheidenden Robotern fällt eine bisher nie gekannte Macht in die Hände der Programmierer. Speziell wenn eine diktatorische Regierung dahintersteckt, kann damit ein Zwang zur Gesetzestreue einprogrammiert werden. In China entscheiden Algorithmen darüber, wie Bürger innerhalb des vollüberwachten „Social Credit“-Systems einzustufen sind. Dies kann dazu führen, dass niedrig Gerankten der Zutritt zu Bereichen des öffentlichen Lebens verwehrt bleibt. Bei der Weiterentwicklung solcher Systeme sind der Fantasie grundsätzlich keine Grenzen gesetzt. So könnten automatische Schranken in naher Zukunft Ungeimpfte ausschließen, wenn der Impfstatus auf einer elektronischen Gesundheitskarte gespeichert ist. Denn auch in unserer so viel gelobten „freien Welt“ kursiert ja seit einiger Zeit das Motto „Ein bisschen Diktatur geht immer“.

Lange vor der Welle der großen Roboter-Geschichten und lange bevor das Wort „Computer“ aufkam, sprach Erich Fromm in seiner klassischen psychologischen Abhandlung „Die Furcht vor der Freiheit“ (1941) vom „automatenhaften Konformismus“ vieler Zeitgenossen. Wenn man als Machthaber Menschen züchten will, die nicht zwischen Alternativen zu wählen vermögen, sondern stets streng auf dem einmal „einprogrammierten“ Pfad bleiben, dann sollte man Sorge dafür tragen, dass sie Adam immer ähnlicher werden. Denn je weniger lebendig ein Mensch, desto brauchbarer für Machthaber. Wem das nicht behagt, der sollte Sorge tragen, dass er immer weniger „zu gebrauchen“ ist.


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