Bomben auf Donezk
Eklatante Falschberichterstattung in der deutschen Hauptnachrichtensendung vom 13. Juni 2022: In Donezk, Hauptstadt der gleichnamigen ostukrainischen Volksrepublik, wurde ein Markt durch Beschuss zerstört, aber in der Tagesschau wurde aus dem Massaker durch die Kiewer Truppen plötzlich — im Gegensatz zu anderen deutschen und internationalen Medien — ein angeblicher „russischer Angriff“ (1 bis 3).
Selbst dem dümmsten Zuschauer sollte eigentlich klar sein, dass Russland sicher nicht die Hauptstadt seiner ostukrainischen Verbündeten mit Terrorbombardements überzieht und dort Menschen tötet.
Sollte es sich — unwahrscheinlicherweise — um ein Versehen der Tagesschau und nicht um Propaganda gehandelt haben, würde man doch eine angemessene Richtigstellung dieser Falschnachricht erwarten. Eine solche war noch einen ganzen Tag später nicht zu finden. Daher hatte ich mich am 14. Juni mit einer Presseanfrage zu der Donezk-Fake-Thematik an die Tagesschau gewandt (4):
„Presseanfrage zu Falschberichterstattung/Richtigstellung
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie berichteten gestern, 13.6., in der Tagesschau wie folgt:
‚Zivile Ziele, immer wieder stehen sie unter Beschuss der russischen Armee. Dies ist der Markt in der ostukrainischen Stadt Donezk, oder das, was davon übrig ist.‘ (20 Uhr)
‚Dies ist der Markt in der ostukrainischen Stadt Donezk, oder das, was davon übrig ist. Drei Menschen sollen bei dem russischen Angriff getötet worden sein.‘ (16 Uhr)
Tatsächlich war dies ein Angriff der ukrainischen Seite und nicht der russischen Seite auf die ‚Rebellenhauptstadt Donezk‘, wie unter anderem anderen deutschen sowie internationalen Medien unschwer zu entnehmen ist.
Wann und in welchem Umfang (zum Beispiel am Folgetag zur gleichen Sendezeit) werden Sie diese Meldungen/ ‚Fake News‘ richtigstellen beziehungsweise ist schon eine Richtigstellung erfolgt?
Ich würde mich freuen, wenn Sie die Frage im Laufe des heutigen Tages (14.6.) beantworten könnten. Ihre Antwort würde ich vollumfänglich in einem Beitrag zu dem Vorfall zitieren.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Bernert
blauerbote.com
(als Autor für weitere Magazine)“
Angebliche Korrektur
Die Antwort der Tagesschau kam am 17. Juni, vier Tage nach dem Ereignis beziehungsweise drei Tage nach meiner Presseanfrage — und erst, nachdem ich noch einmal nachgefragt hatte:
„Vielen Dank für Ihre E-Mail. Entschuldigen Sie bitte die Verzögerung der Antwort. Da Sie hier beim technischen Support der Webseite und der Apps gelandet sind, konnte die Anfrage nicht direkt bearbeitet werden.
Allerdings lässt sich Ihre Frage schnell beantworten. Unsere Richtigstellung finden Sie hier“ (5).
Die Tagesschau hat also zwischenzeitlich — am 16. Juni 2022 — eine „Richtigstellung“ gebracht. Sie hat dies nicht nach journalistischen Grundsätzen getan — und erst nach drei Tagen! Es erfolgte keine Richtigstellung im gleichen Format, zur gleichen Zeit, in gleichem Umfang. Oder mit anderen Worten: Es hat im Prinzip niemand mitbekommen. Millionen sehen die Tagesschau, einige Tausend lesen vielleicht den Blogbeitrag und das sind in dem Fall dann auch noch viele ohnehin kritische Personen. Die meisten Otto-Normal-Bürger erreicht diese — journalistisch hanebüchene — „Korrektur“ wohl nicht:
„Fehler in der tagesschau am 13. Juni 2022
Am 13. Juni hat die tagesschau auf der Grundlage eines Berichts der Nachrichtenagentur Reuters über den Beschuss eines Marktes in Donezk berichtet. Demnach sind bei einem ukrainischen Artillerie-Angriff in der von pro-russischen Separatisten besetzten Region mehrere Menschen getötet und verletzt worden. Während diese Informationen von Reuters im Live-Blog auf tagesschau.de korrekt wiedergegeben wurden, ist in der Fernsehberichterstattung ein Fehler passiert.
Dort wurde versehentlich von einem russischen Angriff gesprochen. Uns ist der Fehler in der Abnahme des Beitrags nicht aufgefallen, das ärgert uns sehr und wir bedauern das, denn es entspricht nicht der sonst gebotenen journalistischen Sorgfalt in unsere Berichterstattung. Der Beitrag wurde überarbeitet und die Sendung aktualisiert. Auf tagesschau.de wurde die 20 Uhr-Ausgabe der tagesschau um den Hinweis ergänzt, dass die Sendung nachträglich redaktionell bearbeitet wurde.“
Presseanfragen an die Bundestagsfraktionen
Wenn schon die Masse der Bevölkerung die Wahrheit nicht mitbekommt, wie sieht es denn mit den Politikern im Deutschen Bundestag aus? Wenigstens diese sollten ja im Idealfall bei ihren Entscheidungen von einem sachlichen Wissensstand ausgehen und nicht von Fake News in der Tagesschau. Ich stellte in der Sache eine weitere Presseanfrage, an alle Bundestagsfraktionen (CDU/CSU, Linke, SPD, AfD, Grüne und FDP):
„Presseanfrage zu erfolgter Richtigstellung der Tagesschau
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Tagesschau der ARD berichtete am 13.6. um 16 Uhr und 20 Uhr (Hauptnachrichtensendung) fälschlicherweise über einen angeblichen russischen Angriff auf einen Marktplatz in Donezk (Ostukraine, sogenannte „Volksrepublik Donezk“). Tatsächlich handelte es sich um einen Kiew-ukrainischen Angriff.
Auf meine Presseanfrage hin wies die Tagesschau darauf hin, dass sie mittlerweile diese Falschnachricht richtig gestellt habe (am 16.6.): „Unsere Richtigstellung finden Sie hier“.
Verfügt Ihre Fraktion bereits über die Information, dass es sich bei dem Angriff um eine Attacke der ukrainischen Streitkräfte gehandelt hat, oder sind Sie hier noch auf dem (falschen) Wissensstand der Tagesschau-Hauptnachrichtensendung vom 13.6.?
Ihre Antwort würde ich gerne vollumfänglich in einem entsprechenden Artikel über den Vorfall zitieren. Eine gleichlautende Presseanfrage ergeht auch an die anderen Fraktionen des Bundestages.
Mit freundlichen Grüßen,
Jens Bernert
blauerbote.com
(als Autor für weitere Magazine)“
Reaktionen der Fraktionen
Die Fraktionen reagierten quasi als geschlossene Propaganda-Einheitsfront und enthielten sich —anders als bei meiner vorherigen Presseanfrage zu dem vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj verbreiteten SS-Totenkopf-Symbol — jeglichen Kommentars (6). Auf meine nochmalige Bitte vom 20. Juni, doch die Presseanfrage zu beantworten, kam lediglich eine Rückmeldung der AfD:
„Vielen Dank für Ihre Anfrage. Uns liegen zu diesem Sachverhalt derzeit keine Informationen vor.“
Halten wir also fest, dass die Bundestagsfraktionen die Realität nicht kennen oder nicht kennen wollen. Die „Korrektur“ hat sie offiziell nicht erreicht.
Obwohl in der Presseanfrage die „Richtigstellung“ der Tagesschau verlinkt war. Noch nicht einmal auf Nachfrage ist man bereit, die Realität anzuerkennen. Was wäre denn so schlimm daran gewesen, einen kurzen Satz zu schreiben, dass man sowohl Original-„Nachricht“ als auch Korrektur vernommen habe?
Ironischerweise hatte mich bei meiner letzten Presseanfrage an die Bundestagsfraktionen der Pressesprecher der SPD-Fraktion auf das Fake-News-Programm der SPD hingewiesen. Die SPD hatte nämlich — angeblich — nicht geglaubt, dass der ukrainische Präsident Selenskyj zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges am 9. August ein Bild ukrainischen Militärs mit dem Totenkopf-Emblem von Hitlers SS-Division „Totenkopf“ bei Instagram und Telegram gepostet hatte. Entsprechende Screenshots wurden als Fake News abgetan.
Da muss man dann schon fast froh sein, dass das US-Nachrichtenmagazin Newsweek quasi nebenbei über Selenskyjs Nazi-Bild berichtet hatte (7). Newsweek hatte dies im Rahmen eines Artikels getan, in dem es darum ging, ob der Sachverhalt in einem Fernsehinterview korrekt erwähnt wurde beziehungsweise werden durfte oder nicht, und dabei auch im Artikel per Link auf den noch im Internet Archiv zu findenden Instagram-Posts Selenskyjs verwiesen (8). Zitat aus dem Newsweek-Artikel:
„Wie aus dem Interview hervorgeht, hat Sky News Polyanskiy nicht zu kurz kommen lassen, um ihn zu zensieren. Der UN-Delegierte hatte ausreichend Zeit, um auf die Frage zu antworten, ob russische Soldaten ähnliche Gräueltaten wie die Nazis im Zweiten Weltkrieg begehen würden. Stattdessen kam er auf das Foto zu sprechen, das auf Zelenskys Instagram- und Telegrammseiten veröffentlicht und später gelöscht wurde und auf dem ein Soldat mit einem Totenkopf zu sehen war, der mit der deutschen SS assoziiert wird.“
Festhalten lässt sich wohl, dass für die Bundestagsfraktionen das Realität ist, „was gerade passt“, und nicht die „tatsächliche Realität“. Eine „Fake Reality“, nach politischem Bedarf. Die eigene Propaganda ist der Goldstandard. Alles andere seien „Fake News“.
Mit der Opposition braucht hier wohl auch keiner mehr zu kommen: Linke, AfD und CDU benehmen sich letztlich auch nicht anders als die Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP.
Und die ARD erledigt wie gewohnt weiter ihren Propagandaauftrag. Während die ukrainischen Truppen jetzt ein Atomkraftwerk in dem von russischen Truppen gehaltenen Gebiet beschießen, schafft man bei der Tagesschau über den „Nichts-Genaues-Weiß-Man-Kniff mit eingestreutem Selenskyj“ den Eindruck, die Russen würden das Atomkraftwerk beschießen — assistiert vom im Hirn einiger Teile der Bevölkerung verankerten Propagandaclaim von den angeblichen wahnsinnigen russischen Untermenschen, die wahllos Gräueltaten begingen (9):
„Das Gelände des Kernkraftwerks Saporischschja in der Ukraine wurde übereinstimmenden Angaben zufolge in den vergangenen Tagen mehrfach beschossen — von wem ist allerdings unklar. Moskau und Kiew geben sich gegenseitig die Schuld. Unabhängig überprüfbar sind die Vorwürfe beider Seiten nicht — auch, weil noch immer keine Expert:innen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) auf das von Russland besetzte Gebiet vorgelassen wurden.
Die kritische Infrastruktur des Kraftwerks soll weiter intakt sein, doch durch den Beschuss sind nicht nur die Reaktoren potenziell gefährdet, sondern auch das kraftwerkseigene Atommüllzwischenlager.
Selenskyj warnt vor Atomkatastrophe: Siehe hier“ (10).
Wir haben doch von allem gewusst
Das berühmte „Wir haben doch von nichts gewusst“ gilt für die Bundestagsfraktionen weder im Falle des Nazi-affinen ukrainischen Präsidenten noch im Falle der Donezk-Fake-News: Zum einen wurden die Bundestagsabgeordneten über die Presseanfragen noch einmal exklusiv über die Sachverhalte informiert, zum anderen erhielten alle Fraktionen Belegexemplare — also Links — zu dem fertigen Artikel zum SS-Totenkopf. Und auch zum Thema „Donezk-Fake-News“ werden sie, wie auch die Tagesschau, als Belegexemplar eben diesen Artikel erhalten.
Die Abgeordneten von CDU/CSU, Linke, SPD, AfD, Grüne und FDP wurden also mehrfach über Nazi-Aktivitäten und Fake News informiert und die Realität interessiert sie nicht. Wer aber ihre Fake Reality kritisiert, der wird durch ihre Propaganda zum Irren und Nazi gestempelt. Einfach so, weil sie es können.
Was ist eigentlich die gültige Realität bei dem Angriff auf den Markt in Donezk? Die „Realität“ vom 13. Juni, die jeder kennt, oder die Realität vom 16. Juni, die irgendwo im Tagesschau-Blog versteckt ist? Da weiß ja selbst der härteste Regime-Anhänger nicht mehr, wie er lügen soll.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.nachdenkseiten.de/?p=84804
(2) https://www.anti-spiegel.ru/2022/russland-beschiesst-donezk-fuer-wie-bloed-die-tagesschau-die-zuschauer-haelt/
(3) https://youtu.be/uhYLIADGyTM?t=355
(4) http://blauerbote.com/2022/06/14/presseanfrage-an-die-ard-tagesschau-zu-fake-news-zur-bombardierung-von-donezk/
(5) https://blog.tagesschau.de/2022/06/16/fehler-in-der-tagesschau-am-13-juni-2022/
(6) http://blauerbote.com/2022/05/13/der-ss-totenkopf/
(7) https://www.newsweek.com/fact-check-was-russian-delegate-censored-sky-news-over-nazi-claims-1705761
(8) https://archive.ph/6Dan9
(9) https://www.youtube.com/watch?v=-oxwdbywtzQ
(10) https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-akw-saporischschja-105.html
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