Ethnische Säuberung der Golanhöhen
„Im Gegensatz zu den palästinensischen Flüchtlingen wurde das Schicksal der Syrer, die 1967 von Israel von den Golanhöhen vertrieben wurden, vertuscht und vor dem öffentlichen Bewusstsein verborgen. Noch heute glauben die meisten Israelis, dass das Gebiet weitgehend frei von Syrern war, und jeder, der dort gewesen sein mag, floh freiwillig.
Unter den syrischen Flüchtlingen, die aus ihrem brennenden Land in die europäischen Länder flohen, die so freundlich waren, ihre Tore zu öffnen, gibt es solche, die zu einer zweiten Generation von Flüchtlingen gehören. Die ersten flohen 1967, als die syrischen Golanhöhen von der israelischen Armee erobert wurden. Im Gegensatz zu den Flüchtlingen im Westjordanland und im Gaza-Streifen wurde die Geschichte dieser Flüchtlinge aus dem israelischen Bewusstsein getilgt. Die Tatsachen verschwanden, ihre Geschichte wurde versteckt, verschleiert und verschwand aus dem Blickfeld — als wäre sie nie geschehen.
Ende der 1990er Jahre wurde ich von einer israelischen Fernsehsendung geschickt, um die Geschichte der Drusen auf den Golanhöhen zu dokumentieren. Ich wurde gebeten, zu untersuchen, warum sie ihrer syrischen Heimat die Treue hielten und sich weigerten, die israelische Staatsbürgerschaft anzunehmen, trotz der vielen Vorteile, die ihnen von Israel angeboten wurden. Im Laufe der Untersuchung stieß ich zu meiner Überraschung auf eine ganz andere Geschichte. Es stellte sich heraus, dass 1967, als der Sechstagekrieg ausbrach, die Golanhöhen von syrischen Bürgern bevölkert waren, von denen die verbliebenen Drusen nur eine Minderheit waren. Ich suchte in den Geschichtsbüchern nach Bestätigung, aber die syrischen Einwohner verschwanden einfach. Nur ein einziger Lexikoneintrag erwähnte die Tatsache, dass vor der israelischen Eroberung die Bevölkerung der Golanhöhen mehr als 100.000 Menschen zählte.
Im Laufe der Untersuchung und der Dreharbeiten hörten wir von ehemaligen IDF-Soldaten, die auf den Golanhöhen gekämpft hatten, von Mitgliedern der 'Kibbuzim' und Dörfern im Jordantal sowie von den Drusen selbst, von allen die gleiche Geschichte: Die Golanhöhen, die im israelischen Bewusstsein als leer und menschenleer wahrgenommen wurden, waren in Wirklichkeit besiedelt — genau wie das Westjordanland, als es erobert wurde. Der Bericht wurde gefilmt und bearbeitet, aber gerade als die Werbung für die Sendung ausgestrahlt wurde, forderte der Leiter des Referats für arabische Angelegenheiten, dass wir die Sendung aus Angst, lächerlich gemacht zu werden, einstellen sollten. Er erklärte, dass es außer den syrischen Streitkräften nie Zivilisten auf den Golanhöhen gegeben habe, was bewiesen wäre, weil ‚jeder dies weiß’.
Um ein Missverständnis zu vermeiden, wurde ein leitender Historiker hinzugezogen. Es handelte sich um einen Nahost-Spezialisten und einen Armee-Oberst im Ruhestand, der als Militärgouverneur einer Reihe von Städten im Westjordanland und als Botschafter in der Türkei gedient hatte. Während der Ausstrahlung des Berichts nannte der verblüffte Experte seinen Kollegen, die selbst Experten auf diesem Gebiet waren, aber keiner konnte verstehen, über welche syrischen Bürger wir sprachen, die Wahrheit“ (1).
Der Autor fragt dann rhetorisch: Wohin sind sie verschwunden?
Er beantwortet die Frage, indem er erklärt, dass zu Beginn des Krieges von 1967, der es Israel durch seinen glänzenden strategischen Sieg ermöglichte, sein Territorium zu erweitern und die Grenze vom Tal unterhalb des Golans auf den Berg oberhalb zu verlegen, auf den Golanhöhen zwischen 130.000 und 150.000 Menschen gelebt hatten. Die meisten von ihnen wären Zivilisten gewesen, die in 275 Städten und Dörfern gelebt hätten. Die größte Stadt wäre Quneitra gewesen, die Hauptstadt des Distrikts, in der ein Viertel dieser Bevölkerung gelebt hätte — eine Minderheit davon wären Militärangehörige und ihre Familien gewesen.
Im Laufe der Kämpfe hätte sich beim Rückzug der syrischen Armee etwa die Hälfte der Zivilbevölkerung dem Rückzug angeschlossen, um Schutz vor den israelischen Bombenangriffen zu erhalten und auf einen Waffenstillstand zu warten, der ihnen die Rückkehr in ihre Heimat ermöglichen würde. Aber diejenigen, die hinter der Waffenstillstandslinie blieben, hätten nicht zurückkehren dürfen. Später wären die syrischen Flüchtlinge, die versucht hätten, in ihre Heimat zurückzukehren, zu Eindringlingen erklärt worden; sie wären manchmal von israelischen Soldaten beschossen worden, während diejenigen, denen es gelang, die Grenze zu überqueren, verurteilt und inhaftiert wurden.
Nachdem die Kämpfe beendet gewesen wären, hätte man auf den Golanhöhen nur noch zehntausende von Menschen gesehen, etwa die Hälfte davon syrische Einwohner. Sie wären dann alle vertrieben worden, mit Ausnahme der Drusen. Die Zivilbevölkerung hätte hauptsächlich aus sunnitischen Muslimen bestanden, unter denen sich einige tausend Flüchtlinge aus dem Krieg von 1948 befanden hätten, sowie aus einigen Tscherkessen und anderen. Alle gemeinsam wären geordnet über die Grenze entsorgt worden.
Ex-Kombattanten und Bewohner des Jordantals, die nach der Einstellung der Feindseligkeiten auf die Golanhöhen kamen, sagten aus, wie sie Soldaten gesehen hätten, hinter Tischen sitzend, die aus Häusern nahe der Waffenstillstandslinie stammten. Diese hätten die syrischen Bewohner gezwungen, Dokumente zu unterzeichnen, die besagen, dass sie freiwillig ihre Häuser verlassen und auf syrisches Gebiet ziehen würden.
Es ist davon auszugehen, dass die Listen, die den stillen Transfer auf dem Golan bezeugen, irgendwo in den Militärarchiven versteckt sind und aus Gründen der Staatssicherheit erst in vielen Jahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Nach dem Ende der Kämpfe gab es zwar eine weit verbreitete Plünderung aber keine Massaker, wie Assad sie angeblich an seinem Volk verübt hätte. Im Gegenteil: Die Vertreibung wäre diszipliniert und institutionalisiert verlaufen — eine stille Vertreibung. Konvois von Militärfahrzeugen wären in Quneitra herumgefahren. In einer über Lautsprecher übertragenen Nachricht wurden die Bewohner gewarnt, dass sie die Stadt verlassen müssen, da sie sonst zu Schaden kommen könnten.
Nachdem sie geflohen waren, stand die schöne Stadt mit ihren historischen Gebäuden eine Zeit lang leer, bevor sie dem Erdboden gleichgemacht wurde.
Wohnungen, Handelszentren, Kinos, Krankenhäuser, Schulen, Kindergärten, Friedhöfe, Moscheen und Kirchen wurden durch das Artillerie- und Luftbombardement des israelischen Militärs vollständig zerstört.
Den Dorfbewohnern, die sich an ihre Häuser geklammert und Angst gehabt hätten, herauszukommen, wäre ebenfalls befohlen worden, auf die andere Seite der Grenze zu marschieren. In den folgenden Tagen wären Bulldozer und Traktoren aus dem Jordantal auf die Golanhöhen gebracht worden und hätten in einer beispiellosen Blitzaktion alle Dörfer zerstört, mit Ausnahme einiger Gebäude, die zu militärischen Ausbildungszwecken stehen blieben.
Innerhalb kurzer Zeit wäre die Welt von zehntausenden Menschen zusammengebrochen: Erzieher, medizinisches Personal, Beamte, Manager, Händler und Bauern hätten ihr Land, ihre Häuser und ihr gesamtes Hab und Gut verloren. Eine alte Frau, an die sich alle Zeugen gut erinnert hätten, wäre bis zu ihrem Tod einige Jahre in einem der Dörfer zurückgeblieben.
Drusische Armeeoffiziere instrumentalisiert
Während der Kämpfe und deren Folgen hätten die israelischen Behörden einen weiteren Plan durchgeführt, nach dem etwa 7.000 Drusen in ihren Dörfern bleiben durften. Die Annahme, dass sie sich der neuen Regierung anpassen und ihre Loyalität von Syrien nach Israel verlagern würden, erwies sich letztlich als falsch. Da israelische Drusen auch in der israelischen Armee dienten, wären drusische Armeeoffiziere aus Dörfern im Norden Israels auf Erkundungsmissionen in die arabischen Dörfer auf dem Golan geschickt worden. Sie hätten über Lautsprecher angekündigt, dass alle Bewohner zu den Treffpunkten entlang der Grenze kommen müssten, mit Ausnahme ihrer drusischen Brüder. Diese dürften in ihren Häusern bleiben, mit dem Versprechen, dass ihnen nichts geschehen würde. Von diesen Treffpunkten aus schob das israelische Militär die nicht drusische Bevölkerung auf die syrische Seite der Waffenstillstandslinie ab.
Und so kam es, dass die einzigen Syrer, die auf dem Golan blieben, die Bewohner von vier drusischen Dörfern waren, die Israel freundlicherweise in Ruhe ließ.
Die Flüchtlinge, die ihre Heimat verloren, wären in einer Reihe von Flüchtlingslagern angesiedelt worden, vor allem in den Distrikten Damaskus und Dara. Präsident Hafez al-Assad, der Vater von Baschar al-Assad, hätte es nicht eilig gehabt, sie zu rehabilitieren, da er gehofft hätte, dass die internationale Intervention das eroberte Gebiet an Syrien zurückbringen würde, um den Flüchtlingen die Rückkehr zu ermöglichen.
1974, ein Jahr nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973, hätten Israel und Syrien ein Abkommen über die Trennung der Streitkräfte unterzeichnet. In der Folge wurde die völlig zerstörte Stadt Quneitra wieder unter syrische Kontrolle gebracht. Die Vereinten Nationen hätten Israel verurteilt und erklärten es für die böswillige Zerstörung verantwortlich. Präsident al-Assad seinerseits hätte beschlossen, die Stadt nicht wieder aufzubauen, und hätte sie als ein Denkmal des Ruins und der Zerstörung hinterlassen.
Das Schicksal der Flüchtlinge aus dn Golanhöhen wäre, so der Autor, wenn man das überhaupt sagen könne, besser als das der palästinensischen Flüchtlinge, die infolge des Krieges von 1967 staatenlos und ohne nationale Identität zurückgelassen wurden. Schließlich wären die syrischen Flüchtlinge in ein Land abgeschoben worden, zu dem sie gehörten, und so hätten sie zumindest nicht ihre Staatsbürgerschaft verloren.
Dann zeigt der Artikel ein Bild der mehr als 100-jährigen Absiya Jafari, die noch einen palästinensischen Pass besitzen würde. Dieser wurde ihr während des britischen Mandats ausgestellt, in Al Walaja, Westjordanland, am 23. November 2013. Das ursprüngliche Dorf Al Walaja wäre 1948 während der Nakba vollständig zerstört worden und alle Dorfbewohner hätten fliehen müssen und wären zu Flüchtlingen geworden.
Dann erklärt der Autor, dass die israelischen Führer damals behauptet hätten, es sei ihre Absicht, die Golanhöhen vorübergehend zu kontrollieren, und dass sie diese nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens zurückgeben würden. In der Praxis jedoch hätte Israel spätestens einen Monat nach dem Krieg die erste jüdische Siedlung auf dem Golan, Merom HaGolan errichtet; seine Siedler hätten nicht nur Land enteignet, sondern auch eine riesige Menge an Vieh mit gebracht und hätten sofort begonnen, die Felder zu bewirtschaften. Zwei Jahre nach dem Krieg hätte die israelische Regierung einen Plan genehmigt, der die Annexion des Golan und die Besiedlung mit jüdischen Siedlern vorsah.
„1981 verabschiedete die Knesset das ‚Gesetz über die Golanhöhen’, das die Golanhöhen offiziell für den Staat Israel annektierte. Heute besteht die jüdische Bevölkerung dort aus 22.000 Siedlern, die in 32 Siedlungen leben.
Die Mehrheit der drusischen Bevölkerung auf dem Golan, etwa 24.000, entschied sich, ihrer syrischen Heimat, von der sie gegen ihren Willen getrennt wurden, treu zu bleiben. Sie schickten die Jungen zum Studium nach Damaskus, ihre Kinder suchten auf beiden Seiten der Grenze Ehepartner. Israel versuchte, ihnen seine Staatsbürgerschaft aufzuzwingen, aber sie weigerten sich, sie zu akzeptieren. Einige Jahre lang lebten sie unter Militärregierung, und jede nationalistische Aktivität ihrerseits wurde von Israel als Verrat angesehen. Viele von ihnen wurden wegen Spionage angeklagt, verurteilt und für lange Zeit ins Gefängnis gesteckt“ (2).
Der Autor erklärt, dass das Verschwinden der syrischen Flüchtlinge von 1967 nicht einfach geschehen wäre: Historiker, die die Geschichtsbücher geschrieben hätten, wären unkritisch gewesen und hätten die Fakten nicht überprüft.
Im Gegenteil, sie hätten die vom Staat diktierte Version akzeptiert und voneinander abgeschrieben, sodass im Laufe der Jahre die Lüge zur Wahrheit geworden wäre.
Erst im letzten Jahrzehnt wären die Zeugenaussagen in Haaretz sowie auf der Website von Zochrot, einer israelischen NGO, die sich der Bewahrung der Erinnerung an die palästinensische Nakba verschrieben hat, erschienen. Aber auch heute noch würde das gängige Narrativ lauten, dass es auf den Golanhöhen keine syrischen Bewohner gegeben hätte, und wenn doch, dann hätten sie ihre Häuser verlassen und wären aus eigenem Antrieb geflohen.
Bis zum Zeitalter des Internets hätten die Bewohner des drusischen Dorfes Madjdal Shams auf dem „Schreienden Hügel“ gestanden und sich von dort aus mit ihren Familienmitgliedern auf der syrischen Seite der Grenze über Lautsprecher unterhalten. Auseinandergerissene Familien, Verwandte, Nachbarn und Freunde hätten sich gegenseitig gefragt, wie es ihnen ging, und hätten sich über die Neuigkeiten informiert, zum Beispiel, wer geboren wurde und wer gestorben war.
Heuchlerische deutsche Politik
Man vergleiche die Reaktion der deutschen Politik auf die Vertreibung, Zerstörung und Annexion der Golanhöhen durch Israel, die nie von Syrien akzeptiert wurden, und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch einmal zu einem offenen Krieg führen werden, mit der Reaktion auf die Sezession und den anschließenden Anschluss der Krim an Russland. Wenn ein Volk seine Selbstbestimmung wahrnimmt, wie die Menschen der Krim, dann wird sanktioniert. Wenn es aber vertrieben wird, getraut sich kein deutscher Politiker die Stimme zu erheben und Sanktionen zu fordern.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.972mag.com/the-syrian-refugees-israelis-prefer-to-forget/
(2) ebd.
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