Der Konflikt um das Asow-Meer begann schon Anfang dieses Jahres (1). Ende März beschlagnahmten die ukrainischen Behörden den russischen Fisch-Trawler „Nord“. An Bord befanden sich zehn russische Besatzungsmitglieder. Das Schiff wurde in den ukrainischen Hafen Berdjansk geschleppt. Dem Kapitän, Wladimir Gorbenko, droht eine zehnjährige Freiheitsstrafe, weil er sich im „zeitweise okkupierten Territorium der Ukraine“ aufgehalten haben soll.
Am 19. Oktober wurde bekannt, dass der russische Fisch-Trawler in der Ukraine versteigert werden soll, „um Haushaltsmittel zu sparen“.
Auf die Beschlagnahmung des russischen Fisch-Trawlers folgte im Mai dieses Jahres eine weitere, diesmal eines ukrainischen Fisch-Trawlers JaMK-0041, vor der Küste der Krim durch russische Behörden. Im Oktober tauschten Russland und die Ukraine festgenommene Seeleute im Verhältnis sieben gegen sieben aus. Der Kapitän des ukrainischen Trawlers wurde aus russischer Untersuchungshaft entlassen. Der russische Kapitän befindet sich weiter in ukrainischer Haft.
Es gab eine leichte Verbesserung der Beziehungen Russland-Deutschland
Die Beschlagnahmung von drei ukrainischen Schiffen vor der Küste der Krim am Sonntag nutzen die großen deutschen Medien für eine abermalige Gesamtabrechnung mit Putin. Die Hysterie, mit der die großen deutschen Medien über den Fall berichten, erinnert an den Absturz der malaysischen Passagiermaschine MH 17 im Juli 2014. Damals bezeichnete „Der Spiegel“ Putin als den Drahtzieher eines Flugzeugabschusses. Beweise für diese Behauptung wurden bis heute nicht vorgelegt.
In den letzten Monaten gab es Anzeichen für eine leichte Entspannung zwischen Deutschland und Russland. Es gab wieder mehr Treffen von deutschen und russischen Politikern. Statt eines ultimativen Tons, hörte man von deutscher Seite wieder mehr die Warnung, dass der Gesprächsfaden zwischen Deutschland und Russland auf keinen Fall abreißen dürfe.
Nach dem Zwischenfall bei Kertsch sahen die Scharfmacher in den deutschen Medien, denen die Interessen der ukrainischen Regierung wichtiger sind als ein gutes Verhältnis zu Russland, ihre Stunde gekommen. Sie verurteilten die Wiederannäherung zwischen Deutschland und Russland als Einknicken vor dem „gefährlichen Putin“. Um Russland empfindlich zu treffen, forderten Kommentatoren von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bis zum Fernsehkanal ARD den Stopp des Gaspipeline-Projekts Nordstream II.
Das Boulevard-Massenblatt „Bild“ titelte: „Putins Kanonenboot-Politik schockt die Welt“. Die russische Position zum Konflikt vor der Krim stellte das Blatt nicht dar. Weder die Grenzverletzung der ukrainischen Marine-Schiffe wird erwähnt noch die Tatsache, dass es die Ukraine war, die im März 2018 mit der Beschlagnahmung eines Schiffes begann. Dass die ukrainischen Behörden die russische Schiffsbesatzung über Wochen festhielten, wurde von den großen deutschen Medien komplett verschwiegen.
Andrej Melnik fordert deutsche Kriegsschiffe an
Kaum zu fassen: Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrej Melnik, bat die deutsche Regierung um die Entsendung von Schiffen der deutschen Marine in das Schwarze Meer. Dass ein Diplomat wie ein Kriegsminister auftritt, hat es lange nicht gegeben. Aber die Ukraine tut sich schon länger durch das Brechen von Tabus hervor.
Auf die Äußerung von Melnik reagierten die deutschen Medien opportunistisch. Anstatt die scharfmacherischen Worte zu verurteilen, zitierten die deutschen Medien den ukrainischen Botschafter kommentarlos.
Die Schlagzeilen der deutschen Zeitungen wirken wie die Vorbereitung auf einen Krieg gegen Russland. Anstatt den genauen Ablauf der Ereignisse vor der Krim zu analysieren und die Position sowohl der Ukraine als auch Russlands darzustellen, erscheinen in den großen deutschen Medien Kommentare mit maßlosen Vorwürfen und Forderungen ausschließlich gegen Russland.
Der Berliner „Tagesspiegel“ titelte am Montag: „Europa darf nicht länger wegsehen“. So, als stehe die NATO schon in einem realen Krieg, wird ein bedingungsloses Zusammenstehen gegen den „Aggressor“ Russland gefordert. Der „Tagesspiegel“ schreibt, „wer in einem Krieg den Angreifer und den Angegriffenen nahezu gleich behandelt, ist eben kein neutraler Vermittler, sondern schlägt sich auf die Seite des Aggressors. Es ist Zeit, dass die Europäer für Russlands Vorgehen in der Ukraine klare Worte finden“. Man müsse die „Kreml-Elite“ mit „gezielten Finanzsanktionen“ treffen. Wladimir Putin müsse wissen, „dass er und seine Getreuen für eine weitere Eskalation in der Ukraine einen hohen Preis zahlen würden.“
Die Frankfurter Allgemeine, das führende Blatt des deutschen Establishments, fordert als weitere Strafmaßnahme den Stopp von Nordstream II, denn Russland habe „seinen Krieg gegen die Ukraine noch nicht beendet“ und jetzt „das frontnahe Gebiet in der Südostukraine in einen wirtschaftlichen und militärischen Würgegriff genommen“. Solange Russland auf den Gastransport durch die Ukraine angewiesen ist, könne sich „der Kreml keine allzu großen Feuerwerke in der Ukraine leisten“. Da ist es wieder, das Bild vom gefährlichen Russen-Bären, der nur darauf wartet, die Ukraine zu schlucken.
ARD-Fernseh-Kommentator Stefan Stuchlik, der bisher nicht unbedingt als Scharfmacher bekannt war, stellt ein Glaubwürdigkeitsproblem der deutschen Politik fest. Die Bundesregierung könne nicht „in Kiew als neutraler Vermittler auftreten, wenn man gleichzeitig zusammen mit Russland die nächste milliardenschwere Gaspipeline mit Russland baut, die übrigens zum Ziel hat, die Ukraine zu umgehen“. Schuld „an der Gesamtsituation“ sei Russland, das „völkerrechtswidrig die Krim besetzt hat“ (2).
Bundesregierung zurückhaltender
Die deutschen Politiker reagierten auf den gefährlichen Zwischenfall vor der Krim zurückhaltender. Der deutsche Außenminister Heiko Maas schlug eine Vermittlung von Deutschland und Frankreich vor, ein Vorschlag, den Russland für überflüssig hält, denn die russischen und ukrainischen Grenzbehörden könnten sich auch direkt über den Konflikt auseinandersetzen.
Angela Merkel telefonierte mit Wladimir Putin und Petro Poroschenko. Die Kanzlerin schlug vor, den Vorfall bei Kertsch von der OSZE untersuchen zu lassen. Bevor sie die Protokolle der Funksprüche zu dem Vorfall nicht eingesehen habe, könne sie kein endgültiges Urteil abgeben, erklärte Merkel.
Die deutsche Wirtschaft steht hinter dem Projekt Nordstream II. Und Angela Merkel leistet so etwas wie einen stillen Widerstand gegen die Scharfmacher in den deutschen Medien. Man kann ihr nur wünschen, dass sie durchhält.
Futter für die Erzählung vom „Ungeheuer Putin“
Die übertriebene Reaktion der deutschen Medien auf den Vorfall vor der Krim hat offenbar damit zu tun, dass die Erzählung vom „Ungeheuer Putin“ ständig gefüttert werden muss. Da das „Ungeheuer“ immer wieder mit Versöhnungsangeboten auftritt, merken viele Bürger in Deutschland, dass Putin nicht „so schlimm“ ist, wie die deutschen Medien ihn beschreiben.
Eine wichtige Bedingung dafür, dass die Erzählung vom „Ungeheuer Putin“ funktioniert, ist, dass die deutschen Medien über den Alltag in der Ukraine schweigen.
Die Menschen in Deutschland erfahren aus den großen Medien nicht, dass in der Ukraine Oppositionelle, kritische Journalisten und Rechtsanwälte von rechtsradikalen Schlägertrupps bedroht und beschimpft werden.
Die Menschen in Deutschland erfahren nichts darüber, dass es in über zwanzig Städten der Ukraine kein heißes Wasser gibt, weil die Gasfirmen die Zulieferung für die Fernwärme-Versorgung gestoppt haben.
In Deutschland erfährt man auch nichts darüber, dass immer mehr Ukrainer ihr Land verlassen, um in Polen, Deutschland oder Russland eine Arbeit zu finden.
Dass die Ukraine nach dem Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch nicht — wie von deutschen Politikern versprochen — aufblüht, sondern stattdessen unter Verarmung und der Abschaffung der Meinungsfreiheit leidet, diese Wahrheit verschweigen die deutschen Medien.
Die Provokation als Mittel der Machtsicherung
Die Regierung in Kiew macht eine unpopuläre Politik. Sie erhöht die Wohnungsnebenkosten und die Gaspreise für die Privatverbraucher. Die Bevölkerung verarmt. Eine Perspektive für eine wirtschaftliche Gesundung der Ukraine ist nicht in Sicht. Die ukrainische Armee ist der russischen hoffnungslos unterlegen. Ukrainische Wehrpflichtige verstecken sich bei Verwandten oder im Ausland, um der Einberufung zu entgehen.
Das einzige Mittel, um Kredite vom Westen zu bekommen und den Westen in eine Konfrontation mit Russland hineinzuziehen, sind von Kiew eingefädelte Provokationen. Das heißt, es werden Zwischenfälle angezettelt, welche die Ukraine als Opfer Russlands erscheinen lassen.
Der Vorfall vor der Küste der Krim war so ein Fall. Die drei ukrainischen Schiffe wollten die Meerenge von Kertsch passieren, ohne die Genehmigung der russischen Behörden abzuwarten. Zu beiden Seiten der Meerenge von Kertsch ist russisches Territorium, wenn auch die Krim von der Ukraine nicht als russisches Territorium anerkannt wird. Weil aber ukrainische Politiker mit der Sprengung der Krim-Brücke drohen, besteht Russland auf einer Kontrolle der ukrainischen Schiffe, bevor sie die Meerenge von Kertsch passieren.
Im Mai dieses Jahres gab es einen ähnlichen Fall von Provokation. Nachrichtenagenturen meldeten die Ermordung des Journalisten und Putin-Gegners Arkadi Babtschenko in Kiew. Deutsche Zeitungen brachten den Mord in großen Schlagzeilen. Einen Tag später präsentierte sich Babtschenko quicklebendig vor Fernsehkameras zusammen mit dem ukrainischen Geheimdienstchef.
Die Bestürzung in deutschen Redaktionen war groß. Die Deutschlandfunk-Journalistin Sabine Adler mahnte, solche Aktionen würden „nur Russland nützen“. Zu mehr Kritik an der ukrainischen Regierung sind die Journalisten der großen deutschen Medien offenbar nicht in der Lage, denn die Regierung in Kiew wurde im Frühjahr 2014 mit Hilfe deutscher Medien an die Macht gebracht. Sie jetzt zu kritisieren würde die damalige Unterstützung in Frage stellen und das Vertrauen der Menschen in die deutschen Medien weiter zerrütten.
Weitere Vorkommnisse, wie der Abschuss der malaysischen Passagiermaschine MH 17 im Juli 2014 über dem Donezk-Gebiet, der mutmaßlich von Scharfschützen herbeigeführte Tod von 80 Menschen auf dem Maidan am 20. Februar 2014 und der Tod von 48 Menschen im Gewerkschaftshaus von Odessa am 2. Mai 2014, hat die ukrainische Regierung bisher nicht aufgeklärt, was den Verdacht stärkt, dass Kiew auch hinter diesen Aktionen steckt, die kein anderes Ziel hatten, als Russland als Schuldigen zu brandmarken und die Post-Maidan-Macht in Kiew zu festigen.
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.rbc.ru/politics/26/11/2018/5bf7dd5f9a7947b502a63ae6
(2) https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-476177.html
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