Erdüberlastungstag, täglich mehr Plastikmüll in den Weltmeeren, Weltartenschutzkonferenz, ungebremstes Artensterben, Weltklimarat, Raubbau an tropischen Regenwäldern, ökologische Gutachten, Erosion, Desertifikation, „Club of Rome“ und „Die Grenzen des Wachstums“, globale Umweltverschmutzung durch Industrie und Landwirtschaft, Überfischung, Treibhausgase, Masttierhaltung, Gülle, Ozon, Waldsterben, Nitratbelastung, Klimawandel, … HALLO? Ist da jemand? Das geht uns alle an! Seit nunmehr sechzig Jahren wird gewarnt. Stopp mit der Ignoranz auf allen Seiten! Die Zeit läuft ab.
Erdüberlastungstag oder Welterschöpfungstag
Am 29. Juli 2019 war der sogenannte „Erdüberlastungstag“ oder „Welterschöpfungstag“. Er wird alljährlich vom Global Footprint Network (GFN), ein Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, errechnet. Das internationale Netzwerk fordert auch die Bundesregierung zum Umsteuern auf, da die Folgen von Übernutzung und Klimawandel immer offensichtlicher würden. Dazu sagt Mathis Wackernagel, der Gründer und Präsident von GFN:
„Statt ökologisch gegen die Wand zu fahren, wäre es für Deutschland von Vorteil, wenn sich seine Regierung für eine wesentlich ambitioniertere Energie-, Verkehrs- und Agrarpolitik stark machen und sich von der ressourcenintensiven und wachstumsbesessenen Wirtschaftsweise befreien würde“ (1).
Laut Ökologen haben wir — gemeint ist die globale Menschheit — ab dem 29. Juli rein rechnerisch alle natürlichen Ressourcen, die sich selbständig regenerieren können, für 2019 verbraucht. Ab dem 30. Juli geht es um unwiederbringlichen Verlust. Jetzt heißt es Raubbau. Radikale Vernichtung von Lebensräumen und Arten. Weitere Zerstörung der Erde, unseres Planeten. Bis dato haben wir allerdings noch keinen anderen, auf den wir ausweichen könnten, wenn alles kaputt ist.
BUND-Chef Hubert Weiger mahnte: „Brütende Hitzesommer, sterbende Wälder und Ausnahmezustände aufgrund von Unwettern werden mit der fortschreitenden Ausbeutung unseres Planeten zur neuen, katastrophalen Normalität (2).“ Das 29. Juli ist der errechnete Termin für die Erde insgesamt. Wenn alle auf der Welt so leben würden wie die Deutschen, wäre der Erdüberlastungstag bereits am 3. Mai 2019. Deutschland liegt bezüglich des Pro-Kopf-Verbrauches und der Emissionen im obersten Viertel weltweit (3) und insgesamt auf Platz acht der Weltrangliste (4).
Solche Daten werden in Deutschland wahrgenommen, als würde ein Zwerghasenverein über die durchschnittliche Länge der Hasenohren berichten.
„Ressourcenschonend“ — das heißt derart, dass sich Böden, Meere und Wälder trotz unserer Eingriffe wieder regenerieren konnten — lebten wir das letzte Mal im Jahre 1970, also vor circa 50 Jahren (5). Seitdem gehen wir in den wirtschaftlich entwickelten Ländern so mit dem Planeten um, als könnten wir bereits auf jedem beliebigen Stern im Universum leben.
Wie ist diese Ignoranz der augenscheinlichen Fakten überall auf der Welt möglich?
Das globale Ökosystem funktioniert wie ein Körper. Die Regenwälder sind die Lungen. Doch die Abholzung der tropischen Regenwälder schreitet weltweit unaufhaltsam voran — in Südostasien, um Ölpalm-Plantagen anzulegen, in Südamerika, um Soja für Mastvieh in Europa anzubauen. In Deutschland sind dann wiederum die mit diesem Soja gefütterten und in riesigen Mastbetrieben gequälten Rinder für 60 Prozent der Methan-Emissionen verantwortlich (6).
Wir fischen alle Ozeane leer. Mit riesigen Fangflotten — wie Fabriken auf dem Meer. Alles wird rausgeholt, was rauszuholen ist. Laut Angaben der Vereinten Nationen seien circa 30 Prozent der globalen Fischbestände bereits überfischt (7). Ein Fischer in der Bretagne oder vor der Westküste Afrikas hat kaum noch etwas im Rumpf seines Kutters, wenn er die Netze einholt.
Laut Hochrechnungen des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen (UNEP) hat sich der Rohstoffverbrauch der letzten 40 Jahren weltweit verdreifacht, während sich die Weltbevölkerung nicht einmal verdoppelt hat.
Es ist kaum verwunderlich, dass auf die Industrieländer der höchste Konsum entfällt. Der Pro-Kopf-Verbrauch eines Europäers ist zehnmal so hoch wie der eines Afrikaners oder Asiaten, während die Rohstoffe — fossile Brennstoffe und Metalle — meist aus deren Regionen kommen (8).
Wir produzieren über und über durch unsere vergiftete Landwirtschaftsform (9). Genau dieses „Über“, das Zuviel, kurbelt allerdings die Wirtschaft an. Der Philosoph Peter Strasser schreibt in Cicero: Unsere Produkte sind schnelllebig und Technologien selten umweltbewusst. Der Kapitalismus lebt von stetigem Wachstum. Das ist allerdings ohne eine permanente Überreizung des Marktes kaum zu bewerkstelligen. „Die Politik tut scheinheilig generationenbewusst, und wirft für populistischen Erfolg alle Zukunftsbedenken über Bord (10).“
Das Über, das Zuviel, das sind Aber- und Abermillionen von nicht verkauften Leibern Brot, die alltäglich in den Supermärkten abgeholt und vernichtet werden. Laut Umweltbundesamt werden etwa ein Drittel aller Lebensmittel in Deutschland vernichtet. Außerdem hinterlässt jeder Deutsche pro Jahr rund 220 Kilogramm Plastikmüll auf der Erde (11). Ein schöner Fußabdruck!
Zwar sind die Deutschen Weltmeister im Mülltrennen und der Plastikmüll kommt feinsäuberlich in den dafür vorgesehenen Gelben Sack. Diese Gelben Säcke zieren allwöchentlich die Vorgärten oder fliegen bei Wind durch die Straßen. Viele Raben haben sie schon für sich entdeckt. Die Säcke werden abgeholt, angeblich irgendwo sortiert und der Inhalt so gut wie möglich recycled. Heißt es. In Wahrheit findet sich der Großteil der zu Hause feinsäuberlich sortierten Gelben Säcke der Wohlstandsgesellschaft — wenn er nicht verbrannt wird — auf den Müllhalden der südlichen Hemisphäre wieder und vergiftet dort die Landschaft. Aber von Zeit zu Zeit ist ja doch noch etwas Brauchbares für die Müllsucher in der abgehängten Welt dabei. Diese Müllsucher sind übrigens nicht für den Erdüberlastungstag auf der Welt verantwortlich.
Global Footprint Network errechnet auch die Schulden pro Jahr, die die Menschheit bei Ökosystemen, den künftigen Generationen und bei den Ärmsten der Armen auf der Südhalbkugel macht, die heute durch die Nebenwirkungen unseres fortschrittlichen Lebensstils geschädigt sind (12). Laut GFN bräuchten wir drei Erden, wenn alle so leben würden wie die Deutschen. Grundlage dieser Bilanz sind zum Beispiel der Verbrauch an Holz, Ackerland und Fischgründen, aber auch der CO2-Ausstoß, die mit Hilfe von Daten der Vereinten Nationen berechnet werden (13). Der Lebensstil der Industrienationen belastet die Welt am meisten. In Deutschland sind es insbesondere der CO2-Ausstoß durch Verkehr und Kohlekraftwerke sowie die intensivierte Landwirtschaft (14, 15).
Der Club of Rome
Der Club of Rome warnt bereits seit über 50 Jahren unerbittlich vor dem Kollaps unseres Planeten und fordert Nachhaltigkeit in unserem Tun. Der Appell ist in Zeiten des mittlerweile unbestreitbar spürbaren Klimawandels, einer stetig weiterwachsenden Weltbevölkerung und der unaufhaltsamen Umweltzerstörung aktueller denn je (16).
Der Club wurde 1968 in Rom gegründet. Genau zu der Zeit, als junge Intellektuelle überall in Europa und Amerika gegen den Kalten Krieg und die kapitalistische Gesellschaftsform aufbegehrten. Ernst Ulrich von Weizsäcker, bis vor kurzem Vize-Präsident des Club of Rome, Physiker und Biologieprofessor wörtlich:
„Man hatte in den 1960er Jahren die Vorstellung: Ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent sei normal und dass das immer so weiter gehen wird (17).“
Es handelt sich um ein Expertengremium aus Ökonomen, Industriellen, Unternehmern und Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen aus über 30 Ländern. Ihre Vision war damals, ein tragfähiges Zukunftsmodell der Welt zu entwickeln. Sie wollen bis heute die wichtigsten Probleme der Menschheit identifizieren und setzen sich grundlegend für nachhaltige Entwicklung und den Schutz der Ökosysteme ein. Es geht um Fragen zur Balance zwischen Ökologie und Ökonomie, die neue Wege und Methoden unabdingbar machen.
„Das dynamische Gleichgewicht, da geht es in erster Linie darum, dass man die Nachhaltigkeit mit einbezieht. Weil Wirtschaftssysteme im Grunde nicht wirklich im Gleichgewicht sind, obwohl sie das ja von der Ökonomie her behaupten, dass man sagt: Angebot und Nachfrage ist im Gleichgewicht. Hier geht es darum, dass man Nachhaltigkeit, den Umweltschutz mit einbezieht, dass man dieses dynamische Gleichgewicht entwickelt. Dieser nachhaltige Pfad heißt eben, dass man die Umweltschäden und alle Klimaschäden mit einpreist in das Wirtschaftssystem. Dass man sich genau anschaut, welche stabilen Gleichgewichte tatsächlich auftreten können, wenn man es schafft, die Nachhaltigkeit in das System mit einzubeziehen.“ (18).
Mit dem 1972 in Auftrag gegebenen Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ — 30 Millionen Mal verkauft und in 30 Sprachen übersetzt, so viel wie keine andere wissenschaftliche Studie jemals — wurde der Club of Rome weltweit bekannt. Ulli Kulke schreibt 2012 in der WELT:
„Jeder, der den Zeitgeist und das Streben Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre kennenlernte, weiß, dass damals ein Umdenken in der Richtung der ‚Grenzen des Wachstums‘ bitter nötig war, insofern haben die Autoren das Verdienst, die richtige Debatte angestoßen zu haben“ (19).
Als Folge entstanden zum Beispiel Lehrstühle für Umweltwissenschaften, Umweltsoziologie und -technologie, das Umweltbundesamt, viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und die Grünen. Die Gedanken wurden auch im Brundtland-Bericht der UNO von 1987 aufgegriffen. In den 80er Jahren gab es immer mehr Forschungsergebnisse, die belegten, wie der Mensch durch sein Verhalten die Natur zugrunde richtet (20).
„Die Grenzen des Wachstums“
Dabei handelt es sich um eine Studie zur Weltwirtschaft, die ein Zukunftsszenario entwirft, das zum damaligen Zeitpunkt als Warnung aufgefasst werden sollte. Thematisiert wurde die Entwicklung der Weltbevölkerung, der industrielle Fortschritt und der Ressourcenverbrauch. Der Autor und Ökonom Dennis Meadows vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston schrieb:
„Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und die Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht“ (21).
Es erschien den Wissenschaftlern zum damaligen Zeitpunkt allerdings noch als möglich, einen sowohl ökologisch als auch ökonomisch tragbaren Gleichgewichtszustand zu erreichen. Es läge nur daran, dass der Mensch sich entschließe, diesen auch aktiv und bewusst herzustellen (22).
Für die Berechnungen wurde laut Weizsäcker eine zu diesem Zeitpunkt zwar noch recht primitive computergesteuerte Mathematik angewandt, aber im Kern stimme die These (23). Für ihr „Weltmodell“ nahmen die Wissenschaftler fünf makroökonomische Parameter als maßgeblich an: Bevölkerungswachstum, Industrie-Output pro Kopf, verbrauchte Nahrung pro Kopf, Ressourcenverbrauch und Umweltverschmutzung. Verschiedene Szenarien — wie zum Beispiel was geschieht, wenn alle Bodenschätze aufgebraucht sind oder wann der Punkt erreicht ist, an dem die Erde die Menschen nicht mehr ernähren kann — wurden durchgerechnet. Ergebnis war, dass exponentielles Wachstum in einem limitierten System schneller als erwartet die Grenze der Belastbarkeit erreicht und so die Lebensgrundlage des Menschen zerstört sei.
Ab jetzt konnte keiner mehr behaupten, er hätte dies nicht gewusst (24).
Ab jetzt war klar, dass es der Mensch war, der das globale Ökosystem bedrohte und nicht umgekehrt (25). „Die Grenzen des Wachstums“ markierten eine Zäsur und haben das Bewusstsein einer ganzen Generation verändert.
Davor hatte man eher das Gefühl, die Menschheit sei durch nichts mehr aufzuhalten: stetig gesteigerte Produktion, wachsender Wohlstand, überbordender Konsum, alles immer schneller, immer höher, immer weiter (26).
Ernst Ulrich von Weizsäcker sagte am 29. August 2018 in einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung:
„Wenn wir es 1972 nicht veröffentlicht hätten, wäre alles viel schlimmer geworden. Dann hätte man die globale Erwärmung, als eine der existenziellen Gefahren für das Überleben der Menschheit, vermutlich noch heute nicht auf der politischen Agenda. Genau wie die Folgen des Waldsterbens oder der Meeresverschmutzung“ (27).
Aktuell beschäftigt sich der Club mit Veränderungen in der Funktion von Wirtschaftssystemen, dem Ressourcenverbrauch sowie der Sicherung von Lebensgrundlagen, Arbeitsplätzen und Einkommen. Bis heute betonen die Mitglieder immer wieder die Notwendigkeit eines radikalen Wandels in der Weltwirtschaft. Nur so wären Wohlstand auf der einen und das Überleben des Planeten auf der anderen Seite aufrecht zu erhalten (28).
Die Prognosen des neuen Reports „2052 — eine globale Vorhersage für die nächsten 40 Jahre“ seien laut dem Klimaforscher Jorgen Randers, Mitautor der „Grenzen des Wachstums“, düster. Zwar habe der Mensch begonnen, die Grenzen der Erde ernster zu nehmen, doch Bemühungen, etwas zu ändern, kämen viel zu langsam.
„Die Menschheit hat die Ressourcen der Erde ausgereizt und wir werden in einigen Fällen schon vor 2052 einen örtlichen Kollaps erleben“ (29).
Der LINKEN-Politiker Lorenz Gösta Beutin schreibt am 9. Juli 2018, die Gründung des Club of Rome vor 50 Jahren sei ein Lehrstück über die Entstehung eines grün-humanistischen Kapitalismus und warum er nicht funktioniert. Wenn der Ausspruch von Rosa Luxemburg stimmt, die revolutionärste Tat sei, das laut auszusprechen, was ist, „würde der Club als Hort der Revolution in die Geschichte eingehen (30).“
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung veröffentlichte Ende 2015 eine Studie, in der per Computersimulation vier Szenarien durchgespielt wurden, in die wirtschaftliche und soziale Daten der vergangenen vier Jahrzehnte einflossen. Ziel war es, bis zum Jahr 2030 in allen Szenarien die UN-Nachhaltigkeitsziele zu Armut, Gesundheit, Energie und Umwelt im Rahmen der Ressourcen des Planeten zu erreichen.
Bedingungen für eine Veränderung seien eine radikale Energiewende, nachhaltige Lebensmittelproduktion, neue Wachstumsmodelle für ärmere Länder, ein Abbau von Ungleichheit durch faire globale Steuersysteme sowie enorme Investitionen in Bildung, Geschlechtergleichheit, Gesundheit und Familienplanung. In jedem kommenden Jahrzehnt müsse der Ausstoß fossiler Brennstoffe halbiert werden. Um 2050 zehn Milliarden Menschen ernähren zu können, sei der Wechsel zu einer nachhaltigeren Form der Landwirtschaft unabdingbar (31).
Von Weizsäcker sagt hierzu:
„Der praktisch regellose globale Markt ist ein primitiver Wachstums- und Profitmarkt. Für Klimawandel, Ozeane oder biologische Vielfalt hat der keine Antenne. Und wenn wir Regeln einführen wollen, brüllen die Amerikaner, das sei das Ende der Freiheit und des Wohlstands, und die neuen rechtsgerichteten Parteien brüllen mit“ (32).
Am Klimawandel kommt allerdings heute niemand mehr vorbei, so das Fazit der diesjährigen Klima-Pressekonferenz des Deutschen Wetterdienstes. Deutschland müsse mit feuchten Wintern und trockenen Sommern rechnen. Da nach Ansicht des Club of Rome der Ausstoß der Treibhausgase noch bis 2030 ansteige, stünden auch uns Dürren, Fluten und extreme Hitzewellen ins Haus (33).
WWF-Report: Menschen ruinieren Umwelt und Artenvielfalt
Seit 1998 bringt der World Wide Fund for Nature (WWF) einen „Living Planet Report“ (LPI) zum Gesundheitszustand der Erde heraus. Und auch dieser ökologische Bericht präsentiert ein erschreckendes Bild bezüglich der noch zur Verfügung stehenden natürlichen Ressourcen (34) und unserer ignoranten Umgangsweise damit.
Irgendjemand scheint dem Menschen das uneingeschränkte Recht eingeräumt zu haben, durch seinen Lebenswandel Millionen anderer Arten unwiederbringlich auszulöschen. Und von Tag zu Tag werden es mehr.
Besonders dramatisch sieht der WWF die Situation der tropischen Regenwälder mit ihrer großen Diversität an Pflanzen und Tieren. Und es wird weiter gerodet für die Landwirtschaft, für industriell betriebene Holzwirtschaft und für riesige Bergbauminen (35).
Außerdem kommt es durch anhaltende Trockenheit weltweit zu immer mehr Waldbränden. Seit Jahren ist Kalifornien ein bekanntes Beispiel aus den Nachrichten, weil dort zusammen mit den Bäumen die Luxusvillen der Reichen und Schönen in den Hollywood Hills abbrennen.
Die Weltartenschutzkonferenz am 29. April 2019 in Paris eröffnete Robert Watson, der Präsident des Weltbiodiversitätsrates, mit den Worten:
„Die Belege sind unbestreitbar: Die Zerstörung der Artenvielfalt und der Ökosysteme hat ein Niveau erreicht, das unser Wohlergehen mindestens genauso bedroht wie der durch den Menschen verursachte Klimawandel“ (36).
Die taz berichtet am 30. Juli 2019 von Millionen Hektar Taiga, die in Sibirien in Flammen stehen. „Umweltschützer warnen, dass die Zerstörung riesiger Waldflächen in Sibirien eine gefährliche Klimawandel-Spirale auslöse und direkt zur Eisschmelze in der Arktis beitrage“. Laut Greenpeace Russland seien 2019 bereits zwölf Millionen Hektar Wald im Osten Russlands abgebrannt. So kommt es gleich zu doppelter Kohlendioxid-Belastung. Zum einen werden bei Waldbränden große Mengen CO2 freigesetzt. Zum anderen kann abgebrannter Wald kein CO2 mehr speichern (37).
Wichtig sind in diesem Zusammenhang die sogenannten Tipping Points — Punkte, an denen markante Änderungen eintreten. Von Weizsäcker erklärt hierzu:
„Die Erderwärmung führt dazu, dass das Grundeis in der Tundra von Sibirien und Kanada schmilzt. Dabei werden gigantische Mengen Methan freigesetzt, und das ist ein schlimmeres Gas für das Weltklima als Kohlenstoffdioxid. Irgendwann kann ein Punkt erreicht werden, an dem eine sich selbst beschleunigende Katastrophe ausgelöst wird. Dann geht es nicht mehr um ein Viertel Grad mehr beim Erdklima. So stolpern wir locker über die Drei-Grad-Marke. Das wäre eine üble Geschichte. Das Polareis im Süden und Norden könnte ins Meer rutschen. Einschließlich Grönland. Und der Meeresspiegel stiege dann um mehrere Meter an. Was ist dann mit Amsterdam? Hamburg? Helsinki? Ägypten, Bangladesch und Florida? Den Millionen-Metropolen an den asiatischen Küsten? Das wäre eine noch viel schlimmere Katastrophe als Tschernobyl und Fukushima“ (38).
Der globale Verbrauch der Weltbevölkerung ist heute deutlich höher als die Biokapazität der Erde. Darunter versteht man das Vermögen der Natur, erneuerbare Ressourcen wiederherzustellen, Land zu regenerieren sowie Abfälle und CO2-Emissionen abzubauen (39). Laut Nobert Seitz im Deutschlandfunk wurden die meisten ökologischen Richtwerte trotz guter Vorsätze und diverser Weltkonferenzen nicht erreicht.
„Das wurde durch das Dementi des Klimawandels und die Zurückweisung des Kyoto-Protokolls und der Pariser Vereinbarungen durch US-Präsident Donald Trump noch absurder“ (40).
Ernst Ulrich von Weizsäcker erklärt hierzu im Interview:
„Von 1972 bis heute hat sich die Weltbevölkerung ungefähr verdreifacht und der Konsum verzehnfacht. Die Situation der Ozeane hat sich dramatisch verschlechtert. Die Klimaveränderung ist inzwischen sogar als bedrohlich anzusehen. Dieses Jahr ist krass. Hinzu kommt die gigantische Zerstörung der biologischen Vielfalt. Täglich sterben Dutzende Pflanzen- und Tierarten aus. Die Welt hat die ‚Grenzen des Wachstums‘ keineswegs respektiert“ (41).
Anthropozän: Das Zeitalter des Menschen
Der niederländische Wissenschaftler Paul Crutzen prägte im Jahr 2000 den Begriff Anthropozän. Am 29. August 2016 riefen dann Geologen auf einem internationalen Kongress in Kapstadt das Anthropozän aus — das Erdzeitalter, welches vom Faktor Mensch bestimmt ist. Seit circa 200 Jahren — seit dem Beginn der Industriellen Revolution — greift der Mensch massiv und unkontrolliert in biologische, geologische und atmosphärische Prozesse ein, dass die Auswirkungen in 100.000 bis 300.000 Jahren noch spürbar sein werden. Die Forscher schlugen vor, als Beginn des Anthropozäns die Mitte des 20. Jahrhunderts anzusetzen (42).
Am 16. Juli 1945 fand der erste Atombombentest statt.
Alle Umweltbelastungen durch den Menschen hinterlassen einen sogenannten Fußabdruck in den Gesteinsschichten. Während im vorigen Zeitalter die Natur noch alles beherrschte, hat jetzt der Mensch die Vormachtstellung übernommen (43).
Bis der Begriff Anthropozän offiziell anerkannt ist, können noch viele Jahre vergehen. Aber eigentlich spielt das doch überhaupt keine Rolle und ändert vor allem nichts an den Tatsachen, die klar auf der Hand liegen — nämlich, dass der Mensch selbst seinen eigenen Lebensraum zerstört.
Man muss ihn bewundern, das hat zuvor noch keiner geschafft. Selbst die Dinosaurier haben sich nicht selbst ausgerottet, weil sie auf Grund ihrer Größe zu viel gefressen hätten. Da brauchte es schon einen Meteoriteneinschlag. Wäre das alles nicht so traurig, es wäre ein richtig guter Witz.
Kritiker des Club of Rome
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ist auch Professor für Makroökonomie und Finanzen an der Humboldt-Universität zu Berlin und Mitglied im Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Über den Bericht des Club of Rome „Ein Prozent ist genug. Mit wenig Wachstum soziale Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Klimawandel bekämpfen“ von Jorgen Randers und Graeme Maxton, in dem es vorrangig um Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Klimawandel geht, schreibt Fratzscher im SPIEGEL vom 14. September 2016, die vorgeschlagenen Lösungen seien meist kontraproduktiv und widersprüchlich.
„Der Club of Rome ist sich seit dem Bericht über ,Die Grenzen des Wachstums‘ im Jahr 1972 in seinem pessimistischen und menschenfeindlichen Ausblick treu geblieben. Der neue Bericht folgt der gleichen Logik, es gäbe zu viele Menschen auf der Erde, dies überfordere die natürlichen Ressourcen und würde bald zu Armut und dem Zusammenbrechen der Zivilisation führen“ (44).
„Fast allen Ländern der Welt geht es heute ungleich besser als in den 1970er Jahren. Die Armutsquote in Ländern wie China ist massiv gesunken, weniger Menschen leiden unter Hunger und sterben an ansteckenden Krankheiten, der Wohlstand fast aller Industrieländer ist gestiegen und wir leben in einer deutlich friedlichen Welt als noch vor 40 Jahren“ (45).
Mit dieser Äußerung blendet er die katastrophalen Entwicklungen der meisten Länder der Südhalbkugel, allen voran in Afrika, völlig aus.
Das Menschenbild des Club of Rome zeige sich in der Aussage des Autors Randers bei der Buchvorstellung, seine Tochter sei „das gefährlichste Tier der Welt“, weil sie 30-mal mehr Ressourcen als Kinder in Entwicklungsländern verbrauche. Dabei mag eine Tochter, die Energie aus erneuerbaren Quellen verbraucht, die Umwelt weniger belasten als eine Tochter, die 30-mal weniger Energie verbraucht, dies jedoch durch die Abholzung von Wäldern oder das Nutzen fossiler Brennstoffe tut (46, 47). Dies soll hier nicht kommentiert werden, verwiesen sei jedoch auf das Anfangskapitel „Erdüberlastungstag oder Welterschöpfungstag“.
Wie sind die Endlichkeit natürlicher Ressourcen und das Ende der Belastbarkeit der Erde ins Bewusstsein der Bevölkerung zu bekommen?
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen, der die Bundesregierung seit nunmehr über 45 Jahren berät, erachtet die fortschreitende Umweltzerstörung in seinem Sondergutachten vom 27. Juni 2019 als besorgniserregend; die Umweltpolitik müsse ihre Effektivität steigern. Das Gutachten macht in seiner Analyse klar, der Staat habe nicht nur die Macht zum Handeln, sondern sei auch verpflichtet, die Lebensgrundlagen der Bevölkerung zu erhalten. Der Rat stellt klar, es mangele dem Umweltressort im Vergleich zu anderen Fachressorts an Durchsetzungsvermögen und schlägt vor:
„Das Bundesumweltministerium sollte die Möglichkeit bekommen, Gesetze auch außerhalb seines Zuständigkeitsbereichs zu initiieren, beispielsweise für Landwirtschaft oder Verkehr. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sollte verbindlicher ausgestaltet und finanziell unterlegt werden. Zudem sollten der Gesetzgebungsprozess transparenter gestaltet sowie die Gesetzfolgenabschätzung im Hinblick auf Nachhaltigkeit gestärkt werden. Ein neu einzurichtender ,Rat für Generationengerechtigkeit‘ könnte helfen, Interessen der jungen und künftigen Generationen im Zyklus der Wahlperioden eine Stimme zu geben“ (48).
Norbert Seitz schreibt am 21. Mai 2018 im DLF: „Die allumfassende Krise unterscheide sich „in ihrem Charakter“ wesentlich von früheren darin, „dass sie nicht von offensichtlich bösen Menschen und Mächten verursacht, sondern durch Entwicklungen herbeigeführt wird, die wir vielfach heute noch als Ausdruck menschlichen Fortschritts, ja als Sieg über die den Menschen gesetzten natürlichen Beschränkungen und Grenzen empfinden. Hierdurch gewinnt die Krise den Aspekt des Unentrinnbaren, wenn die Menschheit ihre Wertvorstellungen und Ziele nicht ändert“ (49).
In einer demokratischen Staatsform sollte es möglich sein, dass die Zivilgesellschaft sich selbst für eine umweltverträglichere Lebensweise einsetzt und damit eine ökologische Wende von unten anschiebt.
Dabei verlaufen soziale Entwicklungen nie linear, es gibt sowohl Entwicklungssprünge als auch völlig unvorhersehbare Entwicklungen. Karl Wagner, österreichisches Mitglied des Club of Rome, prognostizierte für die 2020er Jahren eine Revolution, da es der nächsten Generation endlich reicht, weil sie nicht länger für die Umweltsünden ihrer Vorgängergenerationen büßen will (50).
Dennis Meadows sagte einmal, dass der Abschied von materiellem Wachstum auch mit qualitativen Entwicklungen wie geistigem Wachstum und einer menschlicheren Gesellschaft einherginge, die von Wahrhaftigkeit, Empathie und Solidarität geprägt sei (51).
Die Hoffnung stirbt zuletzt!
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.overshootday.org/
(2) https://www.zeit.de/news/2019-07/28/leben-auf-pump-welterschoepfungstag-immer-frueher-im-jahr
(3) https://germanwatch.org/de/16454
(4) https://www.br.de/themen/wissen/tag-oekoschulden-earth-overshoot-day-100.html
(5) https://www.tagesschau.de/ausland/erdueberlastungstag-111.html
(6) a.a.O.
(7) a.a.O.
(8) https://www.wir-leben-nachhaltig.at/aktuell/detailansicht/erdueberlastungstag-earth-overshoot-day/
(9) https://www.rubikon.news/artikel/vergiftete-landwirtschaft
(10) https://www.cicero.de/kultur/erdueberlastungstag-umwelt-nachhaltigkeit-ressourcen/plus
(11) https://www.tagesschau.de/ausland/erdueberlastungstag-111.html
(12) https://www.overshootday.org/
(13) https://www.zeit.de/news/2019-07/28/leben-auf-pump-welterschoepfungstag-immer-frueher-im-jahr
(14) https://www.rubikon.news/artikel/vergiftete-landwirtschaft
(15) https://www.welt.de/wirtschaft/article197597225/Erdueberlastungstag-am-29-Juli-Ab-heute-leben-wir-ueber-unsere-Verhaeltnisse.html
(16) http://www.br.de/themen/wissen/club-of-rome-zukunft-nachhaltigkeit-experten-100.html; 50 Jahre Club of Rome; Erneuter Weckruf an die Weltgemeinschaft; 17.10.2018
(17) https://www.saarbruecker-zeitung.de/nachrichten/politik/topthemen/weizsaecker-fordert-eine-revolution-fuer-das-welt-klima_aid-32223957
(18) https://www.deutschlandfunk.de/appelle-des-20-jahrhunderts-3-die-grenzen-des-wachstums-1972.724.de.html?dram:article_id=418360
(19) https://www.welt.de/wirtschaft/article106301127/Nach-dem-Erdoel-Aus-kommt-die-grosse-Hungersnot.html
(20) https://www.deutschlandfunk.de/appelle-des-20-jahrhunderts-3-die-grenzen-des-wachstums-1972.724.de.html?dram:article_id=418360
(21) http://www.br.de/themen/wissen/club-of-rome-zukunft-nachhaltigkeit-experten-100.html; 50 Jahre Club of Rome; Erneuter Weckruf an die Weltgemeinschaft; 17.10.2018
(22) https://www.boell.de/de/oekologie/oekologie-gesellschaft-club-of-rome-bericht-2052-globale-vorhersage-40-jahre-14607.html
(23) https://www.saarbruecker-zeitung.de/nachrichten/politik/topthemen/weizsaecker-fordert-eine-revolution-fuer-das-welt-klima_aid-32223957
(24) https://www.welt.de/debatte/article184454552/Pro-Contra-Ist-der-Club-of-Rome-noch-zeitgemaess.html
(25) https://www.deutschlandfunk.de/appelle-des-20-jahrhunderts-3-die-grenzen-des-wachstums-1972.724.de.html?dram:article_id=418360
(26) https://www.welt.de/debatte/article184454552/Pro-Contra-Ist-der-Club-of-Rome-noch-zeitgemaess.html
(27) https://www.saarbruecker-zeitung.de/nachrichten/politik/topthemen/weizsaecker-fordert-eine-revolution-fuer-das-welt-klima_aid-32223957
(28) https://web.archive.org/web/20130529205510/http://www.clubofrome.org/?p=324
(29) https://www.boell.de/de/oekologie/oekologie-gesellschaft-club-of-rome-bericht-2052-globale-vorhersage-40-jahre-14607.html
(30) https://diefreiheitsliebe.de/politik/meinungsstark-politik/denkpanzer-des-gruenen-kapitalismus/
(31) https://www.pik-potsdam.de/aktuelles/pressemitteilungen/neues-online-tool-zukunftsszenarien-fuer-den-nahrungsmittelbedarf-im-21-jahrhundert
(32) https://www.zeit.de/2012/48/Die-Grenzen-des-Wachstums-Wirtschaft-Prognosen/seite-3
(33) https://www.welt.de/wirtschaft/article106301127/Nach-dem-Erdoel-Aus-kommt-die-grosse-Hungersnot.html
(34) https://www.br.de/nachrichten/wissen/wwf-report-menschen-ruinieren-umwelt-und-artenvielfalt,R7s2eGV; Living Planet Report 2018 WWF-Report: Menschen ruinieren Umwelt und Artenvielfalt
(35) a.a.O.
(36) https://www.tagesschau.de/ausland/konferenz-artenvielfalt-103.html
(37) https://taz.de/Riesige-Waldbraende-in-Sibirien/!5613835/
(38) https://www.saarbruecker-zeitung.de/nachrichten/politik/topthemen/weizsaecker-fordert-eine-revolution-fuer-das-welt-klima_aid-32223957
(39) https://www.br.de/nachrichten/wissen/wwf-report-menschen-ruinieren-umwelt-und-artenvielfalt,R7s2eGV; Living Planet Report 2018 WWF-Report: Menschen ruinieren Umwelt und Artenvielfalt
(40) https://www.deutschlandfunk.de/appelle-des-20-jahrhunderts-3-die-grenzen-des-wachstums-1972.724.de.html?dram:article_id=418360
(41) https://www.saarbruecker-zeitung.de/nachrichten/politik/topthemen/weizsaecker-fordert-eine-revolution-fuer-das-welt-klima_aid-32223957
(42) https://www.br.de/themen/wissen/anthropozaen-erdzeitalter-mensch-geologie-100.html
(43) a.a.O.
(44) https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/club-of-rome-zukunftsbericht-was-fuer-ein-unsinn-kommentar-a-1112295.html
(45) a.a.O.
(46) a.a.O.
(47) https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/club-of-rome-die-propheten-des-untergangs-11746779.html
(48) https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/02_Sondergutachten/2016_2020/2019_06_SG_Legitimation_von_Umweltpolitik.html
(49) https://www.deutschlandfunk.de/appelle-des-20-jahrhunderts-3-die-grenzen-des-wachstums-1972.724.de.html?dram:article_id=418360
(50) https://www.boell.de/de/oekologie/oekologie-gesellschaft-club-of-rome-bericht-2052-globale-vorhersage-40-jahre-14607.html
(51) https://taz.de/taz-Serie-Grenzen-des-Wachstums/!5104424/
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