von John W. Whitehead
Es ist ein Test.
Bei diesem Test geht es jedoch nicht um grundlegende Hygiene oder Katastrophenvorsorge oder unsere Fähigkeit, als Nation in Krisenzeiten zusammenzurücken — obwohl wir uns in all diesen Bereichen nicht gerade besonders auszeichnen.
Bereit zum Gleichschritt?
Nein, in den nächsten Wochen soll herausgefunden werden, inwieweit wir die Lektionen der Regierung in Sachen Einhaltung der Restriktionen, Angst und Polizeistaatstaktiken verinnerlicht haben. Es ist ein Test, wie schnell wir bei Diktaten der Regierung im Gleichschritt mitmarschieren, ohne Fragen zu stellen, und ein Test, wie wenig Widerstand wir dem Griff nach der Macht durch die Regierung entgegensetzen, wenn dieser im Namen der nationalen Sicherheit erfolgt.
Vor allem ist es ein Test, um zu prüfen, ob die Verfassung — und unsere innere Verpflichtung gegenüber den in den Bill of Rights verankerten Prinzipien — eine nationale Krise und einen echten Ausnahmezustand überleben kann.
Instrumentalisierung der Angst
Folgendes wissen wir: Was auch immer die sogenannte Gefahr für unsere Nation darstellt — seien es zivile Aufstände, Schießereien an den Schulen, angebliche Terrorakte oder die Bedrohung durch eine globale Pandemie wie bei COVID-19 —, die Regierung tendiert dazu, den Gefühlsaufruhr, die Verwirrung und die Angst der Nation zu instrumentalisieren, um die Reichweite des Polizeistaates auszudehnen.
Diese Coronavirus-Epidemie, die die orwellsche Überwachung in China ins Rampenlicht und Italien dazu gebracht hat, die Grenzen zu schließen, könnte dazu führen, dass der US-Polizeistaat sich in einem nie gesehenen Ausmaß offenbart.
Schon zu spät?
Wenn eine bundesweite Ausgangssperre verhängt wird; wenn wir unser Haus nicht mehr verlassen dürfen; wenn eine militarisierte Polizei Straßenpatrouillen durchführt; wenn Sicherheitskontrollpunkte errichtet werden; wenn die Medienberichterstattung durch die Zensur der Regierung beschnitten wird; wenn öffentliche Kommunikationswege wie Telefon, Internet und SMS eingeschränkt werden; wenn die von der Regierung heimlich errichteten FEMA-Lager (1) schließlich als Quarantäne-Gewahrsamslager für amerikanische Staatsbürger verwendet werden und wenn der Ausnahmezustand ohne Empörung und Widerstand vonseiten der Öffentlichkeit hingenommen wird — erst dann werden wir wirklich begreifen, wie sehr es der Regierung bereits gelungen ist, unseren allgemeinen Widerwillen gegen alles, was zu offensichtlich nach Tyrannei riecht, neu zu kalibrieren.
So wird es beginnen.
Die Coronavirus-Epidemie mag tatsächlich ein Gesundheitsrisiko darstellen, jedoch die Reaktion der Regierung darauf ist es, die mich langfristig beunruhigt.
Angesichts unserer Erfahrungen mit der Regierung und der schon lange von ihr geplanten Ausrufung des Ausnahmezustands als Reaktion auf eine künftige Krise — unter Einsatz der Streitkräfte zur Lösung innenpolitischer und sozialer Probleme — sind die Befürchtungen begründet.
Gruselige Zukunftsvision
Diese Regierung hat kein rosarotes Bild von der Zukunft.
Im Gegenteil: Ein Schulungsvideo des Pentagon, gedreht von der US-Army für den US Special Operations Command (2), stellt die Zukunftsvision der Regierung besonders bedrohlich dar.
Das Schulungsvideo, das einen Gänsehaut erzeugenden Einblick gewährt, wie sich die Regierung die Welt im Jahr 2030 vorstellt, sagt viel über deren Geisteshaltung aus — und darüber, was sie von ihren Bürgern hält. Noch mehr Anlass zur Sorge gibt jedoch, was dieses Militärvideo über die Verfassung und die Bürgerrechte aussagt: rein gar nichts.
Verfassung? Egal!
Typischerweise scheint die Regierung die Verfassung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dazu gezwungen wird. Noch seltener hält sie sich an das Diktat der Verfassung. Tatsächlich stellen die von der Verfassung auferlegten Beschränkungen keinerlei Hinderungsgrund für die Regierung dar, die Nation systematisch einzusperren und den Ausnahmezustand auszurufen: Entweder trampelt sie über den Vierten Zusatzartikel (3) hinweg oder findet mithilfe der Gerichte Möglichkeiten, ihn zu umgehen.
Was haben wir also zu erwarten, sollte die Regierung beschließen, einen nationalen Ausnahmezustand auszurufen und eine landesweite Ausgangssperre zu verhängen?
Mehr von dem, was wir in den vergangenen Jahren erlebt haben.
Langsame Gewöhnung an den Staatsterror
Schließlich hat uns die Regierung ja — wie bei der Metapher des Froschs im kochenden Wasser — über die Jahre langsam an das Gespenst eines Polizeistaates gewöhnt: militarisierte Polizei, Überfallkommandos, Tarnkleidung, schwarze Uniformen, gepanzerte Fahrzeuge, Massenarreste, Pfefferspray, Tränengas, Schlagstöcke, Leibesvisitationen , Überwachungskameras, Kugelsichere Westen, Drohnen, tödliche Waffen, Nichttödliche Waffen, die gezielt tödlich eingesetzt werden, Gummigeschosse, Wasserkanonen, Blendgranaten, Verhaftungen von Journalisten, Strategien zur Eindämmung von Unruhen, Einschüchterungsstrategien, Brutalität.
Genau so bereitet man die Bevölkerung darauf vor, einen Polizeistaat bereitwillig, ja sogar dankbar zu akzeptieren.
Wir haben es der Regierung viel zu leicht gemacht, die Nation zum Stillstand zu bringen.
Sicherheit gegen Aufgabe der Bürgerrechte
Wir sind kurz vor der Ausrufung des Ausnahmezustandes, einer landesweiten Ausgangssperre und der Terrorisierung des US-amerikanischen Volkes durch die neueste und umfangreichste Panikmache vonseiten der Regierung, mit dem Ziel der totalen Einhaltung der Restriktionen — selbst wenn dies bedeutet, dass einem jederzeit seine Verfassungsrechte entzogen werden können.
Diese fortwährende Untergrabung der Rechtsvorschriften zum Schutz der bürgerlichen Freiheiten hat für eine Bevölkerung — die ihre Rechte nicht kennt und dazu neigt, ihre Freiheiten für trügerische Versprechen von Sicherheit aufzugeben — weitreichende Konsequenzen.
Vielleicht sind wir diesen Weg schon zu weit gegangen. Lassen Sie sich durch diese jüngste „Krise“ jedoch nicht so in Panik versetzen, dass Sie Ihr Grundrecht aufgeben, eigene Entscheidungen für sich und Ihre Liebsten zu treffen, und bereitwillig darauf verzichten, was von Ihren Freiheiten übriggeblieben ist.
Auch dies wird vorübergehen. Denken Sie daran, ein Polizeistaat entsteht nicht über Nacht.
Doch wie ich in meinem Buch Battlefield America: The War on the American People — (Schlachtfeld Amerika: Der Krieg gegen das amerikanische Volk) deutlich mache: Ganz gleich wie es beginnt — ob mit einer fragwürdigen Rechtsverletzung im Namen der Sicherheit oder einer landesweiten Ausgangssperre zum Schutz gegen eine globale Pandemie — es wird immer auf dieselbe Weise enden: Wir werden einer Zukunft, in der die Regierung die ganze Macht hat und „wir, das Volk“ keine, einen Schritt näher gebracht.
John W. Whitehead ist Anwalt für Verfassungsrecht sowie Gründer und Präsident des Rutherford Institute, dessen erklärtes Ziel es ist, „dafür zu sorgen, dass die Regierung die Verfassung einhält“.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Global COVID-19 Pandemic, This Is a Test: How Will the Constitution Fare During a Nationwide Lockdown?“. Er wurde von Gabriele Herb aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Anmerkung der Übersetzerin: FEMA steht für „Federal Emergency Management Agency“, zu deutsch etwa Bundesanstalt für Notfallmanagement.
(2) Anmerkung der Übersetzerin: eine Einrichtung des US-Militärs, unter deren Kommando verschiedene Spezialeinheiten zusammengefasst sind.
(3) Anmerkung der Übersetzerin; Das „Fourth Amendment“ garantiert die Rechte des Volkes vor staatlichen Übergriffen.
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