Seit fast zwei Jahren höre ich nun diesen Podcast, ohne eine Folge auszulassen. Jeden Dienstag und Freitag passiert da etwas im Internet, wirklich bemerkenswert und absolut zu empfehlen. Man könnte es, etwas verfälscht, mit Kant zusammenfassen: „Denken ist auch reden mit anderen“.
Tilo Jung und Stefan Schulz sitzen gemeinsam, aber jeder bei sich zuhause, vor einem Mikrofon und einer Webcam und denken gemeinsam über die politische und mediale Landschaft in Deutschland nach.
Selbst als nicht-deutscher Staatsbürger kann ich durch jede Sendung Erkenntnisse und Ideen sammeln und ab und an schenken mir die beiden einen Aha-Effekt, der ausgesprochen ergiebig ist.
Was KenFM Revolutionäres für den deutschsprachigen Raum mit Bewegtbild auf YouTube erreicht hat, das macht der Aufwachen-Podcast mit Tonspur – nur charmanter und verbindlicher. Eine Stil- und Geschmacksfrage über die man schwer streiten kann. Mir gefällt beides.
Ich fasse Tilo Jung und Stefan Schulz gerne als „Dynamisches Duo“ zusammen, denn der Erfolg ihrer Show liegt einfach in ihrem Zusammenspiel.
Man merkt, die beiden jungen Männer mögen sich, so sehr, dass sie sich gegenseitig auch mal härter begegnen. Vor allem Stefan Schulz hat eine spitze Zunge und einen Humor, der mich, gerade als in Wien lebender Mensch, sehr an Wiener Originale wie Karl Kraus, Karl Farkas oder Helmut Qualtinger erinnert. Da pflügt dann eine Ironie durch das Gesagte, die beim Empfänger schon einiges an Konzentration, Selbstbewusstsein und Verbundenheit verlangt, um nicht als Beleidigung verstanden zu werden.
Tilo Jung sieht man an, dass er über diese Eigenschaften verfügt, und auch wenn er gerne den Sonnyboy spielt und auf den ersten Hörer nicht so brillant im Denken wie Stefan Schulz wirkt, so ist er viel hintergründiger, als es eben scheint. Seine Auftritte als „Jung & Naiv“ bei der Bundespressekonferenz oder die vielen Interviews beweisen das. Vorausgesetzt, man kann ein bisschen abstrakt denken.
Unterstützung bekommen Jung und Schulz von dem Magier Matthias Musik, der für jede Sendung ein eigenes Musikstück komponiert und dieses mit aktuellen oder historisch wichtigen politischen Reden verknüpft. Gerade aus künstlerischer Perspektive ist dies großes Kopfkino und brauchbarer, notwendiger Genuss – besonders in Zeiten, in denen man sich mit testosteronsüchtigen Rappern und ihrer doch etwas platten Musik solidarisieren darf, weil die Bild-Zeitung wieder mal eine Kampagne gegen Künstler losgetreten hat, die nicht in das normative Bild der artigen Kunst eines Julian Reichelt passen. Diese aufgesetzte Antisemitismus Kampagne gegen Kollegah und Farid Bang, die letzten Endes nur eine Debatte über guten Geschmack und die Freiheit der Kunst hätte sein sollen, hat übrigens wieder einmal wunderbar funktioniert.
Der Journalist Julian Reichelt – am liebsten auf dem Feldbett schlafend und im Irak-Krieg nah an den US-Soldaten und in ihre Kriegseinheiten eingebunden – war auch schon Gast im Aufwachen-Podcast und viele andere bemerkenswerte und auch sympathischere Gäste – und es ist nicht so, dass man den Gesprächspartnern hier weichgespült begegnet.
Mehr als ein Gast ist der Journalist Hans Jessen – von der Aufwachen-Community zärtlich die „Hans-Jessen-Show“ genannt. Hans Jessen, geschätzt um die Ende fünfzig, der sich als Reporter einen Namen machte, als Moderator im Fernsehen auftrat und den Tilo, das ist spekulativ, bei der Bundespressekonferenz kennenlernen durfte.
Nachdem ich als begeisterter Leser von Noam Chomsky, Naomi Klein, Howard Zinn und anderer großer, kritischer Denker und Denkerinnen ein etwas distanziertes und kritisches Verhältnis zu den Massenmedien oder auch Leitmedien habe, nehme ich Hans Jessen gelegentlich als eine Art „Advocatus Diaboli“ wahr. Besonders mit Stefan Schulz liefert er sich herrliche Scharmützel und verteidigt „seine“ Medien gegen die Kritik, die leider oft, und meiner Meinung nach zurecht, kommt. Das hindert mich nicht daran, auch Hans Jessen zu schätzen und zu mögen.
Ich bin ein Freund von gepflegten Diskussionen, erfrischenden, aber freundlichen Streitgesprächen und verschließe mich, fast, keinem Gespräch. Und gerade weil ich diese Einstellung habe, honoriere ich jede Folge der „Hans-Jessen-Show“ mit Respekt, Zuneigung, Interesse und auch gelegentlicher Aneignung seiner ausgesprochenen Gedanken.
Den Aufwachen-Podcast zu hören und zu verstehen funktioniert bei mir mittlerweile so, dass ich das auch in veränderten Bewusstseinszuständen schaffe.
Nicht, dass ich mich betrinke, bevor ich mir die Kopfhörer aufsetze. Aber mit einer gedrehten Zigarette mit etwas Kräuterextrakt in die Horizontale aufs Bett, das ist für mich ein bisschen wie Urlaub, denn trotz des intellektuellen Anspruchs des Aufwachen-Podcasts kann ich dann auch gemütlich in den Schlaf dösen.
Vor ein paar Tagen hab ich dann wieder dieses Gewürzzigaretten-Ritual quasi wörtlich durchgezogen und liege also im Bett, um mir anzuhören, wie sich das dynamische Duo, gemeinsam mit der „Hans-Jessen-Show“, der Verbannung von Alex Jones und seiner „Info-Wars“-Sendung aus den sozialen Medien widmet.
Stefan Schulz beginnt wie immer souverän, indem er darauf hinweist, dass man zwar allgemein viel über Alex Jones redet, aber wohl die wenigsten tatsächlich verstehen, wie Alex Jones mit seinen „Info Wars“ derartig erfolgreich sein kann. Und so ziemlich alles, was Tilo, Stefan und auch Hans zu Alex Jones sagen, ist für mich durchaus nachvollziehbar, erhellend und auch fordernd. Es hätte für mich also wirklich ein schöner Tagesabschluss sein können.
Wenn nicht, ja wenn nicht die Kritik zu Alex Jones hergenommen worden wäre, um auch mit Kollegen aus Deutschland abzurechnen. Natürlich war es wieder einmal Ken Jebsen, der von Tilo thematisiert und – ohne mit der Wimper zu zucken – mit Alex Jones gleichgesetzt wurde.
Ich kann wirklich verstehen, dass man eine kritische Haltung zu Ken pflegt und aufrechterhalten möchte. Ich teile das zwar nicht – ich habe für mich, vielleicht weil ich Künstler bin, genug Abstraktionsfähigkeit entwickelt, um auch hinter die Fassade und hinter das Auftreten eines Menschen blicken zu können – aber so hätten diese patzigen Anwürfe gegen Ken mich gar nicht mehr sonderlich gestört. Die Macht der Gewöhnung ist stark und Tilo hält es anscheinend für notwendig, sich immer wieder mit Ken Jebsen zu vergleichen. Ich vermute, dass das nicht an mangelndem Selbstbewusstsein von Tilo liegt, sondern am Druck von anderen Menschen und Kollegen. Immerhin bringen beide erfolgreich ihr Programm auf YouTube – da muss doch irgendeine gemeinsame Agenda dahinterstecken.
Also, ich liege im Bett, immer noch ziemlich tiefenentspannt, und dann höre ich, wie auch Hans Jessen sich ein Beispiel an Tilo nimmt und loslegt und dem durchwegs renommierten und schon vor YouTube-Zeiten bekannten Kieler Universitätsprofessor Rainer Mausfeld die gleiche Funktion wie Alex Jones und dann gleich auch noch wie Donald Trump unterstellt. Und damit nicht genug, es musste Rainer Mausfeld auch noch ein Etikett „abgedrehter Mensch“ angehaftet werden.
Für mich war klar, dass hier aus Teilen der Community der Aufwachen-Hörer Widerspruch kommen würde. Und der kam dann eben auch in Kommentaren auf YouTube und Einträgen im Aufwachen-Podcast-Forum.
Hier muss ich jetzt das gesamte Team in die Kritik einbinden, denn ab diesem Moment wurde es doch etwas erbärmlich. Den Kritikern und Kritikerinnen, die sich gegen diese flapsigen Vergleiche wehren wollten, wurde quasi durch die Bank ein geschlossenes Weltbild attestiert, es wurden Fan-Boys ausgerufen und Einwände, die tatsächlich sachlich bemüht waren, mit einer Überheblichkeit negiert, die in keiner Weise dem eigentlichen Geist des Aufwachen-Podcasts entsprechen.
Dabei hätte es doch so einfach sein können. Einfach nur nachdenken, mitlesen, zuhören und dann vielleicht auch mal etwas annehmen. Vielleicht einen Versuch unternehmen, sich zu entschuldigen.
Stattdessen nach wie vor eine beleidigende Ignoranz dem eigenen Publikum, den eigenen Unterstützern gegenüber. Als dann die Rufe und Bitten kamen, Hans Jessen möge seine Beleidigung und seinen Vergleich doch mit Argumenten konkretisieren, reichte dieser auf YouTube und im Aufwachen-Forum einen längeren Kommentar nach, in dem er seiner offensichtlichen Abneigung gegenüber Rainer Mausfeld etwas Substanz verleihen wollte. Aber das machte es für mich nicht besser.
Hans Jessen beginnt mit der Feststellung, dass Rainer Mausfeld sein geschlossenes Weltbild dadurch beweist, indem er den westlichen Gesellschaften unterstellt, durch ein „Volk“, welches von „Eliten“ manipuliert wird, gekennzeichnet zu sein.
Man muss wissen, dass Rainer Mausfeld Psychologe ist, sein Schwerpunkt liegt auf Wahrnehmungspsychologie, Verhaltensforschung und Kognitionswissenschaften. Er unterrichtet an der Universität Kiel. Seine Lebenszeit war zu großen Teilen der Wissenschaft, der Forschung und der Vermittlung von Wissen gewidmet. Es könnte also durchaus sein, dass er weiß, wovon er spricht.
Vielleicht hat sich Hans Jessen noch zu wenig Gedanken über unser kapitalistisches System gemacht und wie dieses aufrechterhalten wird. Vielleicht hat er sich zu wenig Gedanken über Werbung und Public Relations gemacht, über Bildungssysteme und Medien allgemein. Es kann sein, dass Hans Jessen die Bücher von Edward Bernays nicht kennt, Gustav Le Bon ihm nichts sagt, Elias Canetti schon wieder vergessen ist, Hannah Arendt in turbulenten Zeiten verloren ging, Naomi Klein vielleicht für ihn auch abgedreht ist und ein Noam Chomsky möglicherweise in die Kategorie „wirr“ fällt. Denn diese großen Denker eint, gemeinsam mit Rainer Mausfeld, eine sehr präzise Wahrnehmung gegenüber den Machtmechanismen und -stabilisatoren zwischen „Eliten“ und „Volk“.
Hans Jessen schreibt, dass Rainer Mausfeld den Begriff „Eliten“ zu vage, also nicht wissenschaftlich genug definiert. Und das, obwohl Rainer Mausfeld in seinen Vorträgen immer wieder von „Machteliten“ spricht.
Das ist doch eine Definition, die sich weit über den Begriff „Eliten“ hinwegsetzt, wie er eben auch manchmal verkürzt und so unbewusst fahrlässig von Ken Jebsen verwendet wird. Es geht Rainer Mausfeld eben nicht primär um „die Eliten“, sondern um die konzentrierte Macht, die sich über Jahre und Jahrzehnte aufgrund ungleicher Vermögensverteilung sammeln konnte und so tatsächlich „Machteliten“ formte.
Geht es nach Hans Jessen, muss man auch für den Begriff „Volk“ eine klare Definition vorlegen, bevor man sich an diesen heranwagt. Es zählt für ihn nicht die eigentliche und gebräuchliche Verwendung dieses Wortes, sondern er impliziert indirekt, dass die Verwendung des Wortes „Volk“ ohne vorherige Definition eine böse Absicht vermuten lässt. Hannah Arendt hat er wohl tatsächlich nicht gelesen und wenn, dann wenig verstanden. Sie führt wunderbar aus, wohin es führt, wenn man seinem politischen Gegner nur die schlechteste Absicht unterstellt oder diese in sein Gesagtes interpretiert.
Hans Jessen ist wenig kulant, gegen Rainer Mausfeld schonungslos. Es stört ihn, laut seinem Kommentar, dass Rainer Mausfeld den Massenmedien vorwirft, zu wenig transparent zu sein, sich zum Teil als Mitwisser der Mächtigen zu etablieren und der Bevölkerung notwendige Informationen zu verweigern oder in einem verfälschten Kontext zu präsentieren.
Und dann ist Rainer Mausfeld noch so dreist, diese These mit Zitaten aus Medien oder ihrer Vertreter zu untermauern.
Ich kann mir leider nicht helfen, aber für mich wirkt hier Hans Jessen wirr und abgedreht, eben gerade weil ich meine Medienkompetenz auch über den Aufwachen-Podcast schärfe, und ich weiß, mit welchen methodischen, strukturellen und wiederkehrenden Fehlern viele große Medienhäuser arbeiten und durch dieses Versagen auch die Kritik von Rainer Mausfeld bestätigen und wiedergeben.
Obwohl ich weiß, wie zum Beispiel ein Julian Reichelt und die Bild-Zeitung arbeiten, schreibe ich hier noch großzügig von Fehlern und unterstelle, anders als zum Beispiel Noam Chomsky, den Massen- und Leitmedien keine absichtliche Manipulation durch Fehlinformation oder Dekontextualisierung.
Und gerade in so einem Kontext ist es dann bemerkenswert, dass sich Hans Jessen zum Beispiel noch nie ähnlich abfällig über Julian Reichelt geäußert hat. Ob das mit Krähen und Augen zu tun hat?
Die Abgedrehtheit des „wirren“ Professors Mausfeld wird für Hans Jessen dann total erkennbar, wenn es um den Titel seines ersten Vortrages geht: „Das Schweigen der Lämmer“. Der Vortrag heißt konkret eigentlich „Warum schweigen die Lämmer?“, aber ein Journalist ist eben nicht unbedingt verpflichtet, sich an die Ansprüche zu richten, die er an Akademiker, Wissenschaftler und Universitätsprofessoren stellt. Das eine ist eben Wissenschaft, das andere – doch auch irgendwie oder?
Hans Jessen stört es sehr, dass Rainer Mausfeld den bekannten Filmtitel als Titel des Vortrages nimmt. Richtigerweise ist es ja gar nicht der Filmtitel, aber ok, ich bin kulant und gehe darauf trotzdem ein:
Als der Film 1991 ins Kino kam, war ich 14 Jahre alt. Heute bin ich vierzig. Ich erinnere mich an den Film und ich erinnere mich auch an die Begeisterung, mit der er damals von den erwachsenen Menschen aufgenommen wurde. Ich erinnere mich noch an den Schock, den mein Deutsch-Professor erlitt, weil ich den Film im Sommer 1991 schon auf VHS zu sehen bekam.
Hans Jessen scheint sich nicht daran zu erinnern, dass der Film aus der Sicht vieler Menschen durchaus schon eine Rarität, zumindest ein Klassiker und vor allem vielen jungen Menschen unbekannt ist.
Den Vortrag mit dem Titel „Warum schweigen die Lämmer?“ hielt Rainer Mausfeld an der Universität Kiel vor Studenten und Studentinnen, ein sehr junges Publikum. So ziemlich alle Anwesenden in dem Raum waren noch nicht mal geboren, als der Film ins Kino kam.
Natürlich sind bei Psychologiestudenten einige dabei, die den Film wohl auswendig können, aber für die meisten gab es dann zwischendurch schon andere ergiebige Filmproduktionen, die einen Blick in die dunklen Seiten der menschlichen Seele zulassen. Aber zugegeben, „Das Schweigen der Lämmer“ ist ein Meisterwerk und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat eben auch Rainer Mausfeld den Film in guter und nachhaltiger Erinnerung.
Ich glaube, dass der Titel einfach als Hommage an das Meisterwerk von Thomas Harris gedacht ist, aber in keiner Weise hier das implizieren möchte, was Hans Jessen für sich heraus interpretiert. Er unterstellt Rainer Mausfeld, dass er den Titel – bewusst oder unbewusst – gewählt hatte, um schon eine emotionale Reaktion bei den Zuhörern zu generieren. Der Hirte also, der mit Absicht die Herde in die Irre führt. Hüstel…
Interpretation ist ohnehin das geflügelte Wort in dem Kommentar von Hans Jessen. Es ist tatsächlich sehr schwierig, wirklich konkret auf das Geschriebene einzugehen, weil es auf eine eigenartige Weise gedanklich nicht zu fassen ist. Ich habe das Buch „Nichts ist wie es scheint“ von Michael Butter gelesen und mir entstand der Eindruck, dass Hans Jessen mehr in diesem Buch über Rainer Mausfeld gelesen hat, als sich direkt mit dem Kieler Professor auseinanderzusetzen.
Es ist ohnehin eine traurige Bestätigung der eigenartigen Zustände unserer Zeit, wenn ein Professor für Amerikanistik als Kompetenz gegenüber Verschwörungstheorien gilt, weil er plötzlich über diese ein Buch schreibt, sich vorher aber nie wirklich mit diesem Themenkomplex beschäftigt hatte. Hingegen wird jedoch ein Professor für Psychologie, der Zeit seines Lebens am Verhalten von Menschen geforscht hat, als „wirr“ und „abgedreht“ beleidigt und mit einem Hassprediger wie Alex Jones auf eine Stufe gestellt, weil er sich mit einer harten Kritik gegen die herrschenden Machtverhältnisse und ihre Stabilisatoren richtet.
Aber, wir müssen uns bitte trotzdem darauf einigen, das geschlossene Weltbild ist eben immer bei den anderen zu suchen und nur bei ihnen.
Man könnte noch einiges mehr aus dem Text von Hans Jessen herausnehmen, nur fehlt es mir an Zeit und Lust dazu – so schrieb auch Hans Jessen, um nicht weiter seine Abneigung gegen Rainer Mausfeld ausführen zu müssen. Ich kopiere es nur, um zu zeigen, wie einfach Arroganz zu kopieren, aber wie schwer dann tatsächliche Klasse zu erreichen ist.
Lediglich möchte ich noch darauf hinweisen, dass Rainer Mausfeld es nicht nötig hat, seine Kritiker oder nur andersdenkende Menschen – was für viele scheinbar schon ein ziemlicher Affront ist – als „wirr“ oder „abgedreht“ zu beleidigen.
Aber Hans Jessen lässt es sich trotzdem nicht nehmen, dem Professor aus Kiel zu unterstellen, er würde seine Gegner absichtlich diskreditieren, weil er die Leitmedien als „Prawda“ zusammenfasst. Wenn man sich den Vortrag von Rainer Mausfeld ansieht, dann merkt man sehr wohl, dass gerade an dieser Stelle auch mit Satire und Humor gearbeitet wurde und Rainer Mausfeld eben nicht personenbezogen, sondern systemisch argumentierte.
Hans Jessen aber scheint sich persönlich von Rainer Mausfeld angegriffen zu fühlen und reagiert eben mit einer Totalablehnung, wenig bis gar nicht gesprächsbereit und somit auch frei von eventuellen Erkenntnissen, die kommen könnten. Wenn er Rainer Mausfeld ein geschlossenes Weltbild vorwerfen darf und auch kann, dann möchte ich das auch Hans Jessen so mitgeben.
Für mich hat diese Debatte und ihr Stil übrigens keine „Bond'sche“ Dimension, wie Hans Jessen die Medienwirksamkeit von Rainer Mausfeld noch festhielt, sondern eine kafkaeske.
Den Lesern und Leserinnen wird jetzt wohl klar sein, in welchem Dilemma ich mich hier befinde: Liebhaber des Aufwachen-Podcasts, aber auch anderer Portale, die sich im Netz präsentieren, und dann aufgerieben zwischen Fronten, die – meiner bescheidenen Wahrnehmung nach – komplett unnötig gezogen werden.
Es geht hier um einen Konflikt, der sich grundsätzlich auf die gesellschaftliche und politische Linke beschränkt. Es wird keine Themenvielfalt zugelassen, weil es Themen gibt, die tabuisiert sind. Es wird dadurch aber auch ein ganzheitliches und linkes Denken verhindert.
Diese Konflikte retardieren und lähmen und sind eben auch deshalb so grotesk, weil sie, gemessen an einem breiten linken Denken, nur Nuancen, Lappalien sind, aber für Streitigkeiten herangezogen werden, die zum Teil wirklich zu Feindschaft und totaler Ablehnung führen – innerhalb der gesellschaftlichen Linken wohlgemerkt. Wenn man ein bisschen das rechtes Spektrum verfolgt, dann kann man sehen wie sich diese Typen über derartige Streitigkeiten freuen und davon auch profitieren.
Noam Chomsky äußerte sich zu dieser Debattenkultur übrigens auch:
„Der intelligente Weg, Leute passiv und fügsam zu halten, besteht darin, die Breite der akzeptablen Überzeugungen strikt zu begrenzen, jedoch innerhalb dieser Grenzen eine sehr lebhafte Debatte zu erlauben – gerade zu kritischen und anders denkenden Sichtweisen zu ermuntern. Das gibt den Leuten die Wahrnehmung, dass freies Denken möglich ist, während die ganze Zeit die Vorannahmen des Systems bestärkt werden durch die Grenzen, die der Debatte gesetzt werden.“
Leute wie ich, andere Autoren und Autorinnen des Rubikon, Schaffende auf YouTube und viele der Leser und Leserinnen hier könnten für die politische und gesellschaftliche Linke ein Gewinn sein und sind es zum Teil ja auch schon.
Aber ich darf dann nicht mitspielen, weil ich „die offizielle 9/11-Theorie wirkt halt auf mich sehr platt“ gesagt habe. Oder weil jemand sich zu solidarisch mit den Palästinensern zeigt oder, wie Rainer Mausfeld, zu hart die Massenmedien angreift – was man dann aber einem Noam Chomsky vergötternd durchgehen lässt.
Ich hatte während meines Schauspielstudiums eine Rollenlehrerin. Eine wunderbare Frau, aus Polen und eine Kosmopolitin wie aus dem Bilderbuch. Sie arbeitete mit Filmgrößen in Hollywood, wälzte sich aber auch mit Jerzy Grotovski über die Böden des armen Theaters. Einmal erklärte sie mir, dass ich bloß nicht auf die Idee kommen sollte, mich selbst zu verarschen, und führte gleich aus, wie das so geht, sich nicht selbst zu verarschen:
„Viele vergleichen Dich oft mit anderen, das ist ein Ding unserer Zeit. Das ist Verarschung. Wenn, dann vergleiche Dich nur mit Dir selbst. Frage Dich nicht, ob Du so wie der andere bist oder sein kannst, sondern vergleiche Dich mit dem, was Du gestern warst, heute bist und morgen sein magst. Alles andere ist, Dich selbst zu verarschen.“
Für mich steht der Aufwachen-Podcast für sich selbst. Und er steht gut da, warum, das habe ich am Anfang des Textes ausgeführt. Es braucht keinen Vergleich zu KenFM und es braucht keinen Vergleich zwischen Tilo Jung und Ken Jebsen oder Stefan Schulz und Rainer Mausfeld oder Hans Jessen und Mathias Bröckers.
Jeder hier steht für seine Qualitäten und braucht sich nicht an den Fehlern des anderen zu messen. Und wenn es dann Menschen gibt, die meinen, unbedingt einen Vergleich ziehen zu wollen, dann darf man denen getrost sagen, dass sie vermutlich weder das Internet noch Medien generell und sonst vermutlich auch sehr wenig verstanden haben.
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