Für Hitler war 1939 bis 1945 in vielerlei Hinsicht eine Wiederholung von 1914 bis 1918, außer dass er natürlich entschlossen war, es mit einem Sieg statt mit einer Niederlage enden zu lassen. Die Nazis strebten danach, sowohl den Geist der nationalen Einheit wieder aufleben zu lassen, der ihrer Meinung nach durch die Kriegserklärung im August 1914 heraufbeschworen worden war, als auch danach, zuhause dem Dolchstoß jüdischer Revolutionäre zu entgehen, den sie als Hauptgrund für die deutsche Niederlage vier Jahre später ausgemacht hatten. In Hitlers paranoider und extremistischer Ideologie waren nicht nur Stalin, sondern auch Churchill und Roosevelt Werkzeuge einer internationalen jüdischen Verschwörung, in der sich in gemeinsamer Entschlossenheit Plutokraten und Kommunisten vereint hatten, um das Dritte Reich zu zerstören.
In dem Moment, als die Operation Barbarossa gestartet worden war, entfesselten Hitler und Goebbels eine wütende und ununterbrochene Propagandaoffensive, in der Churchills Verstocktheit und Stalins Starrsinn mit der steigenden Menge an unverzichtbarem transatlantischen Lieferverkehr unter Roosevelts Regie in Zusammenhang gebracht wurden. In zahlreichen Rundfunksendungen, Reden, Plakaten und Zeitungsartikeln, die in der zweiten Hälfte des Jahres 1941 vom Propagandaministerium veranlasst wurden, war der Refrain immer derselbe: „Die Juden versuchen, Deutschland zu zerstören, deshalb müssen sie selbst zerstört werden.“
Hitler und Goebbels beriefen sich häufig auf Hitlers „Prophezeiung“ am 30. Januar 1939 im Reichstag, wo er gesagt hatte, dass nicht Deutschland, sondern die Juden vernichtet würden, sollten diese einen Weltkrieg beginnen.
All dies erzeugte eine rassenmörderische Mentalität, die stark prägend wirkte auf gewöhnliche deutsche Soldaten und vor allem auf die Spezialeinheiten der SS, die im Gefolge der einmarschierenden Armeen in die Sowjetunion geschickt wurden. Bald organisierten die SS-Einheiten Massenerschießungen jüdischer Männer, Frauen und Kinder, aufgereizt/angestachelt von SS-Anführer Heinrich Himmler, der oft ihre Einsatzgebiete besuchte und sie anspornte, niemanden zu verschonen.
Im Oktober 1941, als es unübersehbar wurde, welche Belastung diese Erschießungen für die SS-Männer bedeutete, organisierte Himmler den Bau von Speziallagern bei Belzec und Chelmo, deren einziger Zweck es war, große Anzahlen von Juden durch Vergasen ermorden zu lassen. Ab dem Frühjahr 1942 wurden die Juden, die in den von den Nazis in größeren polnischen Städten eingerichteten Gettos eingesperrt waren, dorthin und in weitere Vernichtungslager bei Sobibor und Treblinka gebracht, um dort umgehend umgebracht zu werden. Ein neues Lager wurde bei Auschwitz eingerichtet, wohin Juden aus von Nazis besetzten Ländern in ganz Europa gebracht wurden, um dort ermordet zu werden.
Insgesamt wurden im Verlauf des Krieges beinahe sechs Millionen Juden ermordet. Aus der Perspektive von Hitler und den Nazis beseitigte dies eine mächtige innere Bedrohung für die Sicherheit des Deutschen Reiches in Europa. Es war ein Kriegsakt, eine Notwendigkeit. Es war kein Nebenprodukt des Krieges, stand nicht isoliert neben der Kriegsführung, es war integraler Bestandteil des Krieges.
Hitler begann diese unerhörte Völkermordkampagne nicht aus einem Gefühl der Euphorie nach den Siegen im Juni, Juli und August des Jahres 1941; tatsächlich hatte sie bereits an genau dem Tag begonnen, als deutsche Streitkräfte in der Sowjetunion einmarschierten. Während des Herbstes 1941 jedoch begann der Optimismus der Sommermonate allmählich nachzulassen.
Der Generalstab der deutschen Armee begann zu erkennen, dass die Rote Armee Millionen von Männern in Reserve hatte und diese einsetzte, um die Millionen durch die Invasionstruppen Getöteten oder Gefangenen zu ersetzen. Hitler begann zu erkennen, dass das Sowjetsystem nicht bei den ersten Anzeichen einer militärischen Niederlage zusammenbrechen würde. Die deutschen Verluste nahmen allmählich zu — Ende Juli waren es bereits 213.000 Vermisste, Getötete oder Verwundete. Es wurde der deutschen Führung bewusst, dass die Heeresgruppen Nord, Mitte und Süd nicht in gleicher Stärke vorrücken konnten — eine Entscheidung musste getroffen werden.
Die Generäle, die der traditionellen Clausewitz‘schen Doktrin folgten, nach der das Ziel eines Krieges die Zerstörung der Hauptstreitkräfte des Feindes sei, wollten weiter vordringen und die große Sowjetarmee, die Moskau verteidigen sollte, stellen. Hitler jedoch beschloss, Truppen in den südlichen Sektor der Ostfront zu überführen, um den Rest der Ukraine einzunehmen und weiter vorzudringen Richtung Kaukasus. Weitere massive Siege folgten, und Ende September wurde die Armeegruppe Mitte noch einmal verstärkt und setzte ihren Marsch auf Moskau fort.
Aber nun begann der Vormarsch in Schwierigkeiten zu geraten. Zuallererst verwandelten die gnadenlosen Oktoberregen die unbefestigten russischen Straßen in unpassierbaren Schlamm. Eisenbahnstrecken gab es nur ganz vereinzelt, und die Breitspur verursachte Probleme beim Transport von Munition und Nachschub beim Übergang aus dem deutschen Normalspursystem. Die Russen hatten Rollmaterial zerstört und Gleise, Brücken und Viadukte sabotiert.
Die Deutschen hatten den größten Teil ihrer Truppen in die Schlacht geworfen und hatten nur wenige Reserven. Im Gegensatz dazu beschloss Stalin, 400.000 erfahrene Soldaten, 1.000 Kampfpanzer und 1.000 Kampfflugzeuge aus Ostsibirien zu verlegen, nachdem er von seinem Spion in Tokyo, Richard Sorge, kurz vor dessen Verhaftung Mitte Oktober erfahren hatte, dass die Japaner andere Ziele als die Sowjetunion im Auge hatten; tatsächlich starteten sie einige Wochen später ihren Angriff auf Pearl Harbor.
Als im November die kalte Jahreszeit begann und die Deutschen ihren Vorstoß fortsetzen konnten, begannen Temperaturen von bis zu -40 °C sich verheerend auf die Truppen auszuwirken, die nicht mit Winterkleidung ausgerüstet waren, weil man angenommen hatte, sie würden in Moskau überwintern statt in der offenen Steppe. Es vervielfachten sich Fälle von Erfrierungen, und ein persönlicher Appell am 20. Dezember 1941 an die deutsche Öffentlichkeit, warme Kleidung für die Truppen zur Verfügung zu stellen, kam zu spät. Schneestürme verhinderten das Durchkommen von Nachschub. Die Soldaten waren bereits müde von ihren beinahe ununterbrochenen Kämpfen seit dem vorangegangenen Juni. Sie waren leichte Beute für die frischen russischen Streitkräfte, die Stalin und sein führender General Schukow auf sie warfen.
Die deutschen Generäle waren nur geübt in der klassischen preußischen Tradition des Angriffs. Jetzt waren sie zum Rückzug gezwungen, da Schukow sie einzukesseln drohte. Nur eine Eisenbahnlinie war offen von der Front bei Moskau in Richtung deutscher Nachhut, und fast alle Straßen waren durch Schnee blockiert. Wie Gotthard Heinrici in seinem Tagebuch schrieb:
„Behindert durch den Schnee und besonders durch die Schneeverwehungen, oftmals Meter um Meter uns hindurchschaufelnd, mit Fahrzeugen und Ausrüstung, die ganz und gar nicht angemessen waren an den russischen Winter, hinter uns der vorrückende Feind, besorgt, die Truppen rechtzeitig in Sicherheit zu bringen, die Verwundeten mitzuführen, nicht zu viele Waffen oder zu viel Ausrüstung in die Hände des Feindes fallen zu lassen, all dies sind schmerzliche Bemühungen um die Truppen und ihre Führer. (...) Ausgestattet mit fabelhafter Winterausrüstung stoßen die Russen überall vor durch die großen Lücken, die sich in unserer Front aufgetan haben. (...) Der Rückzug bei Schnee und Eis ist absolut napoleonisch in seiner Art. Die Verluste sind ähnlich.“
Die Belastung für die deutschen Generäle, meist Männer zwischen sechzig und siebzig, war so groß, dass sie krank wurden. Fedor von Bock, Kommandant der Heeresgruppe Mitte, meldete sich am 16. Dezember krank, Walther von Brauchitsch, Oberbefehlshaber der Armee, hatte Mitte November einen Herzinfarkt, Gerd von Rundstedt, Kommandant der Heeresgruppe Süd, der von Hitler entlassen worden war, weil er General von Kleist den Rückzug aus Rostow gestattet hatte in einem Manöver, das Hitler kurz darauf als richtig bezeichnete, hatte Anfang Dezember einen Herzanfall, und sein Nachfolger, Walter von Reichenau, starb am 17. Januar 1942 an einem Herzanfall. Hitler übernahm das Armeekommando selbst und befahl, der Belagerung standzuhalten.
Im Gegensatz zu dem, was viele von ihnen später behaupteten, begrüßten die Generäle und Truppen den Ersatz von Unübersichtlichkeit durch Klarheit. Männer wie Bock hatten gewusst, dass ihre Streitkräfte zu schwach und zu schlecht ausgerüstet waren, um Moskau im Winter zu überrennen, aber sie hatten keine Verteidigungsstellungen vorbereitet für eine Überwinterung in der Steppe. Die spätere Legende, dass sie den Krieg gewonnen hätten, wenn Hitler nicht eingegriffen hätte, war nicht mehr als das — eine Legende.
Aber sobald er entschieden hatte, der Belagerung standzuhalten, ließ Hitler keinen Widerspruch mehr zu, und er entließ eine Reihe von Generälen, darunter Ritter von Leeb, Heinz Guderian und Erich Hoepner, die trotzdem auf einem Rückzug bestanden. Ab Mitte Januar war die Front dennoch stabilisiert. Die deutschen Verluste waren riesig.
Während 1939 nur 19.000, und 1940 83.000 deutsche Soldaten gefallen waren, fielen 1941 nicht weniger als 357.000, davon über 300.000 an der Ostfront. Bis zum Ende des Krieges kämpften und starben mehr Menschen auf beiden Seiten der Ostfront als an all den anderen Kriegsschauplätzen zusammengenommen, einschließlich dem Fernen Osten. Der Anteil der deutschen Streitkräfte, die vom 22. Juni 1941 bis zum Ende des Krieges an der Ostfront beteiligt waren, war nie weniger als zwei Drittel. Mehr als jeder andere Teil des Krieges erwies sie sich hiermit als die entscheidende Kriegsarena.
Trotz des Rückschlags bei Moskau begann die deutsche Armee 1942 an der Ostfront einen Einsatz mit einer neuen Serie von Erfolgen. Man konnte nicht viel unternehmen, bevor die Frühjahrsregen im Mai 1942 endeten. Unbedachte und schlecht vorbereitete sowjetische Gegenangriffe wurden unter schweren Verlusten zurückgeschlagen. Hitler wusste, dass er die Ölfelder des Kaukasus einnehmen musste. Feldmarschall von Bock, der inzwischen von seiner Krankheit genesen war, wurde das Kommando über die Heeresgruppe Süd übertragen, aber nach der Einnahme der Stadt Woronesch entschied sich der Feldmarschall, ernüchtert durch seine Erfahrungen im vorangegangenen Winter, zu pausieren, umzugruppieren und sich neu auszurüsten.
Hitler hielt ihn für übervorsichtig, entließ auch ihn, und teilte die Heeresgruppe in zwei Einheiten auf. Eine bekam den Befehl, durch den Kaukasus nach Tschetschenien und den Ölfeldern von Baku vorzurücken, während die andere die Stadt Stalingrad einnehmen und weiter vorrücken sollte über die untere Wolga zum Kaspischen Meer.
Die deutschen Armeen besetzten die Krim, machten Hunderttausende von Gefangenen und drangen weiter nach Süden vor. Aber die Rote Armee verfolgte eine neue Taktik, indem sie sich lieber zurückzog, als sich umzingeln zu lassen, und die neue Ausrüstung aus den Fabriken, die man hinter den Ural in Sicherheit gebracht hatte, konnte nun zur Anwendung kommen. Die russischen Generäle lernten zum ersten Mal, Panzer, Infanterie und Luftunterstützung zu koordinieren, und begannen ernsthafte Angriffe zu starten. Der Chef des Armeegeneralstabs, Franz Halder, wurde von Hitler entlassen, als er versuchte, darauf hinzuweisen, dass steigende deutsche Verluste erfolgreiche neue Offensiven zunehmend unwahrscheinlicher machen würden.
Hitler war nicht immer gegen taktische Absetzbewegungen und Rückzüge, wenn er die Notwendigkeit dafür erkennen konnte, aber grundsätzlich glaubte er, wie der Titel des Films, den Leni Riefenstahl 1934 über ihn gemacht hatte, an den „Triumph des Willens“.
Wie General Erich Hoepner bemerkte, kurz bevor Hitler ihn feuerte: „Fanatischer Wille allein wird nicht genügen. Der Wille ist da. Die Kraft fehlt.“
Der nächste General, der gehen musste, war Feldmarschall Wilhelm List, der die im Kaukasus einmarschierenden Armeen kommandierte. List hatte gegenüber Hitler erklärt, dass er nicht die Einsatzmittel habe, um die Aufgabe vor dem Winteranfang zu vollenden. Hitler bestimmte, dass Feldmarschall Ewald von Kleist übernehmen solle, aber auch dieser sah als einzige Möglichkeit den Rückzug. So bekam Kleist also Hitlers widerwillige Erlaubnis, sich bis ganz nach Rostow zurückzuziehen.
Der Versuch, die Ölreserven des Kaukasus einzunehmen, war gescheitert. Ein Grund war einfach der, dass die in drei Teile aufgespaltenen deutschen Streitkräfte versuchten, zu viel gleichzeitig zu tun. Truppen und Ausrüstung waren im Norden in der Belagerung von Leningrad gebunden, dem heutigen St. Petersburg, wo Hitler beschlossen hatte, die Stadt auszuhungern — eine Million Einwohner starben, bevor die Belagerung schließlich aufgegeben wurde. Aber der Hauptgrund war, dass der Vorstoß auf Stalingrad zunehmend auf ernsthafte Schwierigkeiten stieß. Anders als der Kaukasus hatte Stalingrad gewaltige symbolische Bedeutung für Hitler: Die Stadt trug Stalins Namen, und während es gute strategische Gründe für einen Angriff gab, wurde die Einnahme Stalingrads bald reiner Selbstzweck.
Der Oberbefehlshaber der 6. Armee, General Friedrich von Paulus, hatte seine gesamte berufliche Laufbahn in Stabsstellen verbracht und fast keine Kampferfahrung. Er hatte vollkommene Ehrfurcht vor Hitlers Genialität als Militärbefehlshaber, wie er es empfand. Anfang Oktober 1942 jedoch riet er Hitler, gemeinsam mit anderen ranghohen Generälen, dass ein Rückzug am besten wäre. Seine Männer hatten zwei Drittel der Stadt überrannt, aber der Widerstand, auf den sie stießen, forderte viele Tote. Aber Hitler bestand darauf, dass die Stadt eingenommen werden müsse. Deutsche Bomber hatten die meisten Gebäude in der Stadt zerstört, aber dadurch hatten sie ideale Bedingungen für einen direkten Häuserkampf geschaffen. Die Rote Armee setzte über eine Million Männer und jede Menge Panzer ein für einen Gegenangriff.
In diesem Stadium des Krieges produzierte Russland pro Monat mehr als 2.000 Panzer, wohingegen Deutschland nur 500 fertigte. In dem Versuch, diese völlig festgefahrene Situation aufzulösen, verlegten die Deutschen ihre besten Truppen in die Stadt und überließen westliche Verteidigungsstellungen den Soldaten der Verbündeten des Dritten Reiches, Italien und Rumänien. Paulus verlegte auch seine Panzer in die Stadt, wo sie allerdings ziemlich unnütz waren, statt sie in der offenen Steppe in Reserve zu halten. Am 19. November 1942 griff die Rote Armee die rumänischen Linien fast 160 Kilometer westlich der Stadt an und brach durch.
Als die T-34-Panzer in der Lücke durchbrachen und damit die deutschen in benachbarten Positionen zum Rückzug zwangen, erkannte Paulus die Lage erst, als es zu spät war. Ein russischer Vorstoß von Süden her riss ein weiteres Loch in die rückwärtigen Verteidigungslinien der deutschen Armee, und die beiden Gruppen der Roten Armee stießen am 23. November aufeinander und umzingelten Paulus und seine Männer vollkommen. Ein Versuch von Feldmarschall von Manstein, von Süden her durchzubrechen, wurde zurückgeschlagen, als der Befehlshaber der Rote-Armee-Einheiten in der Region, Marschall Georgi Schukow, die italienischen Streitkräfte an der Nordwestgrenze angriff, durchbrach und die Gefahr entstand, dass Manstein rückwärtig abgeschnitten würde. Manstein sah sich gezwungen, seinen Versuch zur Entlastung der Belagerungskräfte aufzugeben und sich zurückzuziehen, um seine eigene Einkesselung zu vermeiden.
Hitler verweigerte Paulus mehrfach die Genehmigung zum Rückzug aus der Stadt, aber dies wäre in jedem Fall schwierig, wenn nicht unmöglich gewesen. Das Problem war nicht, wie im Jahr zuvor in Moskau, die Kälte: Die deutschen Truppen vor Stalingrad waren warm gekleidet und gut für einen Winterkampf vorbereitet. Das Problem war, sie mit Nachschub an Waffen, Munition, Lebensmitteln und Treibstoff zu versorgen. Paulus musste Hitler erklären, dass er sowieso nicht ausbrechen könne, da seine Armee nur ausreichend Treibstoff für circa 19 Kilometer habe, während Mansteins Panzer sich höchstens auf 56 Kilometer der Stadtgrenze nähern konnten, bevor sie zum Rückzug gezwungen wären. Flugzeuge hatten Schwierigkeiten, in dem Schnee zu landen, und die Flugplätze waren unter ständigem Beschuss. Langsam gingen die Vorräte aus/zur Neige.
Das Fazit kann man in den Briefen lesen, die die deutschen Soldaten nach Hause schickten. „Alle Pferde sind innerhalb weniger Tage aufgegessen worden“, berichtete General Heinrici, kurz bevor er selbst ausgeflogen wurde. Ein Soldat berichtete, seine gesamte Kompanie habe pro sechs Mann jeweils nur einen Laib Brot für drei Tage erhalten. „Obwohl ich völlig erschöpft bin“, schrieb ein anderer Soldat am 10. Januar 1943, „kann ich nachts nicht schlafen, sondern träume mit offenen Augen immer wieder von Kuchen, Kuchen, Kuchen. Manchmal bete ich, und manchmal verfluche ich mein Schicksal. Es hat alles sowieso keine Bedeutung und keinen Sinn.“ „Wie sehr wir uns wünschen, wieder wirklich sauber schießen zu können“, schrieb ein anderer — aber sie hatten schlicht keine Munition.
Bombardiert von der Artillerie und aus der Luft und angesichts des Vorrückens russischer Panzer und Infanterie durch ihre geschwächte Abwehr im Süden und Westen, wurden die heruntergekommenen deutschen Soldaten der 6. Armee zurückgedrängt in die Ruinen der Stadt — krank, hungernd, mit Erfrierungen, erschöpft und halb verrückt von den Läusen, die auf ihnen herumkrochen und ideale Brutplätze in ihrer warmen Winterkleidung fanden. 100.000 deutsche Soldaten waren bereits umgekommen, als das erste Kapitulationsangebot kam. Aber Hitler verbot Paulus, es anzunehmen. Stattdessen beförderte er ihn zum Feldmarschall mit einem klaren Hinweis, dass er von ihm erwarte, sich eher selbst zu erschießen, als zu kapitulieren.
Paulus wendete sich schließlich am 31. Januar gegen seinen Führer und kapitulierte mitsamt allen Truppen, die noch unter seinem Kommando standen; die restliche Armee legte zwei Tage später die Waffen nieder. Zu diesem Zeitpunkt waren 200.000 deutsche Soldaten umgekommen. 235.000 wurden gefangen genommen. Die Russen waren nicht darauf vorbereitet, mit solchen Mengen umzugehen, insbesondere da die Deutschen in einem solch erbärmlichen Zustand waren, geschwächt durch Hunger und Krankheit. Am Ende schafften es nach dem Krieg weniger als 6.000 der deutschen Gefangenen wieder nach Hause.
Dies war eine Niederlage von enormer Größe und Bedeutung. Hitler, Goebbels und Göring versuchten sie zu verbrämen durch eine Rhetorik der Selbstaufopferung und des Heldentodes für Deutschland, aber die meisten normalen Deutschen waren nicht begeistert.
Sie hatten bereits die Wahrheit vernommen aus den Millionen Briefen, die die Familien, Freunde und Verwandten erreicht hatten, bevor der letzte Flugplatz in Stalingrad nicht mehr erreichbar war.
Berichte des Sicherheitsdienstes der SS stellten fest, dass die Menschen überall der Meinung waren, dass Stalingrad früher hätte entsetzt werden sollen oder dass man der deutschen Armee den Rückzug hätte erlauben sollen. Viele betrachteten es als einen Wendepunkt im Krieg. Vielleicht am bedeutendsten von allem war jedoch, dass man jetzt Kritik an Hitler hören konnte, selbst in verhaltener Form.
Es begannen sich Gerüchte über ihn zu verbreiten — beispielsweise, sein Haar sei weiß geworden — und auch Witze. Einer ging so: „Was ist der Unterschied zwischen der Sonne und Hitler?“ „Die Sonne geht im Osten auf, Hitler geht im Osten unter.“ Die Menschen hörten auf, bei Begegnungen „Heil, Hitler!“ zu sagen, und sagten stattdessen wieder „Guten Morgen!“. Und es gab Berichte darüber, dass die Menschen zunehmend ausländische Radiosender hörten, obwohl dies eine strafbare Handlung war und die Todesstrafe drohte. Die BBC schätzte, dass ihre deutschsprachigen Sendungen zu dieser Zeit mehr als 15 Millionen Zuhörer hatten.
Hitler war an die Macht gekommen nicht zuletzt wegen seiner charismatischen Redekunst, und während der ersten Jahre seiner Herrschaft war er unermüdlich dabei, die verschiedenen Teile des Landes zu besuchen, bei Massenkundgebungen zu sprechen und Rundfunkansprachen zu halten. Aber nun, besessen davon, die Kriegsgeschicke zu lenken, hörte er auf, zum deutschen Volk zu sprechen, und gab damit genau das auf, was in vielerlei Hinsicht seine größte Stärke war.
Nach Stalingrad hielt er bis zum 21. Mai, fast zwei Monate nach der Kapitulation, keine Rundfunkansprache, und die Hörer waren bestürzt über die triste, schnelle Monotonie, in welcher er seine Rede vorlas; einige von ihnen konnten nicht einmal glauben, dass er es überhaupt selbst war, der die Rede vortrug. 1940 hielt Hitler neun öffentliche Ansprachen, 1942 fünf und 1943 nur zwei. Am 30. Januar 1944 machte er eine Rundfunkansprache und am 21. Juli 1944 eine kurze Bekanntgabe, und das war‘s. Die deutsche Öffentlichkeit hörte nie wieder direkt etwas von ihm. Goebbels beschwor ihn, Städte zu besuchen, die durch alliierte Bombardierungen zerstört worden waren, aber er weigerte sich.
Albert Speer, sein Minister für Bewaffnung und Munition berichtete später, wie er mit Hitler am 7. November 1942 in dessen Privatzug reiste und dieser zufällig neben einem stehenden Güterzug anhielt, in dem verwundete deutsche Soldaten aus Stalingrad in Viehwaggons zurückgebracht wurden. Als Hitler und seine Begleiter ihr opulentes Abendessen begannen, mit Silberbesteck und kristallenen Trinkgläsern, die auf den eleganten, mit Blumenarrangements und gestärkten Tischtüchern und Servietten geschmückten Tischen des Speisewagens ausgelegt waren, „bemerkte Hitler die düstere Szene zwei Meter vor seinem Fenster. Ohne die geringste Geste eines Grußes in ihre Richtung“, so Speer, „befahl er seinem Diener in harschem Ton, die Vorhänge zuzuziehen“.
Ein Teil des Problems bestand zu dieser Zeit darin, dass Hitler selbst unter einer Verschlechterung seines Gesundheitszustands litt mit progressiver Arteriosklerose und einem Herzleiden, wiederholten Magenkrämpfen, die möglicherweise von der immer größeren Menge an Pillen verursacht wurden, die ihm sein Arzt, Theo Morell verschrieb, und einem Zittern seiner linken Hand sowie Zuckungen in seinem linken Bein, die zum Ende des Jahres 1942 für alle sichtbar wurden und die den Beginn einer Parkinson-Erkrankung signalisierten. Aber obwohl er zunehmend zurückhaltend wurde, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen, bestand er weiterhin darauf, die Zügel der Macht in seiner Hand zu halten. Er verlor mehr oder weniger jegliches Interesse an der Innenpolitik und konzentrierte sich stattdessen auf die Führung des Krieges.
Als Folge nahmen interne Machtkämpfe zwischen unterschiedlichen Teilen des Regimes an Schärfe zu. Während die Zivilverwaltung einfach weiterhin ihre Routine absolvierte, indem sie nach eigenem Ermessen neue Regeln und Vorschriften verkündete, vergrößerten die Partei und insbesondere der ehrgeizige Leiter der Partei-Kanzlei, Martin Bormann, gemeinsam mit Heinrich Himmlers SS stetig ihren Einfluss. Bormann profitierte besonders von der Tatsache, dass sein früherer Chef, Rudolf Hess, nominell zumindest Hitlers Stellvertreter, am 10. Mai 1941 für eine fragwürdige, selbsternannte Friedensmission nach England geflogen war und die Wirkkraft seines Amtes, das sofort formal abgeschafft wurde, an Bormann übergeben hatte.
Es war ein anderer radikaler Nazi, Propagandaminister Joseph Goebbels, der die Initiative übernahm. Mit Hitlers Zustimmung hatte Goebbels 14.000 der fanatischsten Aktivisten der Nazi-Partei zu einer Massenkundgebung am 18. Februar 1943 in den Berliner Sportpalast zitiert, um seine hetzerische Rede zugunsten des „totalen Krieges“ zu hören. „Seid ihr und ist das deutsche Volk“, rief er, „entschlossen, wenn der Führer es befiehlt, zehn, zwölf und wenn nötig vierzehn und sechzehn Stunden täglich zu arbeiten und das Letzte herzugeben für den Sieg?“ (Laute „Ja“-Rufe und langanhaltender Applaus) (...) „Ich frage euch: Wollt ihr den totalen Krieg? Wollt ihr ihn, wenn nötig, totaler und radikaler, als wir ihn uns heute überhaupt noch vorstellen können?“ (Laute „Ja“-Rufe und Applaus).
Diese inszenierte Veranstaltung wurde im öffentlichen Rundfunk übertragen und in Gänze in den Tageszeitungen abgedruckt. Gemeinsam mit dem Reichsminister für Bewaffnung und Munition, Albert Speer, führte Goebbels eine Reihe von Maßnahmen ein, mit denen Luxusgüter noch stärker beschränkt und Restaurants und Cafés geschlossen wurden, und startete eine neue Kampagne, die Frauen für die Kriegsanstrengungen zuhause mobilisieren sollte.
Aber die einfachen Bürger waren zu Recht der Meinung, dass sie bereits seit Langem einen totalen Krieg führten. Die reale Pro-Kopf-Produktion bei allen Verbrauchsgütern war zwischen 1938 und 1941 bereits um fast ein Viertel gesunken, und ab 1942 wurde durch Regierungsvorschriften der zivile Konsum noch weiter gedrosselt, indem die Wehrmacht mit dem Großteil der Konsumgüter versorgt wurde, wodurch der Pro-Kopf-Konsum an Fleisch in der Wehrmacht viermal so hoch war wie in der Zivilgesellschaft; die Hälfte aller Textilgüter gingen in die Wehrmacht und 90 Prozent der in Deutschland gefertigten Möbel an das Militär.
Die Steuern waren für normale Arbeiter um durchschnittlich 20 Prozent und für die Wohlhabenden um über 50 Prozent gestiegen. Die Rationierungen bei Lebensmitteln und Kleidung waren bereits seit dem Frühjahr 1942 streng gewesen. Die Menschen hungerten nicht, aber sie konnten selten einmal Nahrungsmittel und Kleidung bis zur maximal möglichen Ration kaufen, weil diese gar nicht verfügbar waren — und 1943 war die maximale Zuteilung pro Monat neun Kilogramm Brot, knapp unter zwei Kilogramm Fleisch und knapp unter einem Kilogramm Fett einschließlich Butter und Margarine. Wenige Menschen konnten von diesen geringen Mengen leben.
Der Konsum an Kleidung war im Oktober 1941 auf ein Viertel des Niveaus in Friedenszeiten gesunken, und die Mühen, Baumwolle, Leder und Wolle zu bekommen, bedeuteten, dass viele Kleidungsstücke aus minderwertigen Ersatzstoffen hergestellt wurden. „Ein Mann ist lebensmüde und versucht vergeblich, sich zu erhängen“, so lautete ein Scherz auf den Straßen Berlins im April 1942, „ — unmöglich: Das Seil ist aus synthetischen Fasern und reisst. Dann versucht er, in den Fluss zu springen — aber er treibt an der Oberfläche, weil sein Anzug aus Holz gemacht ist. Schließlich gelingt es ihm, sich umzubringen: Er hat es drei Monate lang durchgehalten, von nicht mehr zu leben als von dem, was auf seiner Lebensmittelkarte stand.“
So wie es unmöglich war, den Lebensstandard und den Konsum weiter zu drosseln, so konnte auch Goebbels nicht mehr Frauen für die Kriegsproduktion mobilisieren. Zunächst hatte Deutschland vor dem Krieg einen sehr viel höheren Anteil erwachsener Frauen an der Erwerbsbevölkerung als Großbritannien oder die USA, insbesondere weil sie in kleinen landwirtschaftlichen Betrieben arbeiteten. Dann aber verhinderten die großzügigen staatlichen Unterstützungen, die an Ehefrauen oder Witwen von Männern im aktiven Dienst gezahlt wurden und die vom Regime konzipiert worden waren, um die Art von Armut und Unzufriedenheit im Land zu vermeiden, die Hitler für ausschlaggebend für die Schwächung der deutschen Streitkräfte im Ersten Weltkrieg hielt, dass viele Frauen arbeiten gingen.
Die Nazipropaganda betonte sowieso, dass die Frau Kinder gebären solle für das Reich und dass sie das Mannsvolk zu unterstützen habe. Es gab keine deutsche Entsprechung zu dem amerikanischen Propaganda-Symbol „Rosie the Riveter“ (Rosie die Nieterin), die Männerarbeit verrichtete in einer Umgebung, die zuvor als industrielle Welt des Mannes betrachtet worden war. Arbeitgeber fanden es auf jeden Fall einfacher, billige, aber gut ausgebildete ausländische Arbeitskräfte einzustellen, bei denen sie viele der Sicherheitsvorschriften nicht einhalten sowie die Sozialleistungen und Vergünstigungen nicht leisten mussten, die das Gesetz für weibliche Arbeitskräfte aus Deutschland vorschrieb.
„Totaler Krieg“ war daher wenig mehr als ein Slogan. Eines jedoch hatte Goebbels' Rede erreicht: eine sich verbreiternde und vertiefende Besorgnis bei den einfachen Deutschen, dass die militärische Situation nach Stalingrad nun für Deutschland sehr ernst geworden war. Im Laufe des Jahres 1943 verschlechterte sie sich noch weiter. Die Deutschen verlegten frische Truppen aus Westeuropa nach Osten und begannen, nachdem die Frühjahrsregen vorbei waren, einen größeren Angriff auf eine Ausbuchtung der Front um die Stadt Kursk herum in der Hoffnung, die russischen Truppen abzuschneiden durch gleichzeitige Angriffe vom Norden und vom Süden her. Aber die Russen warteten schon auf sie. Sie waren im Voraus über die deutschen Pläne informiert und hatten große Mengen Männer und Material herbeigeschafft.
Über drei Monate lang hatten ungefähr 300.000 zivile Verpflichtete tief gestaffelte Verteidigungsanlagen gebaut mit tiefen Gräben, Panzerfallen, Bunkern und Artillerie in acht Linien, eine hinter der anderen. Die Folge war die größte Landschlacht in der Geschichte mit insgesamt auf beiden Seiten mehr als vier Millionen teilnehmenden Soldaten, 69.000 Geschützen, 12.000 Panzern und Selbstfahrlafetten sowie 12.000 Kampfflugzeugen.
Die Schlacht von Kursk nahm einen schlechten Anfang für die Rote Armee. Die Deutschen schossen 425 sowjetische Flugzeuge ab und verloren selbst nur 36 ihre Flugzeuge. Die neuen deutschen Panzer Tiger und Panther waren so leistungsfähig, dass sowjetische Panzerkommandanten sich gezwungen sahen, ihre eigenen unterlegenen Panzer im Boden einzugraben, wobei nur der getarnte Geschützturm sichtbar herausragte, um aus nächster Nähe auf die deutschen Panzer schießen zu können. Als Feldmarschall Manstein im Süden die sowjetischen Verteidigungsstellen durchbrach, schickten die Generäle der Roten Armee 600 Panzer ins Geschehen, um zu versuchen, seine Streitkräfte aufzuhalten. Angesichts von nur 117 deutschen Panzern schien dies gelingen zu müssen.
Aber die Sowjetpanzer übersahen einen viereinhalb Meter tiefen Anti-Panzer-Graben, der als Teil der Verteidigungslinien kurz zuvor von sowjetischen Pionieren angelegt worden war, und als sie den Hügel außerhalb der Stadt Prochorowka hinunterstürmten, fielen sie dort hinein, und jene, die ihnen folgten, krachten ineinander und gingen in Flammen auf, als sie versuchten, durch Umkehren dem Unheil zu entgehen. Die deutschen Panzersoldaten, die gerade geschlafen hatten, als der Angriff begann, eröffneten das Feuer und vergrößerten das Chaos. Am Ende des Tages waren 235 russischen Panzer zerstört; die Deutschen hatten nur drei verloren.
Aus Furcht vor den voraussichtlichen Folgen für sich selbst, sollte Stalin herausbekommen, was geschehen war, fabrizierten der sowjetische Panzerkommandant Pawel Rotmistrow und der führende Parteifunktionär in dem Gebiet, ein gewisser Nikita Chruschtschow, einen Bericht, in dem behauptet wurde, dass in einer großen und heldenhaften Schlacht, die in einem sowjetischen Sieg geendet habe, 400 deutsche Panzer zerstört worden seien, und setzten dadurch die langlebige Legende in die Welt, dass Kursk die größte Panzerschlacht in der Geschichte gesehen habe, wohingegen es in Wahrheit einer der größten militärischen Patzer in der Geschichte war.
Diese Rückschläge änderten jedoch nichts an der Tatsache, dass die Rote Armee bei Kursk eine gewaltige Überlegenheit an Soldaten, Waffen und Ausrüstung hatte. Am 12. Juni 1943 wurden mehr als eine Million frische russische Soldaten mit 3.200 Panzern und Selbstfahrlafetten sowie 4.000 Flugzeuge in die Schlacht geworfen. Während von den Sowjets unterstützte Partisanen die deutsche Nachhut nervten und den Nachschub von Verstärkung, Treibstoff und Munition unterbanden, starteten die Sowjets eine riesige Gegenoffensive und trieben die deutsche Armee zurück. Hitler sah sich gezwungen, die Operation zu beenden.
Die Russen verzeichneten 1.677.000 Tote, Verwundete oder Vermisste, sie verloren 6.000 Panzer und mehr als 4.200 Flugzeuge. Stalin war erstaunlich verschwenderisch mit dem Leben seiner Männer. Die deutschen Verluste waren weitaus geringer: 170.000 Tote, Verwundete oder Vermisste, 760 zerstörte Panzer, 524 abgeschossene Flugzeuge. Aber die Deutschen waren weit weniger in der Lage, ihre Verluste zu ertragen. Kursk war der letzte ernsthafte Gegenangriff im Osten. Er zerstörte die deutsche Armee nicht, aber sie war danach sehr geschwächt. Er eröffnete einen langen Rückzug, der die gesamte restliche Zeit des Krieges andauern sollte.
Was war mit den fehlenden deutschen Panzern bei Kursk geschehen — den Panzern, die laut Rotmistrow und Chruschtschow zerstört worden waren? Hitler hatte befohlen, sie abzuziehen und nach Italien zu verlegen, um die Halbinsel zu verteidigen angesichts einer sich abzeichnenden alliierten Invasion. Rommels Vorstoß in Nordafrika war im Oktober 1942 bei der Schlacht von El Alamein zum Stillstand gekommen, wo seine Streitkräfte von einer alliierten Armee überwältigt worden waren, die über mehr als doppelt so viele Männer und Panzer verfügte wie er. Als er den Rückzug begann, nutzten die Alliierten ihre Seehoheit im Mittelmeer, um 63.000 Männer in Marokko und Algerien an Land zu bringen.
Im März 1943 kehrte Rommel im Krankenstand nach Deutschland zurück; im Mai 1943 ergaben sich eine Viertelmillion Soldaten der Achsenmächte, die Hälfte davon Deutsche, den Alliierten in Nordafrika. Im darauffolgenden Jahr resümierte Rommel seine Niederlage. Er war immer noch des Glaubens, er hätte den Suezkanal einnehmen und weiter vordringen können, um die Ölfelder des Mittleren Ostens zu erobern. Aber „der Krieg in Nordafrika“, so schloss er, „wurde durch das Gewicht des anglo-amerikanischen Materials entschieden. Tatsächlich“, fügte er hinzu, „bestand seit Eintritt Amerikas in den Krieg sehr geringe Aussicht auf einen Endsieg unsererseits.“
Nach der Vertreibung der Achsenmächte aus Nordafrika begannen die Alliierten am 10. Juli 1943 eine Invasion in Sizilien. Die britischen Streitkräfte kamen nur langsam voran, weil ihr übervorsichtiger Befehlshaber Montgomery seine Einheiten in eine küstennahe und eine landeinwärts agierende Kolonne aufgeteilt hatte, wodurch er den meisten Deutschen die Flucht auf das Festland ermöglichte, als klar wurde, dass die Insel fallen würde. Es war diese Aussicht, die Hitler veranlasste, seine wesentlichen Panzerregimente aus Kursk abzuziehen, und den dortigen Vorstoß beendete. Als sie ankamen, war der italienische Diktator Mussolini bereits auf dem Weg nach draußen.
Der anscheinend endlosen Kette von Fehlleistungen überdrüssig, hatte der Große Rat der Faschisten am 24./25. Juli 1943 beschlossen, ihm seine Machtbefugnisse abzuerkennen. Erschöpft, verwirrt und krank, leistete Mussolini keinen wirklichen Widerstand und wurde ins Gefängnis gebracht, nachdem er vom italienischen Monarchen als Ministerpräsident entlassen worden war. Die Faschistische Partei zerfiel und wurde verboten. Am 3. September 1943 unterzeichnete die neue, militärgeführte Regierung von Marschall Pietro Badoglio ein Waffenstillstandsabkommen mit den Alliierten, die am selben Tag bei Salerno und in Kalabrien an Land gingen. Fünf Tage später kapitulierte Italien.
Die Folgen dieser Ereignisse waren dramatisch. Um auf deutscher Seite keinen Verdacht zu erwecken, hatte Badoglio zugestimmt, deutsche Truppen über die Alpenpässe nach Norditalien einrücken zu lassen, während deutsche Truppen, die aus Sizilien gekommen waren, Verteidigungsstellungen auf dem Festland aufbauten.
Als sich die Italiener ergaben und ihre Waffen niederlegten, nahmen die Deutschen fast eine Zweidrittelmillion Soldaten fest und deportierten sie nach Deutschland als Zwangsarbeiter, wo eine weitverbreitete Feindseligkeit ihnen gegenüber wegen des Verrats an der Idee der Achsenmächte dazu führte, dass sie schlechter behandelt wurden als alle anderen ausländischen Arbeiter außer den Russen.
50.000 italienische Kriegsgefangene starben, eine Todesrate, die fünfmal so hoch war wie die unter britischen Kriegsgefangenen. In Italien selbst flog eine SS-Kommandoeinheit unter dem Österreicher Otto Skorzeny in einem Gleitflugzeug über das Alpenhotel, in dem Mussolini gefangen gehalten wurde, sprang mit Fallschirmen ab und überrannte das Gebiet, ohne einen einzigen Schuss abzugeben. Der ehemalige Diktator wurde in einem kleinen Flugzeug nach Deutschland gebracht, danach in einem Marionettenregime in Norditalien installiert, wo er sich rächte an den führenden Faschisten, die ihn abgesetzt hatten. Fünf von ihnen ließ er erschießen einschließlich seines Schwiegersohnes Graf Ciano.
Während die deutschen Truppen den Rest von Italien besetzten, trafen SS-Einheiten ein, um die 34.000 Juden zusammenzutreiben, die in dem von Deutschen oder von italienischen Faschisten kontrollierten Gebiet lebten. Antisemitismus war in Italien traditionell schwach ausgeprägt, und normale Menschen nahmen beträchtliche Mühen in Kauf, um sie zu schützen; 80 Prozent der jüdischen Bevölkerung Italiens überlebte den Krieg.
Der Seekrieg nahm ebenfalls eine Wende zum Schlechten, da herkömmliche Überwasserschiffe eins nach dem anderen torpediert oder bombardiert wurden, während die Deutschen, die den Bau von Flugzeugträgern versäumt hatten, nicht in der Lage waren, ihrerseits alliierte Kriegsschiffe zu bombardieren. Im Januar 1943 entließ Hitler den Marinekommandanten Großadmiral Raeder und ersetzte ihn durch den Chef der U-Bootflotte, Karl Dönitz.
Zu Anfang des Krieges versenkten deutsche U-Boote dank der Entschlüsselung britischer Funkübertragung mehr als eine Zweidrittelmillion Tonnen britischer Handelsschiffe, aber die geringe Rate der U-Bootproduktion in Kombination mit Verlusten, Ausfällen und langwierigen Reparaturarbeiten in Docks bedeutete, dass immer nur 25 U-Boote zu gleicher Zeit im Atlantik operierten.
Die Einführung eines neuen Konvoisystems, wo Handelsschiffe von Kriegsschiffen begleitet wurden, und die erfolgreiche britische Entschlüsselung des deutschen Funkverkehrs bewirkten 1941 eine Abnahme in den Tonnage-Verlusten durch U-Boote. Hitler hatte eine große Steigerung der U-Bootproduktion angeordnet, und Anfang 1943 waren 120 davon im Nordatlantik im Einsatz. Allein im November 1942 versenkten sie 720.000 Tonnen alliierter Schiffstransporte. Die Störung, die dadurch für die unverzichtbare Versorgung über den Atlantik verursacht wurde, war sehr real. Britische Versuche, U-Boot-Häfen zu bombardieren, schlugen fehl, und die Deutschen hatten ein neues Verschlüsselungsverfahren, das die Briten nicht knacken konnten.
Im Dezember 1942 jedoch wurde der neue Code endlich geknackt. Konvois konnten die Gebiete umfahren, in denen die U-Boote operierten. Ohne Aufklärungsflugzeuge mussten die U-Boote in losen Verbänden, den Wolfsrudeln, fahren und waren dabei leicht aus der Luft auszumachen, da sie nur kurzzeitig abtauchen konnten und untergetaucht ihre Torpedos nicht abfeuern konnten. Kleine Flugzeugträger begannen die Konvois zu begleiten, wodurch ein Lokalisieren der Wolfsrudel einfacher wurde. Ab Mai 1943 verloren die Deutschen durchschnittlich mehr als ein U-Boot pro Tag, und die Alliierten bauten neue Schiffe schneller, als die Deutschen sie versenken konnten. Am 24. Mai 1943 fügte Dönitz sich dem Unvermeidlichen und zog die U-Boot-Flotte aus dem Nordatlantik ab. Die Atlantikschlacht war vorüber.
Wenn auch Rückschläge an Land und auf See die Moral zuhause in Deutschland beschädigten, so war es aber doch vor allem der Luftkrieg, der die stärkste Auswirkung auf die Haltung der Menschen im Dritten Reich hatte. Ungeachtet des Überraschungsangriffs auf London setzten sowohl Hitler als auch Göring, der Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, Luftbombardements lieber taktisch ein für die Unterstützung von Bodentruppen als strategisch. Stalin hatte ein ähnliches Konzept für die sowjetische Luftwaffe. Aber obwohl er selbst nie eine strategische Bombardierung begann, übte er zunehmend Druck auf die Westalliierten aus, genau dies zu tun, insbesondere da sie aus seiner Sicht die Invasion in Frankreich in ungerechtfertigter Weise hinauszögerten.
Die Briten und die Amerikaner hatten tatsächlich seit den späten 1930er-Jahren schwere Bomber produziert. Bis 1942 standen keine in ausreichender Anzahl zur Verfügung, und obwohl es in den ersten zweieinhalb Jahren des Krieges zahlreiche kleine Luftschläge auf deutsche Städte und Großstädte gab, richteten diese relativ wenig Schaden an. Anfang 1942 jedoch begannen die Briten und die Amerikaner eine großangelegte strategische Bombenoffensive gegen Deutschland, angeführt von Arthur Harris.
Harris demonstrierte die Wirksamkeit großangelegter Bombardierungen mit einem Angriff auf die norddeutsche Küstenstadt Lübeck im März 1942, bei dem grob die Hälfte der Gebäude der Stadt zerstört wurde. Im Mai veranstaltete er einen Eintausend-Bomber-Angriff auf Köln, gefolgt von einem ähnlichen Angriff auf Essen im Ruhrgebiet. Danach jedoch wurden für eine Weile die Ziele verschoben auf U-Boot-Nester an der französischen Atlantikküste angesichts der Bedrohung, die die deutschen U-Boote zu der Zeit darstellten. Erst im Januar 1943 beschlossen Roosevelt und Churchill den ernsthaften Einsatz einer strategischen Bombardierung.
Der gemeinsame Operations- und Planungsstab erklärte den britischen und amerikanischen Piloten, das Ziel des Einsatzes sei „die fortlaufende Zerstörung und Verlagerung des deutschen militärischen, industriellen und wirtschaftlichen Systems sowie die Untergrabung der Moral des deutschen Volkes bis zu einem Punkt, wo ihre Fähigkeit zu bewaffnetem Widerstand unwiderruflich geschwächt ist“. Dieses Mal waren die Angriffe weit umfangreicher angelegt als zuvor, und sie kamen sehr viel häufiger.
Bis Ende Juni 1943 waren ungefähr 15.000 Menschen getötet worden in einer langen Serie von Angriffen im Industriegebiet an der Ruhr, wodurch die Stahl- und Waffenproduktion nachhaltig zum Erliegen gebracht wurde. Ende Juli und Anfang August 1943 verursachte eine Serie von Angriffen — die beiden ersten mit jeweils mehr als 700 Bombern — weit größere Zerstörungen im Überseehafen von Hamburg, Deutschlands zweitgrößter Stadt.
Harris setzte kleine Flugzeuge als Zielbeleuchter ein, die Leuchtfackeln über dem Zielgebiet abwarfen, gefolgt von der Hauptbomberflotte, die dann ihre Brandbombenlast abwarf. So groß war die Hitze, die während des zweiten und größten Angriffs in der Serie erzeugt wurde, dass es nahe des Stadtzentrums zu einem Feuersturm kam, der die Luft aus der ganzen Umgebung ansaugte und eine überhitzte Feuersbrunst entfachte, die binnen Minuten ganze Gebäude in Asche verwandelte. 40.000 Menschen kamen bei den Luftangriffen auf Hamburg um, mehr als die Hälfte der Gebäude der Stadt war zerstört, 900.000 Menschen waren obdachlos und über eine Dreiviertelmillion Menschen flüchteten aus der Stadt.
Die Bomber mussten zwangsläufig schwer und langsam sein, um wirksame Bombenlasten tragen zu können. Kampfflugzeuge konnten sie nur bis zur deutschen Grenze begleiten, wo sie zur Umkehr gezwungen waren, bis Ende 1943 Langstreckenbomber entwickelt wurden, insbesondere der in Amerika gebaute Mustang. Da sie sehr hoch flogen, um Bodenluftabwehrfeuer zu vermeiden, konnten die Bomber nur sehr große Ziele wie Städte und Großstädte treffen, und wenn die Wetterbedingungen schlecht waren mit starkem Wind oder Regen, dann verfehlten sie diese häufig.
Bombardierungen konnten niemals präzise durchgeführt werden: Der Angriff zur „Dammsprengung“ auf die Eder- und die Möhnetalsperre im Mai 1943 war eine bemerkenswerte Ausnahme von einer ansonsten allgemeinen Regel, dass strategische Bombardierungen nichts anderes sein können als wahllos. Die Deutschen hatten Radarausrüstung, aber die alliierten Bomber warfen Metallstreifen ab, um das Radar zu verwirren.
Die deutschen Kampfflugzeuge waren relativ erfolgreich bei Angriffen auf alliierte Bombergeschwader, aber es wurden so viele Kampfflugzeuge von der Ostfront wegverlegt, dass Anfang 1944 dort nur noch 500 Kampfflugzeuge mehr als 13.000 sowjetischen Flugzeugen gegenüberstanden. 39.000 Flugabwehrkanonen waren zu dieser Zeit in Deutschland im Einsatz, bemannt mit über einer halben Million Kanonieren, aber dies schluckte ein Drittel der gesamten Artillerieproduktion und schwächte die Position der Bodentruppen, speziell an der Ostfront. Dennoch blieben die Bomber über Deutschland eine gefährliche Angelegenheit. Insgesamt wurden während der Bombenangriffe circa 80.000 Mitglieder der Flugbesatzungen getötet.
Während der letzten 18 Monate des Krieges übertraf die britische und amerikanische Flugzeugproduktion die ihrer deutschen Gegenspieler um ein Vielfaches, und die deutsche Luftverteidigung wurde regelrecht überwältigt allein aufgrund zahlenmäßiger Überlegenheit. Die alliierten Bomber weiteten stetig ihren Aktionsradius aus, bewegten sich frei über dem Deutschen Reich und zerstörten eine Stadt nach der anderen. In einem späten Stadium des Krieges verwüsteten sie die Stadt Dresden, wo durch die Intensität der Bombardierungen ein weiterer Feuersturm entstand, der bis zu 35.000 Menschen das Leben kostete.
Während des gesamten Verlaufs des Krieges wurden über eine halbe Million Deutsche getötet und circa 40 Prozent des Wohnungsbestandes in deutschen Städten mit über 20.000 Bewohnern zerstört; in einigen Großstädten wie Hamburg und Köln waren es bis zu 70 Prozent.
Die Zerrüttung der deutschen Wirtschaft und des Kommunikationswesens war immens. Ende Januar 1945 errechnete Albert Speers Reichsministerium für Bewaffnung und Munition, dass allein die Bombardierungen verantwortlich waren für eine Minderproduktion der Wirtschaft gegenüber den Planungen von 25 Prozent bei Panzern, 31 Prozent bei Flugzeugen und 42 Prozent bei Lastwagen. Als im Juni 1944 die Alliierten ihre Landungen in der Normandie begannen, hatte Deutschland die Lufthoheit verloren — sonst wären die Landungen nicht möglich gewesen.
Die Vorbereitungen des Naziregimes auf die Bombardierungen waren wenig erfolgreich. Im März 1944 gab es eine offizielle Schätzung, wonach nahezu zwei Millionen Menschen obdachlos waren, wobei nur wenige neue Wohnungen gebaut wurden, und im Dezember 1944 beschrieb Goebbels die verbliebenen Bewohner der Ruhrgebietsstadt Bochum als „kampierend in Kellern und Bodenlöchern“. Zu dieser Zeit gab es über acht Millionen Flüchtlinge und Evakuierte, und über eine Million Kinder aus den Städten lebten in Lagern auf dem Land, die von der Hitlerjugend und der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt errichtet worden waren.
Der Bau von Luftschutzbunkern ging schleppend voran, und ihre Anzahl war völlig unzureichend. Es wurden mehr Arbeitskraft und Beton eingesetzt, um Hitlers eigene Bunker in Berlin und Rastenburg zu bauen und den Komplex des unterirdischen Hauptquartiers bei Ohrdruf in Thüringen, als im gesamten Programm für den Bau ziviler Schutzbunker in ganz Deutschland zusammengenommen für die Jahre 1943 und 1944. In Dresden befand sich der einzige bombensichere Luftschutzbunker unter der Villa des regionalen Parteichefs Martin Mutschmann. Dies machte ihn nicht gerade beliebt bei den Bürgern der Stadt.
Die Menschen machten weithin das Naziregime verantwortlich für die Toten und die Verwüstungen durch die Bombardierungen. Nach den Angriffen auf Hamburg 1943 wurden Parteifunktionäre offen auf der Straße angegriffen, und es wurden ihnen die Parteiinsignien von der Kleidung gerissen. Der Volkszorn richtete sich insbesondere gegen Herrmann Göring für dessen Versäumnis, eine Luftwaffe aufgebaut zu haben, die Deutschlands Städte hätte verteidigen können.
Die Menschen versuchten Spannungen abzubauen, indem sie Witze erzählten — wie so oft in solchen Situationen. Der Sicherheitsdienst der SS berichtete im August 1943, dass die Menschen im ganzen Reich einen Witz verbreiteten, der folgendermaßen ging: „Ein Mann aus Berlin und ein Mann aus Essen diskutieren das Ausmaß der Bomberschäden in ihren jeweiligen Städten. Der Berliner erklärt, dass die Bombardierung Berlins so schrecklich gewesen sei, dass noch fünf Stunden nach dem Angriff die Fensterscheiben aus den Häuserfassaden gefallen seien. Der Essener antwortet, dass das gar nichts sei und dass in Essen sogar noch vierzehn Tage nach dem Angriff Hitlerporträts aus den Fenstern geflogen seien.“
Vielleicht ist es erstaunlich, dass es wenig Wut oder Groll gegen die Briten und Amerikaner gab. Forderungen zur Bombardierung der Briten waren weitverbreitet, aber nur deshalb, weil die Leute glaubten, dass man sie dadurch am besten würde stoppen können. Einige alliierte Piloten, die mit dem Fallschirm hatten abspringen müssen, wurden am Boden von wütenden Menschenmengen gelyncht, aber dies betraf nicht mehr als ein Prozent aller Fälle. Trotz massiver Propaganda durch Goebbels musste der Sicherheitsdienst der SS im Jahre 1944 berichten, dass „man nicht von Hass gegen das englische Volk als Ganzes sprechen kann“. Und um dies zu illustrieren, zitierten sie eine Frau, die bei einem Angriff ihr Haus verloren hatte:
„Es schmerzt mich, dass all meine Sachen auf immer verloren sind. Aber so ist eben der Krieg. Gegen die Engländer, nein, ich habe überhaupt nichts gegen sie.“
Was die Menschen jedoch wahrnahmen, war ein Gefühl, dass die Zerstörungen eine Art Vergeltung waren für die Gräueltaten, die von Deutschland an den Juden verübt wurden.
Das Wissen über die Erschießungen im Osten wurde unter der Zivilbevölkerung durch Briefe von Soldaten und Erzählungen von Soldaten auf Heimaturlaub verbreitet. Die deutschsprachigen Sendungen der BBC brachten Ende 1942 detaillierte Berichte über die Vergasungen in Treblinka und an weiteren Orten. Goebbels' Propagandamaschine hatte der deutschen Bevölkerung während der meisten Zeit des Krieges die Botschaft eingehämmert, dass die Alliierten von finsteren jüdischen Interessen geleitet würden — eine Botschaft, für die es natürlich nicht die geringsten Belege gab.
1943 berichtete der Sicherheitsdienst der SS, dass die Menschen in Bayern der Meinung seien, „Würzburg sei deshalb nicht von feindlichen Piloten angegriffen worden, weil dort keine Synagoge niedergebrannt worden sei“. Ähnliche Berichte kamen während der folgenden Monate aus vielen Teilen Deutschlands. Der Bischof von Württemberg schrieb Ende 1943 an den Leiter der Reichskanzlei, dass das deutsche Volk der Meinung sei, dass „das Leiden, das sie wegen der feindlichen Luftangriffe ertragen müssen, die Vergeltung dafür ist, was den Juden angetan wird“.
Zu dieser Zeit glaubten die meisten Deutschen nicht mehr, dass der Krieg gewonnen werden könne. Es gab weitverbreitete Ängste, dass die Juden schreckliche Vergeltung üben würden, wenn er endgültig verloren sei. „Die Juden allein werden uns die Verbrechen heimzahlen, die wir gegen sie begangen haben“, stand in einem anonymen Brief an das Propagandaministerium vom Juli 1944. Diese Ängste waren einer der Faktoren, die die Deutschen — sowohl die Militärs als auch die Zivilbevölkerung — auf Linie hielten bis fast zum bitteren Ende. Wie dieses Ende kam und warum es in Deutschland keine erfolgreiche Revolution gegen ein Regime gab, das die meisten Menschen für sowohl kriminell als auch für todgeweiht hielten, werde ich kommenden Monat in meinem vierten und letzten Vortrag diskutieren.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Stalingrad and beyond“. Er wurde von Matthias Thomsen vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratteam lektoriert.
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