von Pierre Lévy
Macrons Zurückrudern ist unzureichend, aber immerhin genug, um die Europäische Kommission zu beunruhigen. Der Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hat Frankreich am 11. Dezember gewarnt. Von AFP interviewt, erklärte er, dass Brüssel „mit Aufmerksamkeit die Auswirkung der Ankündigungen des Präsidenten“ Frankreichs auf das Defizit verfolgen werde, ebenso wie die Modalitäten der Finanzierung seiner Maßnahmen. Am nächsten Tag (dem 12.) hat er in der Tageszeitung „Le Parisien“ präzisiert, dass eine Überschreitung des Defizits nur „begrenzt, vorübergehend und als Ausnahme“ hinnehmbar wäre.
Die europäische Exekutive erinnert: Das Land bleibt dem Stabilitätspakt unterworfen. Das heißt mit anderen Worten, dass die europäische Exekutive das Land daran erinnert, dass es dem Stabilitätspakt unterstellt bleibt, der das Haushaltsdefizit bei unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts festlegt. Seit der Krise von 2008 ist die „Führung“ der Euro-Zone sogar verstärkt worden – die italienische Regierung kann ein Lied davon singen.
Der Energiepreis
Aber die Europäische Union liegt auch in einer anderen Sache auf der Lauer – beim Energiepreis. Denn wenn die Kosten von Benzin, Gas und auch Heizöl bei weitem nicht der alleinige Grund für die Wut sind, so haben sie doch das Fass zum Überlaufen gebracht, als für Januar eine Ökosteuer angekündigt wurde, die andere Verhaltensweisen erzwingen sollte.
Alles in allem bleibt die Energie mehr denn je ein Posten, der schwer auf dem Budget von Millionen Haushalten lastet, um fahren, aber auch um heizen zu können. Deshalb hat die Regierung auch versprochen, den Preis von Gas und Elektrizität einzufrieren, nachdem sie umsonst versucht hatte, durch die Annullierung der Umweltsteuern auf Kraftstoff die Verzweiflung abzuwenden.
Die Elektrizität betreffend gibt es jedoch ein Problem. Der Premierminister kann sicherlich die erwartete Erhöhung um sechs Prozent auf den Preis der Kilowattstunde über einige Monate hinausschieben. Aber er kann sie nicht blockieren – der freie Markt verpflichtet. Ein solches Einfrieren war im Jahr 2012 bereits von einer vorangegangenen Regierung versucht worden. Aber die Konkurrenten der EDF (Electricité de France; Anmerkung der Übersetzerin) hatten gegen die Entscheidung mit Erfolg geklagt. In Anwendung der europäischen Regeln hatte der französische Staatsrat diese Regierungsentscheidung annulliert. Demzufolge war das nationale Unternehmen EDF gezwungen, die Rückstände mittels Rechnung auf dem Rücken der Nutzer einzuholen.
„Die Kommission ermuntert die Mitgliedsstaaten zur Einrichtung eines Fahrplans, um aus dem System der administrierten Preise herauszukommen“
Alle Wege führen nach Brüssel
Für Brüssel sind die Regeln des Wettbewerbs heilig. Der Markt für Elektrizität wurde seit den neunziger Jahren durch aufeinanderfolgende europäische „Gesetzespakete“ progressiv dereguliert. 2016 hat die Kommission einen Richtlinienentwurf präsentiert, der diese Liberalisierung vollenden – und neue Produktionsquellen miteinbeziehen – sollte. Seine Erwartungen sind eindeutig:
„Die Regulierung der Preise kann die Entwicklung eines wirksamen Wettbewerbs begrenzen, die Investitionen und das Auftauchen neuer Akteure verhindern. Deshalb (…) ermuntert die Kommission die Mitgliedsstaaten zur Einrichtung eines Fahrplans, um aus dem System der administrierten Preise herauszukommen.“
Die „administrierten Preise“ bezeichnen das System, in dem die öffentliche Hand über den Markt verfügt. Es ist eben diese Fähigkeit, die eliminiert werden müsse, betont die Kommission mit Unterstützung des Europäischen Parlaments. Für diesen Bereich ist im Parlament ein spanischer Abgeordneter der GRÜNEN, Florent Marcellesi, zuständig: „Die Position des Europäischen Parlaments zu den reglementierten Tarifen, welche auch die meiner Gruppe ist, besteht in deren Abschaffung, denn sie blockieren die Entwicklung der erneuerbaren Energien.“ Noch so eine Wohltat der Ökologie.
Übrigens versuchen manche Hauptstädte, darunter Paris, heimlich diese totale Liberalisierung ein klein wenig abzuschwächen, in der Hoffnung, einen kleinen Raum für die reglementierten Tarife zu behalten.
Wenn die öffentliche Hand die Strompreise nicht mehr kontrolliert, kann die Regierung zwar noch die Steuern auf diese Preise senken. Diese Steuern belaufen sich im vorliegenden Fall auf mehr als 35 Prozent der Rechnung für den Nutzer. Es gibt auch noch die Mehrwertsteuer, aber auch die sogenannte „Beteiligung am öffentlichen Dienst der Elektrizität“ (CSPE), die vor allem die Finanzierung der erneuerbaren Energien sicherstellt. Als nützliche Erinnerung: Die Stromrechnung wurde unlängst erhöht zugunsten der Windräder und Sonnenkollektoren, denn der so produzierte Strom ist viel teurer als der klassische – Atomstrom, Wasserkraft und andere. Wer erinnert sich daran?
Auch hier mussten die auf europäischer Ebene festgelegten Ziele („Energie-Klimapaket") zur Verringerung der Kohlendioxidemissionen erfüllt werden.
Auferlegung steuerlicher Sparmaßnahmen, Erhöhung der Umweltschutzauflagen, obligatorischer freier Wettbewerb: Nach welcher Seite man sich auch dreht, der Weg führt nach Brüssel.
„Es gibt nur einen Kampf für uns, und der ist für Frankreich.“
Nur die Tapfersten, die den Phrasen des Meisters vom Elysée am 10. Dezember bis zum Schluss zugehört haben, konnten einen Silberstreifen am Horizont wahrnehmen. Wer hat schon auf den letzten Satz geachtet? „Es gibt nur einen Kampf für uns, und der ist für Frankreich“, hat er ohne zu lachen proklamiert. Er, der achtzehn Monate lang vom Hügel Athens bis zum Amphitheater der Sorbonne nicht aufhörte zu proklamieren: Unsere Zukunft ist die „europäische Souveränität“.
Wenn der Präsident wirklich diese spektakuläre Kehrtwendung vollzogen hätte, könnte man sofort an den Kreisverkehren (1) Frankreichs die Champagnerkorken knallen lassen. Nur sind wir leider noch nicht ganz so weit.
Pierre Lévy (1958) ist Spezialist für Fragen der Europäischen Union, Journalist und Chefredakteur der Monatszeitschrift Ruptures. Von 1996 bis 2000 arbeitete er als Redakteur für die Rubrik internationale Politik der Tageszeitung L’Humanité. Er unterrichtete Geopolitik am Pôle Universitaire Léonard de Vinci in Paris. Davor war er Ingenieur und Gewerkschaftler in einem Industriekonzern. Er veröffentlichte zwei Essais und einen Zukunftsroman.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Intervention télévisée de Macron le 10 décembre : personne n’a écouté la dernière phrase!“. Er wurde vom ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.
Quellen und Anmerkungen:
(1) Die Gelbwesten blockieren vor allem an vielen Kreisverkehren den Verkehr (Anmerkung der Übersetzerin).
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