Mila sitzt nachdenklich am Küchenfenster und schaut auf die spielenden Kinder im Garten. Sie ist gerade froh und dankbar, dass ihre Kinder in einem Haus mit Garten aufwachsen dürfen. Dass das Grundstück nicht ihr Eigentum ist, stört sie nicht. Im Gegenteil, sie freut sich jedes Mal, wenn ihr wieder bewusst wird, dass ihre Familie mit dieser Liegenschaft Teil eines zukunftsweisenden Projektes ist.
Ist Grund und Boden eine Ware?
Das Projekt entstand durch eine Gruppe von Menschen, welche das Wirtschaftsleben erneuern möchten. Sie sind der Ansicht, dass die weltweiten Ungleichgewichte zum großen Teil darauf beruhen, dass sich unser wirtschaftliches Handeln nicht nach den tatsächlich bestehenden Zusammenhängen richtet.
Was damit gemeint ist, kann anhand eines Beispiels aus einem anderen Lebensbereich rasch deutlich werden: Füttern wir Pflanzen fressende Tiere mit Fleisch, entwickeln sich bei diesen mit der Zeit Krankheiten. Diese Krankheiten entstehen also, weil wir nicht gemäß dem bestehenden Zusammenhang handeln. Geradeso wie in der Natur, gibt es aber auch im Sozialen, im Wirtschaftsleben, Gesetzmäßigkeiten und Lebenszusammenhänge. Daher wird ein diesen zuwiderlaufendes Handeln früher oder später an irgendeiner Stelle zu Schädigungen führen.
Zum Beispiel besteht ein solcher Schaden heute darin, dass Unmengen von Kapital an Grund und Boden gebunden werden. Die krankhaften Auswirkungen davon sind vielschichtig und weitgehend bekannt. Am deutlichsten kommen sie bei den überdurchschnittlich steigenden Wohnkosten der vergangenen Jahre zum Bewusstsein, in deren Folge den Menschen zu wenig finanzielle Mittel bleiben, um zum Beispiel für umwelt- und sozialverträglich produzierte Nahrungsmittel genügend Geld ausgeben zu können. Aber auch dem von Staat und Wirtschaft unabhängigen, freien Kultur- und Geistesleben fehlen dadurch die für dessen Entfaltung notwendigen Mittel.
Es stellt sich nun die Frage, warum eine solche Entwicklung überhaupt möglich ist? Und inwiefern man in diesem Fall auch davon sprechen kann, dass nicht gemäss den Zusammenhängen gehandelt wird?
Sucht man Antworten auf diese Fragen, wird deutlich, dass die Ursache darin liegt, dass wir heute Grund und Boden wie eine Ware behandeln, die beliebig oft gekauft und verkauft werden kann. Eine Ware kann jedoch immer wieder neu hergestellt und vervielfältigt werden, Grund und Boden aber ist nicht vermehrbar. Wir gehen also heute mit Grund und Boden anders um, als es seiner Eigenschaft und dem Zusammenhang, in welchem er steht, entspricht.
In Wirklichkeit ist Grund und Boden ein nicht produzierbares Allgemeingut wie Luft, Sonnenlicht und Wasser und kann als solches kein verkauf- und vererbbares Privateigentum sein.
Bei einer wirklichkeitsgemäßen Handhabung müsste die Allgemeinheit, beziehungsweise deren Vertreter, dem Einzelnen ein Grundstück zur Nutzung auf Zeit übergeben und dieser Nutzer der Allgemeinheit dafür einen Nutzungsausgleich zukommen lassen.
Solche Nutzer sind nun Mila und ihre Familie. Die Menschen, die das eingangs erwähnte Projekt ins Leben gerufen haben, gründeten die Allgemeine Bodentreuhand Gesellschaft und eine Stiftung, mit welcher sie einen solchen Umgang mit Grund und Boden umzusetzen versuchen.
Grund und Boden im Dienste der Gemeinnützigkeit
Mittels der steuerbefreiten Stiftung werden Grundstücke übernommen und von ihrem heutigen Kapitalwert befreit. Dies geschieht entweder dadurch, dass die Verkäufer der Liegenschaften nur den Zustandswert der auf den Grundstücken stehenden Gebäude verrechnen oder indem Drittpersonen Schenkungsgeld zur Verfügung stellen, um die nicht geschenkten Grundstücke zu entschulden.
Sodann wird der entsprechende Kapitalwert abgeschrieben und an dessen Stelle mit dem jeweiligen Nutzer eine jährliche Nutzungsgebühr, Erbbaurechts- oder Anteil Mietzins, vereinbart. Damit wird die Wertbestimmung des Bodens in Franken pro Quadratmeter aufgehoben und durch einen Nutzwert in Franken pro Jahr für eine bestimmte Fläche ersetzt. Während der heutige Kapitalwert „eingefroren“ am Boden haften bleibt, wird dieser Nutzwert nachhaltig für immer zur Förderung des freien Kultur- und Geisteslebens, also für nichtstaatliche Schulen, unabhängige Forschung, Weiterbildungsangebote, Kunst- und Kulturförderung, etc., verwendet. Grund und Boden werden so durch die Stiftung dauerhaft der Spekulation entzogen und in einen gemeinnützigen Dienst gestellt.
Gemeinschaftlich-kollegiale Verwaltung von Grund und Boden
Sorgt die Stiftung für die dauerhafte Zwecksicherung im oben beschriebenen Sinn, übernimmt die Bodentreuhand-Gesellschaft die gemeinschaftliche Verwaltung der Grundstücke.
Wer welches Grundstück nutzt, wird heute in der Regel von der Kapitalkraft des Nutzers bestimmt. Diese spielt bei der Bodentreuhand-Gesellschaft keine Rolle. Sämtliche Belange, die den Boden betreffen, werden nach dem Prinzip der kollegialen Selbstverwaltung geregelt. Die Gesellschaft ist im Sinne einer geistig geleiteten Demokratie aufgebaut. Das heißt, dass die Gesamtheit zur Umsetzung aller Belange Delegationen einrichtet, während die Mitglieder der Delegationen von einem die Ziele verantwortenden Rat eingesetzt werden.
Bezüglich der Verwendung der Bodennutzungserträge darf jedes der aktuell 120 Mitglieder der Bodentreuhand-Gesellschaft bestimmen, welche Einrichtung oder Bemühung um das Geistesleben es mit seinem anrechenbaren Anteil fördern möchte. An der letzten Jahresversammlung Ende Oktober 2019 standen hierfür rund 70.000 Franken zur Verfügung.
Die Kinder spielen immer noch draußen. Mila weiß, dass die Kleinen noch nicht verstehen, was an ihrem Garten speziell ist. Dem Verständnis der Kinder nach gehört sowieso das Land allen Menschen, die da sind und es nutzen oder darauf spielen. Ob es aber auf sie, wenn sie größer werden, einen Einfluss hat, wenn sie begreifen, dass die Erwachsenen die sozialen Verhältnisse sinngemäß einzurichten versuchen?
Auf jeden Fall weiß Mila, dass ihr Erbbaurechtszins, den sie alljährlich an die Stiftung entrichtet, als Spendengeld einem gemeinnützigen Zweck zugute kommt. Und das ist ja auch schon allerhand!
Quellen und Anmerkungen:
Weitere Informationen unter: www.confoedera.ch.
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