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Der Schatten der Industriegesellschaft

Der Schatten der Industriegesellschaft

Das Roemisloch im Elsass wird tonnenweise mit Abfällen Basler Firmen zugeschüttet. Dafür gibt es tiefer liegende Ursachen, vor allem das Konsumverhalten der Massen.

Das Roemisloch liegt in einem Wald im Elsass. 250 Meter von der Schweizer Grenze entfernt. Im alltäglichen Naherholungsgebiet vieler Menschen. Im an sich vielfältig wunderbaren Dreiland am Oberrhein. Das Roemisloch wurde im letzten Jahrhundert tonnenweise mit Chemieabfällen von Basler Firmen gefüllt. Weil erwiesenermaßen giftig wurde in der Folge jahrzehntelang der Zutritt zu diesem Wald verboten. Bis zum Jahr 2012, an dem die Firmen Novartis, BASF und Syngenta diese Chemiemülldeponie als total saniert erklärten. Diese Unternehmen haben sich zur Interessensgemeinschaft „Groupement d’Intérêt pour la Sécurité des Décharges de la Région Bâloise (GI DRB)“ zusammengeschlossen, bestehend aus diversen Nachfolgefirmen der für die zahlreichen Deponien im Dreiland am Oberrhein verantwortlichen Unternehmen insbesondere der Basler Chemie. Die GI DRB hat seit 2012 immer wieder betont, dass beim Roemisloch alles in bester Ordnung sei.

Vom Wald mit dem Roemisloch fließt ein ganz kleines Bächlein in den Neuwiller Bach, der seine Quelle im ebenfalls nahen Eichwald hat und nach der Grenze Frankreich-Schweiz zum Allschwiler Mühle- und Dorfbach wird. Jetzt liegen von dort neue Resultate der Analysen des Umweltlabors des Amts für Umwelt und Energie von Basel-Stadt vor. Diese bestätigen, dass die Sanierung der Deponie Roemisloch nicht ausreichend gewesen sein kann. Insgesamt seien pro Liter Wasser über 120 Substanzen in einer Gesamtkonzentration von 271 Mikrogramm nachgewiesen worden. Dabei würde die Benzidinkonzentration sowohl über dem französischen Limit als auch über dem Schweizer Grenzwert von tiefen 1,5 Nanogramm pro Liter Wasser liegen. Ist die Konzentration höher, muss eine Deponie saniert werden. Davon will die GI DRB aber nichts wissen. Und damit das so bleiben kann, lässt sie ihre Interessen von allzeit präsenten, hochkarätigen Kommunikations- beziehungsweise Propagandafirmen vertreten: Diese sollen den Medien sowie der Bevölkerung und ihrer Politik ko-kreativ Sand in die Augen streuen.

Selber habe ich mich seit vielen Jahren aufwändig und intensiv mit dem Lindan-Gift auseinandergesetzt, das im angrenzenden Elsass tonnenweise als Abfall herumlag und immer noch herumliegt. Lindan wurde vorwiegend in Holzschutzmitteln und als Insektizid verwendet. Lindan ist ein Nervengift und führt über Funktionsstörungen des Nervensystems zum Tod von Insekten. Beim Menschen können sich beispielsweise folgende Symptome zeigen: Muskelschmerzen, Einfluss auf das Knochenmark bis zur Schädigung, Einfluss auf die Blutbildung. In der Schweiz und in der EU sind seit vielen Jahren keine Pflanzenschutzmittel mehr mit diesem Wirkstoff zugelassen.

Der Gemeinderat meiner Wohngemeinde Allschwil hat mein lokales Engagement in Sachen Lindan sehr begrüßt. Der Kanton Baselland und die Schweiz sahen jedoch keinen Handlungsbedarf. Das Lindan bei Basel — in Rheinnähe, unterhalb der Weltfirma Sandoz, Richtung des französischen Huningue, wohin jetzt, vorbei an meinem Bade- und Schwimmplatz, ein attraktiver Fahrradweg führt — wurde abgetragen. Kostenfaktor: ein zweistelliger Millionenbetrag.

Nebenbei bemerkt

Mit Schweizer Bundesämtern habe ich in den letzten Jahrzehnten im Zusammenhang mit der Zerstörung unseres Lebens- und Luftraumes immer wieder extrem aufwändig, einsam und intensiv die Erfahrung gemacht, dass sie alles tun und lassen, damit sich nichts ändern kann oder gar muss.

Das ist in einer Demokratie möglich, weil und wenn die Dummen, Gemeinen, Gleichgültigen und Schlauen zusammen eine Mehrheit bilden, die weiter in einem Überfluss leben will, den sie kolonialistisch schön färberisch als Wohlstand bezeichnet und nur das wissen will, was ihnen vorgegaukelt wird.

Schön färberisch genannt deshalb, weil diese Schlaraffenländer nicht wissen wollen, dass ihr Überfluss auf Kosten anderer Menschen auf unserer Erde und unserer aller Umwelt geht.

Im elsässischen Sundgau liegen noch Megatonnen Lindan herum: So wurden damit beispielsweise in Hagenthal, einer Nachbargemeinde unseres Schweizer Wohnorts Allschwil, sogar Feld- und Waldwege „sogenannt“ befestigt und der wunderbare Lörzbach, ein an sich wildromantisches Grenzgewässer in einem Waldtälchen, damit verseucht.

Weltweit sollen es zwischen vier und sieben Millionen Tonnen sein, die bei der Produktion dieses sogenannten Pflanzenschutzmittels als Abfall angefallen sind. Lindan soll heute nicht mehr produziert werden. Es bestehen davon jedoch noch große Lager, die im Sinne von Abfall und Altlasten umweltgerecht saniert und entsorgt werden müss(t)en.

In unserer Region im Dreiland am Oberrhein läge die Verantwortlichkeit dafür bei der Chemiefirma Ugine Kuhlmann, die es aber schon lange nicht mehr gibt. Gemäß Internet-Recherche war die Nachfolgefirma eine Pechiney S.A. in Paris, welche dann 2003 vom kanadischen Konzern Alcan übernommen wurde.

Was das Wahrnehmen von Verantwortung betrifft, so scheinen wir in einer Welt zu leben, die sich immer noch schneller im Kreis dreht, wie auf einem Karussell im Stillstand: mit immer noch mehr Aufwand, aber unter anderem in vielen Rechtsbereichen mit immer weniger Wirkung, ob erwünscht oder notwendig. Und weil Wirkungslosigkeit allzu oft ein Charakteristikum der traditionellen Politik ist, mache ich da nach Tausenden von Stunden meiner Lebenszeit, die ich mich nach bestem Fach-Wissen und -Gewissen für menschen- und naturgerecht günstige Wirkungen eingesetzt habe, seit Anfang Juli 2024 bei der parlamentarischen Parteiendemokratie definitiv nicht mehr mit.

Abfall allüberall

Weltweit gibt es sicher weitere Roemislöcher sowie Tausende solche Lindan- und gigantisch viele andere Abfall-Deponien. Und Gift nicht nur im Wasser. Sondern auch in den Köpfen. Und dazu Gefühle mit ihren dunkeln, aber auch mit ihren hellen Seiten:

Wut: mit Zerstörung oder Klarheit.
Trauer: mit Resignation oder Annahme.
Angst: mit Lähmung oder Kreativität.
Scham: mit Zerfleischung oder Selbstreflexion.
Freude: mit Illusion oder Wertschätzung.

„Gefühle haben einen schlechten Ruf, da sie mit Emotionen verwechselt werden. Indem wir emotional aufräumen, können wir die Kraft jedes Gefühls neu entdecken“ (Vivian Dittmar, „Gefühle als Kraft“, 1).

Wer sich von seinen Gefühlen auf die dunkle Seite stoßen lässt, wird modisch-verblödet-volkstümlich als ‚getriggert’ bezeichnet. Mich freut es, wenn es mir gelingt, Gefühle alltäglich und immer wieder mit ihrer hellen Kraft in mein Dasein zu integrieren.

Anstatt Gefühle mit ihrer aufbauend hellen Kraft zur Wirkung zu bringen, lassen es leider allzu viele Menschen zu, dass Kriege dunkle Traumata generieren ... und dunkle Traumata generieren wiederum Kriege: So brutal und einfach geht das in einer Welt, die von (Geld-)Gier, Herrsch- und Vergnügungssucht sowie von Zerstörungswut geprägt ist: hoffentlich nicht immer noch mehr bis zum finalen Geht-nicht-mehr.

Das Denk- und Handlungsmodell des „Immer-noch-mehr“ macht konkret und in praktisch allen Lebensbereichen einen enormen Druck. Viele Menschen und unsere Umwelt können diesen Druck kaum oder gar nicht mehr aushalten. Menschen werden krank und die Natur wird zerstört.

Die abfällig dunkle Seite einer solchen Welt beschreibt der Ecuadorianer Yaku Perez Guartambel in seinem neuen Buch „Emergencia Climática y Ecología de la Esperanza“ (Klimanotstand und ökologische Hoffnung) (2) in seinen „abschließenden Überlegungen“ (übersetzt von KI):

„In einer noch nie dagewesenen zivilisatorischen Krise, die uns an den Rand des planetarischen Zusammenbruchs gebracht hat und sich im Klimanotstand ausdrückt, erscheint ein Licht, das ein wirksames und friedliches Instrument zur Bewältigung der ökologischen Krise sein kann: die Anerkennung der Pacha Mama (Mutter Natur) als Rechtssubjekt. Dies ist ein radikaler Wechsel des rechtlichen Paradigmas im Sinne der Prävention und des ökologischen Schutzes.

Pacha Mama (Mutter Natur) hat einen intrinsischen Wert, der nicht von ihrem Nutzen für den Menschen abhängt; es ist ein Wechsel vom Anthropozentrismus zum Biozentrismus in ökosozialen Angelegenheiten. Es ist eine Abkehr vom jüdisch-christlichen, griechisch-römischen und westlichen Raubtierkonzept hin zu einem ökosozialen Konzept, das das Leben in den Mittelpunkt stellt.

Seine Wurzeln liegen in der Philosophie und Ethik, die in der Tiefenökologie noch immer präsent sind: in der Rechtsprechung der Erde, im Gesetz der ‚Wilden‘, in den Kosmovisionen der Jahrtausende alten Völker und in den Kosmovivencias der Gemeinschaften, die mit Respekt und Liebe gegenüber der Erde handeln, unserem gemeinsamen Haus, in dem wir alle Brüder sind, empfindsam für das Leben, vom Mikroorganismus bis zum Homo sapiens. Letztendlich sind wir eine feine Faser im Schuss und in der Kette des Gewebes des großen magischen Webstuhls des Lebens, fließend und schwimmend im lebensspendenden Wasser, im Bewusstsein, dass wir, wenn wir uns um das Wasser von heute kümmern, für den Frieden von morgen sorgen.

Der extraktivistische Kapitalismus trägt das Mandat des Westens: Er erobert und beherrscht die Natur und ihre Kinder, sein Ziel ist gegen die Natur gerichtet (…) die zivilisatorische Krise ist eine Warnung, wir sind Zeugen einer Klimakrise. Wenn wir das mentale Paradigma dieser ‚Entwicklung‘ nicht ändern, sind wir verloren.

Wir sind besorgt über die erstaunliche Gleichgültigkeit der Brüder, die die Herzen erschüttert. Komplizenschaft ist auch ein Verbrechen, aber wenn man ihre Auswirkungen kennt, dann ist es ein doppeltes Verbrechen. Evita Perón sagte: ‘Traurig ist der arme Mann, der, wenn er Mist riecht, denkt, dass ihm die Kühe gehören.‘ Manchmal ist Schweigen schlimmer als lügen.

Wenn Sie sich an diesem Punkt der Geschichte als fortschrittlich, demokratisch, sozialistisch, revolutionär oder humanistisch bezeichnen, ist es unerlässlich, Pacha Mama, die selbstlose Mutter der Gemeinschaften, nicht weiter anzugreifen. Wenn Sie Ihr Leben wirklich lieben und Pacha von Ihren Kindern Liebe schenken, denken Sie an das Gesetz von Ayni: Sie erhalten nur das, was Sie geben (...)

Wir sind uns bewusst, dass der Kampf nicht nur einen Tag oder ein Jahr dauert, sondern Jahrzehnte, und er wird über die Zeit hinausgehen: Der Kampf ist generationenübergreifend. Es geht nicht um Schnelligkeit, es geht um Widerstand: bis wann? Bis zum letzten Herzschlag und dem ersten Herzschlag unserer Söhne und Töchter. Es lebe das Leben!“

Die Natur ist stärker

Wie beispielsweise beim Fußball geht es auch bei der real existierenden Parteienpolitik medienwirksam geil und populär breitenwirksam darum, über andere zu siegen. Dieses nach wie vor bei der Bevölkerung beliebte Prinzip entspricht herrschsüchtig kranken Mächtigen und auch dem Krieg. Und unter anderem taugt es ganz und gar nicht für den Umgang mit der Mutter Natur.

Doch die Natur zeigt sich stärker. Aber nicht wie Menschen, die sich erstens dumm, oder zweitens gemein, oder drittens gleichgültig, oder viertens eigennützig schlau anstellen: und — wenn sie zusammen eine mächtige Mehrheit bilden — alle und alles in den Tod führen können.

Viele Menschen in meinem Umfeld scheinen zu einer Welt zu gehören, die einer „Zuvielisation“ entspricht, die autoritär-bürokratisch-hierarchisch-totalitär und industriell-mechanistisch-militärisch-technokratisch begründet ist. Und dies allmächtig sowie normal und selbstverständlich.

Gegebenenfalls im Sinne einer Auto- oder Plutokratie. Aber leider in der Regel auch im Zuge einer Demokratie, wo das Falsche richtig sein kann, weil die Mehrheit immer recht hat.

Aktuell kann die Menschheit eigentlich so viel wissen wie noch nie zuvor. Doch das hilft ihr nur wenig. Zwar kann Wissen in vielerlei Hinsicht sehr nützlich und wertvoll sein. Aber angesichts der vielen miteinander verzahnten, ökologischen, gesundheitlichen, gesellschaftlichen, geopolitischen oder ökonomischen Krisen ist Weisheit besser. Vor allem dann, wenn eine Mehrheit nicht gemäß dem an sich wertvoll verfügbaren Wissen handelt und es sozusagen als Abfall behandelt (3).

In einem solchen Sinne umsichtig und weise verstehe ich die Antrittsrede des Bolivianischen Vizepräsidenten David Choquehuanca vom 8. November 2020 (4).

Das Lied von der Kraft der Erde

Mit und in den Füßen den Boden spüren.
Die Kraft der Erde durch den Körper strömen lassen.
Sich im und mit dem Rückgrat aufrichten.
Aufrecht und aufrichtig, wahrhaft und wirklich da sein:
Der Welt, so wie sie ist, gewachsen sein und ihr Stand halten.

Gefühle wahrnehmen, sie zulassen, sich in sie einfühlen:
Und sie kreativ in das Leben integrieren.
Abstand halten oder nehmen zu allem, was nicht gut tut.
Was krank machen kann, aus dem Kopf raus lassen:
Ihn für das Licht des Himmels frei und offen halten.

Möge es Dir, mir und uns allen gelingen,
von Herzen aus Liebe und mit Freude
im Frieden mit sich selber und mit der Welt zu leben.


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Quellen und Anmerkungen:

(1) Vivian Dittmar (2024), Gefühle als Kraft (https://campus.lebensweise.net/o/gefuehle-als-kraft-2/)
(2) Yaku Perez Guartambel (2024), Emergencia Climática y Ecología de la Esperanza (https://yakuperez.com/wp-content/uploads/2024/04/Emergencia-Climatica-y-Ecologia-de-la-Esperanza-.pdf)
(3) Ueli Keller (2024), Weise werden (https://zeitpunkt.ch/weise-werden)
(4) David Choquehuanca (2020), Antrittsrede als Bolivianischer Vizepräsident (https://www.youtube.com/watch?v=vljHjAc5O_s)

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