Vom 22. bis 24. März 2019 findet in der serbischen Hauptstadt Belgrad eine Internationale Konferenz zum Thema „Weltfrieden und globale Entwicklung versus Kriege und Machtdominanz“ statt. Es ist eine Gedenkveranstaltung „gegen das Vergessen der NATO-Aggression 1999“.
Veranstalter sind das „Belgrader Forum für eine Welt von Gleichberechtigten“, der „Serbische Club der Generäle und Admiräle“ und die „Serbische Gastgesellschaft“ in Kooperation mit dem „Weltfriedensrat“, World Peace Council, WPC. Zwei Jahre nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der US-geführten NATO-Länder — einschließlich Deutschlands — lernte ich die freiheitsliebenden, mutigen und lebensfrohen Serben mit ihren berührenden Volksweisen und ihrem wunderschönen Land kennen — und schloss sie bald ins Herz. Obwohl deutsches Militär das serbische Volk im vergangenen Jahrhundert dreimal angegriffen hat — 1999 versuchte man Serbien ins Mittelalter zurück zu bomben! —, werden Deutsche in Serbien wie Freunde willkommen geheißen. Von dem Kongress wird deshalb eine Völker verbindende Friedens-Botschaft ausgehen.
Ein Krieg, der nicht zu Ende geht
Die Bombardierung Serbiens 1999 dauerte 78 Tage. 1.031 Soldaten wurden getötet, 5.173 Soldaten und Polizisten verwundet, 2.500 Zivilisten umgebracht — darunter 78 Kinder — und über 6000 Zivilisten verwundet. Als besonders verheerend für Mensch, Tier und Umwelt erwies sich der Einsatz hochgiftiger und 10 bis 15 Tonnen radioaktiver Urangeschosse der US-geführten NATO (1). Für die unabhängige amerikanische Geowissenschaftlerin und internationale Expertin für Strahlung und Öffentliche Gesundheit, Leuren Moret, war dieser Angriffskrieg unter dem zynischen Codenamen „Barmherziger Engel“ die Blaupause für die nachfolgenden Angriffskriege in den 1990er Jahren. Deutschland als NATO-Partner war nach Moret einer der größten Nutznießer der Zerschlagung Jugoslawiens und der Kolonialisierung des Balkans. Die deutsche Bevölkerung ließ sich damals von den dreisten Lügen der eigenen rot-grünen Regierung und ihren Medien täuschen und stimmte mehrheitlich diesem völkerrechtswidrigen Krieg zu (2).
In einem Fachartikel „Uranmunition: Trojaner des Atomkriegs“ schreibt Morat über bestürzend ähnliche Parallelen zwischen den Kriegen im Irak, in Jugoslawien und Afghanistan:
„In allen Städten wurden die Fernseh- und Radiosender sowie die Ausbildungsstätten bombardiert. (…) Kulturelle Antiquitäten und historische Kostbarkeiten wurden in allen drei Ländern als Ziele erfasst und zerstört, eine Art kulturelle und historische Reinigung, ein kollektives und nationales psychisches Trauma. Die permanente radioaktive Kontamination und Umweltverwüstung aller drei Länder ist noch nie da gewesen und beispiellos, gefolgt von einer hohen Zunahme an Krebs und Geburtsdefekten auf diese Angriffe. Diese werden auf Dauer zunehmen mit unbekannten Auswirkungen aufgrund chronischer Belastung und steigender innerer Bestrahlungs-Belastungen durch Uranstaub. Die genetischen Auswirkungen werden übertragen auf künftige Generationen. Ganz klar, das war von Anfang an ein Plan zur Volksvernichtung, zum Genozid.“ (3)
In Serbien haben multiple Krebserkrankungen inzwischen ein epidemisches Ausmaß erreicht. Nach Angaben des serbischen Gesundheitsministeriums erkranken jährlich etwa 33.000 Menschen. Das gesamte Land ist verseucht. Durch die Schädigung des Erbguts, der DNA, werden Generation um Generation missgebildete Kinder zur Welt kommen. Es gibt keine Familie ohne bösartige Erkrankungen.
Laut neueren Statistiken erkranken in Serbien etwa doppelt so viele Kinder wie im restlichen Europa, das heißt 355 Kleinkinder pro eine Million Einwohner, während es im übrigen Europa 165 pro eine Million Einwohner sind. Vor 1999 waren es 160 Kinder. Bei Kindern zwischen dem fünften und neunten Lebensjahr nimmt vor allem die Leukämie zu. Laut dem Onkologen Professor Slobodan Cikaric ist der Anteil der Leukämie-Kranken um 110 Prozent höher als vor der Bombardierung (4).
Die schwerwiegenden radioaktiven Verstrahlungen von Menschen und anderen Lebewesen und die Verseuchung der Umwelt sind nicht rückgängig zu machen. Aber dringend angesagt wäre eine Entschuldigung beim serbischen Volk für die begangenen Verbrechen sowie eine materielle und immaterielle Wiedergutmachung: Dazu gehören die Offenlegung der Einsatzorte und der Zusammensetzung der verwendeten Waffen, die Reinigung des Erdreichs und der Gewässer, die finanzielle Entschädigung aller Opfer sowie die medizinische Betreuung der Familien. Für die serbischen Spitäler sind zusätzliche Fachärzte, Pflegepersonal und medizinische Geräte sowie Medikamente bereitzustellen. Die zerstörte Infrastruktur sowie die vernichteten Industriearbeitsplätze sind wiederherzustellen.
Doch alle am Kriegsverbrechen und Genozid beteiligten NATO-Länder lehnen eine Wiedergutmachung generell ab — man spekuliert viel eher auf eine Verjährung der Schuld. Am 18. Oktober 2018 äußerte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor Studenten der Belgrader Universität öffentlich, die NATO-Bombardierung Jugoslawiens 1999 wäre „zum Schutz der Bevölkerung und zur Verhinderung der weiteren Handlungen des Regimes von Milosevic“ geschehen. Das serbische Volk wird von einem führenden NATO-Vertreter auch noch beleidigt und die Opfer werden verhöhnt (5). Zeichen der Solidarität der Internationalen Gemeinschaft sind nicht in Sicht.
Eine ganze Generation verlässt den Balkan Richtung Westen
Eine weitere schwerwiegende Folge des NATO-Krieges 1999 ist die Emigration der jungen Generation Richtung Westen, weil sie in ihrer Heimat keine Arbeit findet. „Brain Drain“ nennt man diese seit Jahrzehnten andauernde Abwanderung von Wissenschaftlern und hochqualifizierten Facharbeitern ins Ausland. Ärzte wie Pflegepersonal verlassen die Heimat in der Regel erst nach Abschluss ihrer extrem teuren Ausbildung, die die Steuerzahler finanziert haben. Da die reichen Zielländer dafür keine Entschädigung bezahlen, bleiben die Heimatländer auf den Milliarden schweren Ausbildungskosten sitzen. In Deutschland muss der Steuerzahler für das Studium eines approbierten Arztes etwas 200.000 Euro aufbringen. Rechnet man die mit der Lehre eng verbundenen Forschungskosten anteilig dem Medizinstudium hinzu, verdoppeln sich die Ausbildungskosten nahezu. Wenn sich eine 30-jährige Ärztin dann ins Ausland verabschiedet, kostet es den Steuerzahler mehr als eine Million Euro, so die Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts (6).
Die Volkswirtschaft und die Menschen Serbiens leiden schwer darunter. Seit Jahren fehlen Fachkräfte, die Gesundheitssysteme kollabieren, die Mortalität nimmt zu, die Geburtenraten gehen zurück, die Löhne bleiben niedrig, die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor hoch und ein Ende der Abwanderung ist nicht in Sicht. Reiche EU-Staaten wie Deutschland beeinflussen diesen Exodus seit Jahren massiv zu ihren Gunsten, ohne das Herkunftsland dafür zu entschädigen. Dessen Not wird dadurch verstärkt, die Abhängigkeit vergrößert. Das Land wird ausgebeutet — und das ist reiner Neokolonialismus. Die Tageszeitung „Welt“ titelte am 5. Februar 2019 „Serbien blutet aus — und Deutschland profitiert“ (7).
Nachtgedanken und Ausblick
Heinrich Heine schrieb bereits 1844 in seinem Gedicht „Nachtgedanken“ den berühmten Eingangs-Vers:
„Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.“ (8)
In Belgrad wird die letzte Strophe des Heine-Gedichts für mich dann — etwas abgewandelt — lauten:
„Gottlob! Durch meine Fenster bricht
Serbisch heitres Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.“
Quellen & Anmerkungen:
(1) Siehe NRhZ Nr. 613 vom 4.10.2017
(2) Siehe NRhZ Nr. 633 vom 18.10.2017
(3) A.a.O.
(4) Siehe Interview des Autors in serbischer Tageszeitung „Novosti“ vom 24.02.2019 (5) Siehe NRhZ Nr. 677 vom 10.10.2018
(6) siehe NRhZ Nr. 625 vom 23.08.2017
(7) https://www.welt.de/politik/ausland/plus188067287/Abwanderung-Serbien-blutet-aus-und-Deutschland-profitiert.html
(8) https://www.deutschelyrik.de/index.php/nachtgedanken.411.html
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