von Alexander Männer
Es sind bereits mehr als drei Wochen vergangen, nachdem Russland angekündigt hatte, die eigene Nationalwährung bei dem Erdgasverkauf an ''unfreundliche Staaten'' zu verwenden. Als solche Staaten, die die russischen Gaslieferungen ab dem April 2022 in Rubel bezahlen sollen, klassifiziert Moskau unter anderem die USA, Großbritannien, Japan und die Mitglieder der Europäischen Union.
Zur Erinnerung: Gemäß den Forderungen des Kremls sollen die westlichen Energieunternehmen ihre Finanzmittel, die auf US-Dollar- bzw. Euro lauten, an der russischen Börse verkaufen und im Gegenzug Rubel kaufen sowie zwei Konten bei der Gazprombank eröffnen, eines in Fremdwährung und eines in Rubel. Diese Bank wurde wegen ihrer Bedeutung für die Gaslieferungen zuvor von den EU-Sanktionen ausgenommen. Die Käufer zahlen in ausländischer Währung und ermächtigen die Bank, diese Währung gegen Rubel zu verkaufen, die dann auf das zweite Konto überwiesen werden, auf dem das Gas offiziell gekauft wird.
Demnach müssen die Gaskunden ihre Zahlungen nun direkt an die russische Bank leisten. Damit entgehen diese Zahlungen dem Weg über die US-kontrollierte Transferbanken, die bislang für die Transaktionen zuständig waren und die Gebühren auf die Zahlung einbehalten hatten.
Der aktuelle Stand der Dinge
Die Zahlungen für das im April gelieferte Gas sollen aber erst im Mai beziehungsweise in der zweiten Aprilhälfte erfolgen, so dass die europäischen Unternehmen noch Zeit haben, sich auf die neuen Zahlungsregeln vorzubereiten. Danach wird erst die Frage geklärt, wie es um den Gasrubel steht.
Die G7-Staaten etwa hatten nach der ersten Ankündigung der russischen Seite in diesem Zusammenhang die Forderung des Kremls erwartungsgemäß abgelehnt und hatten zugleich darauf verwiesen, dass die Lieferverträge auf dem Euro bzw. Dollar basieren.
Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck erklärte laut dem Handelsblatt am 28. März:
„Der Versuch Putins, einen Keil zwischen uns zu treiben, ist offensichtlich, aber Sie können sehen, dass wir uns nicht spalten lassen, und die Antwort der G7 ist klar: Die Verträge werden eingehalten.“
Allerdings werden solche Aussagen von Spitzenpolitikern getätigt, nicht von Unternehmen, die letztendlich die europäischen Bürger mit Gas versorgen, oder auf russisches Gas angewiesen sind.
Einige deutsche Unternehmen, die zu Fragen der Politik generell schweigen, haben unlängst deutlich gemacht, dass ein Gaslieferstop schwerwiegende Folgen für die heimische Wirtschaft haben wird. Der BASF-Chef Martin Brudermüller beispielsweise sagte, dass die deutsche Wirtschaft ohne russisches Gas mit „der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“ konfrontiert sein würde.
Meinungsunterschiede innerhalb der EU
Aber auch auf der EU-Ebene gibt es gravierende Meinungsunterschiede und Abweichler unter den Spitzenpolitikern. So haben bereits drei EU-Staaten signalisiert, dass sie die russische Bezahloption durchaus in Betracht ziehen.
Als erstes EU-Land kündigte Ungarn an, eine entsprechende Veränderung bei der Abwicklung der Gasgeschäfte mit Russland vorzunehmen. Dem Tagesspiegel zufolge teilte Premierminister Viktor Orban mit, dass sein Land bereit sei, für russisches Gas in Rubel zu bezahlen, wie von Moskau verlangt. Man wolle auch die von der EU-Kommission geplante Verschärfung der Sanktionen gegen Russland nicht mittragen, so Orban, weshalb die Ausweitung der Einfuhrbeschränkungen für Öl und Gas für ihn eine rote Linie sei.
Dem folgte die Slowakei, die laut dem Vizepremier und Wirtschaftsminister des Landes, Richard Sulik, ebenfalls den Rubel für die Bezahlung der russischen Gaslieferungen verwenden könnte. Das Land beziehe in Russland etwa 85 Prozent seines benötigten Gases, so dass ein Stopp der Lieferungen für die Slowaken nicht in Frage komme. Dem Minister zufolge, der in dieser Angelegenheit auch für eine gemeinsame EU-Lösung eintritt, sollte im Notfall in Rubel bezahlt werden, anstatt die eigene Wirtschaft zu schädigen.
Dann wäre da noch Lettland, dessen Energiekonzern Latvijas Gāze Anfang April verlauten ließ, dass die besagte Bezahloption nicht gegen die Sanktionen verstoßen soll. Nach Angaben des Portals wallstreet-online.de müsste diese Möglichkeit zuerst aber noch von lettischen Experten im Hinblick auf die Interessen des Unternehmens untersucht werden, heißt es.
Russlands Strategie
Die russische Führung versucht durch die Gasrubel-Strategie in erster Linie die Wirtschaftsbeschränkungen des Westens zu umgehen, wegen denen unter anderem die Devisenreserven der russischen Zentralbank in Höhe von mehr als 300 Milliarden US-Dollar eingefroren und mehrere russische Banken vom SWIFT-System ausgeschlossen wurden.
Russland ist finanziell in hohem Maße von Energieexporten abhängig und hat aufgrund der Sanktionen nun ein großes Problem. Denn die russischen Exporteure können derzeit nicht über ihre US-Dollar- beziehungsweise Euro-Verkaufserlöse verfügen, die auf ihren Konten bei westlichen Korrespondenzbanken gutgeschrieben sind.
Die vom Kreml angeordnete Regelung soll daher den russischen Handel angesichts der eingefrorenen Devisenreserven im Ausland schützen.
Zudem geht es auch um den Rückzug vieler Unternehmen aus den Handelsgeschäften mit Russland, was zu einem dramatischen Rückgang des Angebots von Waren und Dienstleistungen für russischen Unternehmen geführt hat. Und da die russischen Devisenreserven in Dollar und Euro eingefroren sind, ist die Nachfrage nach diesen Währungen als Zahlungs- und Investitionsmittel bei den Russen logischerweise stark zurückgegangen.
Die Folgen eines Gaslieferstops
In Anbetracht dessen hat Putin betont, dass der neue Zahlungsmechanismus künftig für alle EU-Staaten gelte, andernfalls werde man kein „kostenloses Gas“ liefern. Insofern steht die Europäische Union ihrerseits ebenfalls vor einem enormen Problem, weil rund 45 Prozent ihrer Erdgasimporte aus Russland stammen und ein möglicher Lieferstopp deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für viele EU-Länder haben wird.
Denn russisches Pipeline-Gas kann, im Vergleich zu Erdöl und Kohle, nicht aus anderen Quellen ersetzt werden. Auch nicht durch das Flüssigerdgas, von dem große Mengen, die benötigt werden und theoretisch auf dem Markt gekauft werden können, physisch einfach fehlen.
Bei einem Gaslieferstop würden in der Bundesrepublik nicht nur private Gaskunden, sondern vor allem diverse Bereiche der Industrie laut Experten einen harten Rückschlag erleiden. Insbesondere könnte es die Chemieindustrie und Metallurgie treffen, deren Branchen aufgrund der hohen Gaspreise jetzt schon einen Rückgang verzeichnen.
Zudem würde ein Ende der Gaslieferungen die bereits in den vergangenen Monaten stark gestiegenen Energiepreise weiter in die Höhe treiben, was die europäischen Länder in der gegenwärtigen Lage noch anfälliger macht.
Darüber hinaus müssen die europäischen Erdgasspeicher bis zum Start der bevorstehenden Heizperiode im Herbst gefüllt werden. Dabei hatten die Speicher in der EU im vergangenen März noch historisch niedrige Füllmengen aufgewiesen. Inzwischen unternimmt die EU-Kommission offenbar diverse Schritte, um bis zum nächsten Winter durch konkrete Vorgaben für volle Gasspeicher zu sorgen.
Redaktionelle Anmerkung: Dieser Beitrag erschien zuerst unter dem Titel „Kampf um den ‚Gasrubel‘: aktueller Stand der Dinge“ bei EuroBRICS.
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