von Dominic Lachfelder
Seit Corona scheinen es noch mehr Menschen richtig und gut zu finden, dass „die da oben“ eben bestimmen, nach welchen Regeln wir leben. Obwohl mittlerweile wirklich alle wissen, wie inkompetent und teilweise kriminell viele „da oben“ sind. Jede Woche zurückgehaltene Erkenntnisse, verdächtige Spenden und krumme Deals, während nachhaltige Fortschritte etwa beim Klima und der Friedenspolitik schon lange nur noch Lippenbekenntnisse sind. Solche Zustände, die schon vor Corona existierten, können selbst jene nicht wollen, die mit der Corona-Politik an sich zufrieden sind.
Dabei gäbe es über „denen da oben“ eine Gruppe von Menschen, die in einer Republik die Rahmenbedingungen bestimmt: UNS. Und es läge folgerichtig an uns, den Fehlentwicklungen Einhalt zu gebieten und den Staat wieder zu einem Werkzeug zu machen, mit dem wir unsere Lebensumstände verbessern anstatt die Lebensumstände von Jeff Bezos, Bill Gates und Co.
Dass es etwa bei Stuttgart 21, Sarah Wagenknechts „Aufstehen“-Initiative oder selbst den Fridays for Future mehr oder weniger kleine Minderheiten sind, die aufbegehren, liegt auch an dem Vokabular, mit dem nicht nur in der Tagesschau und in der Zeitung, sondern auch am Esstisch und beim Feierabendbier über Politisches gesprochen wird.
Auf der einen Seite wird die Rolle von Personen, die den Staat repräsentieren, mit Begriffen wie „Regierung“ und „Staatslenker“ überhöht. Eine solche Sprache erschafft Bilder von kompetenten Autoritätspersonen, von wohlmeinenden Beschützern, von Akteuren und Protagonisten.
Auf der anderen Seite wird von den „einfachen Menschen“ gesprochen, den „Wählern“, der „Bevölkerung“ oder „Öffentlichkeit“. Diese Begriffe erschaffen und verstärken ein Bild von passiven Zuhörern, vom Publikum, das Geschichte nur wie im Fernseher verfolgt, aber nicht beeinflusst. Selbst das Wort Bürger besagt nicht unbedingt etwas über das Verhältnis eines solchen Menschen zu den Staatsorganen.
Nicht nur die Teilnehmer am Politischen, auch politische Ereignisse werden mit Begriffen belegt, die ihre Bedeutung und potenzielle Tragweite verschleiern: Da wird von Affären, Skandalen und Pannen gesprochen, wenn dasselbe Verhalten unter anderen Umständen als Diebstahl, Hinterziehung oder Täuschung bezeichnet und entsprechend geahndet werden würde.
Zeit, die richtigen Worte zu finden.
Eine Republik gehört den Staatsbürgern
Unsere deutsche Staatsbürgerschaft ist so etwas wie ein Anteilsschein an jedem öffentlichen Stück Land, an jeder Autobahn, jeder Beamtenstube, jeder Polizeiwagenkolonne und jeder Eurofighter-Staffel der Bundesrepublik Deutschland. Noch wertvoller als diese materiellen Güter ist der gemeinsame Rechtsraum: In unserem Auftrag und Namen — und auf unsere Rechnung — werden Gesetze erlassen, Steuern erhoben, Subventionen gewährt und riesige staatliche Aufträge an private Unternehmen vergeben.
Alle Staatsbürger zusammen sind somit die Eigentümer oder Mitbesitzenden der Bundesrepublik, wie bei einer Aktiengesellschaft. Wenn wir das Verwaltungspersonal für den gemeinsamen Besitz gut wählen und ihn proaktiv gegen Inkompetenz und Betrug verteidigen, werden wir und unsere Nachkommen lange von diesem immensen Reichtum und der exzellenten Infrastruktur profitieren.
Wenn wir dagegen weiter so nachlässig mit unserem Besitz umgehen, dann geht es uns wie den Aktionären eines heruntergewirtschafteten Unternehmens: Irgendwann bleiben nur Schulden, abgewetzte Büromöbel und übergelaufene Mülleimer, während die Filetstücke an irgendwelche Heuschrecken verkauft wurden.
Dass wir zusammen Deutschland besitzen, ist dem ein oder anderen Leser in dieser Konsequenz vielleicht neu, ergibt sich aber zwingend aus der Logik: Alles, was besessen werden kann, wird entweder von niemandem oder von definierbaren Personen besessen. Das gilt naturgemäß auch für das gesellschaftliche Gemeinwesen, also die gemeinsame Organisation — der Staat — und den gemeinsamen Besitz — das Staatsvermögen oder Volksvermögen. Zu Letzterem gehören Sachwerte wie eben Autobahnen oder der Goldbestand der Bundesbank sowie Gelder wie etwa die Steuereinnahmen oder der Inhalt der öffentlichen Rentenkasse. Hier lässt sich unterscheiden:
- Absolute Monarchie: Staat und Vermögen gehören einer Person;
- Oligarchie: Staat und Vermögen gehören einigen wenigen;
- Republik: Staat und Vermögen gehören allen Personen innerhalb der Staatsgrenzen.
Die Bundesrepublik Deutschland muss demnach uns allen gehören. Es sei denn, jemand könnte erklären, welcher kleine Kreis von Personen Deutschland stattdessen besitzt — und was zur Hölle die Legitimation dafür wäre!
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die republikanische Ordnung mit dem Staat in Bürgerhand ist nicht gleichzusetzen mit Kommunismus. Kommunismus erlaubt üblicherweise keinen oder kaum privaten Besitz innerhalb des Gemeinwesens. Dagegen ist es in einer Republik total okay, dass es große private Firmen, Grundstücke und Vermögen gibt, solange sich die Besitzer an geltendes Recht halten.
Das Grundgesetz kennt keinen Bestimmer über uns
Der Logik von den Menschen als oberster Instanz folgt auch das deutsche Grundgesetz, das ja leider nie vom Volk direkt verabschiedet wurde, gleich in der Präambel:
„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.”
„(K)raft seiner verfassungsgebenden Gewalt“ — wir Mitglieder des sogenannten Staatsvolks sind die Einzigen, die das Recht haben, mithilfe einer Verfassung die Rahmenbedingungen für die Verwaltung des Gemeinwesens festzulegen. Niemand sonst.
Auch in Artikel 20 heißt es:
„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“
Von wem auch sonst, nicht wahr? Auch wird in Artikel 20 klargemacht, dass sich unsere Gestaltungsmöglichkeiten als Miteigentümer keinesfalls darauf beschränken, alle vier Jahre an einer Wahl teilzunehmen. Andere Entscheidungen in Form von Abstimmungen werden als gleichberechtigte Möglichkeit der Willensausübung genannt:
„(Die Staatsgewalt) wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen (Hervorhebung durch den Autor) und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“
Zu guter Letzt nennt das Grundgesetz in Artikel 20 eine weitere Möglichkeit der Willensausübung:
„Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Wann genau dieser Fall eintrifft, ist etwas umstritten, aber in jedem Fall wird klar, wer letzten Endes für das Fortbestehen Deutschlands als gutes Gemeinwesen verantwortlich ist — nicht Angela Merkel, nicht der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sondern wir.
Merkel und Co. sind nur unsere Hausmeister
Wenn wir also die Eigentümer sind, was sind dann die Regierungsmitglieder, Bundestagsabgeordneten und sonstigen Staatsangestellten, die sich an Atemmasken bereichern und praktisch keinen Finger rühren, während der Klimawandel uns jeden Winter und Sommer ein bisschen weniger erträglich macht? Sie sind ganz einfach unsere Angestellten oder Dienstleister. So wie die Inhaber eines Unternehmens Personen brauchen, die das Gebäude pflegen und das Tagesgeschäft organisieren, brauchen wir Personen, die das Gemeinwesen instandhalten und in unserem Namen das Miteinander regeln.
Dass die Regierung nur der Dienstleister ist und wir die eigentlichen Chefs, ist für manche Menschen vielleicht nicht nachvollziehbar. Das hat aus meiner Sicht zwei Hauptgründe.
Erstens wird selten in diesen Dimensionen gesprochen. Ein Mensch kann das ganze Leben lang Zeitung lesen und Nachrichten schauen, ohne explizit zu hören, dass ihm ein Teil von Deutschland gehört. Aber wen wundert das? Weder Politiker noch — steuerfinanzierte — Sozialwissenschaftler noch Konzernchefs noch werbeabhängige Medien haben ein Interesse daran, dass die Menschen sich für mehr halten als für passives Stimmvieh, Humankapital, Absatzmarkt und Datenlieferanten.
Zweitens ist so eine Doppelrolle nicht immer einfach: Einerseits sind wir Eigentümer, andererseits aber auch Befolger der Regeln, die unsere Dienstleister in unserem Namen erarbeiten. Das ist aber gar nicht so kompliziert, wie es klingt, wenn man sich folgendes Beispiel vor Augen führt: Eigentümer eines Unternehmens stellen beispielsweise „Facility Manager“ an, um das Firmengebäude zu verwalten. Wenn diese Angestellten nun Regeln erarbeiten, wer wann die Kantine benutzen darf, dann halten sich selbstverständlich auch die Eigentümer daran. Das hält sie aber keineswegs davon ab, die Arbeit der Angestellten kritisch zu verfolgen und sie zum Beispiel bei berechtigtem Interesse auch vor Ablauf des Arbeitsvertrags zu feuern oder Schadensersatz einzufordern, wenn Angestellte mutwillig das Unternehmen geschädigt haben.
Wir sind lieber auf der Yacht statt im Büro
Leider verhalten wir uns aber nicht erst seit Corona wie die Sorte von Eigentümern, die am liebsten in der Karibik Urlaub machen und höchstens während des als „Wahlen“ bezeichneten Prozesses ab und an ihre Meinung zu den neuesten Bewerbern abgeben. Wir machen keine Kontrollgänge durch das Gebäude, lassen uns nicht die Finanzbücher zeigen, wir rufen noch nicht einmal an, um uns erklären zu lassen, was zum Henker sich die Verwaltung bei ihrer neuesten minderbemittelten Entscheidung gedacht hat.
Wen wundert es da, dass die Angestellten immer häufiger bei der Arbeit schlafen, sofern sie überhaupt zur Arbeit erscheinen, oder hier und da ein paar Monitore aus dem Büro mitgehen lassen?
Aber es könnte alles anders sein — wir könnten aktive Eigentümer werden, die bei wichtigen Entscheidungen mitreden und ihren Angestellten genauer auf die Finger schauen. Dass das bislang so selten passiert, hat aus meiner Sicht folgende — teils nachvollziehbare — Hauptgründe:
- Bequemlichkeit: „Mir geht‘s doch gut, warum sollte ich mir die Mühe machen?“
- Andere Aufgaben: „Ich muss mit meinem Kind Homeschooling machen, wann soll ich denn bitte noch die Regierung kontrollieren?“
- Scheu vor Verantwortung: „Ich will nicht entscheiden, ob Bundeswehr-Tornados Belgrad bombardieren oder nicht.“
- Fehlendes Selbstvertrauen: „Zum Glück kümmern sich Experten um solche Fragen, die kennen sich besser aus als ich.“
- Misstrauen gegenüber anderen Anteilseignern: „Auf keinen Fall sollten die ganzen Rechtsradikalen/die ganzen Ökos/die ganzen … mitreden dürfen!“
Corona hat uns noch passiver werden lassen
Egal wie man zu Corona steht: Wie jede Krise hat der gesundheitlich begründete Ausnahmezustand die Macht der Menschen gesenkt und die Macht der Regierung und der wenigen Superreichen gesteigert. Da wird per Exekutivverordnung regiert, mit Steuergeld um sich geworfen, das Vermögen der Milliardäre vervielfacht, alles begleitet von immer widerlicheren Diffamierungen jeder kritischen Stimme.
Wer diese Entwicklungen gut findet, muss beantworten können, ob er/sie sein/ihr Eigentum an der Bundesrepublik eigentlich schon abgeschrieben hat. Falls nein, wie gedenken solche Menschen jemals wieder in die Rolle des selbstbewussten Staatsbürgers zu kommen, anstatt immer unsinnigere Verordnungen zu befolgen? Unabhängig davon, ob man bestimmte Regeln aus gesundheitlicher Sicht richtig findet, wird der negative psychologische Effekt real sein, wenn bald für alltägliche Handlungen die richtigen (Impf-)Papiere mitgeführt und auf Verlangen vorgezeigt werden müssen. Überlebende etwa des Nationalsozialismus, der DDR oder Sowjetrusslands könnten uns viel darüber erzählen, welche Nebeneffekte solche Unterwerfungsrituale haben, ganz egal, ob man sie in diesem Fall gesundheitlich notwendig findet oder nicht.
So könnten wir wieder mehr Kontrolle ausüben
Sofern wir noch genügend Lust auf Selbstbestimmung haben, gibt es mehr als genug Wege, wie wir wieder mehr direkte Kontrolle über unseren gemeinsamen Besitz ausüben können.
Maßnahmen im Rahmen der repräsentativen Demokratie:
- Kürzere Vertragslaufzeiten, auch Legislaturperioden genannt — so können nichtsnutzige oder diebische Verwaltungsangestellte schneller wieder abberufen werden, ohne dass eine anstrengende Intervention, zum Beispiel ein „Citizen Arrest“ oder eine Revolution, nötig ist;
- Abgeordnete per Los bestimmen — so wird sichergestellt, dass die Breite der Gesellschaft bei Entscheidungen vertreten ist;
- Pflicht zu Neuwahlen bei zu geringer Wahlbeteiligung — dadurch würden die Konkurrenz zwischen den Parteien und das aktive Umwerben der Menschen forciert;
- Belohnung von Abgeordneten, die vor wichtigen Abstimmungen im Parlament eine Befragung in ihrem Wahlkreis durchführen.
Maßnahmen im Rahmen der Direktdemokratie:
- Volksabstimmungen bei Themen, die besonders hohe Konsequenzen haben: Beteiligung an bewaffneten Konflikten, Verfassungsänderungen, Beitritt zu Bündnissen und internationalen Organisationen, Währung …;
- Erarbeitung einer neuen Verfassung durch ausgeloste Vertreter — so könnten Demokratiedefizite des Grundgesetzes, das leider nie dem Volk direkt zur Abstimmung vorgelegt wurde, und der Wiedervereinigung, die leider nur eine Ausdehnung der westdeutschen Bundesrepublik auf ostdeutsches Gebiet war, endlich behoben werden.
Voraussetzung dafür ist, dass sich alle Deutschen unabhängig von der Herkunft und politischen Überzeugung auf die wichtigen Dinge konzentrieren und dort Kompromisse eingehen, anstatt die Lagerbildung und das gegenseitige Canceln und Sichdistanzieren weiterzutreiben.
Sprache macht Wirklichkeit
Obwohl sich die Verwaltungsangestellten immer weniger schämen, wenn sie vor unseren Augen das Tafelsilber mitgehen lassen, scheinen viele Menschen sich nicht ausreichend zu ärgern. Es wird sich zeigen, ob wir den Staat wieder rechtzeitig zu einem Motor für eine bessere Welt — Stichworte Klima, Frieden, soziale Gerechtigkeit — umbauen können, bevor hier im Hinblick auf natürliche Lebensgrundlagen, Überwachung, Zivilgesellschaft oder Löhne US-amerikanisch-chinesisch- saudische Verhältnisse herrschen.
Der erste Schritt muss sein, sich des eigenen Besitzanteils an der Bundesrepublik Deutschland und des daraus folgenden angemessenen Verhältnisses zur Verwaltung bewusst zu werden und dies in der Kommunikation zu reflektieren.
Wir sind nicht „Wähler“, sondern „Mitbesitzende der Bundesrepublik Deutschland“. Kanzler und Minister sind nicht „die Regierung“, sondern „Verwaltungsangestellte“. Wenn Politiker Steuergeld in die eigene Tasche wirtschaften, dann ist das keine Affäre, sondern Diebstahl am Arbeitsplatz.
Sprache kann Wirklichkeit formen, liebe Mitbesitzende der Bundesrepublik Deutschland. Fangen wir an!
Dominic Lachfelder würde eigentlich lieber Fußball schauen und auf Partys gehen, anstatt sich mit Politik zu beschäftigen, aber diese verdammten Globalisten, Machtanhäufer, Überwachungsarchitekten, Transatlantiker, Rassisten und Identitätsfanatiker — um nur einige zu nennen — hören ja leider nicht auf, anderen das Leben schwerzumachen. Weil er sich aber nicht traut, in den Führungsetagen und Planungszentren der Welt mit der Fliegenklatsche saftige Watschen zu verteilen, beschränkt er sich auf das gelegentliche Schreiben.
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