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„Das reicht bis ganz nach oben.“

„Das reicht bis ganz nach oben.“

Oury Jalloh verbrannte 2005 im Polizeirevier Dessau. Eine erdrückende Indizienlast spricht für einen brutalen Mord. Als Täter kommen nur Polizisten in Frage. Doch wer nachhakt, stößt auf Mauern eisigen Schweigens – quer durch die Behörden.

„Wir betreten jetzt die Zelle, in der sich ein Schwarzafrikaner selbst angezündet hat.“ Die Kamera schwenkt in einen winzigen Raum, fokussiert verrußte, durch Hitze geplatzte Fliesen, heftet sich schließlich auf einen Haufen Schutt, der mal eine feuerfest umhüllte Matratze war. Beim Heranzoomen hebt sich die verkohlte Leiche ab. Ihre Hände und Füße hängen seitlich gestreckt in Eisenfesseln. Die Finger der linken Hand sind weggebrannt. Dann bricht das Video des LKA Sachsen-Anhalt unvermittelt ab. Weitere Aufnahmen von der Spurensicherung gibt es nicht. Absicht? Ein zunächst als Grund angegebener Stromausfall hat sich längst als Lüge entpuppt.

Nicht einmal eine halbe Stunde wütete das Feuer am 7. Januar 2005 in der winzigen Schlichtzelle des Polizeireviers Dessau, Sachsen-Anhalt, in einem solchen Ausmaß. Ohne Brandbeschleuniger ist das für eine Vielzahl von Experten unvorstellbar. Das Problem: Niemand veranlasste damals, den Schutt auf Brandbeschleuniger zu untersuchen. Nachzuholen ist das nicht. Denn meisten dieser Stoffe sind stark flüchtig. Andere verbinden sich so mit der Brandlast, dass sie nicht mehr identifizierbar sind.

Heute, zwölf Jahre später, gibt es weit mehr Indizien, welche die amtlich verteidigte Selbstmordthese ad absurdum führen. Der Kreis möglicher Täter ist überschaubar. Nur wenige, namentlich bekannte Polizisten mit Zugang zum Zellentrakt im Keller des Reviers kommen in Frage. Zwar ermittelt die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau seit drei Jahren offiziell wegen Mordverdachts gegen Unbekannt. Einen Willen zur Aufklärung lässt sie nicht erkennen.

Mehr noch: Der ermittlungsführende Staatsanwalt Olaf Braun geht auf Anfragen von Journalisten zu den sich türmenden Ungereimtheiten mit keiner Silbe ein. Seit einem halben Jahr versäumt er es, Ergebnisse aus einem vor Medienvertretern als „Transparenzoffensive“ vorgeführten Brandversuch zu verkünden. Abstrusen Ausreden folgt wieder eisiges Schweigen. Die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, die seit 2005 um Aufklärung ringt, sowie die Anwältinnen der Opferfamilie kritisieren, die Dessauer Behörde verschleppe das Verfahren seit Jahren. Sie weigere sich beharrlich, Indizien nachzugehen.

„Das reicht bis ganz nach oben“, ist Initiativengründer Mouctar Bah überzeugt. So fühlen sich auch übergeordnete Instanzen nicht zuständig: Das Justizministerium Sachsen-Anhalt, die Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg, das Bundesjustizministerium und die Bundesanwaltschaft. Die einen behaupten, es sei Ländersache, die anderen verweisen auf die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau als alleinige Kennerin der Akten, an deren „Kompetenz“ man nicht rütteln werde.

„Selbstverbrennung“ ohne Feuerzeug

„Es gibt viele Lücken im Fall Oury Jalloh; nur eine davon ist das Feuerzeug.“ Das konstatiert Ricardo Sunga Ende Februar 2017 nach einer Pressekonferenz in Berlin. Sunga ist Sprecher einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen. Eine Woche lang hatte sie Deutschland bereist, um die Situation von Afrikanern im Land zu analysieren. Im Fall Oury Jalloh untersuchten sie beide Seiten: Die der Angehörigen und Freunde und die des Staatsapparats vor Ort in Dessau, Sachsen-Anhalt.

Demonstration in Dessau

Demonstration zum Gedenken an Oury Jalloh am 7.1. 2016 in Dessau (Foto Susan Bonath)

Auch die UN-Gruppe ist bei Staatsanwaltschaft und der Polizei auf Unwillen gestoßen. Daraus macht Sunga keinen Hehl. In einer Pressemitteilung fordert sie, den Fall Oury Jalloh endlich sachlich und transparent aufzuklären. Sie kündigt für September einen ausführlichen Bericht an. Wie gewohnt, geht der ermittelnde Staatsanwalt Braun nicht darauf ein.

Das verschmorte Feuerzeug, das Sunga meint, präsentierte die Polizei damals drei Tage nach dem Zellenbrand. Damit habe sich Oury Jalloh selbst angezündet, behauptete der Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann sofort. Dann kam heraus: Die Kriminalpolizei hatte das Utensil gar nicht am Tatort gefunden. Angeblich fiel es später aus einer Asservatentüte. Es habe an einem verkohlten Matratzenrest geklebt.

Dass diese Geschichte nicht stimmen kann, weiß man seit 2012. Im Auftrag des Landgerichts Magdeburg konnten Jana Schmechtig und zwei weitere Sachverständige keine Spuren aus der Zelle am und im Feuerzeug feststellen, weder Textilfasern noch DNA. Alles, was sie fanden, stammte von einem anderen Ort: von dort, wo das Plastikutensil tatsächlich verbrannt wurde. Zwei Jahre später bestätigte das LKA Baden-Württemberg die Ergebnisse. Fakt ist: Ohne Feuerzeug kann sich der 36jährige Asylbewerber nicht angezündet haben. Die Initiative und die Anwältinnen halten dies für den Hauptbeweis: Mord.

Nur ein Krimineller?

Wenn über den Fall in lokalen Medien berichtet wird, sind Pöbler nicht weit. Ein besoffener Drogendealer habe sich halt selbst angezündet, heißt es in den Kommentaren. Oder: Man solle den Fall doch endlich ruhen lassen, es koste unsere Steuergelder. Dass es um nichts weniger geht, als den schwerwiegenden Verdacht, dass Polizeibeamte einen gefesselten Menschen lebendig verbrannt haben, spielt keine Rolle.

Doch wer war Oury Jalloh wirklich? In den 90ern war er mit seiner Familie aus dem Bürgerkriegsland Sierra Leone ins benachbarte Guinea geflohen. Sie hatten alles verloren. Er hoffte, vom reichen Deutschland aus der Ferne für die Seinen sorgen zu können. Sein Traum verlor sich in einem siebenjährigen Daueraufenthalt in einem Asylbewerberheim. Er durfte nicht arbeiten, fristete sein Leben mit der kümmerlichen Hilfe weit unter dem Sozialhilfesatz. 2001 wurde Oury Jalloh Vater, doch die deutsche Mutter gab den Sohn zur Adoption frei. Er flüchtete sich immer öfter in Alkohol und Drogen. Um an Geld zu kommen, dealte er auch. Mehrfach hatte ihn die Polizei mit Cannabis erwischt.

Am 6. Januar 2005 besucht Oury Jalloh seinen Freund Mouctar Bah in dessen Telecafé in Dessau. „Kommst du mit in die Disko, was trinken?“, fragt er. Doch Bah muss arbeiten, lässt seinen Freund alleine ziehen. Später wird er es bereuen. Am nächsten Morgen ist Jalloh stark betrunken. Fast drei Promille Alkohol im Blut wird ein Arzt später feststellen. Der Flüchtling irrt umher, will nach Hause. In seinem Zustand braucht er Hilfe. Auf seinem Handy ist kein Guthaben. Er fragt Ein-Euro-Jobberinnen von der Stadtreinigung, ob er ihr Telefon benutzen dürfe. Sie fühlen sich von dem betrunkenen Afrikaner belästigt, rufen die Polizei.

Die Streifenbeamten Hans-Ulrich M. und Udo S. werden rabiat, als er seine Papiere nicht zeigen will. Sie zerren ihn ins Auto, nehmen ihn fest. Trotz des hohen Alkoholspiegels attestiert der Arzt Andreas B. die Gewahrsamstauglichkeit. M. und S. legen ihn auf die Matratze, ketten ihn an Händen und Füßen an. Es ist dieselbe Zelle, in welcher gut zwei Jahre zuvor der Wohnungslose Mario Bichtemann einem Schädelbasisbruch ungeklärter Ursache erlag – unter demselben Dienstgruppenleiter Andreas S. und demselben Revierarzt Andreas B. Vier Stunden nach der Festnahme ist auch Oury Jalloh tot. Ein gegen S. laufendes Disziplinarverfahren im Fall Bichtemann stellt die Polizei ein. Der Beamte dürfe nicht über Gebühr belastet werden.

Wenn Tote schreien

Von Anfang an informiert der Dessauer Oberstaatsanwalt Folker Bittmann nur zögerlich und auf großen Druck der Medien. Im Laufe zweier Prozesse in Dessau und Magdeburg, die zusammen fast vier Jahre dauern, wird klar: Systematisch haben Polizeibeamte Beweismittel verschwinden lassen: Polizeijournale, Dienstpläne, Kaufbelege für Matratzen, ein Fahrtenbuch, der größte Teil des Tatortvideos und sogar eine der beiden Handfesseln. Letztere habe der Hausmeister auf „Anweisung von oben“ entsorgt. Niemand hat veranlasst, den Tatort auf Brandbeschleuniger zu untersuchen. Der präsentierte Feuerzeugrest wird erst siebeneinhalb Jahre später vollständig untersucht werden.

Noch am Abend des 7. Januar 2005 sagt die stellvertretende Dienstgruppenleiterin Beate H. nicht nur aus, dass ihr Vorgesetzter Andreas S. mehrfach den Rauchmelder ausgeschaltet habe, so dass etwa elf Minuten vergangen sind, bis er und sein Kollege Gerhard M. die brennende Zelle erreicht haben. Sie erfindet auch eine Geschichte: Oury Jalloh habe kurz vor dem Eintreffen der Beamten im Zellentrakt noch „Feuer“ gerufen.

Gerichtsmediziner widerlegen das: Weil er kein Kohlenmonoxid im Blut gehabt hat, muss er spätestens eine Minute nach dem Brandausbruch an einem inhalativen Hitzeschock gestorben sein. Im Saal des Landgerichts Magdeburg wird eine neue Hypothese aufgestellt. Er habe sich dann wohl über die Flammen gebeugt, sie eingeatmet und sei tot umgefallen. Auch dem können die Mediziner nicht folgen. Dann hätte die Leiche anders liegen müssen. Außerdem habe das Opfer keine erhöhten Werte des Stresshormons Noradrenalin produziert – für die Mediziner ein Hinweis darauf, dass Jalloh beim Ausbruch des Brandes bewusstlos war.

Dass Tote sich weder bewegen noch schreien können, spielt für die Justiz keine Rolle. Der Lüge überführt wird Beate H. nicht. Der Angeklagte, Dienstgruppenleiter Andreas S., kommt im Dezember 2012 mit einer Geldstrafe von 10.800 Euro davon: Fahrlässige Tötung. Er habe nicht schnell genug reagiert. Strafe und Gerichtskosten übernimmt die Gewerkschaft der Polizei (GdP). S. ist, wie die anderen involvierten Beamten, weiter im Dienst. Wer das Feuer gelegt hat, wird nie geprüft.

Kurz nach der Tat gründen Freunde die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh. Sie fordern die Staatsanwaltschaft auf, den Toten im Obduktionsverfahren in der Uniklinik Halle auch röntgen zu lassen. Die Behörde verweigert das. Die Initiative sammelt über 20.000 Euro Spenden und lässt den Leichnam nach Frankfurt am Main überführen. Rechtsmediziner erkennen massive Schädelverletzung. Wurde Oury Jalloh misshandelt und sollte dies durch den Brand vertuscht werden? Die Staatsanwaltschaft ignoriert das Ergebnis, denn die Rechtsmediziner konnten eine Transportverletzung nicht 100prozentig ausschließen.

Im Feuerball erstickt

Mit dem Urteil im Dezember 2012 scheinen die Messen gesungen. Bis die Initiative die Staatsanwaltschaft mit einer weiteren Expertise aufschreckt. Der internationale Brandgutachter Maksim Smirnou stellt 2013 das Zellenfeuer mit einem toten Schwein nach. Er kommt zu dem Ergebnis, dass nur ein massiver Einsatz von Brandbeschleuniger das vorgefundene Ergebnis reproduzieren könne. Das stützt die These des Schweizer Toxikologen Peter Iten. Aus medizinischer Sicht kommt für ihn nur ein explosionsartiger Brandausbruch in Frage. Er spricht von einem Feuerball. Der Berliner Rechtsmediziner Michael Tsokos teilt seine Auffassung.

Nachdem Smirnou sein Ergebnisse in Berlin präsentiert hat, wird die Staatsanwaltschaft unruhig. Folker Bittmann spricht von „völlig neuen, teilweise erschreckenden Erkenntnissen“. Hektisch kündigt er an, den Fall noch einmal zu prüfen. Die Initiative stellt derweil Strafanzeige wegen Mordverdachts. Sie wendet sich an den Generalbundesanwalt, weil sie die Dessauer Behörde für befangen und unwillig hält. Doch der weist die Anzeige zurück nach Dessau. Die Bundesanwaltschaft sei nicht zuständig. Im April 2014 gibt Bittmann bekannt, dass seine Behörde wegen Mordverdachts ermittele. Presseanfragen werden abgewimmelt.

Wer was weiß, wird verfolgt

2013 intensiviere ich meine Recherche. Ich treffe mich an geheimen Orten mit Kennern der Polizei in Sachsen-Anhalt. Sie eröffnen mir ein Bild eines behördenübergreifenden Corpsgeistes. Wem das Schweigen nicht passte, sei gemobbt und schikaniert worden. Unbekannte spielen mir schließlich Ermittlungsakten zu. Ich studiere Tausende Seiten und stoße auf immer mehr Hinweise darauf, dass nur eins erwünscht ist: Die Wahrheit nie ans Tageslicht kommen zu lassen. Man will offensichtlich einen Skandal vermeiden.

Es gibt zum Beispiel zwei Strafanzeigen, in denen bestimmte Polizisten beschuldigt werden. 2013 wendet sich ein Mann an einen befreundeten Beamten. Seine Exfrau habe ihm gestanden, ein Verhältnis mit Jallohs mutmaßlichem Mörder gehabt zu haben. Ihr Geliebter, ein Polizeihundeführer, habe mit der Tat vor ihr geprahlt. Beamte aus dem Revier hätten ihn angerufen. Er habe Brandmittel besorgt.

Der Beamte wendet sich an Dritte. Die stellen Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft. Die Akte landet erneut in Dessau. Dort wird zwar ein Verfahren eingeleitet. Doch statt den Beschuldigten zu überprüfen oder dessen Exfrau anzuhören, begnügt sich die Staatsanwaltschaft mit einer Durchsuchung des Überbringers der Nachricht. Sie lässt die Wohnung des Exmannes durchforsten, Computer und Datenträger beschlagnahmen. Sie will ihn der Lüge überführen. Als das nicht gelingt, stellt sie das Verfahren ein.

Der unbekannte Mann mit Brille

Über Umwege erlange ich Kenntnis über eine weitere Anzeige. In den Ermittlungsakten taucht diese nicht auf. Ein Justizangestellter beschuldigt darin einen der beiden Polizisten, die Oury Jalloh festgenommen haben. Diese beiden Beamten will ihr Kollege Torsten B. kurz vor Ausbruch des Feuers bei einer undokumentierten Zellenkontrolle erwischt haben. Oury Jalloh habe still mit heruntergezogener Hose dagelegen, die Taschen nach außen gestülpt, berichtete B. vor Gericht. Die beiden hätten ihm erzählt, den Gefangenen noch einmal zu durchsuchen.

Der Justizbeamte erklärt, zu wissen, dass der von ihm Beschuldigte zu den Tätern gehöre. Um zu prüfen, ob meine Dokumente echt sind, frage ich nach. Der inzwischen pensionierte Staatsanwalt Christian Preissner, bis 2015 Ermittlungsführer im Fall Jalloh, antwortet knapp: „Der Zeuge wurde hier vernommen.“ Es hätten sich keine Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen ergeben. Darunter lese ich eine versteckte Drohung: Ich sei offenbar im Besitz geheimer Akten, was strafbar sei. Später finde ich heraus, dass der Anzeigenerstatter mit einem Disziplinarverfahren überzogen worden ist. Und: Der beschuldigte Polizist soll nicht nur früher in einer Chemiefabrik gearbeitet haben, die Brandmittel produzierte. Er war auch bei der Dessauer Feuerwehr.

Tatsächlich schließen sich beide Varianten nicht gegenseitig aus: Zwei Beamte rufen einen Dritten hinzu, um das Feuer zu legen. Im Magdeburger Prozess haben Gericht und Beteiligte einen Verhandlungstag lang über einen unbekannten Dritten im Polizeirevier diskutiert. Zeugen sahen kurz nach der Tat einen Mann mit Brille, der von einem Fenster des Reviers das Eintreffen der Feuerwehr beobachtet haben soll. Wer er ist, klären weder Gericht noch Staatsanwaltschaft auf.

Ohne Brandbeschleuniger nicht erklärbar

Die Akten sind gepflastert mit Gutachten. Die meisten Experten halten sich an streng eingegrenzte Vorgaben der Staatsanwaltschaft. Von offenen Analysen kann keine Rede sein. Doch ein Vorgutachten aus Würzburg aus 2015 sprengt den Rahmen. Die Rechtsmediziner halten einen Einsatz von Brandbeschleunigern für am wahrscheinlichsten. Wörtlich heißt es darin: „Dieses Szenario käme am ehesten der Auffindesituation nahe, die durch die alleinige Entzündung der Matratzenfüllung nach den brandexperimentellen Untersuchungen nicht erklärbar ist.“ Benzin sei laut Experten nicht im Körpergewebe nachweisbar. „Auch die negativen Kohlenmonoxidwerte stünden im Einklang mit der Situation“, meinen die Gutachter.

Wegen massiver Widersprüche plädieren für eine neue, offene Analyse – gemeinsam mit den Anwältinnen der Opferfamilie, Gabriele Heinecke und Beate Böhler. Doch was Staatsanwalt Olaf Braun am 18. August 2016 gegenüber Medienvertretern als „Transparenzoffensive“ präsentiert, ist alles andere, als das.

Ein Fakeversuch

Anfang August 2016 lädt Braun die Presse zu einem Brandversuch ins „Institut für Brand- und Löschforschung“ (IBLF) ins ostsächsische Schmiedeberg ein. Angeheuert hat er dafür den Schweizer Brandsachverständigen Kurt Zollinger. Der Diplomingenieur Thorsten Prein aus Bergisch Gladbach übernimmt den Aufbau. Braun stellt Prein als Leiter des „Instituts“ vor: Eine Industriebrache am Ortsende, auf der die Firma Hansenebel für Löschtechnik wirbt. Ihren Sitz hat Handenebel in Schleswig-Holstein. Laut Handelsregister betreibt deren Geschäftsführer, Dirrich Uhlhorn, auf dem Areal ein Brandschutzzentrum. Von Insidern erfahre ich, das er die Fläche häufig an Feuerwehren vermiete. Was ich in keinem Register finde, ist das „Institut“. Anfragen dazu beantworten weder Staatsanwalt Braun noch Uhlhorn und Prein.

Braun und Prein

OStA Olaf Braun (links) und der Versuchsaufbauleiter Thorsten Prein nach dem Brandversuch in Schmiedeberg (Sachsen) bei der Pressekonferenz (Foto: Susan Bonath)

Der Versuchsort ist ein Raum in der sechsten Etage eines baufälligen Plattenbaus auf dem Gelände. Für Sachkundige ist sofort klar: Viele Parameter stimmen nicht ansatzweise mit dem Tatort überein. Der renommierte Londoner Brandexperte Iain Peck fasst sie später in einer Stellungnahme zusammen: Der Raum war nicht gefliest, die Matratze beschädigt, der Dummy mit Alufolie und losem Schweinefett belegt. Letzteres wirke wie Brandbeschleuniger. Außerdem stand ein gegenüberliegendes Fenster weit offen. Ohnehin, so Peck, seien die Windverhältnisse im sechsten Stock eines Plattenbaus ganz andere, als in einer Kellerzelle. Anwältin Heinecke sagt im Gespräch mit mir: „Das war Fakeversuch.“ Dieser diene nur der weiteren Verschleppung des Verfahrens. „Es wurde alles getan, um das Feuer zu beschleunigen“, konstatiert auch Peck. Die Versuchsergebnisse hält er für unbrauchbar.

Doch bis heute gibt es gar keine Ergebnisse. Eigentlich sollten sie spätestens Mitte Oktober 2016 verkündet werden. Im Dezember beteuert Braun gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung, es lägen bereits Daten vor. „Die müssen wir noch aufbereiten.“ Er rechne mit einer Präsentation bis Ende Januar. Auch das Datum ist seit fast zwei Monaten verstrichen. Inzwischen lässt Staatsanwalt Braun meine Nachfragen von seinem Kollegen Frank Pieper mit Standardsätzen abwimmeln. Es gebe nichts zu sagen, heißt es auch in der letzten Antwort von Mitte März. Die Staatsanwaltschaft werde „gegebenenfalls zu gegebener Zeit“ die Medien informieren.

Die gegebene Zeit jedenfalls, in der in Sachsen-Anhalt gegebenenfalls Mörder in Uniform herumlaufen, dauert inzwischen schon länger als zwölf Jahre.


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