Die USA dringen in die europäischen Kolonien ein
Die NATO war somit ein Bündnis gegen die nach-faschistische Demokratisierung in Europa und gegen die nationale Selbstbestimmung in den Kolonien. Und die neokoloniale NATO-Supermacht USA drang in die alten Kolonien der Europäer ein.
In den französischen Kolonien Indochinas — Vietnam, Laos, Kambodscha — und Afrikas — ein gutes Dutzend Kolonien — lagerten wichtige Rohstoffe. An diese wollten US-Unternehmen nun möglichst günstig herankommen. Die Behörde des Marshall-Plans in Paris unterhielt unter Evan Just die Abteilung „Strategische Rohstoffe“. Sie erkundete und inventarisierte in den Kolonien der europäischen Kolonialmächte zum Beispiel Mangan und Graphit in Madagaskar; Blei, Kobalt und Mangan in Marokko; Kobalt, Uran und Cadmium im Kongo; Zinn in Kamerun; Chrom und Nickel in Neu-Kaledonien; Kautschuk in Indochina; Öl in Indonesien; daneben Industriediamanten, Asbest, Beryllium, Tantalit und Colombit.
Die Marshall-Plan-Behörde und das State Department organisierten ab 1948 Rohstoff-Kaufverträge etwa für die US-Konzerne United Steel, Bethlehem Steel und Newmont Mining und bildeten mithilfe von Investmentbanken wie Morgan Stanley und Lazard Frères gemeinsame Holdings zur Modernisierung von Bergwerken in den Kolonien der Europäer (2). Für die Atombomben brauchten die USA nach dem Krieg ohnehin noch mehr Uran als während des Krieges.
Im Geleitzug: Ost-Erweiterung von EU und NATO
Die NATO war und ist ein Bündnis, das unter US-Führung die UNO-Charta, Artikel 1 „Selbstbestimmung der Nationen“, von Anfang an prinzipiell und dauerhaft verletzt. NATO-Mitglieder zogen in unterschiedlicher Weise, direkt und indirekt, mit in die von den USA angeführten, zahlreichen Kriege des zu Unrecht so genannten „Kalten Krieges“ (3).
Die NATO war (angeblich) gegen die „kommunistische Gefahr“ gegründet worden, und nur zur „Verteidigung“. Aber auch gegen den Rest des sozialistischen Jugoslawien führten die USA mit Hilfe der EU einen Angriffskrieg, auch mithilfe der SPD/Grünen-Bundesregierung.
Unter dem Deckmantel von Menschenrechten wurde das Völkerrecht gebrochen. Die EU-Osterweiterung ging und geht parallel mit der Osterweiterung der NATO einher.
Endlich Russland erobern
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der sozialistischen Staaten Europas und deren marktwirtschaftlicher Umgestaltung wurde die NATO nicht aufgelöst — im Gegenteil: Sie wurde erweitert. Die neuen EU-Mitgliedsstaaten wurden und werden so schnell wie möglich auch NATO-Mitglieder oder zumindest NATO-Dependancen. Im Kosovo unterhalten die USA ihren zweit-größten US-Militärstützpunkt außerhalb des eigenen Territoriums, nach Ramstein/Pfalz. Dass die Regierung korrupt ist und die Mehrheit der Bevölkerung arm, stört nicht.
Und Russland soll be-herrscht werden, unabhängig davon, ob es kommunistisch geführt wird oder kapitalistisch mit Putin — das war von Anfang an der Kern der NATO.
Das jahrzehntelang genährte NATO-Lügengebäude ist brüchiger denn je. Das heutige Russland ist militärisch ungleich schwächer als die damalige Sowjetunion im Vergleich zur noch höher aufge-rüsteten westlichen NATO.
Den USA folgen, auch wenn man selbst geschädigt wird
Zbginiew Brzezinski, Berater vieler US-Präsidenten, beschrieb die seit Mitte der 1990er Jahre von den USA verfolgte Politik:
Die Ukraine ist das Sprungbrett zur Eroberung Russlands (4). Die USA brauchen für ihre langfristige Stellung als „einzige Supermacht“ den Zugriff auf Eurasien „von Lissabon bis Wladiwostok“ (5).
So wurde die zunächst aus Tradition prorussische Regierung der Ukraine in der Zangenbewegung von EU und NATO mithilfe der „Open Society“-Stiftung des US-Spekulanten George Soros, einheimischer Oligarchen und faschistoider Gruppen gestürzt.
Ähnlich wird das mit Russland versucht. Der IWF unter der Direktorin Christine Lagarde — inzwischen Präsidentin der Europäischen Zentralbank — vergab an die überschuldete Ukraine Kredite, die, an denselben Kriterien gemessen, Griechenland verweigert wurden (6). Der von den USA verordnete Russland-Boykott schadet der deutschen Wirtschaft, etwa durch den Verlust von 60.000 Arbeitsplätzen bei deutschen Unternehmen in der Ukraine. Aber der deutsche Vasall nimmt die Schäden hin (7).
Nationalismus, Ethno-Politik
Die USA und die NATO führten gegen das sozialistische Jugoslawien nicht nur einen militärischen Krieg. Sie förderten in diesem bisher multi-ethnischen Staat nationalistische, ethnisch und religiös fundamentalistische und zugleich rechtsgerichtete und postfaschistische Bewegungen, Personen und Parteien.
Dies wurde im Auftrag dieser Kräfte auch hochprofessionell mithilfe westlicher PR-Agenturen vorangetrieben, vor allem aus den USA, so etwa durch Hunton & Williams, Patton Boggs, Global Enterprises Group, Ruder Finn, Waterman Associates, White & Case, The Washington International Group, Burson Marsteller, Van Kloberg Associates, Herzfeld & Rubin (7).
So wurde Jugoslawien in mehrere Kleinstaaten aufgesprengt, die gegeneinander in den Krieg geführt wurden. Sie führen ihre nichtmilitärischen Konflikte und Konkurrenzen unter dem Dach von EU und NATO weiter, die damit umso leichter ihre Oberherrschaft ausüben können. Nationalismus und Ethno-Politik waren und sind damit definitiv und offiziell in EU und NATO etabliert.
Globale Kriege unter US-Führung
Die europäischen NATO-Partner folgen der von den US-Präsidenten Barack Obama und Donald Trump geforderten Erhöhung ihrer Militäretats auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Die EU folgt — ob nun Trump wegen seines ungebildeten Stils ein bisschen kritisiert wird oder nicht — der NATO-Führungsmacht auch bei der antirussischen Hetze und Aufrüstung. Der eurasische Großraum einschließlich der Arktis soll endlich erobert und wirtschaftlich erschlossen werden — wenn es sein muss wieder mit Krieg, und diesmal auch (wieder) mit Atombomben (9).
„Mehr europäische Unabhängigkeit“?
Gegenüber US-Präsident Trump erklären führende EU-Politiker wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Absicht, die EU müsse „unabhängiger“ werden. Aber die US-Führung in der NATO wird nicht infrage gestellt. Großbritannien tritt aus der EU aus, aber nicht aus der NATO. Die zusätzlich zur NATO von den USA errichteten Militärstützpunkte in EU-Staaten werden nicht infrage gestellt.
Die USA unterhalten in zahlreichen EU- und NATO-Staaten weiter ihre eigenen Militärstützpunkte, so in Italien, Dänemark und vor allem im mächtigsten Staat, in Deutschland. Und die USA errichten neue Militärstützpunkte wie in Ulm — für den Aufmarsch gegen Russland — und bauen sie technologisch aus. Von hier aus werden, gegen das deutsche Grundgesetz und das Völkerrecht, weiter weltweite Militäroperationen und Drohnenmorde exekutiert, so etwa von Ramstein/Rheinland-Pfalz und von AFRICOM/Stuttgart aus.
Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat etwa zwei Dutzend US-Militärstützpunkte in Deutschland identifiziert, gesteht aber ein, dass die genaue Zahl nicht ermittelbar ist, weil die US-Seite die Fragen nicht beantwortet (10).
Am weitesten in Richtung einer relativen „Unabhängigkeit“ geht Frankreich unter dem Transatlantiker Emmanuel Macron. Doch die nachkolonialen Bindungen zu einem knappen Dutzend Staaten in Afrika — mit französisch bestimmter Währung und militärisch gesichertem Abbau von Bodenschätzen — haben alle französischen Regierungen aufrechterhalten. Das gilt auch für die 10 nachkolonialen „Überseegebiete“ wie Martinique, Guadeloupe und La Réunion, die zum französischen Staatsgebiet gehören. Zusätzlich hat Frankreich schon seit dem rechtsradikalen Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy zum ersten Mal nach dem Weltkrieg neue ausländische Militärstützpunkte errichtet, in Djibuti (Horn von Afrika) und vor allem in den Vereinigten Arabischen Emiraten (11).
Völker- und menschenrechtlicher Tiefpunkt
Gegen das Völkerrecht waren und sind die führenden EU-Staaten Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Italien, aber auch kleinere EU-Staaten sowie auch Nicht-EU-Staaten Europas wie die Schweiz unterschiedlich an US-Militäroperationen und US-Kriegen beteiligt, direkt und indirekt, so im Irak, in Afghanistan, Libyen und Syrien. Ebenso folgen sie, wiederum unterschiedlich, manchmal zögernd, (zunächst) zivilen US-Operationen etwa gegen Venezuela, den Iran und die Volksrepublik China (12).
Das elementare Menschheits- und Menschenrecht, dass Ertrinkende aus Seenot gerettet werden, verweigert die EU gegenüber den Flüchtlingen, die über das Mittelmeer in die EU flüchten wollen, deren Fluchtursachen die EU aber als eigensüchtiger Vasall an der Seite der USA (mit)verursacht hat und weiter (mit)verursacht.
Friedens-Nobelpreis für die EU 2012
Die (Un-)Verantwortlichen haben die EU auf einen völker- und menschenrechtlichen und moralischen Tiefstand manövriert. Es ist deshalb ein Hohn, dass sie 2012 den Friedens-Nobelpreis bekam. Begründung: Die EU habe „über sechs Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa“ beigetragen, insbesondere nach dem Fall der Berliner Mauer durch die Aufnahme neuer zentral- und osteuropäischer Staaten, auch des Balkans (13).
Dass parallel dazu diese Staaten in die NATO manövriert werden und mit ihnen mitten in Europa auch die militärische Aggression gegen Russland organisiert wird, einschließlich eines möglichen Atomkriegs — das gehört zu diesem „Frieden“.
Quellen und Anmerkungen:
Auszug aus: Die Europäische Union — sozial und völkerverbindend?, DVS Digitaler Vervielfältigungs- und Verlags-Service, ISBN 978-3-932246-44-9. Die vollständigen Quellenangaben können dort entnommen werden.
(1) Reinhard S. 1138ff.
(2) Bossuat S. 501ff.
(3) Vergleiche Daniele Ganser: Illegale Kriege. Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren, Zürich 2016
(4) Zbginiew Brzezinski: Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft. Weinheim / Berlin 1997, S. 74
(5) Brzezinski S. 52
(6) IWF gewährt Ukraine im Wahljahr 2019 neuen Milliardenkredit, Die Welt 19.10.2018
(7) Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts. Köln 2018, S. 256f.
(8) Jörg Becker / Mira Beeham: Operation Balkan — Werbung für Krieg und Tod. Baden-Baden 2008, S. 92-126
(9) Atommacht Europa? IMI-Analyse 2019/13
(10) Deutscher Bundestag, Wissenschaftlicher Dienst: Umfang und Standorte der in Deutschland stationierten US-Streitkräfte, 18.1.2017
(11) Deutscher Bundestag, Wissenschaftlicher Dienst: Umfang und Standorte der in Deutschland stationierten US-Streitkräfte, 18.1.2017
(12) Rügemer: Die Kapitalisten, S. 227ff.
(13) Nobelprize.org/prizes/peace/2012/press-release 12.10.2012
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