Innerhalb nur weniger Tage kam es im März 2020 zu einer tief greifenden und nachhaltigen Veränderung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Reihe elementarer demokratischer Grundrechte und Freiheiten wurde auf administrativem Wege außer Kraft gesetzt und die Wirtschaftsleistung des Landes heruntergefahren. Begründet wurde dies damit, dass die Bevölkerung vor einem tödlichen Virus geschützt werden müsse.
Als Grundlage und Maßstab für die schnell zu treffenden Beschlüsse sollten allein wissenschaftliche Erkenntnisse gelten. Eine besondere Rolle spielten dabei mathematische Modellrechnungen, die massive Ausbrüche von Covid-19 mit vielen Millionen Todesopfern prophezeiten, wenn nicht sofort und energisch gehandelt würde. Den auf diese Weise von der Bundesregierung angeordneten Lockdown trugen alle im Bundestag vertretenen Parteien mit. Innerhalb der in Angst versetzten Bevölkerung traf er auf eine breite Zustimmung und ein gehorsames Mitmachen.
Kritiker der getroffenen Maßnahmen, unter ihnen namhafte Wissenschaftler, wurden in den großen Medien kaum berücksichtigt, sondern nahezu vollständig ausgegrenzt und nicht selten persönlich diffamiert. Auch wurden in der Öffentlichkeit die Prognosen und Modellrechnungen, die den politischen Entscheidungen zugrunde lagen, auf möglicherweise vorhandene Interessenlagen bestimmter wirtschaftlicher Bereiche oder Gruppen der Gesellschaft zunächst kaum hinterfragt. Inzwischen erweist sich aber gerade dies als dringend erforderlich.
Der nahezu weltweit praktizierte Umgang mit der Corona-Krise führt zu einer gründlichen Marktbereinigung sowie zu einer weiteren Disziplinierung der Bevölkerung, zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage und der Beschneidung wichtiger demokratischer Rechte und Freiheiten vieler Menschen. Das alles sind geeignete Voraussetzungen für die Umsetzung des bereits angekündigten „Great Reset“, des grundlegenden Umbaus der kapitalistischen Wirtschaftsform und schließlich zur Schaffung einer neuen Weltordnung.
Mathematische Simulationsmodelle als Entscheidungsgrundlage
Bereits eine Woche vor dem eigentlichen Lockdown verständigten sich Bund und Länder im März 2020 auf eine Reihe drastischer Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die zum Teil auch einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Bürger darstellten (1).
Angela Merkel sprach bei dieser Gelegenheit von „Maßnahmen, die es in unserem Land so noch nicht gegeben hat, die natürlich einschneidend“, im Augenblick aber auch notwendig seien. Als Maßstab gelte dabei nicht, „was wir glauben“ oder „was wir jetzt machen wollen, sondern was uns die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen zu dem Thema“, betonte die Kanzlerin (2).
Am gleichen Tag, dem 16. März, veröffentlichte das Imperial College London eine weltweit stark beachtete Studie, die die wahrscheinliche Entwicklung der Fallzahlen von Covid-19 mithilfe einer mathematischen Modellierung beschreiben sollte (3). Die in London ansässige Universität steht unter staatlicher Trägerschaft, setzt in ihrer Arbeit aber auch Gelder privater Spender ein. So fördert die Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) ihre Tätigkeit seit Jahren schon durch erhebliche Zuwendungen. Allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres flossen über 80 Millionen Dollar Spendengelder der Gates-Stiftung nach London (4).
In dem speziell auf Großbritannien und die USA angewandten Mikrosimulationsmodell des Imperial College wurden verschiedene Verlaufsszenarien von Covid-19 durchgespielt und die Wirksamkeit unterschiedlicher Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie diskutiert. Wenn die Regierungen keine Maßnahmen gegen das Virus unternehmen würden, prognostizierten die Wissenschaftler, gebe es viele Millionen Corona-Tote weltweit. Aus ihren Modellrechnungen ergaben sich bis zum Herbst dieses Jahres allein für die USA 2,2 Millionen und für Großbritannien rund 510.000 Tote.
Durch Maßnahmen, die zu einer Verlangsamung der Ausbreitung des Virus führten, ließe sich die Anzahl der Todesfälle in beiden Ländern auf jeweils die Hälfte reduzieren. Dies würde aber immer noch eine nicht vertretbar hohe Zahl an Toten bedeuten. Die einzig gangbare Strategie bestehe deshalb in Maßnahmen, die nicht nur zu einer Eindämmung, sondern auch zu einer tief greifenden Unterdrückung von Covid-19 führen würden, so die Autoren der Studie (5).
Bereits einen Tag später, am 17. März, berichtete tagesschau.de über die Ergebnisse der Londoner Studie. In dem Kommentar wurde darauf hingewiesen, dass „aus Sicht der Forscher radikale Einschränkungen des Soziallebens notwendig“ würden, wobei es aber keineswegs sicher sei, ob die Maßnahmen zur Unterdrückung des Virus auch langfristig erfolgreich sein könnten. Außerdem bleibe es unklar, „wie Bevölkerung und Gesellschaft darauf reagieren werden“ (6).
Auch der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité meldete sich rasch zu Wort. In seinem am 18. März vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) ausgestrahlten Podcast bezeichnete er die Studie des Imperial College als „eine der besten, die bisher verfügbar ist.“ Drosten betonte, dass er an die in der Londoner Studie veröffentlichten Zahlen glaube. Es sei „wirklich schlimm, was man da unterm Strich raus liest aus dieser Studie, und wir müssen uns jetzt hinsetzen und miteinander über Möglichkeiten sprechen“, denn die Aussagen der Studie ließen sich durchaus auf deutsche Verhältnisse übertragen. Die sich daraus ergebenden Aussichten wären „wirklich verzweifelnd“, sagte er (7).
Wenige Tage zuvor hatte Drosten bereits eine eigene Modellrechnung präsentiert. Nach dieser sei in Deutschland — bei einer angenommenen Mortalität von 0,5 Prozent — längerfristig „mit 278.000 Corona-Todesopfern zu rechnen“ (8). Derart grobe Fehler aber, wie sie noch vor fünfzehn oder zwanzig Jahren bei epidemiologischen Modellrechnungen vorgekommen seien, „wo es dann hieß: ganz England wird in den nächsten Monaten BSE bekommen“, könne er sich heute nicht mehr vorstellen (9).
Am 19. März postete Jörg Meuthen, Bundessprecher der Alternative für Deutschland (AfD), dass sich das Land „unmittelbar vor einer Katastrophe“ befinde. Deshalb sei es für ihn „völlig klar: Deutschland braucht den nahezu vollständigen Shutdown. Und zwar nicht irgendwann — vielleicht nächste Woche, vielleicht erst Anfang April —, sondern JETZT.“ Zu den gesellschaftlichen Auswirkungen des von ihm geforderten Shutdowns äußerte sich Meuthen wie folgt:
„Das bedeutet unter anderem das Ende des Gangs zum regulären Arbeitsplatz für alle, die nicht zwingend für die Versorgung der Gemeinschaft benötigt werden. Das bedeutet auch das Ende des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs bei gleichzeitiger Einrichtung eines Notdienstes für alle, die zwingend arbeiten müssen. Und das bedeutet natürlich eine polizeilich strikt kontrollierte Ausgangssperre, die so wie in Spanien gehandhabt werden sollte: Einmal am Tag darf man dort noch das Haus für die wirklich absolut erforderlichen Besorgungen verlassen, ansonsten werden empfindliche Geldbußen verhängt.“
Als Begründung für seine rigorosen Forderungen nannte er das exponentielle Wachstum der Corona-Infektionen, bei dem „die Unbarmherzigkeit der Mathematik auf die Unbarmherzigkeit des Coronavirus“ treffen würde. Als Wirtschaftswissenschaftler rechnete er dann — „mit gewissen Vereinfachungen“ — vor, was in nächster Zeit passieren könnte, und prophezeite eine Explosion der Infektionszahlen für die kommenden vier Wochen, wenn nicht sofort und massiv in seinem Sinne gehandelt würde:
„Heute in einer Woche: Mehr als 100.000 Infizierte. Heute in zwei Wochen: Fast 600.000 Infizierte. Heute in drei Wochen: 3,3 Mio. Infizierte. Heute in vier Wochen: 18,6 Mio. Infizierte (Rechenweg: 18.500 x 1,28 hoch Anzahl der Tage). Das ist exponentielles Wachstum, und das ist die ganze Unbarmherzigkeit der Mathematik“, so Meuthen (10).
Das Strategiepapier des Bundesinnenministeriums
Für die Entscheidung zum Lockdown und das weitere Vorgehen der politisch Verantwortlichen in der Corona-Krise dürften aber vor allem die Aussagen einer weiteren mathematischen Modellrechnung eine wesentliche Rolle gespielt haben. Es handelt sich dabei um ein Strategiepapier des Bundesministeriums des Innern (BMI) mit dem Titel „Wie wir COVID-19 unter Kontrolle bekommen“ (11). Laut tagesschau.de wurde die Studie von Bundesinnenminister Horst Seehofer „am 18. März bei der Grundsatzabteilung seines Hauses in Auftrag“ gegeben und binnen weniger Tage erarbeitet (12).
Das Papier sei „aus einem fachlichen Dialog zwischen dem BMI und verschiedenen Wissenschaftlern entstanden und auf Initiative der Wissenschaftler erfolgt“ (13). Als Mitautoren der zunächst als vertraulich („VS-Nur für den Dienstgebrauch“) eingestuften Studie (14) waren nach Auskunft der Bundesregierung acht Wissenschaftler beteiligt, wovon allein fünf aus arbeitgebernahen Wirtschaftsinstituten kamen, darunter der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (DIW) und der Präsident des RWI — Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (15).
In ihrem „Worst-Case-Szenario“ gingen die Wissenschaftler von bald 57,4 Millionen mit dem Virus SARS-CoV-2 Infizierten in Deutschland aus, und es wäre „mit mehr als einer Million Todesfällen“ allein bis Mai 2020 zu rechnen. Das drohende Szenario gelte es nun durch die Politik richtig zu kommunizieren und „mit allen Folgen für die Bevölkerung in Deutschland unmissverständlich, entschlossen und transparent zu verdeutlichen.“ Wünschenswert sei es dabei, eine „Schockwirkung“ in der Bevölkerung zu erzielen und so deren Akzeptanz für die zu treffenden Maßnahmen zu erreichen.
Den Grund für eine solche Vorgehensweise sahen die Wissenschaftler in der rasant sich entwickelnden Ausbreitungsgeschwindigkeit von Covid-19, welche ein exponentielles Wachstum zeige. So „scheint sich in Deutschland derzeit die Zahl der gemeldeten infizierten Fälle etwa alle drei Tage zu verdoppeln“, schrieben sie (16).
Auf den ersten Blick schien die Annahme eines exponentiellen Wachstums tatsächlich zu stimmen, denn die Fallzahlen der positiven Tests auf das Coronavirus SARS-CoV-2 entwickelten sich in der Woche vor dem Lockdown tatsächlich in einer rasanten Dynamik. Das alles konnte man auch aus den täglichen Lageberichten des RKI herauslesen. Nicht informiert wurde die interessierte Öffentlichkeit jedoch über die zur gleichen Zeit ebenfalls rasant angestiegene Anzahl der durchgeführten Tests, die der Zunahme der Fallzahlen zugrunde lag. Diese Information erfolgte erst einige Tage später, als der Lockdown bereits in Kraft getreten war.
Am 26. März veröffentlichte das RKI erstmalig in einer Übersicht die Zahlen der positiven Tests im Zusammenhang mit dem dazugehörigen Basiswert aller durchgeführten Tests. Danach hatte sich die Anzahl der positiv auf das Virus getesteten Personen sprunghaft von 7.582 in der Vorwoche auf 23.820 in der Woche vom 16. bis 22. März erhöht. Ebenso sprunghaft erhöhte sich aber auch die Anzahl der durchgeführten Testungen. Diese stiegen von 127.457 in der Vorwoche auf den Wert von 348.619. Der Anteil der positiven Tests an der Gesamtzahl der durchgeführten Tests hatte sich damit lediglich um 0,9 Prozent gegenüber der vorangegangenen Woche erhöht (17).
Von einer exponentiellen Entwicklung der Fallzahlen in der Woche vor dem Lockdown, die vielfach für dessen Begründung herangezogen wurde, kann also nach Einbeziehung der zunächst verschwiegenen Zusammenhänge keine Rede mehr sein. War es doch in Wahrheit so, dass die Zunahme der Fallzahlen hauptsächlich aus der Zunahme der insgesamt durchgeführten Tests resultierte. In den großen Medien wurde dieser wichtige Sachverhalt allerdings nicht kommuniziert. Das geschah ausschließlich nur in den freien Medien (18).
Die von den Autoren der BMI-Studie erwünschte „Schockwirkung“ in der Bevölkerung war jedoch nicht allein durch die Veröffentlichung bloßer Zahlenreihen zu erreichen. Dazu bedurfte es — nach altbewährter massenpsychologischer Erfahrung — vor allem noch einiger ausdrucksstarker Bilder, die die Gefühle der Menschen direkt ansprechen. Ohne auf die notwendigen Hintergründe und Zusammenhänge hinzuweisen, wurden dann auch wiederholt Aufnahmen von langen Sargreihen, von Leichen transportierenden Militärfahrzeugen sowie von Patienten in überfüllten Intensivstationen der italienischen Krankenhäuser gezeigt.
Die Macht der Bilder (19) verfehlte ihre Wirkung nicht. Sie erhöhte nicht nur die Akzeptanz der einschränkenden Maßnahmen innerhalb der Bevölkerung, sondern schuf vor allem eine Situation der Angst, in der ein kritisches Hinterfragen der sich rasch vollziehenden Vorgänge von der Mehrzahl der Menschen nicht mehr zu erwarten war. Sie fürchteten nach dieser Berichterstattung der Medien um ihr eigenes Leben und um das Leben der ihnen nahe stehenden Menschen.
Die Kanzlerin hatte die Aussagen der Wissenschaft zum Maßstab des Handelns erklärt. Zu den eifrigsten wissenschaftlichen Befürwortern eines strengen Lockdowns gehörte in Deutschland zunächst eine Reihe von Virologen, mathematischen Modellierern und Wissenschaftlern aus den Wirtschaftsinstituten, den Denkfabriken der Wirtschaft. Die Ansichten dieser Lockdown-Befürworter fanden mit Hilfe der großen Medien eine weite Verbreitung, während abweichende Meinungen von diesen Medien nur selten berücksichtigt wurden.
Waren schon an den Prognosen des BMI-Papiers mehrheitlich Wirtschaftswissenschaftler beteiligt, so meldeten sich diese auch nach der Ausrufung des Lockdowns mit einer neuen Modellrechnung wieder zu Wort. In einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung Die Zeit war zu lesen, dass „bei einer ungebremsten Ausbreitungsdynamik nach Berechnungen des RWI — Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung“ sich innerhalb weniger Wochen über 50 Millionen Menschen hätten infizieren können. Damit wäre das Auftreten von mehreren Hunderttausend Todesfällen aufgrund von Covid-19 in Deutschland nicht mehr vermeidbar gewesen.
Die mit dem Lockdown „inzwischen eingeleiteten härteren Maßnahmen“ würden im Erfolgsfall jedoch dazu führen, dass sich die Ausbreitung des Virus deutlich verlangsame: „Modellrechnungen des RWI, die auf den immer deutlicher werdenden Daten zum Schadenspotenzial des Erregers beruhen, zeigen, dass dann nur noch rund 200.000 Covid-19-Todesfälle bis Oktober zu beklagen wären“, schrieben die Wissenschaftler (20).
Im Erfolgsfall der Lockdown-Maßnahmen gäbe es in Deutschland „nur noch rund 200.00 Covid-19-Todesfälle bis Oktober“, so die Ende März gestellte „wissenschaftliche“ Prognose von Wirtschaftswissenschaftlern des RWI — Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Zum Glück haben sich diese Simulationsrechnungen nicht bewahrheitet. Es bleibt aber die Frage nach den Grundlagen und Motiven für die Veröffentlichung derart Angst einflößender und die Menschen tief verunsichernder Aussagen.
In keinem einzigen Land, ob mit oder ohne Lockdown, ist es auch nur annähernd zu den durch mathematische Modelle prognostizierten hohen Todeszahlen gekommen. Auch nicht in den USA. Das Centers for Disease Control and Prevention (CDC), eine Behörde des amerikanischen Gesundheitsministeriums, spricht von nur 6 Prozent der Todesfälle, bei denen Covid-19 als die einzige Todesursache bezeichnet werden kann. Im Durchschnitt hätte es in den USA pro ausgewiesenem Todesfall 2,6 zusätzliche Erkrankungen oder Ursachen gegeben, so die Behörde (21).
Der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel wies im Deutschen Ärzteblatt darauf hin, dass die „exakten Untersuchungen an Toten genaue Daten liefern, die in einer summarischen und oberflächlichen Erfassung von COVID-19-Toten nicht zutage treten. Diese Analysen sind geeignet, einen Gegenpol zu den dramatisierenden Darstellungen in den öffentlichen Medien zu bilden.“ Auch hätte die „sorgfältige Untersuchung der Toten belegt, dass schwerwiegende und tödliche Verläufe der Krankheit in einem nicht überlasteten System von öffentlichem Gesundheitswesen und Krankenhäusern selten sind“ (22).
Schweden, das keinen Lockdown durchführte, verzeichnet zwar — bezogen auf eine Million Einwohner — eine höhere Sterbequote als Deutschland, Österreich und die Schweiz. Das Land nimmt dabei aber keineswegs einen Spitzenplatz in Europa ein. In einigen anderen Ländern, die teilweise sogar einen strengen Lockdown durchführten, ist die Quote höher als in Schweden. Das betrifft Länder wie Belgien, Spanien, Frankreich und England (23).
Situation der Wirtschaft vor und nach dem Ausbruch der Corona-Krise
Ende August 2019 stand in der Süddeutschen Zeitung unter der Überschrift „Abschwung absehbar“, dass derzeit in Deutschland die Zeichen des Arbeitsmarkts auf einen Abschwung hindeuteten und sich die ersten Verteilungskonflikte schon anbahnen würden (24). Die Neue Zürcher Zeitung konstatierte im gleichen Monat ein Schrumpfen der Industrieproduktion und befand, dass „die fetten Jahre der deutschen Industrie“ vorbei seien (25).
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte damals — nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus — „die Wirtschaft befände sich ‚in einer schwierigen Phase’ und die Bundesregierung werde ‚situationsabhängig’ reagieren. Für den Fall einer schweren Rezession bereite die Regierung „ein 50 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket vor“ (26). Im Dezember 2019 sprach das ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in einer Pressemeldung dann schon von einer Rezession in der Industrie. Diese würde bald auch „zunehmend tiefe Spuren auf dem Arbeitsmarkt“ hinterlassen, wobei die Zahl der kurzarbeitenden Personen bereits jetzt über 100.000 liegen würde (27).
Am 11. März 2020, mehrere Tage vor dem Lockdown, berichtete tagesschau.de über die Veröffentlichung eines 15-seitigen Maßnahmenpapiers führender Ökonomen verschiedener deutscher Wirtschaftsinstitute. Darin forderten sie die Politik zum Umdenken und zu einem schnellen Handeln auf, wobei als geeignete Möglichkeiten „die Abkehr von der schwarzen Null, Steuersenkungen oder Staatsbeteiligung an Unternehmen“ genannt wurden (28).
Was die beteiligten Wirtschaftswissenschaftler in ihrem Papier klar und unmissverständlich gefordert hatten, wird „in den nächsten Wochen Regierungspolitik“, so der Tagesspiegel (29). Am 15. März kündigten Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf einer gemeinsamen Pressekonferenz ein Sofortprogramm an, dass sie als „Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen“ verstanden wissen wollten. Auch versicherten sie „nun jedes Mittel einzusetzen und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“ (30).
Bei dem im Mai auf den Weg gebrachten „Corona-Schutzschild für Deutschland“ handelt es sich — nach Aussage der Bundesregierung — „um das größte Hilfspaket in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen beträgt insgesamt 353,3 Milliarden Euro und der Umfang der Garantien insgesamt 819,7 Milliarden Euro“. Als Soforthilfe für Selbständige, Freiberufler und kleine Betriebe sind davon 50 Milliarden vorgesehen. Sie werden einmalig für drei Monate als Zuschuss zu den Betriebskosten gewährt. Neu gegründet wurde auch ein Wirtschaftsstabilisierungsfonds, „der sich insbesondere an große Unternehmen richtet und großvolumige Hilfen gewähren kann“. Dieser fällt entsprechend höher aus und umfasst 100 Milliarden Euro für Kapitalmaßnahmen, 400 Milliarden Euro für Bürgschaften und bis zu 100 Milliarden Euro zur Refinanzierung bereits beschlossener KfW-Programme.
Zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit wurden daneben noch Sonderregelungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld getroffen. Beschlossen wurde eine Erhöhung des Kurzarbeitergeldes, die sich nach der Dauer der Kurzarbeit richtet. Später verabschiedete das Bundeskabinett zusätzlich noch „eine Verlängerung dieser Sonderregeln bis Ende 2021 und eine Erweiterung der Bezugszeit auf 24 Monate“ (31).
Die Sonderregelungen zum Kurzarbeitergeld sollten den Betrieben dabei helfen, ihre Fachkräfte auch in der Krise halten zu können und damit Entlassungen zu vermeiden. Auch waren die Beschlüsse geeignet, um die breite Zustimmung der Beschäftigten zu den Maßnahmen des Lockdowns nicht zu gefährden. Inzwischen mehren sich aber schon die Stimmen, die den Sinn der getroffenen Regelungen anzweifeln und für deren baldige Beendigung eintreten.
So hält der Präsident des einflussreichen Ifo-Instituts, Clemens Fuest, die Verlängerung der Kurzarbeitergeldregelung für einen Fehler (32). Auf diese Weise würden mitunter Jobs erhalten, die später dann doch wegfallen würden. Der Staat könne mit seinen Hilfen zwar Arbeitsplätze erhalten und Unternehmen stützen. Er müsse zugleich aber den notwendigen Strukturwandel zulassen (33). Kurzarbeitergeld sei dann das richtige Instrument, „wenn man weiß, dass die Arbeitsplätze nach der Krise erhalten bleiben. Aber wenn Strukturwandel notwendig ist, hemmt das Kurzarbeitergeld die notwendigen Veränderungen“, so der Wirtschaftsforscher (34).
Auch andere Wirtschaftswissenschaftler sehen die im August erfolgte Verlängerung der milliardenschweren Corona-Hilfen äußerst kritisch. Dazu gehören Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfen für Unternehmen, Aussetzung der Antragspflichten für Insolvenzen sowie erleichterter Zugang zu Grundsicherungssystemen für Soloselbstständige. Man müsse nicht jedes Unternehmen retten, denn „der normale Marktbereinigungsprozess muss weiter funktionieren können“, sagte dazu der stellvertretende Präsident des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung IWH, Oliver Holtemöller (35).
So manches Unternehmen, dem es schon vor der Corona-Pandemie wirtschaftlich schlecht ging, werde nun früher in Insolvenz gehen. Dies sei zwar „für die Betroffenen eine üble Situation, marktwirtschaftlich gesehen aber notwendig“, meint Henning Vöpel, der Direktor des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Instituts (HWWI). Überhaupt seien Krisen dazu geeignet, die Wirtschaftslandschaften zu bereinigen. Auch die jetzige Krise sei — seiner Ansicht nach — „eine Chance, unrentable Geschäftsmodelle zu hinterfragen und zu erneuern. Wir erleben im besten Fall einen Innovationsschub, neue Dynamik“ (36).
Seitens der Wirtschaftswissenschaftler wurden seit einiger Zeit auch schon Forderungen nach einem erneuten Lockdown erhoben. Nach Meinung von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), wäre ein zweiter Lockdown für die deutsche Wirtschaft durchaus „verkraftbar“. So hält Fratzscher auch „das Argument mancher Unternehmer, wir könnten uns keinen zweiten Lockdown leisten, für falsch. Wir müssen ehrlich und offen über einen zweiten Lockdown reden”, so seine Forderung bereits im August dieses Jahres (37). Dabei befürchtete er schon nach dem ersten Lockdown „eine große Pleite-Welle für nächstes Jahr“, nachdem die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen ausgelaufen ist (38).
Als Folge des nun für den gesamten November beschlossenen Teil-Lockdowns rechnet das DIW mit einer weiteren Zunahme der Firmenpleiten, die sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirken und zu einem verstärkten Abbau von Arbeitsplätzen führen werde. Insgesamt schätzt das Institut die wirtschaftlichen Verluste dieses einmonatigen Lockdowns auf mehr als 19 Milliarden Euro (39). Die gewünschte Bereinigung der Märkte kann damit weitergehen.
Die These des gemeinsamen Interesses von Gesundheit und Wirtschaft
Gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) veröffentlichte das ifo-Institut im Mai 2020 eine Studie mit dem Titel „Das gemeinsame Interesse von Gesundheit und Wirtschaft: Eine Szenarienrechnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie“. Das Ziel der Untersuchung bestand darin, „die weitere Bekämpfung der Pandemie tragfähig zu gestalten und ökonomische mit gesundheitlichen Zielen bestmöglich in Einklang zu bringen“ (40).
Bereits einen Tag nach der Veröffentlichung bewertete der Virologe Christian Drosten das Papier in seinem Podcast beim Norddeutschen Rundfunk. Für ihn sei die Studie „von der qualitativen Seite her ein sehr wichtiger Beitrag der Wissenschaft“, betonte er. Dabei müsse man „vor allem eines verstehen: Es gibt nicht kollidierende Interessen zwischen Wirtschaft und Gesundheit, sondern es ist ein gemeinsames Interesse“ (41).
Die Autoren der Studie warnen vor einer zu starken Lockerung der mit dem Lockdown getroffenen Maßnahmen. Kurzfristig würde eine solche Politik zwar mehr Wirtschaftsleistung erlauben, die Phase der damit einhergehenden leichten Beschränkungen aber so sehr verlängern, „dass die Gesamtkosten in den Jahren 2020 und 2021 zusammen betrachtet steigen“. Eine „starke Lockerung“ der Maßnahmen sei deshalb sowohl aus wirtschaftlichem als auch aus gesundheitlichem Blickwinkel „nicht wünschenswert“. Sie würde langfristig zu größeren wirtschaftlichen Nachteilen führen. Abschließend verweisen die Autoren noch auf mögliche quantitative Unsicherheiten ihrer Modellrechnungen und resümieren:
„Die qualitative Aussage, dass eine leichte und schrittweise Lockerung der Beschränkungen sowohl wirtschaftlich als auch gesundheitspolitisch einer schnellen Aufhebung vorzuziehen ist, halten wir aber für robust“ (42).
An der Studie beteiligt war neben Clemens Fuest vom Ifo-Institut auch der promovierte Physiker Michael Meyer-Hermann, der Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Das Ziel der Forschungen dieser Abteilung ist es — nach eigener Aussage —, „das Immunsystem mit Hilfe der Mathematik zu verstehen“ (43). Dabei sollen „experimentelle Daten mit Methoden der Informatik und der Computersimulation analysiert“ werden, um daraus mathematische Modelle zu erstellen und Vorhersagen zu treffen (44). Die Arbeit des HZI wird finanziell von der Bill & Melinda Gates Foundation (BMGF) unterstützt (45).
Meyer-Hermann wurde am 14. Oktober von der Kanzlerin bei ihrem Treffen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder hinzugezogen, um den dort Anwesenden seine Modellierungen vorzustellen. Anschließend äußerte er sich enttäuscht über die Ergebnisse der Zusammenkunft. Ebenso wie die Kanzlerin hatte er sich für strengere Corona-Maßnahmen ausgesprochen. „Die Maßnahmen, die erfolgt sind, sind nicht die, die ich mir erhofft hatte“, bedauerte er (46).
Bereits im April hatte sich Meyer-Hermann in einer Stellungnahme der Helmholtz-Initiative für eine Beibehaltung der zu dieser Zeit geltenden intensiven Kontaktbeschränkungen ausgesprochen (47). In der Presse nannte er damals „jede Form von Lockerung gefährlich“ und wies dabei auch auf einen weiteren Aspekt hin:
„Die Solidarität in der Bevölkerung ist faszinierend. Ich glaube, das kann man nutzen. Eine vorzeitige Lockerung gefährdet den Schulterschluss, den wir jetzt haben“ (48).
Der „Great Reset“ der kapitalistischen Wirtschaftsordnung
Bei den alljährlich in Davos stattfindenden Treffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) handelt es sich um eine Zusammenkunft der internationalen Wirtschafts- und Geldelite mit Politikern und weiteren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Viele der dort anwesenden Entscheidungsträger loben dabei „den ‚Geist von Davos‘ wegen zahlreicher, intimer Treffen auf engem Raum als Ausgangspunkt für bi- und multilaterale Abkommen“. Kritiker — so das manager magazin — werfen dem WEF dagegen vor, „es biete vor allem Mächtigen und Reichen eine weithin abgeschottete Plattform, auf der sie Geschäfte und politische Deals einfädeln können“ (49). Das für Ende Mai 2021 geplante nächste Jahrestreffen steht unter dem Motto: „The Great Reset“.
Die Veranstalter des Forums sehen in der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Krise die seltene Chance zur Durchführung eines „Großen Neustarts“ der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Es geht ihnen dabei um einen fundamentalen Umbruch der gesamten bisherigen Wirtschafts- und Lebensweise, um die weltweite Umsetzung tief greifender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen. Bei den angestrebten Maßnahmen zur Durchsetzung ihrer technokratischen Visionen setzen sie auf einen verstärkten Zentralismus mit stark autoritären Zügen.
Klaus Schwab, der Gründer und Vorstandsvorsitzende des WEF, hat dazu erst kürzlich — zusammen mit Thierry Malleret — ein Buch mit dem programmatischen Titel „Covid-19: Der große Umbruch“ veröffentlicht (50). Für Schwab und Malleret stellt die Coronavirus-Pandemie „einen grundlegenden Wendepunkt“ in der globalen Entwicklung dar. Dabei würden sich gegenwärtig viele Menschen fragen, „wann sich die Dinge wieder normalisieren werden. Die kurze Antwort lautet: niemals. Nichts wird jemals wieder so sein wie zuvor“, so die Aussage der Autoren. Die Zeit für einen Paradigmenwechsel sei jetzt gekommen. Eine neue Welt mit einer neuen Normalität werde in den nächsten Jahrzehnten entstehen (50).
Das Ausmaß der transformativen Kraft der Corona-Pandemie könne mit der des Zweiten Weltkriegs verglichen werden, denn beide hätten „das Potenzial einer transformativen Krise von bisher unvorstellbaren Dimensionen“. Die Pandemie würde auf diese Weise „einen Systemwandel beschleunigen, der sich bereits vor der Krise“ abgezeichnet habe (51). Schon auf dem letzten Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums hatte die deutsche Kanzlerin darauf hingewiesen, dass nunmehr „Transformationen von gigantischem, historischem Ausmaß“ nötig seien. Im Grunde hieße das dann, „die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns im Industriezeitalter angewöhnt haben, in den nächsten 30 Jahren zu verlassen“, so Angela Merkel im Januar 2020 (52).
Die gegenwärtige globale Wirtschaftskatastrophe sei — nach Auffassung von Schwab und Malleret — die größte seit 1945 und in puncto Geschwindigkeit beispiellos in der Geschichte. Ungeachtet dessen hätten „einige der wirtschaftlichen Lehren, die aus historischen Pandemien zu ziehen sind, auch heute noch Gültigkeit, um zu begreifen, was uns bevorsteht“. Dies betreffe auch den Interessenkonflikt zwischen Wirtschaft und öffentlicher Gesundheit. So hätte es früher schon den Verdacht gegeben, dass Handelswege, die vor dem Ausbruch der Epidemie noch Wohlstand schufen, „nun zu giftigen Überträgern wurden“. Die Autoren zitieren dabei zustimmend aus einem Artikel von Simon Schara, der im April 2020 in der Financial Times erschien. Dort heißt es:
„Doch als Quarantänen vorgeschlagen oder verhängt wurden (…), leisteten diejenigen, denen der größte Verlust drohte, nämlich die Händler und an einigen Orten die Handwerker und Arbeiter, gegen das Schließen von Märkten, Messen und Handel heftigen Widerstand. Muss die Wirtschaft sterben, damit sie in robuster Gesundheit wiederaufleben kann? Ja, sagten die Hüter der öffentlichen Gesundheit, die ab dem 15. Jahrhundert Bestandteil des städtischen Lebens in Europa wurden“ (53).
Die Geschichte zeige also, „dass Epidemien die Wirtschaft und das soziale Gefüge der Länder neu konfiguriert haben. Warum sollte es bei Covid-19 anders sein?“, so die Reaktion von Schwab und Malleret auf den Text von Simon Schara. Nach ihrer Auffassung soll der „Great Reset“ des Kapitalismus mit einer gründlichen Marktbereinigung beginnen. Betroffen davon wären vor allem Selbständige, Freiberufler und kleine und mittlere Unternehmen sowie eine hohe Zahl der dort arbeitenden abhängig Beschäftigten.
Unter der Überschrift „WEF — Pandemie beschleunigt Zerstörung von Arbeitsplätzen“ schrieb das Portal wallstreet-online erst kürzlich, dass die Corona-Pandemie „die Veränderung der Jobs und Arbeitsmärkte nach einer Analyse des World Economic Forum (WEF) beschleunigt“ habe. Betroffen sei davon vor allem „die Vernichtung von Arbeitsplätzen durch Automatisierung und Digitalisierung“. So würden den WEF-Analysen zufolge bis zum Jahr 2025 allein in den mittleren und großen Unternehmen „in 26 untersuchten Ländern rund 85 Millionen Arbeitsplätze zerstört“. Verlangsamt habe sich dagegen die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Das WEF gehe aber nach wie vor davon aus, „dass mehr Arbeitsplätze geschaffen als vernichtet werden“ (54).
Schwab und Malleret weisen darauf hin, dass es vor allem „zwei Kategorien von Menschen“ sein werden, die mit einer „besonders düsteren Beschäftigungssituation konfrontiert“ würden: „junge Menschen, die erstmals in den von der Pandemie verwüsteten Arbeitsmarkt eintreten, und Arbeitnehmer, die durch Roboter ersetzt werden können“ (55). So wird sich überhaupt „die Zahl jener dramatisch erhöhen, die nun zu den Arbeitslosen, Besorgten, Unglücklichen, Empörten, Kranken und Hungrigen gehören“.
Als eine der größten Gefahren nach der Pandemie sehen sie deshalb das erneute Auftreten von sozialen Unruhen — „möglicherweise mit erneuerter Stärke“ — nachdem die Einschränkungen der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit aufgehoben sein werden. Es gebe aber auch „politische Instrumente zur Bekämpfung inakzeptabler Ungleichheit“, die „häufig in den Händen der Regierungen“ liegen würden (56).
Der „Great Reset“ und die „digitale Transformation“
Nach Ansicht von Schwab und Malleret hat die digitale Transformation mit der Corona-Pandemie nun auch „ihren Impulsgeber“ gefunden. Ein Haupteffekt der Beschränkungen während der Zeit der Lockdowns wird demzufolge „die entschiedene und häufig dauerhafte Ausweitung und Fortentwicklung der digitalen Welt sein“ (57). Gleichzeitig gäbe es aber auch Befürchtungen, dass man bei der notwendigen Speicherung von Daten gezwungen sein könnte, zwischen der Gesundheit der Bürger und dem Datenschutz abzuwägen.
So scheint das „Contact Tracing“ (Kontaktverfolgung), das eine wichtige Rolle zur Bekämpfung von Covid-19 spielt, gleichzeitig vorbestimmt zu sein, „ein Wegbereiter für Massenüberwachung zu werden“ (58). Auch wird eine freiwillige Contact-Tracing-App nur dann funktionieren, wenn die Menschen dazu bereit sind, „ihre persönlichen Daten der Regierungsbehörde, die das System überwacht, zur Verfügung zu stellen“. Weigert sich dagegen eine Person, „die App herunterzuladen (und damit Informationen über eine mögliche Infektion, Bewegungen und Kontakte zurückhält)“, würde sich dies nachteilig auf alle anderen auswirken (59). Auf ähnliche Weise argumentieren auch die Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht und erhöhen damit bewusst den sozialen Druck auf deren Kritiker.
Die Autoren weisen zudem auf die Tendenz einer wachsenden Zahl von Unternehmen hin, aus rein wirtschaftlichem Interesse „den Gesundheitszustand ihrer Mitarbeiter nachzuverfolgen“ und damit zu einer stärkeren Überwachung überzugehen:
„Wohl oder übel werden die Unternehmen beobachten und manchmal auch aufzeichnen, was ihre Belegschaft tut. Der Trend könnte viele verschiedene Formen annehmen, von der Messung der Körpertemperatur durch Wärmebildkameras bis hin zur Überwachung per App, ob die Mitarbeiter das Social Distancing einhalten. (…) Sie werden Gesundheit und Sicherheit als Rechtfertigung für eine verstärkte Überwachung anführen“ (60).
Wahrscheinlich würden die einmal geschaffenen Überwachungsinstrumente dann auch für die Zeit nach der Krise weiter bestehen bleiben. Das ergebe sich einfach schon daraus, „weil die Arbeitgeber keinen Anreiz haben, ein einmal installiertes Überwachungssystem zu entfernen, insbesondere, wenn einer der indirekten Vorteile der Überwachung darin besteht, die Produktivität der Arbeitnehmer zu überprüfen“ (61).
Nach Auffassung von Schwab und Malleret könnte die Corona-Pandemie „eine Ära der aktiven Gesundheitsüberwachung einleiten“, was ermöglicht würde „durch Smartphones mit Ortungsfunktion, Gesichtserkennungskameras und andere Technologien, die Infektionsquellen identifizieren und die Ausbreitung einer Krankheit quasi in Echtzeit verfolgen“ (62). An anderer Stelle des Buches fordern sie sogar „ein globales Überwachungsnetz“ (63). So wird „der einmal freigelassene Flaschengeist der technischen Überwachung“ dann auch in der Zeit nach der Pandemie „nicht wieder zurück in die Flasche gesteckt werden“ und somit der Gesellschaft noch über eine lange Zeit erhalten bleiben (64).
Wenn nun auch zunehmend vor einem Überwachungskapitalismus gewarnt wird, so würden sich doch „die meisten Menschen, die sich vor Covid-19 fürchten“, fragen:
„Ist es nicht töricht, die Macht der Technologie für unsere Rettung nicht zu nutzen, wenn wir Opfer eines Pandemie-Ausbruchs sind und einer Situation auf Leben oder Tod gegenüberstehen? Sie sind dann bereit, auf viel Privatsphäre zu verzichten und stimmen zu, dass unter solchen Umständen die öffentliche Macht die Rechte des Einzelnen außer Kraft setzten kann“ (65).
Doch welche Pandemie ist mit solch einer Beschreibung eigentlich gemeint? Liefert doch die gegenwärtige Corona-Pandemie bei näherer Betrachtung keinerlei rationale Gründe für derartige Ängste und für einen derart bereitwilligen Verzicht vieler Menschen auf ihre grundlegendsten Persönlichkeitsrechte und Freiheiten.
Einiges davon dürfte allerdings auch Schwab und Malleret noch deutlich geworden sein. Schreiben sie doch — in erstaunlicher Offenheit — auf einer der letzten Seiten ihres Buches, dass die Corona-Pandemie „(bisher) eine der am wenigsten tödlichen Pandemien“ sei, die die Menschen in den letzten 2000 Jahren erlebt haben. Auch würden aller Wahrscheinlichkeit nach „die Folgen von Covid-19 in Bezug auf Gesundheit und Mortalität im Vergleich zu früheren Pandemien relativ gering sein“. Die Corona-Pandemie sei eben anders als vorangegangene Pandemien: „Sie stellt weder eine existenzielle Bedrohung noch einen Schock dar, der die Weltbevölkerung für Jahrzehnte prägen wird“ (66).
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/vereinbarung-zwischen-der-bundesregierung-und-den-regierungschefinnen-und-regierungschefs-der-bundeslaender-angesichts-der-corona-epidemie-in-deutschland-1730934
(2) https://video.bundesregierung.de/2020/03/16/tf2rsx-20200316_l-master.mp4?download=1
(3) https://www.imperial.ac.uk/media/imperial-college/medicine/sph/ide/gida-fellowships/Imperial-College-COVID19-NPI-modelling-16-03-2020.pdf
(4) https://www.gatesfoundation.org/how-we-work/quick-links/grants-database#q/k=Imperial%20College%20London
(5) https://www.imperial.ac.uk/media/imperial-college/medicine/sph/ide/gida-fellowships/Imperial-College-COVID19-NPI-modelling-16-03-2020.pdf
(6) https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/coronavirus-studie-london-101.html
(7) https://www.ndr.de/nachrichten/info/16-Coronavirus-Update-Wir-brauchen-Abkuerzungen-bei-der-Impfstoffzulassung,podcastcoronavirus140.html
(8) https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/2009910/virologe-drosten-es-waere-mit-278-000-corona-todesopfern-zu-rechnen
(9) https://www.ndr.de/nachrichten/info/16-Coronavirus-Update-Wir-brauchen-Abkuerzungen-bei-der-Impfstoffzulassung,podcastcoronavirus140.html
(10) https://de-de.facebook.com/Prof.Dr.Joerg.Meuthen/posts/1577731682375531
(11) https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid-19.html
(12) https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/corona-strategiepapier-szenarien-101.html
(13) https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/203/1920301.pdf
(14) https://fragdenstaat.de/dokumente/4123-wie-wir-covid-19-unter-kontrolle-bekommen/
(15) https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/203/1920301.pdf
(16) https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/corona/szenarienpapier-covid-19.html
(17) https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-03-26-de.pdf?__blob=publicationFile
(18) https://multipolar-magazin.de/artikel/coronavirus-irrefuhrung-fallzahlen
(19) https://www.rubikon.news/artikel/die-macht-der-bilder
https://peds-ansichten.de/2020/04/italien-coronahysterie-medien/
(20) https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-03/corona-vorbeugung-rwi-wirtschaftswissenschaft-strategien
(21) https://www.cdc.gov/nchs/nvss/vsrr/covid_weekly/index.htm?fbclid=IwAR1qC9bXRTmggpniTBAvlzvAZ-wpZdAsCoFlRwiujGQy01DJlvTM6aOr4HQ
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch der Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel:
https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/krankheiten-hamburg-experte-pueschel-zeit-der-virologen-ist-vorbei-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200415-99-704096
(22) https://www.aerzteblatt.de/archiv/214070/Umgang-mit-Corona-Toten-Obduktionen-sind-keinesfalls-obsolet
(23) https://ourworldindata.org/grapher/rate-confirmed-cases-vs-rate-confirmed-deaths?tab=table
(24) https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/arbeitsmarkt-abschwung-absehbar-1.4580297
(25) https://www.nzz.ch/wirtschaft/deutschland-industrie-in-rezession-arbeitsmarkt-ist-noch-robust-ld.1500522
(26) https://www.focus.de/finanzen/boerse/konjunktur/kreise-bundesregierung-bereit-fuer-konjunkturprogramm-bei-schwerer-rezession_id_11046765.html
(27) https://www.ifo.de/node/51031
(28) https://www.tagesschau.de/inland/corona-wirtschaft-107.html
(29) https://www.tagesspiegel.de/politik/urknall-karneval-und-was-dann-geschah-von-heinsberg-zum-deutschland-shutdown-chronologie-einer-jahrhundert-krise/25735032.html
(30) https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/milliardenhilfen-wegen-corono-1730386
(31) https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2020-03-13-Milliarden-Schutzschild-fuer-Deutschland.html
(32) https://www.spiegel.de/wirtschaft/ifo-chef-clemens-fuest-diese-corona-massnahmen-vertraegt-die-wirtschaft-a-7e795187-1f17-4aeb-b45b-ed89f46af6cc
(33) https://www.merkur.de/wirtschaft/ifo-coronavirus-hilfe-verlaengerung-clemens-fuest-geld-writschaft-strukturwandel-kurzarbeitergeld-90029861.html
(34) https://www.idowa.de/inhalt.deutschland-ifo-chef-sieht-koalitionsbeschluesse-zwiespaeltig.010bb15b-e517-41d0-a9ac-077e365ed90d.html
(35) https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/coronakrise-vorsitzende-der-wirtschaftsministerkonferenz-nicht-jedes-unternehmen-wird-es-schaffen/26140068.html
(36) https://www.welt.de/regionales/hamburg/article207187145/Strukturwandel-Wie-der-Coronavirus-die-Marktwirtschaft-durchdringt.html
(37) https://www.rnd.de/wirtschaft/deutsche-wirtschaft-zweiter-corona-lockdown-ware-verkraftbar-sagt-diw-chef-fratzscher-I6ZVCN3QTRC75FE2BJQCJIUSGQ.html
(38) https://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/Wirtschaftsforscher-Zweiter-Lockdown-waere-nicht-unbedingt-ein-Fehler-id58001501.html
(39) https://www.n-tv.de/wirtschaft/Teil-Lockdown-kostet-19-Milliarden-Euro-article22138539.html
(40) https://www.ifo.de/DocDL/sd-2020-digital-06-ifo-helmholtz-wirtschaft-gesundheit-corona_1.pdf
(41) https://www.ndr.de/nachrichten/info/coronaskript196.pdf
(42) https://www.ifo.de/DocDL/sd-2020-digital-06-ifo-helmholtz-wirtschaft-gesundheit-corona_1.pdf
(43) https://www.helmholtz-hzi.de/de/forschung/forschungsschwerpunkte/immunantwort-und-interventionen/system-immunologie/unsere-forschung/
(44) https://www.helmholtz-hzi.de/de/wissen/glossar/entry/systemimmunologie/ (45) https://www.gatesfoundation.org/how-we-work/quick-links/grants-database#q/k=The%20Helmholtz%20Centre%20for%20Infection%20Research
(46) https://www.welt.de/politik/deutschland/article217964824/Corona-Regeln-Meyer-Hermann-enttaeuscht-ueber-neue-Massnahmen.html
(47) https://www.helmholtz.de/fileadmin/user_upload/01_forschung/Helmholtz-COVID-19-Papier_02.pdf
(48) https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2020-04/corona-krise-schulen-kitas-michael-meyer-hermann-lockerungen-leopoldina/komplettansicht
(49) https://www.manager-magazin.de/politik/weltwirtschaftsforum-in-davos-wird-verschoben-a-a95a4df7-2f69-44f2-9403-fd336f53938f
(50) Schwab, Klaus / Malleret, Thierry: Covid-19: Der große Umbruch, Genf 2020, S. 12.
(51) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 18f.
(52) https://www.welt.de/wirtschaft/article205293177/Angela-Merkel-in-Davos-Bundeskanzlerin-wird-wieder-zur-Klimakanzlerin.html
(53) Schwab, Klaus / Malleret, Thierry: Covid-19: Der große Umbruch, Genf 2020, S. 41f.
https://www.ft.com/content/279dee4a-740b-11ea-95fe-fcd274e920ca
(54) https://www.wallstreet-online.de/nachricht/13054488-wef-pandemie-beschleunigt-zerstoerung-arbeitsplaetzen
(55) Schwab, Klaus / Malleret, Thierry: Covid-19: Der große Umbruch, Genf 2020, S. 61.
(56) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 96f., S. 102.
(57) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 179.
(58) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 178f.; S. 191.
(59) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 192.
(60) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 194f.
(61) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 195.
(62) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 197f.
(63) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 37.
(64) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 202.
(65) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 196f.
(66) Schwab / Malleret, a.a.O., S. 296.
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