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Das Empire wankt

Das Empire wankt

Mit seiner verfehlten China-Politik droht den USA eine krachende Niederlage.

von Thomas Hon Wing Polin

Die umfassende US-Kampagne gegen den führenden chinesischen Technologiekonzern Huawei löst sich gerade auf spektakuläre Weise in Luft auf. Der Vorhang für Washingtons geschmackloseste Offensive der jüngeren Geschichte wird bald fallen — darunter waren offene Erpressung, Entführung, Dämonisierung und Einschüchterung von Freunden und Feinden gleichermaßen.

Die ersten Zeichen gab es bereits vor zwei Monaten, als viele Regierungen weltweit verhalten auf Aufrufe der USA reagierten, Huaweis Produkte und Dienstleistungen zu boykottieren. Doch explizite Absagen der treuen US-Verbündeten Deutschland, Großbritannien und Neuseeland ebenso wie vom NATO-Mitglied Türkei vergangene Woche haben die Sache so gut wie besiegelt. (Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13.03.2019; Anmerkung der Übersetzerin) Schließlich folgt kaum ein Land außerhalb des US-dominierten Imperiums den Boykott-Aufrufen.

Selbst 61 Prozent der CNN-Zuschauer halten das scharfe Vorgehen gegen Huawei für politisch motiviert, im Gegensatz zu lediglich 24 Prozent, die Washingtons Behauptung glauben, es ginge „um den Schutz der nationalen Sicherheit“. All das scheint Präsident Trump zu dem Tweet veranlasst zu haben, der Technologie-Wettlauf gegen China sei „durch Wettbewerb, nicht durch das Blockieren derzeit weiter fortgeschrittener Technologien“ zu gewinnen.

Washingtons herbe Niederlage ist auf die engstirnige Selbstüberschätzung führender US-Politiker zurückzuführen, auf ihre absolute Unfähigkeit, sich eine Welt vorzustellen, in der ihr Land nicht länger die Nummer Eins in jedem bedeutenden Bereich ist. Diese Nabelschau hat sie so eingelullt, dass sie nicht gemerkt haben, wie sie von der Geschichte überholt wurden — in Form von Chinas Huawei-Technologien. Es ist schlicht eine Tatsache, so der Huawei-Vorsitzende Ren Zhengfei, dass das chinesische Unternehmen in der Entwicklung von 5G allen anderen weit voraus ist. Jedes Land, das bei der Bereitstellung der bahnbrechenden Kommunikationstechnologie der nächsten Generation nicht auf der Strecke bleiben will, hat kaum eine andere Wahl, als mit Huawei Geschäfte zu machen. Zudem hat das Unternehmen ohne viel Aufhebens die führende Rolle in der Gestaltung der grundlegenden 5G-Bestimmungen übernommen und das weltweit. Wie China selbst kann auch Huawei schlicht nicht aufgehalten werden.

Eine größere Frage liegt dem Kampf um Huawei zugrunde: Wird er zur Suez-Krise des US-amerikanischen Empire? Dieser Wendepunkt im Nahen Osten war 1956 das deutliche Signal für das Ende der jahrhundertelangen Dominanz des britischen Empire über das Weltgeschehen. Amerikas damaliger Präsident Eisenhower verhinderte einen von den Briten geführten Einmarsch in Ägypten, indem er damit drohte, Washingtons beträchtliche Anteile an Pfund-Sterling-Anleihen abzustoßen und dadurch das britische Finanzsystem lahm zu legen. Zwar hat China keine Hinweise darauf verlauten lassen, seinen Vorrat an US-Staatsanleihen verkaufen zu wollen, doch ein solcher Schritt liegt seit langem in der Luft. Nach der Suez-Krise war der Welt klar, dass eine neue Nummer Eins an der Macht war: die Vereinigten Staaten. Im Jahr 1956 tobte der Kampf um das Öl; 2019 geht es um die Technologie.

Schlechte Zeichen für das US-Imperium

Auch in anderen Bereichen sieht es für das imperiale Washington düster aus. Nicht nur lehnen sich die Europäer gegen den Huawei-Boykott auf, die deutsche Regierung liegt in einer wachsenden Zahl von Angelegenheiten mit der Trump-Regierung über Kreuz. Dazu gehören Deutschlands Weigerung, amerikanische F-35-Kampfjets zu kaufen; forcierte Bemühungen zur Schaffung einer europäischen Armee zusammen mit Frankreich; die Festigung der deutschen — und europäischen — Beziehungen zu Russland durch das Verlegen von Pipelines zur Energieversorgung; das Vorantreiben einer eigenständigeren europäischen Außenpolitik; und — so lauten Gerüchte — die endgültige Ausweisung der US-„Besatzungsarmee“ aus Deutschland.

Wenn sie diesen Kurs weiter vorantreibt, darf Kanzlerin Angela Merkel mit stabiler öffentlicher Unterstützung rechnen. Jüngst ergab eine Umfrage, dass 85 Prozent der Deutschen Berlins Beziehung zu den USA als „negativ“ einschätzen. Etwa 42 Prozent der Befragten waren der Ansicht, China sei für Deutschland ein verlässlicherer Partner als die USA; nur 23 Prozent waren der gegenteiligen Meinung. Italien hat — als erster westlicher Staat — angekündigt, offiziell an Chinas Belt-and-Road-Initiative zur Entwicklung von Eurasien teilzunehmen.

Auch in Asien verliert Washington an Boden. Hinter den Kulissen treiben die führenden Politiker Nord- und Südkoreas — nicht der Selbstdarsteller Trump — zunehmende Bemühungen in Richtung Frieden und möglicherweise letztendlich die Wiedervereinigung voran. Dabei werden sie diskret von China unterstützt und angeleitet, insbesondere von Präsident Xi Jinping. Trump hat sein Land weiter raus aus dem Rennen geführt, indem er letzte Woche bei einem mit Spannung erwartetes Gipfeltreffen mit Nordkoreas Präsident Kim Jong Un durch seine unverbesserliche Sturheit für ein frühzeitiges Ende sorgte. Selbst der treue US-Verbündete Japan hat einen Entspannungsprozess mit seinem Erzfeind China angestoßen, während sich das Land gleichzeitig von einem zusehends unberechenbaren Washington distanziert.

Im Nahen Osten bereitet den USA ihr bisher unerschütterlicher Verbündeter Saudi-Arabien zunehmend Kopfschmerzen. Vergangene Woche besuchte der sprunghafte und eigensinnige Kronprinz Mohammed bin Salman Indien und China mit der klaren Absicht, die Abhängigkeit seines Landes von den USA in Sachen wirtschaftlicher Entwicklung und Sicherheit zu verringern.
In den USA selbst sorgen derweil bittere politische Auseinandersetzungen für tägliche Schlagzeilen, zusätzlich angeheizt durch die Kampflustigkeit der Trump-Regierung. Nativismus und Rassismus zeigen in jüngster Zeit immer öfter ihre hässlichen Fratzen.

Ausländische Verbündete geben Contra und tanzen aus der Reihe, während Rivalen auf Kosten der USA an Boden und Einfluss gewinnen. Zuhause jagt die Nation unaufhörlich ihren eigenen Schwanz, selbst während nationale Institutionen zugrunde gehen.
Wie viel länger kann das US-amerikanische Imperium noch bestehen?


Thomas Hon Wing Polin arbeitet seit mehr als dreißig Jahren als Journalist, mit einem Schwerpunkt auf China und Asien. Er war Chefredakteur und Gründer mehrerer englischsprachiger Nachrichtenmagazine wie Asiaweek und Asian Newsweekly. Polin stammt aus Hong Kong und lehrt zeitweise Journalismus an der dortigen Universität.


Redaktionelle Anmerkung: Dieser Text erschien zuerst unter dem Titel „Empire Unravelling: Will Huawei Become Washington’s Suez?“. Er wurde von Melina Cenicero aus dem ehrenamtlichen Rubikon-Übersetzungsteam übersetzt und vom ehrenamtlichen Rubikon-Korrektoratsteam lektoriert.


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