Zahlen und statistische Grundlagen
Die Kultur ist mit 1,2 Millionen Beschäftigten, einem Umsatz von 168,3 Milliarden Euro und einer Bruttowertschöpfung von gut 100 Milliarden Euro die drittstärkste Beschäftigungsbranche in Deutschland. Über Anzahl und Umfang auf Bühnen tätiger Ensembles gibt es bisher keine Gesamtstatistik, ja, aus vielen Bereichen nicht einmal offizielle Zahlen. Abhilfe schaffen wollte hier das 2014 vom Statistischen Bundesamt ins Leben gerufene Projekt „Bundesweite Kulturstatistik“ mit dem Ziel, bis 2022 aufgrund vorhandener Daten aus Kulturverbänden und -institutionen ein statistisches Berichtssystem aufzubauen.
Dazu war schon 2016 ein „Spartenbericht Musik“ erschienen, der allerdings bei Weitem nicht vollständig ist (1). Weitere Zahlen liefert das Statistische Jahrbuch Kultur, Medien, Freizeit vom 30. Oktober 2019 (2). Umfangreiche Statistiken stellt auch das Musikinformationszentrum (MIZ) des Deutschen Musikrats zur Verfügung (3).
Demnach gibt es in Deutschland insgesamt:
- 140 öffentliche Theater mit 838 Spielstätten sowie 210 Privattheater (Stand 2017)
- 17.542 fest angestellte KünstlerInnen an Sprech- und Bühnentheatern (Stand 2017)
- 9.766 Planstellen in 129 Klangkörpern, vertreten durch die Deutsche Orchestervereinigung DOV (Stand Januar 2020)
- 50.942 Ensembles in der katholischen und evangelischen Kirchenmusik mit 913.236 Musizierenden, der größte Teil davon in Vokalchören (Stand 2015)
- 23.905 weltliche Laien-Vokalensembles in Verbänden mit 1.357.268 aktiven Mitwirkenden (Stand 2016)
- 19.830 Laienorchester und Instrumentalgruppen in Verbänden mit 620.800 aktiven Mitwirkenden (Stand 2016)
In Deutschland sind somit etwa 100.000 Ensembles aller Art statistisch erfasst, mit mindestens ebenso vielen angestellten oder ehrenamtlichen LeiterInnen, dazu knapp 30.000 festangestellte Ensemblemitglieder, insgesamt mehrere Millionen aktive Musiker-, Sänger-, Darsteller- und TänzerInnen (Selbstständige, Amateure, Laien) — nach Angaben des MIZ darunter allein mehr als vier Millionen Menschen in über 60.000 Chören und Vokalensembles. Hinzu kommen weitere Millionen Mitarbeitende in Regie, Dramaturgie, Öffentlichkeitsarbeit, Technik, Bühnenhandwerk, Verwaltung und Management sowie indirekt Veranstalter, Agenturen, Kulturmanager, Konzertdirektionen, Druckereien, Musik- und Bühnenverlage.
Keine verlässlichen Statistiken gibt es darüber, wie viele Orchester, Chöre, Instrumental-, Theater- und Tanzgruppen außerhalb von Organisationen an Ausbildungsstätten wie Universitäten, Musikschulen, Erwachsenenbildung, Volkshochschulen existieren und wie viele Menschen darin aktiv sind. Das MIZ schätzt aber allein schon die Anzahl von Kindern und Jugendlichen in Ensembles der allgemeinbildenden Schulen auf weitere 820.000.
All diese Ensembles erarbeiten zumeist mehrere Produktionen im Jahr. Allein die öffentlichen Musiktheater boten bisher jährlich mehr als 12.000 Veranstaltungen — Oper, Operette, Musical, Tanz — an, die Orchester etwa ebenso viele Konzerte, die Sprechtheater insgesamt etwa 120.000, die Chöre gar mehr als 300.000 Aufführungen im Jahr. Allein dies entspricht im Schnitt schon etwa 1.200 Ensemble-Aufführungen pro Tag. Nimmt man den weitaus größeren, den nicht öffentlich geförderten Bereich hinzu, kommt man bundesweit sicher auf mehrere Tausend kommerzielle oder nicht-kommerzielle Ensemble-Aufführungen täglich.
KünstlerInnen und Kulturensembles im Lockdown
Der Beschluss der Regierung vom 22. März 2020, das öffentliche Leben durch Versammlungsverbote, Kontaktsperren und Schließungen öffentlicher Einrichtungen komplett lahmzulegen, traf auch diese mehr als 100.000 Ensembles mit voller Wucht. Millionen Menschen durften daraufhin nicht mehr zu Proben zusammenkommen. Hunderte von Bühnenpremieren, seit Monaten in Vorbereitung und seit Wochen in der Probenarbeit, mussten von heute auf morgen abgesagt werden, ebenso Orchesterprojekte, Konzerte, Tourneen, Wettbewerbe, Lesungen, Filmveranstaltungen. Zehntausende Chöre und KirchenmusikerInnen, die seit Jahresbeginn dabei waren, Passionen und Kantaten für die Osterzeit vorzubereiten, hatten umsonst gearbeitet.
Man muss sich einmal vor Augen führen, was das für alle Beteiligten im Einzelnen bedeutet. Hier ging es nicht darum, nicht mehr zur Arbeitsstätte, ins Homeoffice oder in Kurzarbeit zu gehen. Vielmehr wurde hier eine im Vorfeld über Monate geleistete, gemeinschaftliche, vorbereitende, künstlerische und auch körperliche Arbeit ihres Zieles völlig beraubt — nämlich der Premiere beziehungsweise Aufführung des Theaterstückes, des Balletts, des Oratoriums, der Sinfonie. Das ist für KünstlerInnen, die ihr Talent zum Beruf oder wenigstens liebsten Freizeitvertreib gemacht haben, psychisch enorm belastend, wenn nicht regelrecht traumatisierend.
Außerdem auch: Plakate, Programm- und Werbetexte wurden vergeblich entworfen, geschrieben, gedruckt, verteilt, vergeblich Kostüme genäht oder Kulissen gebaut, und vergeblich war auch alles weitere, was zur Vorbereitung einer künstlerischen Produktion gehört. Finanzielle Vorleistungen für Tausende von Veranstaltungen konnten infolgedessen nicht durch zu erwartende Einnahmen ausgeglichen werden.
Der Schaden geht buchstäblich in die Milliarden.
Im April 2020 stellte sich heraus, dass bundesweit auch der Rest der Saison 2019/20 für sämtliche Kultureinrichtungen und Spielstätten praktisch „gestorben“ war: Da die Politik angekündigt hatte, Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen bis zum 31. August zu verbieten, aber zugleich keinen verbindlichen Termin nennen wollte, wann Spielstätten für unter 1.000 BesucherInnen wieder öffnen dürfen, hatten Veranstalter bald alle Hände voll zu tun damit, Entschädigungsforderungen für Verdienstausfälle und Rechtsansprüche zu prüfen, feste MitarbeiterInnen in Kurzarbeit zu schicken, Werkverträge abzuwickeln und freiberufliche GastkünstlerInnen der ausfallenden Produktionen sich selbst zu überlassen.
Zugleich tröstete man sich damit, zumindest wohl die Saison 2020/21 Anfang Oktober plangemäß beginnen zu können. Auch die Sommer-Kulturfestivals hofften anfangs noch darauf, ab Anfang September planmäßig durchgeführt werden zu können.
Anfang Juni verständigten sich dann die Landesregierungen darauf, Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Gästen nunmehr „mindestens“ noch bis 31. Oktober zu verbieten. Damit wurde aber der Beginn der neuen Saison grundsätzlich infrage gestellt. Das Wort „mindestens“ beflügelt nun Befürchtungen, es könne auch bis Jahresende oder sogar darüber hinaus so bleiben — eine unzumutbare Belastung für Kulturbetriebe, die bis zum Ende des Ausnahmezustands weder Planungs- noch Finanzierungssicherheit haben.
Schockwirkung auf Millionen Kulturschaffende
Etliche freie KünstlerInnen hatten durch den Lockdown von heute auf morgen kein Einkommen mehr und mussten Hartz IV beantragen. Eine betroffene Geigerin aus einem freien Orchester dazu:
„In Ämtern und Behörden interessiert niemand, dass man am Tag allein schon zwei Stunden üben muss, um nur die eigene Berufs- und Spielfähigkeit zu erhalten. Kann sich eigentlich jemand vorstellen, was es für uns bedeutet, wenn wir nicht einmal mehr üben können, weil die Agentur für Arbeit uns mit Terminen und Bürokratie zuballert? Dann wollen die uns in musikfremde Jobs vermitteln, und wenn man die ablehnen muss, nur weil man die eigene Berufsgrundlage nicht aufs Spiel setzen will, drohen die auch noch mit Sanktionen.“
Die meisten Tariforchester mussten ihre Angestellten in Kurzarbeit schicken. Zuschüsse in Höhe von bis zu 200.000 Euro, die Kulturstaatsministerin Monika Grütters 27 freien Orchestern in Deutschland Anfang Juli gewährte — darunter das Freiburger Barockorchester, das Concerto Köln, die Deutsche Kammerakademie Neuss und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen —, dürften angesichts der immensen Verluste durch wegfallende Konzerte, Tourneen, Ton- und Bildproduktionen und damit auch Sponsoreneinnahmen kaum bis Jahresende reichen.
Förderprogramme für KünstlerInnen in Not liefen nur zögerlich an, halfen allenfalls über wenige Wochen hinweg und konnten oft nicht verhindern, dass etliche künstlerische Existenzen — sowohl Personen wie auch Betriebe — bereits nach wenigen Wochen total vernichtet waren.
Insbesondere kleine Bühnen und Ensembles, insoweit sie sich in Vereinen organisiert haben, fielen aus den Coronahilfen heraus. Für Soloselbstständige und Kleinstunternehmer erstattet die Bundesregierung zumeist nur die ohnehin geringen Betriebskosten, was dort einen Verdienstausfall bis zu 90 Prozent bedeutet. Zwar haben einige Länder Soforthilfeprogramme für freie KünstlerInnen eingerichtet, doch reichen die zur Verfügung gestellten Mittel bei weitem nicht für alle. Die bewilligten Summen helfen für wenige Monate und verzögern damit nur die Vernichtung weiterer Existenzen im Kulturbereich.
Seit Beginn des Lockdown haben Veranstalter, Chor- und OrchestermusikerInnen, Tanz-, Theater- und Bühnenensembles sowie Zehntausende von Orchester- und ChordirigentInnen praktisch Berufsverbot.
Ein international bekannter Dirigent beispielsweise, der namentlich ungenannt bleiben möchte, steht im Alter von 77 Jahren nach erfüllter Karriere praktisch vor dem Nichts. Befragt nach den Folgen des Lockdown für ihn, antwortete er:
„Von hundert auf null, alles für mindestens acht Monate abgesagt, außer zwei Konzerten mit Abstandsregeln und fast ohne Publikum. Kein Parsifal in Wien, kein Tristan in New York, kein Bruckner-Zyklus, keine Schöpfung in Tokyo, kein Beethoven in Venedig und so weiter. Es gibt keine Hilfe für Freischaffende, die auf mich zuträfe. Ich bin in psychologischer Behandlung. Nach mehr als acht Monaten Zwangspause werde ich den Beruf aufgeben müssen.“
Fragwürdige Lockerungsbestimmungen
Seit Anfang Juli dürfen Ensembles theoretisch wieder proben und sogar konzertieren. Allerdings gibt es dazu kein bundesweit einheitliches Konzept. Die Regeln sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, widersprüchlich und fallweise absurd. So ist es in Bremen beispielsweise seit dem 14. Juli zwar wieder möglich, dass feste Sportgruppen bis zu 30 Personen — und damit wohl wenigstens auch Tanz- und Ballettgruppen — ohne Einhaltung des Abstandsgebots und ohne Masken trainieren dürfen — für Chöre, Orchester und andere Ensembles gilt der Mindestabstand jedoch weiter. Dabei wäre es bereits ein Segen, wenn zumindest auch Ensembles bis zu 30 Personen endlich wieder ohne Mindestabstand proben oder gar auftreten dürften.
Die Realität für Ensembles sieht in den meisten Ländern heute so aus wie in Bayern, wo allein gut eine Million Profi- und LaienmusikerInnen betroffen sind: Für Bläser und Choristen gilt ein Mindestabstand von je zwei Metern zu allen Nachbarn. Das entspricht einer Fläche von vier Quadratmetern pro Nase. Mit anderen Worten: Ein 50-köpfiger Bläser- oder Vokalchor würde schon einen Proben- beziehungsweise Bühnenraum von 200 Quadratmetern benötigen, eine große Kantorei bereits das doppelte, und 125 Sängerinnen und Sänger würden so viel Platz beanspruchen wie ein Wettkampfschwimmbecken. Man stelle sich nun einmal mit dem inneren Auge einen großen Chor vor, dessen Reihen zwei Meter weit auseinanderstehen und die Lücken zwischen den Singenden fast eine Menschenlänge betragen …
Zwar dürfen alle anderen Musiker im Orchester dann einen kleineren Mindestabstand von „nur“ eineinhalb Metern in Anspruch nehmen, aber dies ist auch noch doppelt so viel Raum wie normalerweise üblich. Hinreichend große Probenräume gibt es nur in Ausnahmefällen, und diese kosten im Zweifelsfall auch noch Extramieten, die die Ensembles meist selbst aufbringen müssten.
Um den Abstandsregeln Genüge zu tun, müssten Bühnen und Probenräume hierzulande zwei- bis viermal größer sein. Das Konzerthaus Berlin zum Beispiel hat im Großen Saal etwa 1.400 Besucherplätze und ein Podium von 210 Quadratmetern. Darauf dürften zur Zeit aber maximal bis zu etwa 50 Musizierende Platz finden. Ensembles sind zudem vor allem darauf angewiesen, aufeinander hören zu können. Wird der Abstand zwischen den Musizierenden zu groß, ist dies nicht mehr gegeben, und ein geschlossener Ensembleklang und Präzision im Miteinander werden unmöglich. Das gesamte Repertoire für größere Besetzungen von Beethovens Neunter und Missa solemnis bis hin zu Sinfonien von Gustav Mahler ist daher während des Ausnahmezustandes praktisch nicht aufführbar — gar nicht zu reden von Musiktheater jeglicher Art: Orchester im Graben wären derzeit undenkbar.
Realitätsferne Hygienekonzepte
Manche der Regeln kann man nur als unsinnig betrachten. So heißt es im Hygienekonzept des Freistaates Bayern:
„Die Zahl der an einer Probe Beteiligten ist nicht mehr beschränkt.“
Muss sie auch nicht — die Abstandsregel und Probenraumfläche geben ja die maximal mögliche Größe des Ensembles vor …
„Jedoch müssen alle, sobald sie sich in geschlossenen Räumen aufhalten, eine Mund-Nasen-Bedeckung (MNS) tragen. BläserInnen und SängerInnen dürfen diese abnehmen, sobald sie ihren Platz eingenommen haben.“
Das hieße dann umgekehrt, alle anderen, die beim Musizieren auch teils intensiv atmen müssen, zum Beispiel aufgrund der Kraftanstrengung am Kontrabass oder Schlagzeug, müssten weiter Maske tragen — und ebenso DirigentInnen, die ja in der Regel auch mit ihrer Mimik arbeiten, und deren sprachliche Hinweise man beim Proben im Ensemble auch deutlich verstehen können sollte, anstatt nun dreimal nachfragen zu müssen, wenn durch die Maske genuschelt wird.
„Querflöten und tiefe Holzbläser sind aufgrund der höheren Luftverwirbelungen am Rand zu platzieren.“
Das ist schon als Begründung physikalischer Unsinn: Die Rohrlänge entspricht bereits der Länge der maximalen Luftsäule zur Klangerzeugung im Korpus des Instruments. Atemluft tritt aus Blasinstrumenten kaum aus. Auch müssen im Orchester bestimmte Instrumente zwingend an bestimmten Stellen sitzen — zum einen da die räumliche Klangwirkung durch die Abstrahlrichtung des Instruments erzeugt wird, zum andern weil man zum Beispiel Flöten, Oboen, Klarinetten und Fagotte, die die Musiziergruppe der Holzbläser bilden, nicht räumlich auseinanderreißen sollte.
Oder auch:
„Das Kondenswasser der Blasinstrumente muss in Einmaltüchern aufgefangen und in geschlossenen Behältnissen entsorgt werden. Keinesfalls darf Wasser aus Tonlöchern und Klappen ausgeblasen werden.“
Sehr praktikabel, wie alle MusikerInnen wissen — zumal in der Regel das Kondenswasser bei geschlossenen Klappen unten aus dem Rohr oder einem Ablassventil geblasen wird und sogleich zu Boden fällt. Und wer hat diese tollen Regeln erdacht? Natürlich die bayerischen Staatsministerien für Gesundheit und Pflege sowie für Wissenschaft und Kunst — und keine Fachleute (4).
Das vermeintliche Infektionsrisiko in Ensembles
In den vergangenen Monaten gab es immer neue Horrormeldungen durch hohe SARS-CoV-2-Positivtestzahlen in Gruppen — zum Beispiel Gottesdienstteilnehmer. Würde man jedoch homogene Gruppen — ob sie sich nun länger gemeinsam in einem Raum aufhalten oder nicht — generell in großer Zahl auch auf andere Keime testen, zum Beispiel durch einen Multi-PCR für Atemwegserkrankungen, würde man, je nach Jahreszeit, immer eine erhebliche Anzahl von verschiedensten Keimen finden. Und wenn man ein Landesparlament oder gar den Bundestag komplett durchtesten würde — was eigentlich lange überfällig wäre und man würde das doch gern wissen —, hätte man mit Sicherheit auch eine erhebliche Anzahl positiver „Coronatests“ …
Allgemein herrscht inzwischen die Befürchtung, in geschlossenen Räumen wäre beim gemeinsamen Musizieren, Singen oder Sprechen das Risiko für eine Tröpfcheninfektion besonders hoch. Demzufolge müsste man eigentlich alle Jahre wieder beobachten, dass in den Wintermonaten Chöre und Orchester gleichsam durch die Grippe entvölkert und in Scharen spielunfähig würden. Dies ist jedoch kaum der Fall — und nicht nur aufgrund der Herdenimmunität bei vielen Atemwegserkrankungen: Im Chor singen in der Regel alle in die gleiche Richtung, nämlich nach vorn.
Man könnte noch nachvollziehen, dass man, wenn nicht in die eigenen Noten, so doch seinem Vorderen versehentlich in den Nacken spuckt, und wenn die Chorreihen zu eng sind und ein Podest stufig ist, landet auch mal ein Tropfen vor dem Gesicht des Vorderen. Doch die Münchner Bundeswehr-Universität hat nach strömungsmechanischen Experimenten bereits am 7. Mai 2020 mitgeteilt, dass die Luft beim Singen sogar lediglich im Bereich von etwa einem halben Meter vor dem Gesicht in Bewegung versetzt würde. Daher sei eine Ausbreitung von Keimen über diese Distanz hinaus „extrem unwahrscheinlich“ (5).
Als gewichtiges Argument zur Aufrechterhaltung der Abstandsregeln gerade für Bühnengruppen gilt die Gefahr einer Virusübertragung durch Aerosole. Leider werden aber „Infektion durch Aerosole“ und „Tröpfcheninfektion“ oft in einen Topf geworfen, obwohl dies zwei völlig verschiedene Dinge sind.
Die Tröpfcheninfektion ist der Hauptübertragungsweg bei Atemwegserkrankungen. Dabei werden infektiöse Körperflüssigkeiten — „Tröpfchen“ aus Schweiß, Speichel, Sekret, Sputum — durch Körperkontakt oder direktes Anhusten/Anniesen übertragen. Um dies zu unterbinden, reichen die altbekannten Schutzmaßnahmen völlig aus.
„Aerosole“ sind hingegen feste Schwebteilchen wie Feinstaub oder Pollen — daher das Wort aus dem Griechischen, das so viel wie „Festes in der Luft“ bedeutet. Dieser Unterschied ist zumindest dem Deutschen Chorverband bekannt, der in seinen Empfehlungen für ein Hygienekonzept ausführt:
„Zwischen allen SängerInnen ist ein Abstand in alle Richtungen von immer mindestens zwei Metern einzuhalten (das sind vier Quadratmeter/SängerIn). Dadurch kann jedoch lediglich eine Tröpfcheninfektion verhindert werden. Eine Gefahr durch Aerosole, die beim Singen in geschlossenen Räumen abgegeben werden, besteht auch bei Einhaltung der Abstandsregel“ (6).
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat freilich bisher immer betont, es gebe keinerlei Belege für eine Übertragung von SARS-CoV-2-Viren durch Aerosole. Zahlreiche Studien wie die deutsche Heinsberg-Studie kamen zum gleichen Ergebnis. Allerdings wollten dies angesichts der vermuteten Infektionsgefahr durch Aerosole in geschlossenen Räumen 239 Forscher und Mediziner nicht hinnehmen und verfassten Anfang Juli einen Offenen Brief an die WHO. Diese überarbeitete daraufhin ihre Richtlinien, wie Der Spiegel am 10. Juli 2020 berichtete — mit der suggestiven Überschrift „Coronavirus: WHO erkennt Aerosol-Übertragung an“ (7).
Allerdings tut genau dies die WHO aber gar nicht: Lediglich könne „nicht ausgeschlossen werden, dass das Virus in bestimmten Situationen, etwa beim Aufenthalt in geschlossenen, überfüllten und schlecht belüfteten Räumen für eine längere Zeit, übertragen werden kann“, teilte die WHO laut Spiegel mit.
„Es könne aber ebenso sein, dass in den untersuchten Szenarien die Übertragung stattgefunden habe, weil die Handhygiene missachtet oder keine Masken getragen wurden.“
Mit anderen Worten: Nach wie vor gibt es keinen Beweis für eine SARS-CoV-2-Übertragung durch Aerosole, wie auch die aktuellen Empfehlungen der WHO bestätigen (8).
Dass Der Spiegel hier bewusst die Fakten verdreht, beweist eine sprachliche Volte, die wieder einmal direkt aus dem Wahrheitsministerium von George Orwell kommen könnte. Genauso wie früher aus „Spurengasen“ erst „Treibhausgase“ und jüngst gar „Klimagase“ wurden, werden nunmehr „Aerosole“ quasi umdefiniert als „sehr viel kleinere Partikel, die beim Sprechen, Atmen oder Singen ausgestoßen werden, sie sind so leicht, dass sie für einige Zeit in der Luft schweben können.“ So werden „Tröpfchen“ einfach zu „Aerosolen“, wird aus einer „Tröpfcheninfektion“ plötzlich eine durch „Aerosole“. Damit liefert man dann eine pseudowissenschaftliche Begründung in Neusprech für die Notwendigkeit großer Abstände, insbesondere in Chören.
Eine Woche zuvor hatte Der Spiegel bereits wie folgt manipulativ berichtet:
„Neben größeren Tröpfchen, die beim Niesen und Husten aus Mund und Rachen entweichen, gelten Aerosole inzwischen als eine wichtige Infektionsquelle. Die feinen Teilchen entweichen beim Atmen und Sprechen aus Mund und Nase und schweben lange in der Luft. (…) Forscher um Matthias Echternach vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben vom 20. bis 26. Mai zehn Sängerinnen und Sänger vorgegebene Liedpassagen in unterschiedlicher Lautstärke singen und sprechen lassen.
Mit Hochgeschwindigkeitskameras untersuchten sie, wie viele Tröpfchen dabei den Mund verließen. Analysen mit Weisslicht verrieten zudem die Ausbreitung feiner Schwebeteilchen, die beim Singen ebenfalls in die Luft gelangen, sogenannter Aerosole. Dazu atmeten die Testpersonen vor ihrer Gesangsprobe mit einer E-Zigarette eine Lösung ein. Sie machte die ausgestoßene Flüssigkeit im weißen Licht sichtbar.“
Also doch Tröpfchen, die „im weißen Licht sichtbar“ wurden, und keine Aerosole? Selbstredend kam dies Experiment zu größeren Abstandsempfehlungen als die Studie der Bundeswehr-Universität: obrigkeitskonforme eineinhalb Meter zu den Nachbarn und zwei Meter nach vorne (9).
Nun könnte man natürlich darüber streiten, ob ein kleiner, verfestigter Schleimbatzen noch ein „Tröpfchen“ oder schon ein ‘Aerosol’ wäre. Aber es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet dieser Versuch die Maskenpflicht ganz nebenbei einmal mehr ad absurdum geführt hat, wie Der Spiegel weiter berichtete:
„Im öffentlichen Raum sollen Masken verhindern, dass unbemerkt Infizierte Teilchen (?) in großem Maß abgeben. Zwar hätten Tests mit chirurgischem (!) Mund-Nasen-Schutz gezeigt, dass Tröpfchen beim Singen vollständig und Aerosole zum Teil abgefangen würden, erklärt Stefan Kniesburges vom ebenfalls an der Untersuchung beteiligten Universitätsklinikum Erlangen. Ein Teil der Aerosole sei oben und an den Seiten der Maske aber ,strahlartig ausgetreten’.“
Wenn dies schon bei einem „chirurgischen Mundschutz“ der Fall ist, was passiert dann wohl unter einer selbst genähten Stoffmaske …?
Ensembles und KünstlerInnen: langfristige Schäden
Die Kulturverbände befürchten zunehmend eine Beschädigung, wenn nicht gar Vernichtung der Ensembles in der Breite. So berichtete der MDR am 12. Juni, der thüringische Chorverband rechne damit, dass „viele Chöre die Zwangspause nicht überleben. (…) Sämtliche Chöre mussten ihre Probenarbeit einstellen. Kein gemeinsames Singen mehr, und überhaupt, kein regelmäßiges Treffen mehr. Der von vielen Sängerinnen und Sängern geschätzte soziale Kontakt mit anderen Chormitgliedern brach weg. (…) In den meisten Chören wurde viel über Internetproben diskutiert. Letztlich aber, sagt Josephine Heurtel vom Chorverband, sei ,nur ein Bruchteil der Mitglieder den digitalen Weg gegangen’, vor allem jene Chöre mit jüngeren Sängern oder ,einige technisch neugierigere Chöre’. Viele ältere Menschen hätten jedoch kaum die entsprechende Technik oder überhaupt Lust, sich in diesem Zusammenhang damit zu beschäftigen“ (10).
Unterdessen werden die wirtschaftlichen Folgen der Lockdown-Maßnahmen immer schlimmer eingeschätzt — von einer enormen Anzahl von Insolvenzen über Massenarbeitslosigkeit bis hin zu einem seit 1929 nicht mehr dagewesenen Crash der Weltwirtschaft, den manche Fachleute schon im kommenden Herbst erwarten.
Die Zahlen aus dem zweiten Quartal 2020 sind bestürzend: Die US-Wirtschaftsleistung ist um mehr als 30 Prozent abgestürzt, die deutsche um mehr als 10 Prozent. Mithin wäre es blauäugig, davon auszugehen, dass die Kultur hier ungeschoren davon käme oder sich später in kurzer Zeit wieder erholen könnte.
Zur Zeit scheinen aber auch im Kulturbereich die meisten noch davon auszugehen, dass sich nach dem Jahreswechsel die Verhältnisse weitgehend normalisiert haben werden. In den Leitmedien ist daher wenig zu lesen über Proteste aus Kulturkreisen gegen Abstandsregeln und Maskenpflicht. Auch in den bekannten Fachzeitschriften und Magazinen findet man zwar Berichte über die negativen Folgen, aber kaum fundamentale Kritik an den staatlichen Lockdown-Maßnahmen — eher im Gegenteil.
Zur Vorbereitung dieses Beitrags hat der Verfasser 100 ihm bekannte Kulturakteure angeschrieben — DirigentInnen, Kirchenmusiker-, Orchestermusiker-, Bühnenkünstler-, Chorleiter-, Sänger-, IntendantInnen und Veranstalter — mit der Bitte, sich zu Aspekten der Lockdown-Auswirkungen für sie zu Wort zu melden.
Das ernüchternde Resultat: Es kamen drei Abwesenheitsnotizen; drei Personen wollten sich gar nicht äußern; drei weitere stellten ein Statement in Aussicht, das aber dann doch nicht mehr kam; eine Person gab Antworten, wollte aber nicht namentlich genannt werden; und ganze zwei teilten ihre Ansichten mit. 88 Prozent der Angeschriebenen hielten ein Feedback entweder für überflüssig oder aus welchen Gründen auch immer unangebracht. Dies entspricht dem gefühlten Eindruck, dass es der Regierung mit ihrer Angstkampagne weitgehend gelungen ist, Proteste mundtot zu machen.
Die Antworten der beiden Mutigen — der Dirigent Florian Ludwig und der Chorleiter Gerhard Fassbender — seien daher nachfolgend dokumentiert:
Wie hat der Lockdown vom 22. März Ihre eigenen künstlerischen Projekte und Planungen beeinflusst?
Ludwig: „Es waren viele Absagen zu beklagen. Allerdings hatte ich zum großen Teil Glück, weil die Veranstalter vor allem in Richtung Verlegung denken. Ein Veranstalter hat darüber hinaus sogar das Honorar ausbezahlt, ohne dass die Veranstaltung stattfinden konnte. Einige Veranstaltungen sind bereits mit neuen Terminen versehen. Manches bleibt ungewiss.“
Fassbender: „Es ist ein Elend, staatlich verordnetes Nichtstundürfen auszuhalten. In diesem Sinne fürchte ich, noch eine längere Zeit Trübsal blasen zu müssen, anstatt Gesangsproben abzuhalten.“
Wie wirken sich insbesondere das Verbot von Großveranstaltungen, die Beschränkung von Besucherzahlen, Abstandsregeln und Hygienevorschriften auf Ihren Arbeitsalltag aus?
Ludwig: „Für mich persönlich ist dies die schwerwiegendste Veränderung. Mein Beruf, der zwar außer bei den SängerInnen auf der Bühne, keine große körperliche Nähe erfordert, der aber dennoch ohne gemeinsames Atmen nicht oder bei den gegebenen Abständen nur unbefriedigend funktioniert, der zudem vor allem auf größere Ensembles angewiesen ist, kann unter diesen Umständen nicht zur Entfaltung kommen. Alles bleibt konstruiert, Stückwerk und im höchsten Masse unbefriedigend. Das gilt auch für die unterrichtende Tätigkeit. Nicht verschweigen möchte ich jedoch, dass gerade hier die Situation auch bisher brachliegende Möglichkeiten geschaffen hat. Höchst unangenehm empfand ich dabei die in Deutschland nach wie vor herrschende digitale Steinzeit.“
Fassbender: „Die Lage der Musikbranche (Orchester, Chöre et cetera) ist desaströs. Die wenigsten Chorleiter haben Erfahrungen mit digitalen Proben. Wobei solche Übungen auch nach meinem Ermessen wenig bringen. Es fehlt das gemeinsame Erlebnis, das eine Chorarbeit ausmacht.“
Wie kommen Sie wirtschaftlich und persönlich/seelisch mit dem Lockdown beziehungsweise den Corona-Anordnungen zurecht?
Ludwig: „Aus einer Situation wirtschaftlicher Sicherheit heraus war und ist die Krise für mich zu verkraften, künstlerisch aber, und damit seelisch, fühle ich mich regelrecht amputiert. DirigentInnen sind momentan de facto mit einer Art Berufsverbot bedroht, dabei denke ich vor allem an ChorleiterInnen, aber auch an die momentane Einschränkung des spielbaren orchestralen Repertoires auf Werke, die präcoronär eher Randerscheinungen waren. Diese Situation empfinde ich als bedrohlich. Auch wenn ich viele der Maßnahmen mit voller Überzeugung mittrage, so wächst in mir mit Fortdauer der Ereignisse das Unverständnis bezüglich der Behandlung der Soloselbstständigen und der kulturellen Institutionen. Hier existiert dringender Handlungsbedarf.“
Fassbender: „Als Chorleiter, der seit März zwei Chöre auf Eis liegen hat, bin ich stinksauer, wie man mit den Musikschaffenden umgeht. Da diese aber wohl nicht systemrelevant sind, regt sich auch kaum Widerstand gegen die drastischen Beschränkungen im Musikwesen.“
Was würde es für Ihre Arbeit und Ihr Leben bedeuten, wenn die Abstands- und Hygienevorschriften und Publikumseinschränkungen auch über den 31. Oktober 2020 hinaus auf unbestimmte Zeit weiter gelten würden?
Ludwig: „Das wäre für mich eine nicht akzeptable Situation, falls die Infektionszahlen bis dahin stabil bleiben. Auch im anderen Fall wäre es schwer zu ertragen, aber wenigstens zu begründen. Die Wichtigkeit der Kultur für unsere Gesellschaft und die wirtschaftliche Not vieler Kulturschaffender muss in der öffentlichen Debatte deutlicher werden und Konsequenzen haben.“
Fassbender: „Solange ein bestimmter Virologe mittels Aerosolen zum Beispiel den Gesangsbereich total abgewürgt hat (ob der Mann Beweise für seine These hat, ist mir nicht bekannt), sind die Aussichten auf ein baldiges Ende des Gesangsverbots nicht in Sicht. Und die mickrigen Lockerungen (Proben im Freien!) oder mit nur wenigen Sängern sind eher eine Farce als eine brauchbare Lösung. Man müsste vielleicht versuchen, bundesweit Petitionen auf die Beine zu stellen, um den Verantwortlichen das Elend der Musikschaffenden nahezubringen.“
„Pandemiefall“ als Dauerzustand?
Warum beim Gruppensport oder in Schulen demnächst keine Abstandsregeln mehr gelten sollen, auf der Bühne beziehungsweise beim Proben aber schon, ist für viele Kulturakteure kaum einsehbar: Wenn Ensembles nicht bald wieder regelmäßig und unter normalen Bedingungen proben dürfen, können sie ihr künstlerisches Niveau langfristig nicht halten.
Profi-Ensembles haben es da nur etwas besser, weil sie geschulter sind. Die gut 60.000 Chöre hingegen müssten aber nach mehreren Monaten Zwangspause praktisch komplett neu aufgebaut werden.
Geradezu verheerend wäre eine weiter andauernde Begrenzung bei der Besucherzahl: Selbst wenn man jeden zweiten Besucherplatz freilassen würde, um Abstand zum Nachbarn zu wahren, würden sich viele Veranstaltungen schlicht nicht rechnen und wären nicht mehr durchführbar. Das würde nicht nur professionelle Veranstalter, Konzerthallen oder Theater in den Ruin treiben: Selbst noch ein Brahms-Requiem oder ein Händel-Messias mit einer 100-köpfigen Kantorei und kleinem Orchester in einer mittelgroßen Stadtkirche würden so praktisch auf lange Sicht unmöglich.
Die Intendantin der Berliner Philharmoniker, Andrea Zietzschmann, meinte dazu noch im Juni im Gespräch mit dem Tagesspiegel:
„(Wir) hoffen darauf, dass wir im August mit unserem geplanten Programm beginnen können — und auch mit möglichst viel Publikum. Das würde aber bedeuten, dass die gegenwärtigen Abstandsregeln fallen müssten. In Österreich spielen die Orchester mit einem Mindestabstand von nur einem Meter. Die Wiener Philharmoniker spielen ohne Abstand mit Coronatests für das ganze Orchester. Wir sind hier mit vielen intensiv im Gespräch. Wir haben ja selbst eine Studie bei der Charité in Auftrag gegeben, die die Aerosolbildung bei Bläsern untersuchte.
Wir können nicht verstehen, dass Tourismus oder Gastronomie ganz anders behandelt werden als Musikveranstalter. Dass Konzerthäuser gefährlicher sein sollen als Gaststätten, leuchtet mir nicht ein. (…) Warum gibt es beispielsweise für die Bahn und das Flugzeug Freigaben und für uns so harte Auflagen? Auf der Basis der jetzigen Vorschriften in fast allen Bundesländern kann man die Konzerthäuser nur zu rund 20 Prozent besetzen. Das ist weder für das Publikum noch für das Orchester ein schönes Erlebnis. Wirtschaftlich kann sich das natürlich nicht tragen“ (11).
Leider gibt es aber für Wünsche aus der Kultur nach Lockerungen und Ausnahmen bei den Abstandsregeln nur wenig Rückhalt in der Politik. Zwar plädiert Kulturstaatsministerin Monika Grütters für eine solche Lockerung bei den Kinos, um eine Pleitewelle in dieser Branche zu verhindern:
„Die Corona-Abstandsregel von 1,50 Meter ist ein Problem, weil die Säle zu großen Teilen leer bleiben müssen. (…) So könnte — wie das bereits andernorts praktiziert wird — zum Beispiel jede Reihe versetzt gefüllt werden. Andernfalls sind nur ein Drittel oder sogar nur ein Viertel der sonst üblichen Zuschauerzahlen möglich“ (12).
Doch sprach sie explizit nur über Filmtheater, nicht aber Theater, Konzerthäuser, Stadthallen und anderen Veranstaltungsorte bis hin zu Fußballstadien, die aber doch gleichermaßen davon betroffen und in ihrer Existenz bedroht sind.
Immer mehr spricht dafür, dass auch mittelfristig — also bis 31. Oktober oder wenigstens 31. Dezember 2020 — die Politik gar nicht daran denkt, zum Normalzustand zurückzukehren und die Pandemie für beendet zu erklären. Im Gegenteil: Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat am 14. Juli voller Stolz ein „Rettungs- und Zukunftsprogramm NEUSTART KULTUR“ bekannt gegeben, in dem unter Anderem 250 Millionen Euro bereitgestellt werden sollen, um vor allem „investive Schutzmaßnahmen, wie Sicherungsmaßnahmen in Kassenbereichen, Ertüchtigung von Lüftungsanlagen oder Sanitärbereichen in den Kultureinrichtungen“ zu unterstützen.
Förderanträge können bis zum 31. Oktober des Jahres eingereicht werden. Schon hieraus wird ersichtlich, dass offenbar die Bundesregierung schon länger dazu entschlossen ist, den Ausnahmezustand auch über dieses Datum hinaus aufrecht zu erhalten. Warum sagt man dies der Bevölkerung eigentlich nicht?
Staatsministerin Grütters erklärte dazu so abgründig wie doppelzüngig:
„Mit den Geldern für coronabedingte Umbaumaßnahmen wollen wir die kulturellen Einrichtungen wieder fit machen für den Betrieb unter Pandemiebedingungen.“
… eben! Und:
„Mit großen Schritten wollen wir die Kulturlandschaft in Deutschland hin zu mehr Normalität führen“ (13).
Notabene: zu mehr Normalität, nicht zurück in die Normalität.
Und: Wann darf man damit rechnen, dass auch im Kulturleben wieder Normalität einkehrt und Besucherbegrenzungen, Abstandsregeln und Maskenpflicht enden?
Im Eckpunktepapier des Koalitionsausschusses „Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“ vom 3. Juni 2020 hat die Regierung diese Frage leider beantwortet. Auf Seite 14 unter Punkt 53 heißt es unmissverständlich:
„Die Corona-Pandemie endet, wenn ein Impfstoff für die Bevölkerung zur Verfügung steht.“
Daraus folgt: Bis zumindest diesem Zeitpunkt werden die Menschen immer weiter gezielt über das Gefährdungspotenzial von SARS-CoV-2 desinformiert werden, und der Staat wird alles tun, die Zwangsmaßnahmen so weit wie möglich beizubehalten. Bis dahin wäre dann unsere früher so lebendige Kultur wohl Geschichte ... (14).
Andauernde Schockstarre?
Die Schockstarre der Kulturszene mag anfangs noch verständlich gewesen sein. Warum aber inzwischen weite Teile ihrer Protagonisten offenbar immer noch nicht begriffen haben, dass es ihnen allmählich an den Kragen geht, wird zunehmend unverständlich.
Wo bleibt der Widerstand dagegen? Der Lockdown beruhte offensichtlich auf einer irrationalen Panikreaktion der Politik bei Grundannahmen, die sich aber schon Mitte April als völlig haltlos herausgestellt hatten.
Das geleakte Strategiepapier aus dem Bundesinnenministerium (BMI) vom 22. März 2020, in dem Lobbyisten als externe Berater durch surreale Worst-Case-Szenarien ein regelrechtes Drehbuch zur Verängstigung der Bevölkerung geliefert hatten, war in Details an Zynismus und Widerwärtigkeit kaum zu überbieten (15).
Zumindest die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte bereits am 2. April 2020 kritisch darüber berichtet (16). Empörung darüber gab es freilich kaum: Die Medienlandschaft war weitgehend auf Regierungskurs eingeschworen, die eingeschüchterte Bevölkerung bereits traumatisiert und so in weiten Teilen mundtot gemacht.
Spätestens Mitte Mai konnte man sich aber zumindest dank einiger weniger Medien ein Bild von den Folgen machen (17): Stephan Kohn, hoher Beamter der Abteilung Krisenmanagement des BMI, hatte am 7. Mai 2020 — wie es seinem Aufgabenbereich entsprach — eine Bewertung der Corona-Regierungsmaßnahmen vorgelegt, deren Fazit vernichtend ist: Es habe sich um einen regelrechten „Fehlalarm“ gehandelt; die Zwangsmaßnahmen seien nicht länger zu rechtfertigen, ihre Folgeschäden verheerend. Kohn wurde infolgedessen von seinen Aufgaben entbunden, die Brisanz des Berichtes in den Medien bis zur Bedeutungslosigkeit heruntergespielt. Die richtigen Konsequenzen hat die Politik daraus bis heute nicht gezogen.
Obwohl die „Covid-19-Epidemie“ eigentlich schon seit Mitte April vorbei ist (18), hält die Regierung die Bevölkerung seither mit immer neuen Zumutungen im Schockzustand. Die Maskenpflicht — obwohl in ihrer präventiven Wirkung wissenschaftlich höchst umstritten — wird mit immer neuen, immer absurderen Begründungen aufrecht erhalten.
Das muss auch so sein: Man stelle sich vor, die Maskenpflicht würde mit sofortiger Wirkung aufgehoben — dann würde doch kaum mehr jemand glauben, es läge eine Bedrohung vor …?!
Selbstentlarvend war diesbezüglich ein Interview, das der österreichische Gesundheitsminister Rudolf Anschober der Nachrichtensendung ZIB 2 (ORF) Ende Juli gab, in dem er sagte:
„Es geht bei der Maskenpflicht auch um einen psychologischen Effekt. Das deutlich gesunkene Risikobewusstsein muss wieder gesteigert werden.“
Klarer kann man als Politiker kaum ausdrücken, worum es eigentlich geht: Die Maske ist ein Unterwerfungssymbol der Staatsräson unter dem Deckmantel von Solidarität und Gesundheitsschutz (19).
Noch absurder: Anschober sprach dabei auch von einer derzeitigen „bedrohlichen Zunahme des viralen Hintergrundrauschens“, zum Beispiel „durch Rhinoviren“. Das sind übrigens die, die einen gewöhnlichen Schnupfen verursachen …
Offizielle Stellen erwecken in vielen Ländern immer weiter den Eindruck einer Gefahrenlage durch SARS-CoV-2, die so gravierend wie anfangs befürchtet aber wohl nie bestanden hat. Möglich wurde dies schon 2009, als die WHO entschied, die strengen Kriterien zur Definition einer Pandemie entscheidend zu lockern. Seitdem kann jede vergleichsweise harmlose Krankheit bei hinreichender Häufung von Fällen zu bestimmter Zeit an bestimmtem Ort zur Epidemie beziehungsweise länderübergreifend zur Pandemie werden, wobei die Höhe der Sterbequote durch die Erkrankung keine Rolle mehr spielt (20).
Aufgrund der anhaltenden Desinformation durch die Medien sind viele Menschen immer noch nicht ausreichend über die Hintergründe der neuen Erkrankung informiert. Dazu zählen natürlich auch die Angehörigen der Kulturszene in Deutschland.
Covid-19 in Deutschland: einige Fakten
Um besser nachvollziehen zu können, auf welcher dürftigen Faktenlage gerade Abermillionen Einzelschicksale, weite Teile der Wirtschaft und auch der Kultur geopfert werden, hier noch einmal einige bezüglich Covid-19 in Deutschland wohl unbestreitbare Tatsachen:
- Die zahlreichen verwendeten PCR-Testkits sind bis heute nicht offiziell validiert und werden nur aufgrund des angeblichen Notfalls hingenommen.
- Eine Anfang Mai veröffentlichte Studie der Gesellschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien e.V. (INSTAND) bestätigte anhand eines bundesweiten Ringversuchs, dass wenigstens 1,4 Prozent der Tests falsch positiv anschlagen, auch wenn die Getesteten gar nicht infiziert sind. Selbst Bundesgesundheitsministerium und Robert Koch-Institut räumen daher notgedrungen inzwischen Fehlerquoten zwischen 0,6 und 1 Prozent ein. Internationale Studien kamen sogar zu Fehlerquoten von 30 bis 50 Prozent (21, 22).
- Bei den PCR-Tests ist nur eine einzige abgefragte Sequenz (ORF1) allein typisch für SARS-CoV-2, darüber hinaus aber eine weitere Sequenz (E) für alle humanen Coronaviren (HCoV-HKU1, HCoV-OC43, HCoV-NL63, HCoV-229E, MERS, SARS-1).
- Auf Empfehlung der WHO geben die Labore aber seit April alle Tests bereits dann als „insgesamt SARS-CoV-2-positiv“ heraus, wenn nur eine der beiden Sequenzen positiv ist. Jeder „positive Test“ kann also ebenso gut auch nur positiv auf andere Coronaviren sein, wenn bereits allein die E-Sequenz positiv ist, denn beide Sequenzen werden nicht voneinander getrennt im Resultat ausgewiesen. Dadurch gelten nun alle mit irgendeinem Coronavirus Infizierten inzwischen als „SARS-CoV-2-positiv“! Und so mutiert dann auf einmal die gerade aktuelle Erkältung durch HCoV-NL63 zur „zweiten Corona-Welle“ … (23, 24, 25).
- Die US-Gesundheitsbehörde (CDC) teilte mit, dass bei den meisten Covid-19-Patienten 10 bis 15 Tage nach der Infektion keine infektiösen Virusbestandteile mehr zu finden sind. Die SARS-CoV-2-PCR-Kits reagieren aber noch bis zu drei Monate nach der Infektion auf nicht-infektiöse RNA-Fragmente positiv. Dadurch werden viele, die die Infektion bereits überstanden haben und längst nicht mehr ansteckend sind, positiv getestet. Dadurch kommt es zu zahlreichen Quarantäne-Fehlalarmen (26).
- Es besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen Infektion und Erkrankung. Dies ist besonders bei SARS-CoV-2 von Bedeutung, da der größte Teil der Infizierten gar nicht oder leicht erkrankt. Es werden jedoch nur die (unzuverlässigen) Positiven-Zahlen veröffentlicht.
- Alle, die zwar positiv getestet, aber nicht erkrankt waren, werden in offiziellen Berichten bei den „Gesundeten“-Zahlen eingerechnet, was indirekt eine vorherige „Erkrankung“ unterstellt.
- Nicht unterschieden wird, ob der Tod durch oder mit SARS-CoV-2 erfolgte. Auf Wunsch des Robert Koch-Instituts werden sogar Menschen, die eine Infektion vor Monaten überstanden haben und an etwas völlig anderem gestorben sind, statistisch als „Covid-19-Tote“ erfasst. Nach dieser „Logik“ wäre ein Herzinfarkt-Toter, der irgendwann zuvor einmal einen Lippenherpes hatte, ein „Herpes-Toter“ … (27).
Zahlreiche AutorInnen kamen aufgrund solcher Fakten zu dem Schluss, dass die fortgesetzte Manipulation durch das RKI und verschiedene Medien das weit geringere Ausmaß der neuen Erkrankung massiv verschleiert (28). Nicht die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus in Deutschland wäre besorgniserregend, sondern mehr noch die anhaltende Panikmache durch immer stärkere Ausweitung der Tests bei ungefähr gleich bleibenden Positivraten, die im Juli 2020 nur noch den offiziell eingestandenen Fehlerquoten der Tests entsprochen haben (29).
Swiss Policy Research stellte unter anderem fest:
„Laut den neuesten immunologischen Studien liegt die Letalität von Covid-19 (IFR) bei insgesamt circa 0.1 Prozent bis 0.3 Prozent und damit im Bereich einer starken Influenza (Grippe). (…)
Bis zu 80 Prozent aller testpositiven Personen bleiben symptomlos. Selbst unter den 70- bis 79-Jährigen bleiben rund 60 Prozent symptomlos. Circa 95 Prozent aller Personen zeigen höchstens moderate Symptome. (…)
Das Medianalter der Verstorbenen liegt in den meisten Ländern (inklusive Italien) bei über 80 Jahren (zum Beispiel in Schweden bei 86 Jahren), und nur circa 4 Prozent der Verstorbenen hatten keine ernsthaften Vorerkrankungen. Das Sterbeprofil entspricht damit im Wesentlichen der normalen Sterblichkeit. (…)
In vielen Ländern ereigneten sich bis zu zwei Drittel aller Todesfälle in Pflegeheimen, die von einem allgemeinen Lockdown nicht profitieren. Zudem ist oftmals nicht klar, ob diese Menschen wirklich an Covid-19 starben oder an wochenlangem Stress und Isolation. (…)
Bis zu 30 Prozent aller zusätzlichen Todesfälle wurden nicht durch Covid-19 verursacht, sondern durch die Folgen von Lockdown, Panik und Angst. So ging etwa die Behandlung von Herzinfarkten und Hirnschlägen um bis zu 60 Prozent zurück, da sich Patienten nicht mehr in die Kliniken wagten.“
Angesichts solcher Fakten mutet es fast schon zynisch an, wenn Regierungen Staatstrauerakte für „Opfer des Virus“ inszenieren, ohne dabei zugleich der vielen Opfer zu gedenken, die zusätzlich durch die staatlichen Zwangsmaßnahmen zu beklagen sind — nicht nur durch Krankenhaus-Keime und gut gemeinte, aber tödliche Behandlungen (invasive Beatmung im künstlichen Koma, fragwürdige Medikationen), durch unterbliebene, überlebensnotwendige medizinische Eingriffe und Behandlungen (Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen et cetera), durch die Verweigerung der Aufnahme von lungenkranken alten Menschen in die Hospitäler, die man dann — besonders in Italien oder Spanien — in den Pflegeeinrichtungen oder in ihren eigenen Wohnungen elend sterben ließ, schließlich auch durch die zunehmende Anzahl von Suiziden aufgrund der um sich greifenden Traumatisierung von Menschen, die das Gefühl haben, eine Regierung, die eigentlich per Amtseid geschworen hatte, sie vor Gefahren zu schützen, würde nunmehr gegen die eigene Bevölkerung regelrecht psychologisch Krieg führen.
Besonders traurig ist, wenn auch Künstlerinnen und Künstler sich vor den Karren solcher Regierungen spannen lassen und bei entsprechenden Kampagnen aktiv mitwirken — ein Eindruck, der sich nicht zuletzt durch das oben zitierte Strategiepapier des BMI vom 22. März 2020 erhärtet, wo gefordert wird, dass das „Narrativ“ der Regierung „physische Distanz — gesellschaftliche Solidarität“ durch “viele Gesichter (Prominente, Politikerinnen und Politiker, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler), die sich mit der Kampagne identifizieren“, unablässig heruntergebetet wird (30). Wenn sich die Kultur damit gemein macht, wirkt sie letztlich selbst an ihrer eigenen Zerstörung mit.
Im Kultursommer herbeigeredet: Die zweite Welle
Seit Mitte Juli beschwören die Chefideologen im staatlichen Gesundheitsapparat — gemäß Szenario 2 des Strategiepapiers des BMI — die Gefahren einer „zweiten Welle“ herauf. Da kommen immer neue Horrormeldungen von der Südhalbkugel wie „zweiter Lockdown in Australien“ gerade recht — dort ist nämlich seit Anfang August meteorologischer Hochwinter und Beginn der ganz normalen Grippesaison. Insbesondere Reiserückkehrer aus solchen „Risikogebieten“ werden daher nun, „um einer zweiten Welle vorzubeugen“, auf Veranlassung von Gesundheitsminister Jens Spahn bei ihrer Rückkunft in Deutschland Zwangstests unterzogen, die dann nach 7 Tagen wiederholt werden müssen. Im Ausland vor der Rückreise vorgenommene Tests werden nicht akzeptiert: doppelter Gewinn für die etlichen Hersteller und Vertreiber der nach wie vor unzuverlässigen PCR-Tests in Deutschland.
Passend dazu teilte Swiss Policy Research mit, dass in der Schweiz ein Gesetz in Vorbereitung ist, welches die Zwangsmaßnahmen der Schweizer Regierung bis Ende 2022 festschreiben möchte (31). Auch hier mehren sich die Anzeichen dafür, dass mit einem Ende der Maßnahmen zumindest auch 2021 noch nicht unbedingt zu rechnen ist. Für KünstlerInnen, Veranstalter und Ensembles, die sich zur Zeit darauf einstellen, ab Anfang Januar 2021 ihren regulären Betrieb wieder aufzunehmen, würde dies das Armageddon bedeuten.
Die Kulturszene scheint aber unterdessen hierzulande in einer Art Dauerstarre. Zaghafte Kritik, zum Beispiel aus den Reihen von Kabarett und Kleinkunst, wird derzeit mit allen Mitteln mundtot gemacht. Wie Politik und Leitmedien mit berechtigter Kritik und demokratischem Protest umgehen, zeigte sich auch an den grotesken Folgen der Großdemonstration gegen die Corona-Maßnahmen in Berlin am 1. August 2020 — ironischerweise am weltweiten „Tag des Stinkefingers“: Wohl mehrere hunderttausend friedlich und demokratisch Protestierende, auf zahlreichen Fotos und Videos hinlänglich erkennbar, wurden in den Leitmedien als „20.000 wirre, rechtsextreme Chaoten, Impfgegner, Neonazis, Reichsbürger, Aluhüte und Verschwörungstheoretiker" diffamiert: „alternative Fakten“ mit Folgen.
Die Hochkultur zeigt sich hingegen trotz großer finanzieller Verluste linientreu: Anlässlich der Eröffnung der Salzburger Festspiele ebenfalls am 1. August sagte deren Präsidentin Helga Rabl-Stadler, man wolle mit den Festspielen „ein Zeichen setzen, dass trotz Coronakrise Kunst und Kultur möglich sind“. Aber der Preis sei hoch, so Rabl-Stadler in der Berliner Zeitung:
„Die Jubiläumsfestspiele waren vorbereitet, und der Intendant Markus Hinterhäuser und ich sind drei Monate auf drei Kontinenten unterwegs gewesen, um das Jubiläumsprogramm vorzustellen. (...) Im Februar hatten wir bereits 180.000 Karten im Wert von 24,5 Millionen Euro verkauft. Und dann kam Corona. (...)
Wir waren guter Hoffnung, um 30 Millionen Euro einzunehmen und 240.000 Karten zu verkaufen, jetzt werden wir für 8 Millionen Euro 80.000 Karten verkaufen. Gerade bei den Opernkarten, und das sind die teuren Karten, fallen uns sehr viele Einnahmen weg, und so viel Kosten kann man gar nicht einsparen, wie bei Einnahmen weggebrochen sind“ (32).
Unterdessen muss sich auch in Salzburg ein stark verkleinertes Publikum Maskenpflicht, Social Distancing und anderen Maßnahmen unterwerfen. Für die Jedermann-Premiere haben die Stars Caroline Peters und Tobias Moretti allein für einen Bühnenkuss schon zwei Wochen Quarantäne und Testungen auf sich genommen. Und mit täglichen Coronatests und eigenem Hygienebeauftragten ohne Abstandsregeln zu musizieren, können sich wohl auch nur die Wiener Philharmoniker leisten, die in Salzburg bei der Elektra-Premiere aufspielten: Dieses Orchester mit mehr als 140 aktiven PhilharmonikerInnen kann notfalls Staatsoper und Sinfoniekonzert gleichzeitig bestücken. Für etwaige Corona(aus)fälle gäbe es also hinlänglich Ersatzmusiker.
Quo vadis Kultur?
Noch ein Joseph Haydn wagte 1772, seinem Fürsten Esterházy durch seine berühmte Abschiedssinfonie — in der die Mitwirkenden mitten im Spiel ihre Instrumente einpacken, nach und nach die Bühne während des Stückes verlassen bis nach dem letzten Violinisten nur der Kapellmeister übrig bleibt — vor Augen zu führen, dass er bitte endlich den lange überfälligen Urlaub der Hofkapelle gewähren sollte. Und heute?
Da spielen die Berliner Philharmoniker in der bis auf den Bundespräsidenten leeren Philharmonie zum Europa-Tag eine an sich groß besetzte Mahler-Sinfonie in der Bearbeitung für kleines Kammer-Ensemble von Erwin Stein unter Wahrung der Abstände. Auch wenn es so möglicherweise nicht einmal gemeint war — sinnfälliger könnte der Kotau der Kultur vor der Staatsräson kaum zum Ausdruck kommen.
Wann wagt nun aber endlich einmal ein deutsches Sinfonieorchester, eine groß besetzte Mahler-Sinfonie in Gesamtstärke, aber mit allen durch die Abstandsregeln auf dem Podium fehlen Müssenden vor einem Lücken-Publikum aufzuführen, zu streamen, aufzuzeichnen? Die völlige Unzulänglichkeit solchen Tuns würde dann endlich einmal schmerzhaft demonstrieren, was gerade für immer zerstört zu werden droht.
Ein weiterer Lockdown würde für die Veranstaltungskultur den Todesstoß bedeuten.
Wann protestieren Künstlerinnen und Künstler endlich, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und darauf zu hoffen, dass bald alles vorbei ist? Wo bleibt der Aufschrei:
„Wir wollen uns nicht Regeln unterwerfen müssen, die die Ausübung unserer Künste unmöglich machen! Wir wollen nicht vor einem durch Verordnungen massiv dezimierten, lückenhaften Publikum auftreten, das sich durch Akzeptanz ohnehin kaum effektiver Masken-Maulkörbe und Social Distancing selbst kujoniert und aus unbegründeter Angst zum Mitverschwörer eines Staates gemacht hat, der aus nicht ausreichenden Gründen die Rechte der Staatsbürger anhaltend und massiv untergräbt! Hier geht es um unsere eigene Existenz, die Verpflichtung gegenüber unseren individuellen Begabungen und um alles, wofür wir bislang gelebt haben, was wir vielleicht aber bald nicht mehr dürfen.“
Kulturstaatsministerin Monika Grütters ruft auf ihrer Homepage zum aktiven Dialog auf — eine Gelegenheit, die man vielleicht nutzen könnte und sollte:
„Das Kulturleben Berlins gehört zu meinen persönlichen Leidenschaften. Die Bühnen, Museen, Ateliers und Tanzsäle dieser Stadt bieten eine unglaubliche Vielfalt kultureller Angebote. (…) Ich würde mich freuen, wenn Sie sich von meiner Begeisterung dafür anstecken ließen. Natürlich bin ich auch für neue Anregungen dankbar. Schicken Sie mir Ihre Meinungen und Tipps gern an monika.gruetters@bundestag.de. Ich bin gespannt auf Ihre Resonanz und Vorschläge“ (33).
Unbestreitbar ist, dass es sich bei Covid-19 durch das SARS-CoV-2-Virus um eine weitere ernste Atemwegserkrankung handelt, die — wie die Grippe und andere Viruserkrankungen — in seltenen Fällen tödlich verlaufen kann, insbesondere bei Alten, Vorerkrankten und Menschen mit geschwächtem Immunsystem.
Aber angesichts einer Letalität, die — ungeachtet manipulierter Statistiken und Zahlendarstellung — deutlich unterhalb der Influenza bleibt, wie auch der Tatsache, dass — ebenfalls wie bei der Grippe — auch dann Menschen weiterhin an SARS-CoV-2 sterben , selbst wenn Impfstoffe dagegen gefunden werden, bleibt zu fragen, ob die Zwangsmaßnahmen der Regierung verhältnismäßig waren und sind. Und die Entscheidungsträger werden sich selbst bis an ihr Lebensende fragen müssen, ob der drohende wirtschaftliche Kollaps, der weitgehende Verlust unserer Kulturlandschaft wie auch die massive Schädigung von Millionen Einzelpersonen durch ihr Verhalten gerechtfertigt waren — und sie werden mit ihren Entscheidungen und deren Konsequenzen weiterleben müssen …
Quellen und Anmerkungen:
(1) https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bildung-Forschung-Kultur/Kultur/Publikationen/Downloads-Kultur/spartenbericht-musik-5216203169004.pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 12. Juli 2020.
(2) https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Jahrbuch/jb-kultur-medien-freizeit. pdf?__blob=publicationFile, abgerufen am 12. Juli 2020.
(3) www.miz.org/statistiken.html, abgerufen am 12. Juli 2020.
(4) https://www.stmwk.bayern.de/download/20522_Schutz-_und_Hygienekonzept_Kulturelle_Veranstaltungen_und_Proben.pdf, abgerufen am 12. Juli 2020.
(5) https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/kirchenmusik-im-abseits-100.html, abgerufen am 12. 7. Juli 2020.
(6) Download: https://www.deutscher-chorverband.de/news/detail/meldung/moeglichkeiten-zum-chorischen-musizieren-unter-sars-cov-2/, abgerufen am 12. Juli 2020.
(7) https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-who-erkennt-aerosol-uebertragung-an-a-e536b41a-c9f7-4566-9e6e-32ebf86a7251, abgerufen am 12. Juli 2020.
(8) https://www.who.int/news-room/commentaries/detail/transmission-of-sars-cov-2-implications-for-infection-prevention-precautionsletzter Aufruf ?
(9) https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-wie-breiten-sich-aerosole-beim-singen-aus-a-b0cc5358-2156-4a4d-9209-2239ec4e96f5, abgerufen am 28. Juli 2020.
(10) https://www.mdr.de/thueringen/chor-corona-jena-erfurt-singen-chorsterben-100.html, abgerufen am 10. Juli 2020.
(11) Tagesspiegel, 28. Juni 2020, abgerufen am 29. Juli 2020: https://www.tagesspiegel.de/kultur/philharmoniker-intendantin-warum-sollten-konzerthaeuser-gefaehrlicher-sein-als-gaststaetten/25957164.html
(12) Stuttgarter Zeitung, 29. Juli 2020: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.kinos-in-der-corona-krise-neue-abstandsregeln-gefordert.2e7a7758-310b-40a4-a5e1-51e122e0c9cb.html
(13) Mitteilung 253 des Bundespresseamtes vom 14. Juli 2020, abgerufen am 29. Juli 2020: https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien/aktuelles/neustart-kultur-programm-fuer-corona-bedingte-umbaumassnahmen-laeuft-an-kulturstaatsministerin-gruetters-schritt-fuer-schritt-hin-zu-mehr-normalitaet--1768678
(14) Download unter: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Konjunkturpaket/2020-06-03-eckpunktepapier.html
(15) Abgerufen am 6. April 2020, Download unter: https://fragdenstaat.de/dokumente/4123-wie-wir-covid-19-unter-kontrolle-bekommen
(16) „Wie sagt man es den Leuten?“, Artikel von Eckart Lohse, Markus Wehner, Helene Bubrowski, FAZ vom 2. April 2020: https://zeitung.faz.net/faz/politik/2020-04-02/f8e7cfb89e5590d367435a9fa8a0a702/?GEPC=s5
(17) „Gefahr im Verzug“, Artikel von Hans Springstein, www.rubikon.news, 11. Mai 2020: https://www.rubikon.news/artikel/gefahr-im-verzug
(18) „Der Dauer-Notstand“, Artikel von Elke Schenk, www.rubikon.news, 22. April 2020: https://www.rubikon.news/artikel/der-dauer-notstand
(19) „Die Viren-Diktatur“, Artikel von Gerd Reuther, www.rubikon.news, 25. Juli 2020: https://www.rubikon.news/artikel/die-viren-diktatur
(20) „Apologeten der Angst“, Artikel von Nicolas Riedl, www.rubikon.news, 5. April 2020: https://www.rubikon.news/artikel/apologeten-der-angst
(21) „Stability issues of RT-PCR testing of SARS-2 for hospitalized patients clinically diagnosed with COVID-19“: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32219885
(22) https://swprs.org/covid-19-hinweis-ii, abgerufen am 30. Juli 2020.
(23) „Warum die Diskussion um den PCR-Test nicht endet“, Artikel von Oliver Märtens, multipolar-magazin.de, 6. Juni 2020: https://multipolar-magazin.de/artikel/diskussion-pcr-test
(24) Siehe dazu auch unter: www.wodarg.com, abgerufen am 30. Juli 2020.
(25) Siehe dazu: https://www.fda.gov/medical-devices/emergency-situations-medical-devices/faqs-testing-sars-cov-2#validation, abgerufen am 30. Juli 2020.
(26) https://www.cdc.gov/coronavirus/2019-ncov/hcp/duration-isolation.html, abgerufen am 2. August 2020.
(27) „Die geheilten Toten“, Artikel von Jens Bernert ,www.rubikon.news, 16. Juli 2020: https://www.rubikon.news/artikel/die-geheilten-toten
(28) „Coronavirus: Irreführung bei den Fallzahlen nun belegt“, Artikel von Paul Schreyer, multipolar-magazin.de, 28. März 2020: https://multipolar-magazin.de/artikel/coronavirus-irrefuhrung-fallzahlen
(29) „Das Schweigen der Viren“, Artikel von Oliver Märtens, multipolar-magazin.de, 21. Juni 2020: https://multipolar-magazin.de/artikel/das-schweigen-der-viren
(30) Siehe Quelle 15.
(31) https://notrecht-referendum.ch, abgerufen am 30. Juli 2020.
(32) https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/kunst-darf-ihre-rechtfertigung-nie-aus-ihrer-rentabilitaet-ziehen-li.96152, abgerufen am 30. Juli 2020.
(33) https://www.monika-gruetters.de, abgerufen am 31. Juli 2020.
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