Sie läuten für die Rebellen, für die Ausgestoßenen und die Verlassenen. Sie läuten für die Flüchtlinge, die unbewaffnet über die Straßen ziehen — einer ungewissen Zukunft entgegen. Sie läuten für die Suchenden, die einsam Liebenden und jene, die man zu Unrecht in ein Gefängnis warf. Sie läuten nicht zuletzt für alle Soldaten, deren Stärke gerade darin besteht, nicht zu kämpfen … Die Rede ist von den „chimes of freedom“ — den Glocken der Freiheit. Bob Dylan hat den Text zu diesem beeindruckenden Lied geschrieben. Und er hat damit quasi die Essenz all dessen benannt, wofür engagierte Kunst lange gestanden hat.
Nicht zuletzt war es die Freiheit, die nicht wenige Künstlerinnen und Künstler zu ihrem vorrangigen Anliegen erkoren haben. Diese — und die uneingeschränkte Solidarität mit allen Ausgegrenzten der Gesellschaft. Bruce Springsteen hatte seine Version dieses Lieds im Juli 1988 bei einem gigantischen Freiluftkonzert in Ost-Berlin vorgetragen. Das war gut ein Jahr, bevor die Mauer fiel. Eine eindrucksvolle Manifestation politischer Kultur, die nicht ohne Wirkung geblieben ist. Leider hat sich auch Bruce Springsteen, wie viele Ex-Rebellen, mittlerweile von der Freiheit ab- und dem autoritären Zeitgeist zugewandt.
Maskiert zum Freiheits-Konzert
Nun leben wir im Jahr 2021 nicht mehr in der DDR. „The times they are-a-changin“. Die Zeiten haben sich geändert — und vielfach zum Schlechteren. Ein Konzert wie das erwähnte wäre heute in Ostberlin undenkbar. Selbst im Juli bei „niedrigen Inzidenzen“. Würde ich mich heute entschließen, das Konzert eines Freiheitssängers aufzusuchen, täte ich besser daran, rechtzeitig vorher Termine für meine erste und zweite Impfung zu vereinbaren. Mindestens aber — im günstigsten Fall — müsste ich mich im örtlichen Testzentrum anmelden und mir ein Wattestäben in die Nase rammen lassen.
Ich müsste bei Annäherung an das Konzertgebäude meine Maske überstülpen. Ich würde am Eingang von Ordnern aufgehalten werden, die nicht nur mein Ticket checken, sondern mich auch nach einem 3G-Nachweis und der „Luca-App“ fragen. Hätte ich letztere nicht auf ein Handy geladen oder käme ich gar ohne Smartphone zum Veranstaltungsort, könnte ich froh sein, wenn man mich nicht gleich nach Hause schickt und mich ersatzweise bittet, Adresse und Telefonnummer auf einer bereitliegenden Liste zu hinterlassen. Über Lautsprecher würde ich über die Hygieneregeln informiert und zum Abstandhalten aufgefordert werden, obwohl die Teilnehmerzahl im Saal ohnehin begrenzt wäre. Ordner würden mich mit ernster Miene und autoritärem Gebaren zu meinem Platz weisen. Rings um mich wären die Plätze frei.
Dann beträte der Freiheitssänger die Bühne. Könnte man den Saal aus seiner Perspektive wahrnehmen, wäre da ein Meer von Köpfen — die untere Gesichtshälfte einheitlich von weißen Masken bedeckt. Niemand würde lächeln. Keine im Begeisterungstaumel geöffneten Münder wären zu sehen. Kein Unterhaken und Umarmen. Einzig am kurzfristigen Aufleuchten mancher Augen bei Erwähnung des Worts „Freiheit“ könnte der Sänger erkennen, mit welcher Sehnsucht die Zuschauer zu ihm gekommen waren.
Unterdessen würde man an den Türen die wirklich freien Menschen brüsk zurückweisen, jene wenigen, die so naiv waren, anzunehmen, man würde sie „einfach so“ hineinlassen — ohne Nachweise, dass sie irgendeiner „G“-Gruppe angehören. Die Freiheit, dem Freiheitssänger zu lauschen, müsste durch eine ganze Serie von Unterwerfungsgesten erkauft werden. Und es wäre keineswegs der persönlichen Überzeugung des Künstlers überlassen, wie rigide oder locker er die Regeln interpretiert.
Eine ruhiggestellte Kulturszene
Noch schlimmer als all diese Regularien, die ja immerhin noch mit dem Schutz vor Ansteckung begründet werden können, ist aber das Schweigen sehr vieler Künstler zur eskalierenden Unmenschlichkeit und Freiheitsvergessenheit in unserem Land. Ich werfe niemandem vor, die Corona-Lage als bedrohlicher einzuschätzen, als ich es tue — vielleicht weil der Betreffende andere Informationen nutzt als ich oder andere Schlussfolgerungen aus ihnen zieht. Ich werfe niemandem vor, mal einer Grundrechtedemo fernzubleiben, weil die dort gelegentlich gesichteten „Reichskriegsflaggen“ mit seinen Überzeugungen unvereinbar sind.
Aber warum nutzen die meisten etablierten oder auch weniger bekannten Künstler die ihnen zur Verfügung stehenden Foren nicht — Auftritte, Sprech- und Musikvideos, Interviews, soziale Medien und Webseiten —, um öffentlich zumindest Bedenken anzumelden: Bedenken zur psychischen Situation der Kinder in Zeiten der Masken- und Abstandspflicht; Bedenken zur grassierenden Internetzensur; Bedenken zur Hasssprache gegenüber Ungeimpften, auch in der etablierten Presse; Bedenken zu den Nebenwirkungen und zur unzureichenden Wirksamkeit der Impfmittel; Bedenken zur mittlerweile allgegenwärtigen Ausgrenzung und Diffamierung eines Teils der Bevölkerung, die an schlimme Zeiten der deutschen Geschichte erinnern; Bedenken mindestens zum jetzt intendierten Angriff auf die körperliche Selbstbestimmung der Menschen mittels einer Impfpflicht?
Auch wenn die meisten Künstler selbst geimpft und gegenüber dem Regierungs-Narrativ aufgeschlossen sind — rechtfertigt dies, dass sie keinen Finger für Menschen rühren, die einer anderen, mittlerweile massiv diskriminierten Gruppe angehören als sie? Sie haben sich ja auch für Flüchtlinge eingesetzt, obwohl sie selbst keine sind; für Arme, obwohl sie selbst keine sind; für Homosexuelle, auch wenn sie selbst keine sind … Bezüglich der Ungeimpften dagegen muss man die Mehrheitsgesellschaft mittlerweile schon vorsichtig darauf aufmerksam machen, dass es sich bei ihnen um Menschen handelt. „Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht?“, wie es bei Shakespeare im „Kaufmann von Venedig“ heißt. Es fährt ein Zug ins politische Nirgendwo, ein Express in ein zunehmend sich verdunkelndes und unmenschliches Land — und sehr viele, auch zuvor durchaus aufrechte Menschen, beeilen sich, diesen Zug noch zu erreichen, um auf ihn aufzuspringen.
Auftretende Künstler in der Zwickmühle
Die Lage der auftretenden Künstler in unserer Zeit ist zweifellos tragisch. Sie, die mehr als jede andere Berufsgruppe für einen freien Geist, für das Unkonventionelle und Nonkonforme stehen, sehen sich gezwungen, wie nur wenige andere als Handlanger der Macht zu fungieren, wollen sie überhaupt die Möglichkeit haben, ihr Gewerbe auszuüben. Nicht weil sie persönlich in allen Fällen besonders „regierungsnah“ wären, sondern weil die Ausübung ihrer Kunst per se ein Hygienerisiko darstellt.
Viele Menschen auf engem Raum in emotional geladener Atmosphäre. Ein Konzert ist die Steigerung all dessen, was Menschen an sich schon verdächtig macht: Sie atmen aus, singen und rufen manchmal, suchen die körperliche Nähe der anderen. Ausgerechnet die Musik also, die wie keine andere Kunst Menschen zusammenführt und Grenzen aller Art — zum Beispiel solche der Nationalität, Religion, des Geschlechts und der sexuellen Orientierung — gänzlich irrelevant erscheinen lässt, ist nun dazu verdammt, die neue Spaltung und Ausgrenzung augenfällig werden zu lassen.
Die Live-Kultur wurde und wird in den bisher 22 Corona-Monaten massiv behindert. Wo sie nicht wegen hoher Inzidenzzahlen ohnehin verboten wird, schränkt man die Anzahl der Gäste stark ein — oder man raubt den Gästen buchstäblich den Atem. Es genügt eigentlich, dass sich ein gewisser Prozentsatz der potenziellen Zuschauer wegen der rigiden Regeln und Teilnahmebedingungen „irgendwie nicht wohl fühlt“ — und schon ist dies für die Künstler mit Einnahmeeinbußen verbunden. Und man sollte sich nicht einbilden, dass durch die Ver- oder Behinderung von Live-Konzerten nicht auch der Erfolg durch Streaming oder CD-Verkäufe beeinträchtigt wäre. Künstlerinnen und Künstler haben heute schlicht weniger Möglichkeiten, auf ihre Existenz aufmerksam zu machen.
Die Reaktion vieler Betroffener auf diese eigentlich unhaltbaren Zustände ist teilweise heftiger Widerstand — allerdings nicht gegen die Politiker, die das alles zu verantworten haben, sondern gegen jenen Teil des Publikums, der sich für ein Ende der Maßnahmen und damit auch für die Befreiung der Kunst eingesetzt haben. „Uns hat es schon richtig die Suppe verhagelt. Nächstes Jahr im Frühjahr könnte es sein, dass es die Hälfte von uns nicht mehr gibt. Die Reichen, die Superstars, die können auch noch fünf Jahre pausieren. Das macht denen gar nichts. Aber die kleinen Künstler, die erwischt es als Erste.“ So hellsichtig äußerte sich Deutschrock-Veteran Heinz Rudolf Kunze Ende November 2021 in einem Interview mit der Deutschen Presseagentur.
Und Kunze hat auch schon die Schuldigen an der Misere ausgemacht: „Noch mal danke an alle Unbelehrbaren, die sich nicht impfen lassen und die jetzt wahrscheinlich im Winter dafür sorgen werden, dass es auch im Konzertbetrieb in geschlossenen Räumen zu Verschärfungen kommen wird.“ Es ist erstaunlich, dass es kein noch so falsches und gemeines Narrativ der Regierung gibt, das auch früher relativ unabhängige Denker nicht unhinterfragt nachplappern würden. Selbst die von einer außerordentlich niedrigen Gesinnung zeugende Sündenbocktheorie, wonach Ungeimpfte für das Scheitern der von der Politik vehement vorangetriebenen Impfpolitik verantwortlich seien, ist mittlerweile auch in der Kulturszene in aller Munde.
Die unkritische Masse
Was Kunze und ähnlich denkende Menschen nicht sehen wollen: Die Suppe haben sich Angepasste selbst mit eingebrockt. Heute scheint klar, dass Anfang 2020 ein entschlossenes „Nein“ all derer notwendig gewesen wäre, die von der desaströsen Maßnahmenpolitik betroffen waren und deren Stimme wegen ihrer Prominenz durchaus gehört worden wäre. Die Aktivitäten der Protestbewegung, die sich teilweise mit der Gruppe der heute „Ungeimpften“ überschneidet, wären geeignet gewesen, eine Politikwende einzuleiten — auf der Basis einer ausgewogenen Berücksichtigung aller kompetenten Stimmen zu Corona.
Wie sähe unser Land dann heute aus, wenn auf krude Freiheitseinschränkungen, auf die Zerstörung von Teilen der Wirtschaft, auf eine Politik der Spaltung und der Entrechtung verzichtet worden wäre? Vermutlich besser — ein Land wie Schweden, das derzeit nicht nur über eine intaktere Wirtschaft und Gesellschaft verfügt als wir, sondern tatsächlich auch eine weit günstigere Coronalage vorzuweisen hat. Und wie haben prominente Künstlerinnen und Künstler seinerzeit auf diese Protestbewegung reagiert? Sie haben sie beschimpft und diffamiert — meist als „rechts“, während gleichzeitig mit ihrer Duldung von Linken und „Mitte“ ein Regime errichtet wurde, dessen totalitärer Paternalismus in der Nachkriegsgeschichte seinesgleichen sucht.
War erst einmal eine unkritische Masse angepasster Künstlerinnen und Künstler erreicht, erschien es dem zögernden Rest zu riskant, sich angesichts der öffentlichen Hexenjagd noch als „Corona-Skeptiker“ zu positionieren. Mit jedem Schweiger wurde es jedoch unwahrscheinlicher, dass ein Einzelner den Aufschrei wagte. So entmutigten sich die Zauderer gegenseitig, und nicht wenige glaubten sicherlich tatsächlich an das staatlicherseits propagierte Narrativ. Der Geist des Menschen ist fast unbegrenzt formbar. Die „eigenen Meinungen“ der allermeisten richten sich nach der Macht aus wie Eisenspäne nach einem Magneten. Künstler sind in dieser Beziehung auch nur Menschen.
Kleine gallische Dörfer
Wenige — zu wenige — haben von Anfang an klar gegen den massiven Freiheitsabbau im Land, gegen die Gehorsamsdressur, der wir permanent ausgesetzt sind, gegen Kulturverödung und die mit staatlichen „Maßnahmen“ einhergehende Unmenschlichkeit im Kleinen wie im Großen aufbegehrt. Diese Minderheit hatte und hat es schwer, gegen verbreitetes Unverständnis und allfällige Dialogverweigerung anzukämpfen. Viele von ihnen „stehen“ trotz heftigen Gegenwinds auch nach fast zwei Jahren Krisendauer noch immer. Und zum Glück scheint es, als ob die Basis für eine neue Protestkultur — gegen den „Corona-Mainstream“, aber auch bei anderen Themen — breiter wird. Immer wieder kommen mir Aussagen und Lied-Videos tapferer Künstlerinnen und Künstler zu Ohren. Ich habe versucht, einige davon in meinen Artikeln „Protestnoten“ und „Die neue Widerstandskultur“ zu dokumentieren.
Aus der Überschriftenidee „Protestnoten“ wurde jetzt tatsächlich der Titel einer frisch produzierten CD mit kritischen Liedern und Texten zur Corona-Politik. Sie wird am 21. Januar 2022 erscheinen und die ganze Fülle der jetzt aufbrechenden Kreativität dokumentieren. Diese neue deutsche Welle ist dem Leiden am Zeitgeist geschuldet, ebenso wie der objektiven Notwendigkeit, der herrschenden Corona-Alternativlosigkeit den Protest des Geistes und der Fantasie entgegenzusetzen. Initiator, Hauptmitwirkender und Produzent des Albums ist Jens Fischer Rodrian.
Der Gitarrist, Komponist und Slampoet verfügt über reichhaltige Erfahrung als Studiomusiker und Produzent. Mit der Corona-Krise vollzog sich bei ihm ein schrittweises Erwachen, verfestigte sich der Entschluss, sein Talent ganz in den Dienst der Aufklärung in Zeiten eines sich verfinsternden politischen Horizonts zu stellen. Da wir beide ehemalige Wegbegleiter und Mitarbeiter Konstantin Weckers waren, denen ihr „Mentor“ jedoch in Richtung Angepasstheit verloren gegangen ist, verstanden wir uns auf Anhieb. Ich begann, Jens Musikvideos und Texte im Magazin Hinter den Schlagzeilen und auch auf Rubikon zu publizieren, und der Musiker vertonte zu meiner Freude auch einen Text von mir: „Der letzte freie Tag“.
Jens selbst schrieb zwei mitreißende Protestlieder mit den Namen „Es gibt ein Leben ohne Tod“ sowie „Die Armada der Irren“. Er begann sich sehr breit zu vernetzen, sammelte Mitstreiter ein und trat in einer Reihe von Talkshows der freien Medienszene auf, unter anderem bei Gunnar Kaiser, Paul Brandenburg und Markus Langemann sowie bei der Aktion #allesaufdentisch. So flossen ihm auch immer mehr Protestlieder von Kollegen zu. Es verfestigte sich der Eindruck, dass der kritische Geist im Land keineswegs inexistent war, dass er lediglich im Verborgenen blühte.
Die Idee Jens Fischer Rodrians war es, einen Sampler mit Protestliedern zu produzieren, die direkt oder indirekt auf Corona Bezug nehmen und die es schaffen sollten, die mittlerweile schmerzliche Lücke im Protestliedgenre auszufüllen. Daraus wurde eine Materialsammlung, die für mehr als eine CD ausreicht.
Zusammen mit seinem neuen Medienpartner Matthias Niemyt von A-MAZE-ING-music, der sich auch um die eigene Crowdfunding-Plattform kümmerte, erarbeitete Jens die Online-Präsentation der Protestnoten. Geplant sind schon weitere Aktionen, unter anderem eine starke Vernetzung mit der Genossenschaft „Menschlich Wirtschaften“, die Sabine Langer ins Leben gerufen hat. Es geht unter anderem darum, der Widerstandskultur eine neue Heimat zu schaffen — sind doch viele der beteiligten Künstlerinnen und Künstler Heimatvertriebene, die in ihrem alten Umfeld mittlerweile nicht mehr publizieren können oder wollen.
Ein Multimedia-Projekt
Der Rubikon-Verlag konnte für die Idee gewonnen werden, ein Buch mit Essays Jens Fischer Rodrians sowie sämtlichen Texten der CD und 5 Kurzinterviews mit Künstlerinnen und Künstlern wie Nina Adlon und Nina Proll herauszubringen. Die CD, die zunächst im Januar separat erscheinen wird, soll dann im zweiten Schritt wenig später dem publizierten Rubikon-Buch beigelegt werden. Zeitweise plante der Künstler auch eine Finanzierung über die Crowdfunding-Seite „Wemakeit“.
Allerdings kam dann von den Betreibern ein fragwürdiges Briefchen bei ihm an. Die Plattform könne „Protestnoten“ nicht unterstützen, da sie den Richtlinien … und blabla … das übliche von YouTube bekannte Zensorengerede. Faktisch versucht das Portal, kritische Stimmen zu Corona unhörbar zu machen, indem es dazu beiträgt, solche Projekte finanziell auszutrocknen. Natürlich machte Fischer Rodrian trotzdem weiter und organisiert das Crowdfunding nun selbst. Und die CD wird ja über die Verkäufe einiges einspielen können.
Auf der offiziellen Webseite zum Projekt können Sie sich schon mal ein Bild davon machen, worum es geht und wer dabei ist.
Der bekannte Philosoph Gunnar Kaiser hat sich bereit erklärt, als Herausgeber von CD und Buch zu fungieren, und steuert auch selbst einen Text bei. Viele seiner rhetorisch sehr dichten Vorträge sind ohnehin längst „Lyrik“.
Weiter sind mit dabei: Fischer Rodrians Frau, die hervorragende Sängerin und Songwriterin Alexa Rodrian, die große Tochter Lou Rodrian, die Liedermacher Lüül und Jakob Heymann, der Art-Rock-Künstler Rob T. Strass, die Poetry-Slamerin Sabrina Khalil und etliche andere. Zu den Höhepunkten des Albums gehört auch eine deutsche Version des Protestklassikers „Danser encore“ des französischen Künstlers HK. Viele der Titel, die zu hören sind, wurden von Jens Fischer Rodrian arrangiert, vertont, begleitet und produziert, andere wurden ihm schon als fertige Werke für die CD anvertraut.
„Der Diskurs und das Ringen nach der besten Lösung ist ein Grundbaustein jeder freien Gesellschaft“, schreibt Jens Fischer Rodrian in einem Begleittext auf der Webseite zum Projekt. „Unterschiedlichste Standpunkte müssen Bestandteil der künstlerischen Auseinandersetzung sein dürfen — und genau das kommt seit März 2020 viel zu kurz. Ein Großteil der Künstler duckt sich weg und äußert sich gar nicht. Andere rufen sogar zur Impfung auf und versprechen sich so den Weg zurück in die Normalität. Musiker, die leise oder laut vom Regierungskurs abweichen und die Impfung ablehnen, werden ausgegrenzt und ins rechte Lager gesteckt, verlieren ihre Gigs oder werden als Coronaleugner und Sozialschädlinge diffamiert.“
Verspieltes Vertrauen
Keiner seiner kritischen Kollegen, so der „Protestnoten“-Initiator, leugne die Existenz des Coronavirus. „Der Sachverstand über die Krankheit und deren Gefährlichkeit, Details zum PCR-Test und die Kenntnis zu Impfrisiken ist bei Kritikern der Maßnahmen meiner Erfahrung nach wesentlich ausgeprägter. Das alles nützt aber nichts, denn egal wie fundiert man argumentiert, wer vom Gesellschaftsnarrativ abweicht, ist raus.
Ein Teil des Kunstbetriebes mutiert gerade zum Erfüllungsgehilfen staatlicher Anordnungen und begreift sich als verlängerter Arm der Regierungsdoktrin. Stück für Stück verliert die Kunst den Raum, sich kritisch mit dem Jetzt auseinanderzusetzen.“ Und Jens Fischer Rodrian weiß, dass mehr auf dem Spiel steht, als nur die Glaubwürdigkeit des einen oder anderen Einzelakteurs. „Wenn sich die Kunst das gefallen lässt, stirbt sie. Den Finger immer wieder in die Wunde zu legen und auf den drohenden Verlust der Freiheit aufmerksam zu machen, sollte eine ihrer wichtigsten Aufgaben sein. Wenn sie sich das nicht mehr traut, ist sie obsolet.“
Leider haben viele Künstler die von Bob Dylan anfangs beschworenen Ideale aufgegeben. Ebenso den von ihnen in vielen Liedern einfühlsam thematisierten Schutz verfolgter Minderheiten. Natürlich ist eine Umkehr und Besinnung an jedem Punkt des Verfallsprozesses unserer Gesellschaft möglich; je später sie jedoch kommt, desto mehr Porzellan wird zerbrochen, desto mehr Vertrauen verspielt sein. Wenn sich die „alte“ Kultur der engagierten Deutschrocker, Chansoniers und Nischenkünstler also ganz offensichtlich in einem Prozess der Selbstauflösung befindet, was soll man tun, will man nicht resignieren? Die Lösung hat Jens Fischer Rodrian mit seinem CD- und Buchprojekt angeregt. Es muss eine neue Protestkultur geschaffen werden, die furchtlos am Puls der Zeit agiert, allen Gewalten zum Trotz nach der Wahrheit sucht, radikal auf der Seite der Erniedrigten und Beleidigten steht, dabei aber auch eine Verwundbarkeit zeigt, hinter der stets eine nicht tot zu kriegende Liebe zum Leben hervorscheint.
Aus der zunächst einmaligen Aktion „Protestnoten“ soll eine ganze Serie werden. Material für weitere Alben liegt schon zum großen Teil vor. Konzerte sind anvisiert, so sie irgendwann einmal unter würdigen Bedingungen werden stattfinden können. Eine neue Anlaufstelle für freie Kultur soll entstehen, ein Label, das noch vielen weiteren unabhängigen Geistern in dieser gleichgerichteten Kulturlandschaft als Sprungbrett dienen wird.
Jens Fischer Rodrian fasst die Botschaft, die von seinem Projekt ausgeht, so zusammen:
„Nein, die Musikszene ist nicht einhelliger Meinung, dass die Maßnahmen gerechtfertigt sind.
Nein, nicht alle von uns glauben, dass es hier jemals um Gesundheitsschutz ging.
Nein, schweigen ist für uns keine Option mehr!
Jeder muss sich jetzt und in ein paar Jahren die Frage gefallen lassen, was er seit März 2020 unternommen hat, als die Demokratie in ihre größte Krise schlitterte.
War man Teil der Lösung oder Teil des Problems?“
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